Protocol of the Session on April 13, 2011

Schlussendlich: Der Ansatz zur Stärkung der direkten Demokratie verdient Unterstützung. Der Weg dorthin ist in unseren Augen schwieriger und komplexer als der, der mit dem uns vorliegenden Gesetzentwurf beschrieben wurde. Insofern freue ich mich auf die Ausschussberatung.

Herzlichen Dank.

(Starker Beifall bei der SPD)

Zum Beitrag von Herrn Tonne hat sich Herr Adler zu einer Kurzintervention gemeldet. Sie haben eineinhalb Minuten Redezeit, Herr Adler.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Tonne, Sie haben in Ihrem Beitrag mehrere Gesichtspunkte genannt, die man mit bedenken sollte. Da bin ich sofort einverstanden. Das kann in den Ausschussberatungen geschehen.

Aber Sie sind nicht so richtig auf den Punkt gekommen,

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

wie Sie denn nun zu dem Gesetzentwurf der Grünen konkret stehen. Um diesen Punkt haben Sie ein bisschen herumgeredet.

(Zuruf von der SPD: Da müssen Sie zuhören, Herr Adler!)

Sie müssten doch zumindest über ein Problem informiert sein: Wenn die Hürde so hoch ist, wie sie zurzeit in der Niedersächsischen Verfassung geregelt ist, dann hat sie eine abschreckende Wirkung. Diese abschreckende Wirkung erlebt man immer dann, wenn man im Vorfeld an der Diskussion mit den Initiatoren beteiligt ist. Dann kommt nämlich immer wieder das Argument: Das schaffen wir ja doch nicht!

Das ist das Problem. Wir müssen die Hürde absenken, um die Bürgerinnen und Bürger zu ermuti

gen, mehr Demokratie zu wagen. Zu diesem Problem haben Sie sich leider nicht geäußert.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Die nächste Wortmeldung stammt von Herrn Professor Zielke für die FDP-Fraktion. Ich erteile Ihnen das Wort. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man muss sich über eines im Klaren sein: Mehr direkte Demokratie bedeutet nicht per se mehr Demokratie, sondern es bedeutet automatisch weniger repräsentative Demokratie. Wir reden hier nicht über Entscheidungen in umschriebenen Einzelfällen, sondern was Sie, verehrte Grüne, hier fordern, ist eine grundsätzliche Verschiebung unseres politischen Koordinatensystems: Weg vom parlamentarischen System hin zu einer Stimmungsdemokratie.

(Widerspruch bei den GRÜNEN und bei der LINKEN - Helge Stefan Lim- burg [GRÜNE]: Gibt es in Bayern eine Stimmungsdemokratie?)

Wir sind mit unserem derzeitigen System des Parlamentarismus, angereichert um die Möglichkeit der Volksentscheide nur in ganz fundamentalen Fragen, bisher eigentlich gut gefahren. Wir haben seit mehr als 60 Jahren ein stabiles Gemeinwesen, das uns Frieden und Wohlstand beschert hat. Die Wutbürgerdemokratie muss ihre Tauglichkeit erst noch beweisen. Das Neue ist nicht immer das Bessere. Und wenn es dem Esel zu wohl wird, geht er auf das Eis.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Esel?)

- Das ist eine Redensart des Volksmundes.

Nach ganz abscheulichen Verbrechen ist der Ruf nach der Todesstrafe immer stark gewesen, und das Verbot von Minaretten in der Schweiz ist per Volksabstimmung zustande gekommen. Es mag durchaus an der einen oder anderen Stelle angebracht sein, unsere demokratischen Regeln weiterzuentwickeln. Aber wir sollten dabei sehr behutsam vorgehen.

(Zustimmung von Elisabeth Heister- Neumann [CDU])

Es sollte doch auch Ihnen, verehrte Grüne, zu denken geben, dass der Schuss auch nach hinten

losgehen kann. In Hamburg war die Initiative „Wir wollen lernen!“ der Sargnagel an der Regierungsbeteiligung der Grünen.

Wenn langjährige Planungsprozesse sozusagen bis zur letzten Minute vor der Realisierung von Wutbürgern gekippt werden können, wie das bei Stuttgart 21 immer noch versucht wird, dann kann das das Ende von Planbarkeit bedeuten. Wie sollen dann Projekte wie die neuen Hochspannungstrassen zur Weiterleitung des Stroms von den Windparks der Nordsee noch verlässlich und in absehbarer Zeit umgesetzt werden?

