Das ist auch von der Staatsanwaltschaft in Oldenburg bestätigt worden. Sie verfügt über eine sehr gut ausgestattete Abteilung, die hervorragend arbeitet. Das haben wir bestätigt bekommen.
Danke schön. - Weitere Wortmeldungen für Zusatzfragen liegen mir nicht vor. Ich schließe damit diesen Tagesordnungspunkt.
c) Minister Sander gefährdet Weltnaturerbe und Deichsicherheit der Küste - Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drs. 15/3158
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit den vom Landeskabinett beschlossenen Änderungen der „Zehn Grundsätze für einen effektiven Küstenschutz“ wird vom bisherigen Grundsatz abgewichen, Deiche landseitig zu verstärken und den dafür erforderlichen Klei nicht aus den besonders geschützten Salzwiesen abzubauen.
Nunmehr soll der Eingriff in die einzigartigen und ökologisch sensiblen Salzwiesen des Wattenmeeres durch Kleiabbau und seeseitige Deichverstärkung der Regelfall werden.
Die neuen Küstenschutzgrundsätze widersprechen damit dem Beschluss des Landtags vom 17. Mai dieses Jahres. Darin heißt es u. a.:
Mit der massiven Veränderung der Küstenschutzgrundsätze kündigt die Landesregierung einen bisherigen Kompromiss auf, der seit 1995 zu einer Befriedung des bis dahin existierenden massiven Konflikts zwischen Natur- und Küstenschutz geführt hat. Zuvor war es vor allem am Cäciliengroden - für Nichtküstenbewohner: das ist im Bereich des Jadebusens, südlich von Wilhelmshaven - zu massiven Protesten mit Mahnwachen und Fackelzügen gekommen.
Der Deichbau an der niedersächsischen Küste wird u. a. aus EU-Mitteln finanziert. Diese Mittel werden in der Regel nur ausgezahlt, wenn damit nicht in EU-Vogelschutz- oder FFH-Gebiete eingegriffen wird. Neben Eingriffen in das FFH-Gebiet durch Kleiabbau und Deichverbreiterung sieht die Landesregierung eine Beweidung der Salzwiesen vor und begründet dieses mit einer Verminderung des Anfalls von Treibsel. Nach einem 1996 von der Landesregierung vorgelegten Bericht „Treibselproblematik an den Hauptdeichen der nieder
sächsischen Nordseeküste und der von der Tide beeinflussten Flussläufe“ kann eine extensive Beweidung den Treibselanfall jedoch nicht wesentlich verringern.
Neben ihrem besonderen Wert für den Naturschutz haben die Salzwiesen die Funktion, bei Sturmfluten die Kraft des auflaufenden Wassers zu brechen. Der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung zu globalen Umweltveränderungen geht in seinem im Mai vorgelegten Sondergutachten zum Klima- und Meeresschutz davon aus, dass der Anstieg des Meeresspiegels wesentlich schneller und deutlich stärker eintreten wird als bisher angenommen. Außerdem prognostizieren die Gutachter eine Zunahme der Häufigkeit und Intensitäten von Sturmfluten. Der Naturschutzbund Niedersachsen weist in seiner Pressemitteilung vom 5. September 2006 daher zu Recht darauf hin, dass der Bodenabbau vor dem Deich zu einer massiven Gefährdung der hinter dem Deich lebenden Menschen führen wird.
2. In welcher Höhe drohen EU- und Bundesmittel für den Küstenschutz verloren zu gehen, weil gegen geltendes EU-Naturschutzrecht und die am 18. November 2004 beschlossenen Grundsätze der Förderung des Deichbaus im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz verstoßen wird, nach denen keine Maßnahmen förderfähig sind, mit denen ökologisch wertvolle Flächen in Anspruch genommen werden?
3. Warum gefährdet die Landesregierung wegen vergleichsweise geringfügiger kurzfristiger Einsparungen mittelfristig die Deichsicherheit und damit Leib und Leben der Menschen an der Küste?
Danke schön. - Für die Landesregierung antwortet Herr Umweltminister Sander. Sie haben das Wort. Bitte schön!
