Protocol of the Session on June 28, 2011

Es wäre für die SPD-Fraktion weniger nervenaufreibend gewesen, das Gesetz abzulehnen. Aber die SPD macht es sich nicht so einfach, wenn es um das Wohl der Menschen in Niedersachsen geht. Wir haben hart mit den Regierungsfraktionen gerungen und unbeirrt Überzeugungsarbeit geleistet. Das Ergebnis ist, dass wichtige Verbesserun

gen im Gesetzentwurf der Landesregierung von der SPD eingebracht und durchgesetzt werden konnten.

(Beifall bei der SPD)

Die in den Ausschusssitzungen erarbeiteten drei wesentlichen Verbesserungen, die für die SPDFraktion unerlässlich waren, will ich nachfolgend benennen:

Erstens: die Tagespflege. Es war für die SPD unverständlich, dass die Tagespflege nicht in das Gesetz aufgenommen werden sollte. Durch das Pflegeweiterentwicklungsgesetz, in dem Demenzkranke stärker berücksichtigt werden, ist zukünftig damit zu rechnen, dass der Bereich der Tagespflege weiter explosionsartig zunimmt. Das ist auch dem Landespflegebericht zu entnehmen. Obwohl hier ausgeführt wird, dass sich der Bereich der Tagespflege in den Jahren 2007 bis 2010 fast verdoppelt hat, hat insbesondere die FDP-Fraktion bis zuletzt dagegen argumentiert, die Tagespflege unter den Schutz des Heimgesetzes zu stellen.

Dass dieses Gesetz auch für Einrichtungen der Tagespflege gilt, ist auf Intervention der SPD entgegen dem ursprünglichen Gesetzentwurf in das Heimgesetz aufgenommen worden. Wäre dies nicht in das Gesetz aufgenommen worden, dann wären in den kommenden Jahren immer mehr Pflegebedürftige, insbesondere Demenzerkrankte, aus dem Schutzbereich des Heimgesetzes herausgefallen. Das wäre eine unhaltbare Entwicklung.

Zweitens: Einzelzimmer. Für die SPD-Fraktion gehört es zu einem menschenwürdigen Leben, dass jeder Mensch den Anspruch haben muss, in einem Heim ein Einzelzimmer zu bewohnen. Durch die Kürzungen der Landesmittel für die stationäre Pflege im Jahr 2004 ist der Kostendruck auf die Kommunen als Sozialhilfeträger stark gestiegen. Aus Kostengründen haben verschiedene Kommunen gezwungenermaßen Heimbewohnerinnen und Heimbewohner in Mehrbetterzimmern untergebracht.

Auf massiven Druck der SPD wurde der Gesetzentwurf ergänzt, indem festgelegt wird, dass der Betreiber eines Heims den Wünschen der Bewohnerinnen und Bewohner nach einer Unterbringung im Einzelzimmer möglichst Rechnung tragen soll. Wir hätten uns einen klareren Handlungsauftrag an die Kommunen gewünscht. Wegen des Konnexitätsprinzips hätten die CDU und die FDP aber Geld

in die Hand nehmen müssen, wozu sie nicht bereit waren und nicht bereit sind.

Drittens: die Fachkraftquote. Die Sicherung einer Fachkraftquote von 50 % in den Einrichtungen ist für die SPD-Fraktion ebenfalls ein Muss im Heimgesetz.

(Beifall bei der SPD)

Diese Fachkraftquote darf nicht unterschritten werden. Die zu Pflegenden leiden immer häufiger an Mehrfacherkrankungen. Deshalb brauchen sie eine hohe Fachlichkeit. Nur mit hoher Fachlichkeit ist den Bedürfnissen der Pflegebedürftigen gerecht zu werden. Auch hier hat sich die SPD-Fraktion durchgesetzt. Nun wird es eine Verordnung der Landesregierung geben müssen, die der Zustimmung des Sozialausschusses bedarf. Die SPDFraktion verlässt sich auf das Versprechen der Regierungsfraktionen, dieser Verordnung im Sozialausschuss zuzustimmen.