Diese Landesregierung und besonders die FDP haben das Instrument des Bürgerentscheids immer unterstützt. Wir haben in unserem neuen Kommunalrecht die Bedingungen für Bürgerentscheide gestärkt. Aber es ist eben immer sehr sorgfältig abzuwägen, auf welcher staatlichen Ebene welche Modalitäten für Plebiszite angemessen sind und wie sich das Verhältnis von schweigender Mehrheit zu agitierter Minderheit in unserer Demokratie gestalten soll. Im Ausschuss werden wir darüber reden.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Zu einer Kurzintervention auf den Beitrag von Herrn Professor Zielke hat sich Frau Kollegin Helmhold gemeldet. Bitte schön! Sie haben eineinhalb Minuten.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Professor Zielke, ich will gar nicht sagen, dass ich einigermaßen erstaunt bin. Fast hätte ich es sogar erwartet, dass sich ausgerechnet die FDP hier so positioniert.

(Stefan Schostok [SPD]: Bürger- rechtspartei!)

Anderseits bin ich dann aber doch erstaunt; denn gerade Sie als FDP sind in Sachen Stimmungsdemokratie, zumindest in Sachen repräsentativer Stimmungsdemokratie, im Moment doch geradezu die Experten - Experten darin, wie man Stimmungen aufnimmt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie malen am Beispiel von Stuttgart 21 und an anderen Beispielen das Gespenst der Nichtplanbarkeit an die Wand. Dazu möchte ich Ihnen sagen, dass man dieses Problem eher dadurch löst, dass man die Bürger viel eher einbezieht, als da

durch, dass man Planungsprozesse schafft, die 20 Jahre lang andauern. Auch in Stuttgart hat man den Menschen lange Zeit versprochen, dass man auf sie wartet und dass man dann eine Volksabstimmung macht. Dann hat man eine Volksabstimmung gemacht, die Bürger haben soundso viel Unterschriften gesammelt, und dann wurde gesagt, das ist jetzt rechtlich nicht mehr zulässig. - Das war dort das Problem. Wenn man das vernünftig macht, dann ist das durchaus planbar.

Ein letztes Wort: Eine solche Rede zum Thema direkte Demokratie und Bürgerrechte hätte es, glaube ich, von einem Gerhart Baum nicht gegeben. Ich bedauere diese Rede sehr.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung von Stefan Schostok [SPD])

Herr Professor Zielke möchte antworten. Auch Sie haben eineinhalb Minuten. Bitte sehr!

Herr Präsident! Frau Helmhold, Ihre Wahrnehmung und Ihr Erstaunen über die FDP zeigen nur, dass Sie sich mit der FDP nicht genügend beschäftigen.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Es bleibt einem ja nichts anderes übrig!)

Derzeit ist es doch so, dass Planungsverfahren aufgrund der diversen Beteiligungen in die Länge gezogen und wesentliche Entscheidungen im Prinzip nie getroffen werden können. Insofern stellt sich die Frage, bis wann in einem Planungsprozess ein solcher Volksentscheid überhaupt zulässig sein soll.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Erst ent- scheidet man über das Projekt mit den Bürgern und dann über den Rest! Das hat Geißler doch ganz deutlich gesagt!)

- Das ist aber ganz schwierig. Nehmen wir einmal an, Sie sagen, Sie seien grundsätzlich dafür, dass in Niedersachsen per Volksentscheid Stromtrassen gebaut werden - und dann bekommen Sie zu einem viel späteren Zeitpunkt des Verfahrens lokale Volksentscheide, die ständig dagegen sind. Ich hätte gern erklärt, wie Sie dann in der Sache trennen wollen, was ein erlaubter Volksentscheid ist und was nicht.

(Beifall bei der FDP und bei CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, zu diesem Tagesordnungspunkt liegen keine Wortmeldungen mehr vor.

Wir kommen zur Ausschussüberweisung.

Zuständig soll der Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen sein. Spricht jemand dagegen, dass so entschieden wird? - Enthält sich jemand? - Es ist einstimmig so beschlossen worden.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 9 auf:

Erste Beratung: Entwurf eines Gesetzes über Zuwendungen des Landes zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden (Niedersächsi- sches Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz - NdsGVFG) - Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 16/3532

Der Gesetzentwurf wird eingebracht von Herrn Hagenah für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Ich erteile ihm das Wort.

(Unruhe)

Zunächst aber möchte ich das Plenum bitten, dass hier Ruhe einkehrt und dass diejenigen, die Privatgespräche führen wollen, nach draußen gehen; denn die Aufmerksamkeit sollte dem Redner geschenkt werden.