Protocol of the Session on May 25, 2011

Wir haben in unserem Gesetzentwurf das so gemacht: Wir als Landesgesetzgeber geben den Kommunen einen Rahmen, und die Kommunen sollen das jeweils durch ihre örtlichen Satzungen regeln. - Das scheint uns der sinnvollste Weg zu sein, um auf diese Weise flexibel zu reagieren; denn, wie ich schon gesagt habe, die Situation ist nicht in allen Kommunen Niedersachsens gleich.

Zugleich haben wir auch gesagt: Wir wollen den Kommunen ein weiteres Instrument an die Hand geben, um auf diese Weise am Wohnungsmarkt steuernd einzuwirken. Das ist die Leerstandssteuer. Das ist etwas Neues. Das hat es bisher noch nicht gegeben.

Zum Zweckentfremdungsverbot kann ich sagen: Das ist ein Instrument, das es gegenwärtig in Hamburg gibt. Das, was Sie in dem Gesetzentwurf lesen können, ist im Wesentlichen die Übernahme

des bestehenden hamburgischen Rechtes, sozusagen umgebrochen auf Niedersachsen mit wenigen Änderungen. Das, was wir zusätzlich hineingeschrieben haben, nämlich eine Leerstandssteuer einzuführen und den Kommunen Gelegenheit zu geben, das durch örtliche Satzung zu regeln, ist neu. Etwas Vergleichbares werden Sie da nicht finden. Wir halten das für sinnvoll, weil man den Kommunen auf diese Weise die Möglichkeit an die Hand gibt, steuernd einzugreifen, wenn jemand aus spekulativen oder sonstigen Gründen für einen längeren Zeitraum - natürlich nur dann - Wohnraum leer stehen lässt.

Diejenigen von Ihnen, die Kommunalpolitiker sind, kennen in Ihrer Kommune sicherlich Beispielsfälle - Sie haben sie bestimmt vor Augen; das ist sicherlich nicht nur in Oldenburg ein Problem -, bei denen in unverantwortlicher Weise Wohnraum leer stehen gelassen wird. In Oldenburg ist es bereits zu Hausbesetzungen gekommen, die demonstrativ auf diesen Missstand aufmerksam machen wollten.

(Beifall bei der LINKEN)

Das ist ein Verhalten der Eigentümer, das gegen Artikel 14 Abs. 2 des Grundgesetzes verstößt, in dem es heißt:

„Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“

Genau diesen Verfassungsauftrag wollen wir mit unserem Gesetz durchsetzen.

(Beifall bei der LINKEN)

Etwas Zweites ist neu und werden Sie in anderen Landesgesetzen nicht finden. Wir möchten dieses Instrument der Leerstandssteuer auch auf gewerbliche Immobilien anwenden, die in zentraler Lage über einen längeren Zeitraum leer stehen und mit denen die Grundstückseigentümer spekulieren oder in die einfach nicht investiert wird. Solche Fälle gibt es. Wer aus Oldenburg kommt, weiß, dass ich z. B. das Wallkino meine. In zentraler Lage vergammelt, wie man wirklich sagen kann, gegenwärtig ein ehemaliges Kino und es wird von der Bevölkerung nur noch als Schandfleck empfunden. Ich bin mir sicher, dass es im Gebiet anderer Städte - da werden Sie mir zustimmen - ähnliche Beispiele gibt.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn wir wenigstens eines machen könnten, nämlich durch eine solche Leerstandssteuer den Eigentümer diesen Leerstand nur zu verteuern, da

mit wir die richtigen Anreize oder die richtigen Strafen geben, falls jemand auf diese Weise gegen Artikel 14 Abs. 2 des Grundgesetzes verstößt, dann wäre auch das etwas im Sinn unseres Gesetzentwurfs.

(Beifall bei der LINKEN)

Als Nächster hat sich Herr Brunotte von der SPDFraktion zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wohnen ist zu Recht ein Menschenrecht. Das gilt im Bereich der Unverletzlichkeit der Wohnung genauso, wenn wir uns die Maslowsche Bedürfnispyramide ansehen, die Wohnen als körperliches Existenzbedürfnis beschreibt.

Das heißt für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten auch, dass sich dieses grundsätzliche Ziel in einer angemessen Versorgung der Niedersachsen mit Wohnraum dokumentieren muss, nichtsdestotrotz auch, weil die soziale Wohnraumförderung mit der Föderalismusreform I auf die Länder übergegangen ist. In diesem Zusammenhang muss ich dann auch die soziale Frage mit stellen.

