Protocol of the Session on June 29, 2011

Die Landesregierung ist aufgefordert, konkrete kontrollfähige Alternativen für die Pflege und den Erhalt der Alleen zu finden. Niedersachsen sei, so die Einschätzung des BUND, das einzige Bundesland, das die Vergabe von Fördermitteln nach dem sogenannten Entflechtungsgesetz damit verknüpfe, dass die Kommunen die RPS bei Straßenbauvorhaben einhielten.

Meine Damen und Herren, ein erstes Anliegen muss es sein, dass die RPS sofort geändert werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Große Probleme gebe es nach Aussage des BUND beispielsweise im Landkreis Diepholz und auch im Landkreis Osnabrück.

Natürlich muss der Verkehrssicherheit bei alledem ebenfalls die notwendige Aufmerksamkeit geschenkt werden. Hier wurde aber schon gesagt: Es ist nicht der Baum, der an einem Unfall Schuld ist, wie es im CDU-Antrag steht, sondern es ist die

teilweise unverhältnismäßige Fahrweise von Verkehrsteilnehmern. Ein Tempolimit - ob von 80 km/h oder an besonders gefährdeten Stellen von 60 km/h - bringt die notwendige Verkehrssicherheit, nicht das jährliche Fällen tausender Bäume in Niedersachsen, wie es bisher üblich ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, aber auch der jetzt gemeinsame Änderungsantrag mit der Fraktion der SPD bietet für den Schutz der Alleen und die Erhaltung eines einmaligen Landschaftsbildes eine durchaus gute Grundlage und findet unsere Zustimmung. Der Antrag von CDU und FDP benennt zwar eine Reihe von Problemen, bleibt aber bei den Lösungsansätzen auf halbem Wege stehen. Daher lehnen wir diese Beschlussempfehlung ab.

(Beifall bei der LINKEN und Zustim- mung von Ralf Briese [GRÜNE])

Für die SPD-Fraktion spricht jetzt Herr Will. Bitte sehr, Herr Will!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Schönecke, in einem stimme ich Ihnen ausdrücklich zu: Irgendwann fällt jeder Baum. Der Unterschied zwischen uns ist nur, dass wir für das natürliche Ableben sind, während Sie die Kettensäge bevorzugen.

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN - Jens Nacke [CDU]: Herr Will, was soll denn das?)

Die Anhörung sowohl der Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr als auch des BUND-Landesverbandes und des Landespolizeipräsidiums hat uns sinnvolle Hinweise für die Behandlung des Themas Alleen an Landesstraßen gegeben. Niedersachsen liegt nach Aussage der Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr deshalb bei den sogenannten Unfällen in Verbindung mit Bäumen inzwischen vor Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg, weil man sich in diesen Ländern auf vielen Straßenabschnitten inzwischen für die Einrichtung von Schutzplanken und Geschwindigkeitsreduzierungen ausgesprochen hat. Die Bäume sind also erhalten geblieben, man hat nur andere Wege gewählt. Es ist also möglich, ohne die Bäume zu verlieren. Diese Maßnahmen seien in Niedersachsen noch nicht in gleichem Umfang ergrif

fen worden. Ich sage: Herr Minister, handeln Sie endlich! Sie haben ja die Beispiele aus anderen Bundesländern.

Selbst der Vertreter des Landespolizeipräsidiums vertrat die Auffassung, dass das Fällen von Bäumen als Maßnahme zur Verbesserung der Verkehrssicherheit nur dort in Betracht kommt, wo bauliche Maßnahmen, Geschwindigkeitsbeschränkungen und eine verstärkte Verkehrsüberwachung sich nicht eigneten, die Unfallgefahr einzudämmen. Dagegen stehen aus Sicht der Polizei vielfältige Maßnahmen zur Verkehrserziehung und Unfallprävention im Vordergrund. Dort sollte ein Schwerpunkt liegen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch der BUNDLandesverband Niedersachsen hebt in seiner Stellungnahme bei der Anhörung drei Punkte hervor:

Erstens. Er geht nach wie vor davon aus, dass die Empfehlungen zum Schutz von Bäumen mit den ESAB 2006 weiterhin bearbeitet werden können, dass also die ESAB 2006 im Kern völlig ausreichend sind. Im Übrigen taucht in der RSP 2009 weder das Wort „Allee“ noch das Wort „Baum“ auf. Inzwischen ziehen Sie dies aber als schärfere Regulierung der ESAB vor.

