Protocol of the Session on June 29, 2011

Wir kommen zur Ausschussüberweisung.

Federführend soll der Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen tätig werden, mitberatend der Ausschuss für Haushalt und Finanzen. Spricht sich

jemand dagegen aus? - Enthält sich jemand? - Ich sehe, das ist nicht der Fall. Dann ist so beschlossen worden.

Ich kann jetzt den Tagesordnungspunkt 18 aufrufen:

Abschließende Beratung: a) Alleen schützen - Landschaftsbild erhalten - Verkehrssicherheit verbessern - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 16/3306 - b) Niedersachsen ist Land der Alleen - Bestandsschutz und Landschaftsbild wahren - Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP - Drs. 16/3309 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr - Drs. 16/3618 - Änderungsantrag der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 16/3790

Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, den Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP unverändert anzunehmen und den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen abzulehnen.

Der gemeinsame Änderungsantrag der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in der Drs. 16/3790 zielt auf eine Annahme des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in der Drs. 16/3306 in einer geänderten Fassung ab.

Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Wir kommen damit zur Beratung. Zu Wort gemeldet hat sich Herr Hagenah für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Herr Hagenah, ich erteile Ihnen das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der vorliegende Antrag von CDU und FDP geht zwar in die richtige Richtung zum Schutz unserer wertvollen Straßenbäume,

(Björn Thümler [CDU]: Aber immer- hin!)

löst aber das Grundproblem nicht. Er mag in einigen Fällen die unsinnige Vorgabe von Verkehrsminister Bode ausbremsen, mit der er die Mitfinanzierung kommunaler Straßenbauvorhaben durch die Entflechtungsgesetzmittel seit Neuestem von der Einhaltung von Abständen zwischen Fahrbahn und Straßenbäumen abhängig macht, die in der Realität in der Regel aber nicht erfüllt werden kann. Der Prüfauftrag - nichts weiter ist das, was

CDU und FDP zur Abstimmung gestellt haben - zu Ausnahmen vom Bode-Kahlschlag löst das Problem nicht; denn er ist beschränkt auf Straßen mit schwacher verkehrlicher Auslastung und geringen Unfallgefahren. Es geht Ihnen von CDU und FDP offenkundig nur um vereinzelte Ausnahmen von der Regel, nicht aber um einen Bestandsschutz für Niedersachsens Baumalleen.

Gegen diesen landesweiten Abholzplan im Namen vorgeblicher Verkehrssicherheit laufen nicht nur die Umweltverbände, sondern auch die damit bereits konfrontierten Kommunen völlig zu Recht Sturm. Wir Grünen setzen uns deshalb mit unserem Antrag für einen konsequenten Baumschutz ein und legen heute nach den Beratungen im Ausschuss zusammen mit der SPD einen weiterentwickelten Änderungsantrag vor, um allen hier im Hause zur Abstimmung stehende Alternativen klar vor Augen zu führen.

Wir alle sind uns doch einig darin, dass es immer noch zu viele vermeidbare Verkehrstote und -verletzte gibt. Bäume sind aber keine Unfallursache, wie es leider auch im CDU/FDP-Antrag steht. Da fängt doch die schiefe Wahrnehmung der Verkehrsplaner gegenüber dem Straßenbegleitgrün schon an.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Allein bei 8 der 43 angemeldeten Bauprojekte an niedersächsischen Kreisstraßen droht aktuell der massive Einsatz der Kettensäge. Und das ist nur der Anfang; denn langfristig werden bei unveränderter Gültigkeit und Anwendung der neuen Vorgaben alle niedersächsischen Straßenbäume, die außerhalb von Ortschaften weniger als 7,5 m von der Straße entfernt stehen - wo ist das schon der Fall? -, für die Motorsäge freigegeben. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das können und wollen wir in Niedersachsen nicht zulassen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Dabei ist selbst nach Auskunft des Bundesverkehrsministeriums ein flexibleres baumschonendes Vorgehen vom Bund gedeckt. Wir bekamen dort die Auskunft, dass die RPS - also die „Richtlinie zum passiven Schutz an Straßen durch Fahrzeugrückhaltesysteme“ - grundsätzlich nur für die Straßen des Bundes gilt. Was für Landes- und Kreisstraßen gelten soll, entscheiden die Länder selbst. Wir sind hier diejenigen, die das bestimmen.

Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, fordern wir mit unserem Änderungsantrag die Landesregierung auf, diese RPS in eingeschränk

tem Maß nur auf technische Hindernisse an Kreis- und Landesstraßen anzuwenden und in Niedersachsen stattdessen die verträglichere ESAB, die „Empfehlung zum Schutz vor Anprall auf Bäume“, die ja im Jahr 2006 aktualisiert worden ist und heute somit dem Stand der Technik entspricht, zur Regel zu machen, wenn Entscheidungen über Baumalleen anstehen. Sie lässt das Entfernen von Bäumen nur als letzte Möglichkeit zu, wenn alle anderen Schutz- und sonstigen Maßnahmen schon versucht worden sind. Neue Bäume dürfen auch ohne Schutz bis zu 4,5 m an die Straßen herangepflanzt werden, mit Schutz bis auf 3 m. Bei bereits vorhandenen Alleen entstehende Lücken können auch nachgepflanzt werden. Das schreibt uns sogar der Bundesverkehrsminister.

Das muss in Zukunft die Grundlage für das Verwaltungshandeln im Alleenland Niedersachsen sein, nicht aber der Bode-Kahlschlag mit einer kleinen schwarz-gelben Ausnahmegenehmigung. Zusätzliche Verkehrssicherheit lässt sich durch angemessene Tempolimits oder - wo dies nicht geht - durch gezielt gepflanztes Buschwerk bzw. durch Leitplanken vor den Bäumen erzielen. Unser gemeinsames Ziel muss es sein, mehr Verkehrssicherheit und zugleich den Schutz der landschaftsprägenden Alleen in Niedersachsen zu ermöglichen. Unterstützen Sie daher den Änderungsantrag von SPD und Grünen, und Sie werden dazu beitragen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Für die CDU-Fraktion spricht jetzt Herr Kollege Schönecke. Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben diese Anträge schon einmal hier im Plenum diskutiert und beraten. Dabei haben wir eigentlich in sehr großer Übereinstimmung feststellen können, dass viele hier im Hause diese Alleen schützen wollen. Deshalb kann ich die Kriegserklärung, die heute von Herrn Hagenah von diesem Pult aus gegenüber Herrn Bode ausgesprochen worden ist, überhaupt nicht verstehen.

(Zustimmung bei der CDU)

Ich glaube, Herr Hagenah, Sie wollten unbedingt noch einmal in den Stenografischen Bericht kom

men und haben deshalb hier noch einmal so eine Kettensägenattacke losgelassen.

Es geht um die Frage: Wie schützen wir klug unsere Alleen in Niedersachsen? - Denn wir wissen, was man - sage ich einmal - aus Auflagen machen kann, wenn man sie wortgetreu umsetzt. Wenn wir in Niedersachsen die Alleen schützen wollen, dann gibt es dazu die unterschiedlichsten Möglichkeiten. Auch das ist in den Ausschussberatungen deutlich geworden. Dem steht aber die Tatsache entgegen, dass es eine Richtlinie gibt, die zu verändern ist.

Das, was uns in diesem Hause doch auch klar sein muss, ist, dass solche Bäume am Ende doch nicht nur um des Schutzes willen geschützt werden müssen, sondern es muss möglich sein, an bestimmten Stellen auch neue Bäume zu pflanzen und neue Alleen anzulegen. Meines Erachtens muss es doch auch im Jahr 2011 im Interesse Niedersachsens sein, so vorgehen zu können.

Von daher ist Ihr Änderungsantrag, den wir gestern am späten Abend vorgelegt bekommen haben, aus unserer Sicht nicht abstimmungsfähig. Ich sage Ihnen: Was in diesem Änderungsantrag steht, kann so nicht umgesetzt werden. Sie sagen: Es ist „zu gewährleisten, dass grundsätzlich anstelle von Baumfällungen vorrangig Schutzeinrichtungen errichtet werden“. - Irgendwann fällt jeder Baum, ob mit Schutzeinrichtung oder ohne.