Der vorliegende Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE zielt im Kern auf den Erlass eines Landeswohnungsschutzgesetzes - ein sperriger Begriff -: ein gesetzlicher Rahmen, der den grundsätzlichen staatlichen Gestaltungsanspruch dokumentiert. Herr Kollege Adler hat gerade darauf hingewiesen, dass das kein Gesetz ist, das neu geschrieben wurde, sondern das in der Form bereits in Hamburg existiert und das aus Hamburg in Teilen mit übernommen wurde, was auch nichts Schlimmes ist. In Hamburg wird genauso wie in Bremen oder in Hannover, also in norddeutschen Großstädten, eine ordentliche Politik gemacht.

(Beifall bei der SPD)

Im grundsätzlichen Ziel sind wir uns einig. Doch die Frage stellt sich für uns, ob wir auch im Weg einig sind.

(Hans-Henning Adler [LINKE]: Das kann noch kommen!)

Wir sind nicht ganz davon überzeugt, ob dieses Gesetz ein wirkungsvolles Instrument ist. Ich möchte Ihnen das anhand von vier Punkten darle

gen, die unsere Überlegungen zum Gesetzentwurf fassen sollen.

Punkt 1: Spekulation oder falsche Lage. - Zweckentfremdungsverordnungen gab es in der BRD bis in die 80er-Jahre hinein in vielen Städten. Es war hier aber immer der Nachweis der Kommune erforderlich, dass der Wohnungsmarkt sehr angespannt ist. Wirksam war das Instrument in den seltensten Fällen, weil immer wieder Gerichte den Kommunen dieses Instrument aus der Hand geschlagen haben und vor allem in innerstädtischen Bereichen die Umwandlung von Wohnraum in Räume für Architekten, Rechtsanwälte, Ärzte oder andere Dienstleistungsgewerbe zugelassen haben.

Experten sind sich auch deshalb einig, dass das Instrument für die sehr unterschiedliche Situation in den heutigen Städten kaum erfolgreich anzuwenden ist - und wenn, dann ist es sicherlich ein Thema für Ballungsräume wie Berlin, Hamburg oder München. Die Frage stellt sich, ob es auch in der norddeutschen Tiefebene anzuwenden ist.

Bis zum Jahr 2025 gibt es in Niedersachsen einen rechnerischen Angebotsüberhang von gut 3 % des Bestandes, d. h. knapp 130 000 Wohneinheiten sind in Teilen Niedersachsens über. Dieser Überhang wird angeführt von Osterode - 25 % des Wohnraums bis 2025 werden dort nicht mehr benötigt -, gefolgt von Salzgitter, Northeim und Helmstedt. Das sind dramatische Auswirkungen des demografischen Wandels. Hier hat Leerstand in keiner Form etwas mit Spekulation zu tun. Es fehlen schlichtweg Bevölkerung und die Nachfrage nach Wohnraum.

(Hans-Henning Adler [LINKE]: Des- halb sollen es die Kommunen selbst entscheiden!)

Auf der anderen Seite beträgt der qualitative Neubaubedarf in Niedersachsen knapp 60 000 Wohneinheiten und der zusätzliche rechnerische Neubaubedarf ungefähr 200 000 Wohneinheiten - und hier dann vor allem in den Ballungsbereichen Hannover, Braunschweig, Lüneburg und Oldenburg insgesamt bis zum Jahr 2025 270 000 Wohnungen.

Wir haben den Wohnraum somit oftmals an den falschen Stellen. Während die Bevölkerungszahl in einigen Teilen Niedersachsens schrumpft, wächst sie in anderen Bereichen. Regionale Disparitäten verstärken sich in den nächsten Jahren. Woh

nungsnot geht aber hier in den wenigstens Bereichen mit Leerstand zur Spekulation oder der Umwandlung zu gewerblichen Zwecken einher. Es fehlt Wohnraum aufgrund von Bevölkerungswachstum, während Prognosen zufolge die Bevölkerung Niedersachsens gleichzeitig bis zum Jahr 2025 um 424 000 Einwohner schrumpfen wird. Trotzdem steigen Anzahl der Haushalte und die Nachfrage nach Wohnraum. Für einen ausgeglichenen Wohnungsmarkt müssten jährlich knapp 16 000 neue Wohnungen gebaut werden. Und das braucht eine dementsprechende Förderkulisse.

Punkt 2: bezahlbarer Wohnraum für alle. - Wir müssen feststellen, dass der Sozialwohnungsbestand in den Städten drastisch abnimmt. Bindungen fallen weg, und es fehlt vor allem Wohnraum für mittlere und niedrigere Einkommen genauso wie ausreichend barrierefreier Wohnraum.