Zweitens. Allein Niedersachsen gehe die Verknüpfung der Anwendung der RPS 2009 mit den Fördermitteln nach dem Entflechtungsgesetz ein, anders als alle anderen Bundesländern.

Drittens. Alleen seien wertvolles Kulturgut mit gebotener Wertschätzung.

Meine Damen und Herren, entgegen den ursprünglichen Ankündigungen durch die CDU, einen gemeinsamen Antrag entwickeln zu wollen, haben die Regierungsfraktionen trotz der Anhörung ihren Antrag durchgestimmt. Hierbei haben sie das Angebot der Grünen ausdrücklich abgelehnt. Sie wollen Vorrang für Förderung, auch um den Preis, ganze Alleebestände zu opfern. Sie wollen gleichzeitig billige Lösungen, die die Kommunalkassen schonen, ebenfalls um den Preis der Abholzung weiterer Alleebestände in Niedersachsen. Sie haben nicht aus den Fehlern anderer Bundesländer gelernt. Ich erinnere an Brandenburg: 60 000 Abholzungen gegen 60 000 Neuanpflanzungen. Genau diesen Weg wollen wir nicht.

(Lebhafter Beifall bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, wir wollen mehr Sicherheit durch verkehrstechnische Sicherung, Ver

kehrslenkung und Verkehrsüberwachung. Wir wollen auch die Sicherung wertvoller Baumbestände, die Natur und Landschaft in Niedersachsen bereichern. Deshalb lehnen wir den Antrag der Regierungsfraktionen ab. Er geht nicht weit genug und entscheidet zu schnell gegen die Alleen.

Der gemeinsame Antrag von Grünen und SPD gibt die einzig konsequente Antwort: Weitere Anwendung der ESAB wie in anderen Bundesländern, auch bei der Vergabe von Entflechtungsmitteln, Bestandsaufnahme der vorhandenen Baumalleen, Erarbeitung eines Programms zur Sicherung, zum Schutz und zur Entwicklung und nicht zuletzt raumordnerische Vorgaben, die sicherstellen, dass die vorhandenen Alleen dort, wo es sinnvoll ist, in den Regionalen Raumordnungsprogrammen als wertvoller Bestandteil der Kulturlandschaft geschützt werden. Stimmen Sie deshalb für den vorgelegten Änderungsantrag. Nur er wird beiden Zielsetzungen gerecht, der Verbesserung der Verkehrssicherheit und dem besseren Schutz unserer bestehenden Alleen in Niedersachsen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Für die FDP-Fraktion hat jetzt Frau Kollegin König das Wort. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit Jahren reden wir über Maßnahmen zur Unfallverhütung im Straßenverkehr. Uns ist dabei besonders aufgefallen, dass die Häufigkeit und Schwere von Unfällen auf Bundes-, Landes- und Kreisstraßen eklatant ist. In diesem Zusammenhang dürfen auch schwer verlaufende Baumunfälle nicht unerwähnt bleiben.

(Zuruf von der LINKEN)

Nur aus diesem Grund sind im Gesetz RPS-Maßnahmen verankert worden. Gleiches sagen wir auch für die ESAB, die hier angewendet werden kann. Alte Straßenverläufe in Niedersachsen mit Alleencharakter sind nun von diesen Richtlinien bedroht, da sie beispielsweise die in der RPS geforderten Mindestabstände nicht immer aufweisen. Ein Aus- und Umbau dieser Strecken mit den geforderten Maßnahmen würde den Alleencharakter zerstören, und der Straßenbau würde nicht mehr gefördert und bliebe damit in einigen Fällen ein Finanzierungsproblem der Kommunen. Fördermaßnahmen nach dem Entflechtungsgesetz sollen

ja nur bei Einhaltung dieser Richtlinien eingesetzt werden dürfen.

Allerdings - Herr Hagenah, insoweit muss ich Sie berichtigen - gibt es auch Planungen, die das mit beinhalten. Davon verstehen Sie wahrscheinlich etwas weniger als vom Hausbau. Sie sollten sich einmal bei der Landschaftsplanung und beim Straßenbau erkundigen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Gerade hier bedarf es nach unserer Auffassung einer genauen Einzelfallprüfung und einer Einzelfallbewertung. Unfallverhütung kann auch anders angegangen werden. Hierbei spielen Analysen eine wichtige Rolle, die Kurven, Feldeinfahrten, Wildwechsel, Unübersichtlichkeit, Lichtverhältnisse, Walddurchquerung und vieles andere mehr beinhalten. Gefahren sind z. B. durch Geschwindigkeitsbegrenzungen, Überholverbote, Leitplanken, in begrenzten Fällen Baumlichtungen und hin und wieder auch einmal Teilrodungen zu beheben. Generelle Vorhaben springen hier nämlich viel zu kurz und verändern die Landschaftsstruktur negativ.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Sie überlassen wichtige Finanzierungen von Infrastrukturmaßnahmen allein den Kommunen. Genau das wollen wir nicht. Das Resultat wäre entweder eine Vernichtung der Alleenkultur oder eine Rücknahme wichtiger Infrastrukturmaßnahmen. Beides ist ganz und gar nicht in unserem Sinne.

