Protocol of the Session on June 28, 2011

und die Eigenverantwortliche Schule nicht will, dann ist es kein Wunder, dass man den Schulvorständen auch nichts zutraut. Wir tun das hingegen ausdrücklich. Wir glauben auch, dass die Schulvorstände gemeinsam mit den Schulträgern gute Lösungen entwickeln, wobei es sich natürlich um Entscheidungen auf zehn Jahre oder auf Dauer handelt und es nicht jedes Jahr „rin in die Kartoffeln, raus aus die Kartoffeln“ geht. Für wie blöd halten Sie die Leute denn?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Aber all das hätten Sie bei dem Gesetzentwurf nachbessern können. Wir haben viele positive Rückmeldungen dazu aus Niedersachsen von Schülern, von Eltern und vom Gesamtschulverband bekommen.

(Glocke der Präsidentin)

Wenn Sie bei der Feier zum 40-jährigen Jubiläum des Bestehens der Gesamtschulen in Niedersachsen gewesen wären, hätten Sie gehört, dass der Vorsitzende zu Herrn Althusmann gesagt hatte: Herr Minister, wir wünschen uns eines für die Integrierten Gesamtschulen: Geben Sie uns die Freiheit, das Abitur nach Klasse 12 oder 13 selbst zu wählen, zurück!

(Vizepräsidentin Astrid Vockert schal- tet der Rednerin das Mikrofon ab)

Eigentlich war das jetzt ein Satz, hinter dem man einen Punkt hätte setzen können.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Poppe möchte antworten? - Eineinhalb Minuten Redezeit auch für Sie!

(Jens Nacke [CDU]: Streitet Ihr noch ein bisschen? Dann gehen wir schon einmal!)

Meine Damen und Herren! Frau Korter, wir haben lange überlegt, ob wir uns bei der Abstimmung enthalten sollen. Nach diesem Beitrag werden wir den Gesetzentwurf ablehnen.

(Zustimmung bei der SPD und bei der FDP - Oh! bei den GRÜNEN - Klaus- Peter Bachmann [SPD]: Jetzt ist er böse!)

- Ja! - Dazu sage ich Ihnen jetzt drei Sachen. Zuerst zum Gesetzentwurf, zur Eigenverantwortlichen Schule. Dabei ist nichts gestaltet gewesen. Wir haben damals weitergehende Forderungen gehabt, die nicht erfüllt wurden. Wir hatten gute Gründe, den Gesetzentwurf damals abzulehnen.

(Beifall bei der SPD)

Zweitens. Ich lasse mir zwei Dinge nicht vorwerfen. Das eine habe ich schon genannt. Eine Formulierung wie „Borniertheit“ ist bei solchen Diskussionen einfach unanständig.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Was ich fast noch für wichtiger halte: Hier den anderen Fraktionen zu unterstellen, sie kümmerten sich nicht um die Belange der Abiturientinnen und Abiturienten

(Karl-Heinz Klare [CDU]: „Kinder!“ hat sie sogar gesagt!)

- der Kinder -, ist geradezu bodenlos. Ich will das nicht nur persönlich nehmen. Ich sage ferner sachlich dazu: Wir haben einen entsprechenden Antrag im Zusammenhang mit dem Gesetzentwurf zur Einführung der Oberschule eingebracht, der klare Regelungen vorsah. Diese Formulierung ist also nicht nur unanständig, sondern auch noch falsch.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Für die CDU-Fraktion hat nun Frau Kollegin Bertholdes-Sandrock das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf der Grünen ist auch auf deutliche Vorbehalte der Opposition gestoßen, wie Herr Poppe eben resümiert hat. Der Vorschlag, den Gesetzentwurf insgesamt zurückzuziehen, ist leider - Frau Korter, wir haben es heute gemerkt -

nicht befolgt worden. So haben wir von den Regierungsfraktionen aber wenigstens das seltene Glück gehabt, einmal von Teilen der Opposition in unserer Kritik bestätigt zu werden.

Auch die Beratungen mit den Grünen in NordrheinWestfalen - von Nordrhein-Westfalen haben Sie heute gar nicht mehr gesprochen - haben Sie offensichtlich nicht wahrgenommen. Aber wir wissen ja: Die Grünen hatten in der letzten Zeit sehr viel mit sich selbst zu tun.