Wir müssen diese Möglichkeiten über eine Veränderung dieser Richtlinien bekommen. Das ist vorrangig unser Ziel; denn wenn wir diese Alleen in Niedersachsen langfristig schützen wollen, dann müssen die handelnden Personen vor Ort sicher sein im Anlegen und im Schutz der Alleen. Außerdem müssen die Landkreise und die Kommunen genauso reagieren, wenn sie mit dieser Fragestellung konfrontiert werden. Auch das Anlegen neuer Alleen an neuen Straßen muss dementsprechend möglich sein. Von daher ist das wichtigste Ziel, das sich CDU und FDP in dieser Frage gesetzt haben, eine Änderung der RPS dergestalt, dass die Bäume an den Straßen hier im Land Niedersachsen jederzeit geschützt werden können. Das machen nicht nur das Land und der Bund, sondern auch die Kreise und Kommunen. Von daher ist der Antrag, den Sie in letzter Minute zusätzlich als Änderungsantrag hier vorgelegt haben, abzulehnen. Der Antrag der CDU und der FDP ist der zielführende.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Zum Beitrag von Herrn Schönecke hat sich Herr Hagenah zu einer Kurzintervention gemeldet. Bitte schön!

Herr Schönecke, das waren viele Wolken und wenig Fakten, so wie auch Ihr Antrag.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Der Änderungsantrag dürfte Ihnen so fremd nicht gewesen sein. Darin wurden gegenüber unserem nur zwölf Worte geändert, wodurch er, nach der Anhörung, noch etwas präziser geworden ist. Ich denke, es war Ihnen möglich, diese zwölf zusätzlichen Worte innerhalb einer Nacht und eines Morgens zu verarbeiten.

Unsere Hauptkritik richtet sich gegen die Nr. 1 Ihres Antrags. Wir wünschen uns zwar gemeinsam, dass die RPS geändert wird - da sehen wir uns einer schwarz-gelben Bundesregierung mit einem CSU-Verkehrsminister gegenüber -, aber so, wie Sie es in der Nr. 1 Ihre Antrags beschrieben haben, können wir uns Alleenschutz in Niedersachsen nicht vorstellen. Sie machen das Ganze lediglich zu einem Prüfantrag, bei dem man darum bitten muss, es dort, wo eventuell nicht so viel Verkehr ist und keine so große Unfallgefahr besteht, es eventuell anders zu machen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für die Landkreise, die dringend darauf warten, ergibt sich damit überhaupt keine Verfahrenssicherheit. Sie müssen sich jetzt aber entscheiden, ob sie Millionen für Baumschutz ausgeben, indem Leitplanken gebaut werden, oder ob sie für weniger Geld die Bäume abholzen. Sie wissen, wie die Gemeinden finanziell dastehen. Gleichwohl lassen Sie sie mit diesem Problem allein und machen eine Scheinlösung, die in Niedersachsen niemandem richtig helfen kann und wohl nur in einigen Randbereichen hilft, Bäume tatsächlich zu erhalten.

Am Grundproblem der Umsetzung der RPS, wie sie Herr Bode als Regel vorgegeben hat, ändern Sie nichts. Das ist das Problem Ihres Antrags und der Grund, warum er nichts bringt.

Schönen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Als nächste Rednerin hat sich Frau Weisser-Roelle für die Fraktion DIE LINKE zu Wort gemeldet. Ich erteile Ihnen das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Alleen sind ein wertvolles Kulturgut. Sie sind zugleich auch ein bedeutendes Naturgut. Sie sind Lebensraum zahlreicher Pflanzen und Tiere. Sie bieten Schatten, verringern den Straßenlärm und binden Staub und Abgase.

(Beifall bei der LINKEN)

Bei der Anhörung des BUND-Landesverbandes Niedersachsen am 1. April im Ausschuss wurde deutlich, dass die Politik ein gerüttelt Maß an Verantwortung hat, den Alleen die ihnen gebührende Wertschätzung zukommen zu lassen. Da gibt es, wie auch die Ausschussberatung und die Anhörung zeigten, noch eine ganze Menge zu tun. Gefahren für die Alleen gingen und gehen vom zunehmenden Straßenbau, von den rigorosen Schnittmaßnahmen, aber auch von Tausalzen des Straßenwinterdienstes aus.

Aber auch der Landesregierung mit ihrer Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr obliegt es, ihren Beitrag zu leisten, damit Alleen nicht noch mehr aus der Landschaft Niedersachsens verschwinden. Unvernünftiges Handeln muss sofort gestoppt werden.

Die Landesregierung ist aufgefordert, konkrete kontrollfähige Alternativen für die Pflege und den Erhalt der Alleen zu finden. Niedersachsen sei, so die Einschätzung des BUND, das einzige Bundesland, das die Vergabe von Fördermitteln nach dem sogenannten Entflechtungsgesetz damit verknüpfe, dass die Kommunen die RPS bei Straßenbauvorhaben einhielten.