Daher fordern wir eine genaue Prüfung der Straßen, und wir fordern, die RPS nur dort anzuwenden, wo dies auch nachweislich erforderlich ist, um Menschenleben zu schützen, wo es keine andere hinreichend wirksame Maßnahme gibt, um Abhilfe zu schaffen.

Es ist jedoch wenig ratsam, wie es im Antrag der Grünen steht, alle Alleen generell unter Schutz zu stellen und dabei die Unfallhäufung und die damit möglicherweise einhergehende Gefährdung von Menschenleben - fast immer sind es Unfälle mit Todesfolge - außer Acht zu lassen.

(Filiz Polat [GRÜNE]: Haben Sie den Änderungsantrag nicht gelesen, Frau König?)

Das finde ich absolut unverantwortlich. Dagegen sind wir.

(Zurufe von den GRÜNEN)

Wir wollen eine Situation mit Augenmaß, und diese werden wir auch vorantreiben. Die Strecken in Niedersachsen sind einfach zu unterschiedlich, als dass man generell alles unter Naturschutz stellen und nichts mehr verändern könnte. Damit kämen wir vorn und hinten nicht klar. Dafür ist das Land zu unterschiedlich. Wir wollen dort schützen, wo es Schützenswertes gibt, und wir wollen auch dort Leben schützen, wo dies wirksam ist. Hierbei hilft uns u. a. auch die RPS.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Filiz Polat [GRÜNE]: Dann stimmen Sie doch unserem Änderungsantrag zu!)

Von Herrn Hagenah gibt es den Wunsch nach einer Kurzintervention zu dem Beitrag von Frau König. Herr Hagenah, Sie haben eineinhalb Minuten.

Frau König, ich habe mich mit den ESAB und der RPS intensiv beschäftigt. Daher muss ich Ihnen sagen: Sie haben eine Rede gehalten, als hätten Sie unseren Antrag begründen und darstellen wollen, wie es in Zukunft sein muss. Die Realität in Niedersachsen sieht leider anders aus. Nach der RPS sind die Kommunen, wenn z. B. ein Radweg gebaut wird, wenn grundsätzlich erneuert wird oder was auch immer, gehalten, Bäume, die an dieser Stelle in einem Abstand von weniger als 7,50 m von einer Straße entfernt stehen, zu entfernen. Zeigen Sie mir eine Baumallee in Niedersachsen, bei der der Baumbestand 7,50 m oder mehr Abstand zum Straßenrand hat und schon länger als fünf Jahre steht. Ich sage: Das gibt es in Niedersachsen nicht. Baumalleen sind immer sehr eng am Straßenrand gepflanzt worden.

(Gabriela König [FDP]: Nein! Das stimmt nicht!)

Das ist der Charakter von Alleen. Sonst wirken sie auch gar nicht. Sonst stehen die Bäume irgendwo in der Landschaft.

Insofern muss ich Ihnen sagen: Wenn Sie das erreichen wollen, was Sie beschrieben haben, müssen Sie unserem Antrag zustimmen. Dieser beinhaltet genau die flexiblen Vorgaben, die Sie soeben beschrieben haben.

Ihr Antrag ist ein Prüfauftrag, der Herrn Bode weiterhin die Möglichkeit bietet, seine Vorgabe, die er

bei Anfragen, die wir an sein Haus gestellt haben, immer wieder verteidigt hat, weiter umzusetzen. Die Kommunen müssen sich an die RPS halten, wenn Geld über das Entflechtungsgesetz fließen soll. Welche Kommune kann sich überhaupt noch Bauten an ihren Straßen leisten, ohne dass Mittel aus dem Entflechtungsgesetz fließen? Das wissen Sie. Das ist ein extrem großer Hebel. Insofern ist das Verhalten von Herrn Bode mit einem Baumfällgebot gleichzusetzen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Frau König möchte antworten. Frau König, Sie haben ebenfalls eineinhalb Minuten.