Übrigens, Frau Korter, dass Sie heute wohlweislich nicht mehr von Nordrhein-Westfalen gesprochen haben, wo genau diese Wahloption sehr eindrucksvoll gescheitert ist - die Zahlen dazu hatten wir neulich besprochen - verwundert nicht. Sie haben heute Schleswig-Holstein erwähnt, ohne die Zahlen dazu zu nennen. Neulich waren Sie so klug oder nett oder unklug, diese Zahlen im Ausschuss zu erwähnen, wo ich sie mir mitgeschrieben habe. 83 bleiben nämlich dabei, 12 wechseln und 4 machen beides. Mit anderen Worten: Nicht einmal jede siebte Schule macht in Schleswig-Holstein von diesem Wechsel Gebrauch. Sie erwähnen immer nur etwas, ohne dafür auch realistische Zahlen zu nennen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, der Kern dieses Gesetzentwurfs, nämlich die Wahlmöglichkeit der Gymnasien, sich entweder für das G8 oder das G9 zu entscheiden, ist schlichtweg nicht praktikabel. Wir haben es gesagt. Alle Fraktionen außer Ihnen haben es bestätigt. Von Borniertheit will ich jetzt nicht reden. Verteilen Sie dieses Etikett.

Meine Damen und Herren, Sie können einem Schüler im Flächenland Niedersachsen im Falle eines Umzugs nicht garantieren, dass er wieder in ein Gymnasien kommt, das dieselbe Laufgeschwindigkeit zum Abitur anbietet und in zumutbarer Entfernung liegt, und das vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung und der möglicherweise sinkenden Zahl von Schulen. G8 und G9 an ein und derselben Schule sind organisatorischer Dauerstress pur.

Die Ergebnisse der Beratungen im Ausschuss waren denkbar mager, meine Damen und Herren. Das hat auch die ganze heutige Diskussion ergeben. Das ging dann so weit, Frau Korter von den Grünen, dass Sie das Scheitern der Wahloption in Nordrhein-Westfalen - dort hatte die grüne Schulministerin ja genau das, was auch Sie fordern, angeboten - damit begründet haben, dass Sie

gesagt haben: Ach Gott, das war eigentlich auch zu früh. Man hätte länger warten müssen. - Genau so haben Sie es gesagt. Lesen Sie das im Protokoll nach. Es ist heute gekommen.

Ich sage Ihnen eines ganz klar: Das Gegenteil stimmt. Wenn einer etwas loswerden will, dann greift er gleich zu. Die wollten es aber nicht loswerden, sondern die wollten es behalten. Ich sage Ihnen: Die Botschaft aus diesem Reinfall der grünen Schulministerin in Nordrhein-Westfalen ist eine andere, nämlich die - und jetzt hören Sie vielleicht doch einmal zu -, dass das Abitur nach zwölf Jahren angenommen wird. Es wird bald eine Selbstverständlichkeit in ganz Deutschland sein. Wir in Niedersachsen - der Kollege Försterling hat darauf hingewiesen - haben uns seit 2003 dazu bekannt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Außerdem haben wir doch schon längst verschiedene Möglichkeiten, das Abitur erst nach 13 Jahren abzulegen. Stichwort: berufsbildende Gymnasien. - Dieses Schulform verlassen immer mehr Absolventen.

Auch die Abschlussfeiern sind heute zitiert worden.

(Unruhe)

- Frau Korter muss reden. Sie kann nicht ertragen, was ich jetzt sage. - Gerade bei den Abschlussfeiern der berufsbildenden Gymnasien hat sich bestätigt, dass viele Schüler, für die das allgemeinbildende Gymnasium nicht die richtige Schule war und die deshalb zum berufsbildenden Gymnasium gewechselt sind oder die von der Realschule oder von einer KGS ohne Oberstufe kamen, nun einen Abschluss haben, der allen anderen Abiturabschlüssen in Niedersachsen gleichwertig ist. Er ist nicht gleichartig, weil die Schulen und auch die Schüler unterschiedlich sind. Er ist aber gleichwertig. Und genau darauf kommt es an. Liebe Frau Korter, das ist wirkliche Durchlässigkeit in unserem niedersächsischen Schulsystem, in dem jeder seine Chance hat.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Es ist klar - das haben Sie auch heute wieder gut bestätigt -: Die Realität wollen Sie nicht anerkennen. Stattdessen haben Sie im Vorfeld - Sie versuchen es immer noch, aber es klappt immer weniger - die Angst vor Überforderung durch den doppelten Abiturjahrgang geschürt. Sorgen von Betroffenen, die die Medien hochgespielt haben, haben Sie dankbar aufgegriffen und missbraucht, um den Regierungsfraktionen eins auszuwischen. Gut, das