Prekäre Wohnverhältnisse ergeben sich in den nächsten Jahren vor allem aus fehlenden Bestandsmodernisierungen. Wohnarmut wird sich in Zukunft noch stärker am energetischen Sanierungsstand einer Wohnung messen lassen. Eine Vernachlässigung der Bestände zur Profitmaximierung ist dabei kein Einzelfall. Wir haben unzählige Beispiele der großen Heuschrecken auf dem Wohnungsmarkt, die ihre Bestände verkommen lassen und nicht mehr investieren. Wir meinen, das ist ein Grund mehr, Wohnen als ein Stück kommunaler Daseinsvorsorge zu definieren. Doch dieser Bereich wird durch den vorliegenden Gesetzentwurf nicht grundlegend geregelt.

Punkt 3: lebendige Städte und Dörfer. - Herr Kollege Adler hat darauf hingewiesen. Das Grundgesetz sagt in Artikel 14 Abs. 2:

„Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“

Das heißt für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, attraktive und lebendige Städte und Dörfer sind ein wichtiges Ziel. Der Künstler Heinrich Zille hat es einmal dargestellt: Man kann mit einer Wohnung einen Menschen genauso töten wie mit einer Axt. Das Gleiche gilt auch für Städte und Dörfer, die falsch konzipiert sind.

Das Land Niedersachsen hat sehr erfolgreich in den letzten Jahren die Quartiersinitiative Niedersachsen aufgelegt. Mit jährlich 1 Million Euro konnte das Programm QiN zur Steigerung der Attraktivität von Quartieren beitragen - ein sehr wirkungsvolles Instrument, das die Landesregierung in die

sem Jahr leider eingestellt hat, Frau Ministerin Özkan.

(Jens Nacke [CDU]: Das kann man nicht vergleichen!)

Der Kongress zur Evaluierung Anfang Mai brachte die einhellige Forderung aller Beteiligten, der wir uns nur anschließen können: QiN muss fortgeführt werden. - Wir Sozialdemokraten können uns durchaus die Ergänzung in Form von Rechtsetzung vorstellen. Das Instrument Business Improvement Districts sei an dieser Stelle genannt.

Eine kommunale Steuer auf einen Leerstand von Wohnraum und gewerblichen Immobilien allein wirkt nur steuernd repressiv. Der Vorteil von QiN und BID sind zusammenführende Elemente, die wir in der Städtebauförderung brauchen. Mit staatlicher Unterstützung werden Eigentümer zu Akteuren und zum Handeln verpflichtet. Das schließt eine finanzielle Beteiligung ein.

Punkt 4: die Förderkulisse. - Im Jahr 2013 läuft die Bundesförderung aus. Schon jetzt ist klar, dass der vorhandene Wohnraumförderfonds des Landes nicht ausreichen wird, um den Wegfall der Mittel zu kompensieren. Niedersachsen setzt an dieser Stelle bislang keinen einzigen Cent aus eigenen Mitteln ein.

Die Landesregierung ist gefordert, ob mit einer Anpassung des Wohnraumfördergesetzes, zusätzlichen finanziellen Mittel für Städtebau- und Wohnraumförderung oder einer Kompensation der gekürzten Bundesmittel für das Programm „Soziale Stadt“. Nur eine ausreichend starke Förderkulisse garantiert eine ausreichende Versorgung der Niedersachsen mit angemessenem menschenwürdigem Wohnraum auf einem hohen energetischen Stand und verhindert somit Wohnarmut und Wohnungsnot.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Wohnungsmärkte in Niedersachsen müssen in Zukunft stärker nach regionalen Aspekten betrachtet werden. Nur dann ist eine ausgewogene Entwicklung möglich. Dazu gehört dann auch eine zukunftsorientierte Versorgung mit Wohnraum, die vor allem Haushaltsmittel im Bereich der Wohnraumförderung braucht.

Ob der vorgelegte Gesetzentwurf eine Antwort auf die Problemlagen ist, werden die Beratungen im Sozialausschuss zeigen. Wir sind an dieser Stelle verhalten optimistisch.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Nächster Redner ist für die CDU-Fraktion Herr Krumfuß. Ich erteile Ihnen das Wort, Herr Krumfuß.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit Vollgas zurück in die Vergangenheit, habe ich gedacht, als ich den Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE gelesen habe.

Warum sage ich das? - Das, was 1991 geschehen ist, war meines Erachtens richtig. Die Ermächtigung des Bundes hat seinerzeit dazu geführt, dass die Niedersächsische Zweckentfremdungsverordnung gekommen ist. Sie ist in 62 Städten und Gemeinden angewendet worden. Im Laufe der Jahre reduzierte sich ihre Anwendung dann aber auf sechs Städte und Gemeinden. Man hatte erkannt, dass es dieser Verordnung nicht mehr bedurfte.