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Küstenschutz ist und bleibt eine Schwerpunktaufgabe der Landesregierung. Es ist eine Daueraufgabe für das Land. Wir müssen und werden auch in den kommenden Jahren die Deiche weiter verstärken, um die Menschen hinter den Deichen und die Kulturlandschaft zu schützen.
Die finanziellen Rahmenbedingungen verpflichten uns aber auch, immer wieder darüber nachzudenken, wie wir den Küstenschutz unter Beachtung ökologischer Gesichtspunkte noch wirtschaftlicher gestalten können. Ein Ansatz sind dazu die zehn Grundsätze, die die damalige Landesregierung im Jahr 1995 zum Küstenschutz beschlossen hat. Durch einige dieser Grundsätze wurden Festlegungen getroffen, die technische und wirtschaftliche Aspekte einseitig ausgeblendet haben. Dadurch wurde eine verantwortungsvolle Abwägung im Einzelfall verhindert. Dies wurde mir bei den vielen Terminen an der Nordseeküste von Experten und Praktikern immer wieder verdeutlicht.
Die Landesregierung hat sich zu einer nachhaltigen Umweltpolitik verpflichtet; d. h. die ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Belange der Menschen müssen gleichermaßen berücksichtigt werden. Dazu gehört auch die finanzielle Nachhaltigkeit. Da die Mittel auch für den Küstenschutz begrenzt sind, müssen wir sie so einsetzen, dass ein Optimum für die Sicherheit der Menschen hinter den Deichen erreicht wird, ohne dabei den Naturschutz auszublenden.
Die Landesregierung hat das Thema aufgegriffen. Im Jahr 2005 hat das Umweltministerium die Veranstaltung „Küstenschutz - naturverträglich und effizient“ in Wilhelmshaven ausgerichtet. Dabei haben wir den Modernisierungsbedarf mit Vertretern der Küstenregion, der Deichverbände, der Umweltverbände und mit weiteren Experten diskutiert.
Der Landtag hat mit seinem Beschluss vom 17. Mai dieses Jahres die Landesregierung gebeten, die Küstenschutzgrundsätze zu überprüfen und gegebenenfalls, auch unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit, fortzuentwickeln. Das ist inzwischen geschehen. Die entsprechende Fortschreibung hat die Landesregierung am 5. September beschlossen. Zuvor hat sie den damals an der Diskussion des Themas beteiligten Verbänden ebenfalls eine Beteiligung ermöglicht.
In der Diskussion um die Grundsätze für den Küstenschutz wird verschiedentlich der falsche Eindruck erweckt, nach der Fortschreibung würde der Küstenschutz einseitig vernachlässigt. In der Dringlichen Anfrage wird sogar behauptet, Kleiabbau im Deichvorland und seeseitige Deichverstärkung würden der Regelfall. Das ist nicht richtig.
Vielmehr stellen die neuen Grundsätze sicher, dass in Zukunft immer die technischen, wirtschaftlichen und ökologischen Belange in jedem Einzelfall ergebnisoffen abgewogen werden. Zur Versachlichung der Debatte möchte ich die beschlossenen Veränderungen kurz darstellen.
Zunächst zum Grundsatz Nr. 2. Die im Jahr 1995 von der damaligen Landesregierung gewünschte Bevorzugung der binnenseitigen Verstärkung der Deiche hat sich in der Praxis nicht durchgesetzt.
Denn bei der Überprüfung wurde festgestellt, dass in den zurückliegenden zehn Jahren Deichverstärkungen etwa in der gleichen Größenordnung binnen- und außendeichs vorgenommen wurden. Es war daher selbstverständlich, die gegenwärtige Praxis in die neuen Grundsätze mit aufzunehmen. In Zukunft wird immer im Einzelfall entschieden, ob eine Verstärkung binnendeichs oder außendeichs erfolgt. So können Kostengesichtspunkte und Naturschutzbelange besser abgewogen werden. Zum Beispiel kann bei einer Verstärkung binnendeichs der Neubau der Deichverteidigungswege und der Entwässerung zu einer erheblichen Verteuerung der Maßnahme führen.