(Beifall bei der SPD)

Sehr geehrte Damen und Herren, auf eines muss ich noch ausdrücklich hinweisen: Nicht zuletzt auf Initiative der SPD-Fraktion wurde dem Gesetz eine Präambel vorangestellt, wonach künftig mit Hinweis auf die UN-Behindertenrechtskonvention und den Gleichstellungsgedanken nur noch von „Menschen mit Behinderungen“ und nie mehr von „behinderten Menschen“ die Rede sein soll. Ich habe daher mit Verwunderung die ärgerliche und aufgeregte Pressemitteilung von Frau Mundlos und Herrn Klare gelesen. Frau Mundlos, dazu bestand nun wirklich gar kein Grund. Wir haben im Sozialausschuss nach eingehender Diskussion, die aus meiner Erinnerung tatsächlich überwiegend von der SPD geführt wurde, gemeinsam diese Präambel beschlossen.

Die von der SPD-Fraktion erreichten Verbesserungen im Entwurf des Niedersächsischen Gesetzes zum Schutz von Heimbewohnerinnen und Heimbewohnern gründen sich auch auf die Ergebnisse der Anhörungen der Wohlfahrtsverbände, Landesarbeitsgemeinschaften, Kirchen und des Pflegerats. Die Anhörungen ergaben eine eindeutige Unterstützung der Forderungen der SPD-Fraktion, denen sich auch die Regierungsfraktionen nicht verschließen konnten.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wir hätten uns mehr Zustimmung zu unseren weiteren Vorschlägen gewünscht. In erster Linie ist es aber wichtig, dass eine verlässliche Gesetzesgrundlage geschaffen wird, auf die alle Betroffenen schon viel

zu lange warten müssen. Das ist für die SPDFraktion das vordringlichste Anliegen.

Das Heimgesetz ist für die SPD nach wie vor nur ein Zwischenschritt. Hier ist eine Frontalopposition nicht hilfreich, sondern es ist wichtiger mitzugestalten. Dass aber auch die Fraktionen von CDU und FDP nicht ausschließlich Frontalregierung verwirklicht haben, sondern die Vorschläge der SPDFraktion mitberaten haben, möchte ich auch nicht unerwähnt lassen.

Sehr geehrte Damen und Herren, auch wenn das Ergebnis nicht in allen Punkten den eigenen Vorstellungen entspricht, stimmt die SPD-Fraktion dem Niedersächsischen Gesetz zum Schutz von Heimbewohnerinnen und Heimbewohnern zu. Klar ist aber auch: Nach der Regierungsübernahme wird eine SPD-geführte Landesregierung dieses Gesetz zum Wohle der Pflegenden und der Pflegebedürftigen verbessern.

(Beifall bei der SPD - Jens Nacke [CDU]: Ist das jetzt ein inzwischen vorgeschriebener Textbaustein?)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Kapitel „Heimgesetz“ ist für diese Wahlperiode abgeschlossen, wodurch die dramatische Pflegesituation in Niedersachsen aber immer noch nicht entspannt betrachtet werden kann. Die heutige Zustimmung soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass im Pflegebereich noch einige kontroverse Anträge in der Beratung sind. Diese Anträge müssen dringend beraten werden. Das zeigt auch die Tatsache, dass die Ministerin abzulenken versucht und pressewirksam verkündet, dass die Altenpflegeschülerinnen und -schüler einen Schulgeldzuschuss von weiteren 50 Euro im Monat bekommen. Frau Ministerin, das ist doch Augenwischerei! Das sehen auch die Pflegeschülerinnen und -schüler so! Damit punkten Sie nicht! Die Landesregierung muss endlich der Forderung der SPD nachkommen und Schulgeldfreiheit herstellen!

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, versuchen Sie ähnlich wie im Heimgesetz - allerdings mit einer noch sehr zu optimierenden Umgangsweise -, die Anträge der SPD-Fraktion zu beraten. Schließen Sie sich während Ihrer noch anderthalbjährigen Regierungszeit den Anträgen der SPDFraktion an! Das würde die zukünftige Regierungsarbeit der SPD erleichtern und wäre gut für Niedersachsen!

Danke schön.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Danke schön. - Zu einer Kurzintervention hat von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Kollegin Helmhold für anderthalb Minuten das Wort. Bitte schön!

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Liebe Ulla Groskurt, ich möchte gerne wissen, ob bei der SPDFraktion die Pressemitteilung des Bundesverbands ambulanter Dienste und stationärer Einrichtungen aus der vergangenen Woche angekommen ist, in der es heißt: Geschäftsführerin warnt: „Viele ambulant betreute Wohngemeinschaften geraten in Existenznot“, und ob das Schreiben bekannt ist, das in der vergangenen Woche an alle Fraktionsvorsitzenden gegangen ist und aus dem ich soeben zitiert habe.