ist verständlich, das verzeihen wir ihnen. Unverzeihlich und unverantwortlich aber war, dass Sie das gerade gegenüber den Schülerinnen und Schülern getan haben, die noch vor dem Abitur standen. Das ist auch gegenüber Besuchergruppen so geschehen. Eine Schülerin - zitiert in der HAZ am 24. Juni - bestätigt - Zitat -:

„Erst wurde uns eingetrichtert,“

- ja, eingetrichtert; das ist genau das richtige Wort -

„dass wir es schwerer haben. Dann haben wir uns schnell angepasst.“

Will heißen: Wir haben uns nicht irremachen lassen, sondern sind die Situation angegangen und haben sie bewältigt. Da kam es zu ausgesprochen interessanten und guten Erfahrungen auch sozialen Lernens gerade im doppelten Abiturjahrgang, in dem nämlich die Schwächeren die Stärkeren um Hilfe gebeten haben. Nicht unbedingt die Älteren waren die Stärkeren. Auch das ist ein Resümee unserer landesweit ca. 50 000 Abiturienten.

Meine Damen und Herren, die Grünen haben stets auch behauptet, G8 habe zu schlechteren Leistungen geführt. Auch Frau Reichwaldt hat noch heute immer nur von „angeblich“ gleich guten Leistungen gesprochen. Es ist doch längst raus: Es gab praktisch keine Leistungsunterschiede. Zitat eines Schulleiters aus Lüneburg - LZ vom Wochenende -: Der doppelte Abiturjahrgang hat dem Notendurchschnitt der Absolventen nicht geschadet. - Das ist gerade in allen möglichen Berichten über die Abiturientenentlassungsfeiern niedersachsenweit bestätigt worden. Zum Teil, Frau Korter, war sogar der G8-Jahrgang leicht besser. Ich erinnere mich daran, dass das hier in Hannover z. B. bei der St.-Ursula-Schule der Fall war. Auch wenn wir beide Abiturientenjahrgänge zusammennehmen, so sind sie genauso gut wie die Vorgängerjahrgänge.

Die Abiturientenentlassungsfeiern haben gezeigt, dass vieles doppelt vorhanden war; nicht nur die Arbeit, sondern auch der Spaß. Eines sage ich Ihnen ganz deutlich: Der erste und einzige doppelte Abiturientenjahrgang hat es geschafft, und das mit Bravour und offensichtlich guter Stimmung. Dafür möchte ich all denjenigen, die uns an den niedersächsischen Schulen dazu verholfen haben - Schülern, Eltern und Lehrern -, meinen Dank sagen. Dieses Mal auch doppelt. Ihren Gesetzentwurf lehnen wir aber einfach ab.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Danke schön. - Zu einer Kurzintervention auf den Beitrag von Frau Bertholdes-Sandrock hin hat sich von der Fraktion DIE LINKE Frau Reichwaldt gemeldet.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine Damen und Herren! Liebe Kollegin Bertholdes-Sandrock, jetzt hat es mich doch nicht mehr auf dem Stuhl gehalten; denn es passiert hier immer wieder. Ich sage schlicht und einfach: Es ist eine Frechheit, uns immer wieder zu unterstellen, wir würden die Bedenken und die Ängste vor dem Abitur nach zwölf Jahren schüren. Das ist schlicht und einfach falsch.

(Karin Bertholdes-Sandrock [CDU]: Das habe ich gar nicht gesagt! - Wei- tere Zurufe von der CDU)

- Doch! Genau das haben Sie gesagt! Wir würden die Ängste schüren. Es passiert tatsächlich immer wieder. Ich habe es schon einmal gesagt. Sie wissen es ganz genau. Viele Schülergruppen des Sekundarbereichs I und die dazugehörigen Lehrer kommen unaufgefordert zu uns und sagen: Der Stress ist zu groß. Tun Sie etwas! - Das wissen Sie ganz genau. Das hat sich in den letzten drei Jahren nicht geändert.