In diesem Schreiben hat auch die Geschäftsführerin eines großen Pflegedienstes, der viele ambulant betreute Wohngemeinschaften hat, davor gewarnt, dass sie ihre Einrichtung wird schließen müssen. Zurückzuführen - ich möchte das kurz ausführen, damit das Haus weiß, worüber es hier abstimmt - ist das auf eine Formulierung, die erst in der letzten Ausschusssitzung in das Gesetz aufgenommen worden ist. Sie lautet:

„Eine Wohngemeinschaft ist nicht selbstbestimmt,“

- damit ist sie dann ein Heim, weil in Niedersachsen nur unterschieden wird, ob die Einrichtung ein Heim oder kein Heim darstellt -

„wenn die Überlassung des Wohnraums und die Erbringung der ambulanten Betreuungsleistung durch Personen oder Unternehmen erfolgt, die miteinander rechtlich oder tatsächlich verbunden sind.“

In der Praxis stellt sich das so dar: Ein Pflegedienst betreut eine Menge dementer Menschen, merkt irgendwann, dass sie nicht mehr zu Hause ambulant gepflegt werden können, und versucht dann, Wohnraum zu finden, um sie dort in einer Wohngemeinschaft zusammen mit anderen zu betreuen. - Das sind sehr oft Angehörige oder Freunde dieses Pflegedienstes, weil sonst kein Mensch dafür Häuser vermietet. Die Leute können die Pflegeleistung frei wählen. Aber tatsächlich werden einige diesen Pflegedienst behalten. Dann

sind sie rechtlich oder tatsächlich verbunden. Das bedeutet, dass sie dann die volle Breitseite des Heimgesetzes abkriegen. Deshalb müssen sie dann schließen.

Das war jetzt ein guter Schlusspunkt, Frau Kollegin Helmhold.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Frau Groskurt möchte antworten. Anderthalb Minuten auch für Sie!

Liebe Uschi Helmhold, wir nehmen den Brief natürlich sehr ernst. Wir haben in den Ausschussberatungen insbesondere dieses Thema

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Das kam doch erst danach!)

- ich meine den Begriff des Heimes - lange, lange hin- und herberaten und sind alle nicht glücklich darüber gewesen, wie wir uns haben entschließen müssen. Aber es ist doch wichtig, dass es für die Menschen, die auf das Heimgesetz warten, endlich einen Rahmen gibt. Ich habe eben versprochen, dass wir das, sobald wir an der Regierung sind, verbessern werden.

(Beifall bei der SPD)

Herzlichen Dank. - Für die FDP-Fraktion hat nun Herr Kollege Riese das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Heimgesetz entstammt seiner Rechtsnatur her dem Ordnungsrecht. Es ist als Schutzgesetz angelegt. Ich meine, dass wir trotzdem auf einem sehr guten Weg sind. Wir entsprechen dem in der Anhörung von zahlreichen Verbänden und Beteiligten geäußerten Wunsch und nennen das Gesetz sehr kurz schlicht und einfach „Heimgesetz“. Denn es geht doch um ein Gesetz, das überall dort greift, wo Menschen in einer Weise zusammenwohnen, in der sie nicht völlig frei in der Entscheidung sind, das Wohnverhältnis bestehen zu lassen, es fortzusetzen oder zu beenden, oder in der sie nicht völlig frei sind in der Annahme anderer Leistungen, die möglicherweise an die Wohnsituation vertraglich angebunden sind. Einige Vorredner haben angedeutet, dass es in der Tat keinen einfachen Weg gibt, so etwas mit einer

treffenden Formulierung klar zu beschreiben. Deswegen ist die Welt im Föderalismus so bunt, wie sie ist: Alle Länder, die bereits ein Heimgesetz erlassen haben, haben ihren eigenen, besonderen Weg gefunden. Verehrte Frau Helmhold, Niedersachsen ist nicht das Schlusslicht. Es gibt Bundesländer, die sich noch im Beratungsprozess befinden

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Welche denn?)

und noch kein Gesetz haben. Von daher seien Sie in der Hinsicht mal ganz getrost.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren! In der Koalitionsvereinbarung haben sich FDP und CDU vorgenommen, in einem Landesheimgesetz bürokratische Belastungen abzubauen, Anzeigeverpflichtungen abzubauen, die Entwicklung neuer Wohnformen zu erleichtern und Doppelzuständigkeiten abzuschaffen.

Herr Kollege Riese, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Helmhold?

Aber gern.

Frau Kollegin Helmhold!