Besonders umstritten scheint der Grundsatz Nr. 8 zu sein. Dabei geht es um die Gewinnung des Kleibodens, die nach den Grundsätzen von 1995 im Regelfall im Binnenland erfolgen sollte. In Zukunft sollen Kleientnahmen grundsätzlich auch im Deichvorland möglich sein.
Das heißt, dass in Zukunft im Einzelfall zu entscheiden sein wird, wo die Kleientnahme erfolgt. Dabei sind immer ökologische, technische und wirtschaftliche Belange gegeneinander abzuwägen. Aus Umweltsicht ist dabei auch zu berücksichtigen, dass Klei aus dem Binnenland vielfach
weit von der Baustelle entfernt gewonnen werden muss mit den sich daraus ergebenden negativen Folgen für die Umwelt durch Lärm, Luftverschmutzung und Verkehr - und das in einer Region, in der der Tourismus eine entscheidende Rolle spielt.
Meine Damen und Herren, uns ist bewusst, dass eine Kleientnahme im Vorland die dortigen Lebensräume vorübergehend verändert. An geeigneten Standorten kann die natürliche Wiederverlandung aber dazu führen, die Pütten in absehbarer Zeit wieder zuwachsen zu lassen und in ökologischer Hinsicht mindestens die gleichen, wenn nicht sogar bessere ökologische Verhältnisse zu schaffen.
Erwähnen möchte ich dabei auch, dass Klei jahrhundertelang fast ausschließlich aus dem Deichvorland gewonnen wurde. Eine sorgsame Anwendung im Einzelfall wird sicherstellen, dass der Natur insgesamt kein Schaden entstehen wird.
Schließlich wurde der Grundsatz Nr. 10 verändert. Nunmehr ist die extensive Nutzung der Deichvorländer - also durch Beweidung und Mahd - zur Verminderung des Treibselanfalls möglich. Aber auch hier sind immer die ökologischen Belange zu berücksichtigen.
Meine Damen und Herren, zusammenfassend ist festzustellen, dass mit den beschlossenen Änderungen zukünftig die technischen und wirtschaftlichen Notwendigkeiten bei Vorhaben des Küstenschutzes stärker berücksichtigt werden. Das bedeutet nicht - das möchte ich ausdrücklich betonen -, dass die Belange des Naturschutzes vernachlässigt werden. Schließlich - das weiß jeder von Ihnen - muss grundsätzlich bei den betroffenen Deichbaumaßnahmen eine FFH-Verträglichkeitsprüfung durchgeführt werden. Die Aspekte des Naturschutzes werden also in jedem Fall sorgsam und gewissenhaft berücksichtigt.
Zukünftig werden in jedem Einzelfall die ökologischen, technischen und wirtschaftlichen Randbedingungen miteinander abgewogen. Vor dem Hintergrund des weiterhin erheblichen Investitionsbedarfs im Küstenschutz ist die verstärkte Berücksichtigung der technischen und wirtschaftlichen Belange ein Gebot sowohl der wirtschaftlichen Vernunft als auch einer nachhaltigen Umweltpolitik. Gerade dieses Vorgehen ist eine Voraussetzung
Zu Frage 1: Die in der Frage aufgestellte Behauptung, die Landesregierung habe sich bei der Fortentwicklung der Grundsätze für einen effektiven Küstenschutz über den Beschluss des Landtages hinweggesetzt, trifft nicht zu.
Vielmehr ist die Landesregierung der Bitte des Landtages gefolgt und hat die Grundsätze überprüft und auch unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit fortentwickelt. Dabei wurden Deich- und Umweltverbände beteiligt.
Zu Frage 2: Mit den fortentwickelten Grundsätzen wird weder gegen Naturschutzrecht noch gegen die Grundsätze für die Förderung von Küstenschutzmaßnahmen im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz verstoßen. Im Übrigen werden für alle Kleientnahmemaßnahmen in dem Schutzgebiet nach vorheriger Prüfung FFH-Verträglichkeitsuntersuchungen durchgeführt. Somit geht die Landesregierung davon aus, dass sichergestellt ist, dass keine EUoder Bundesmittel für den Küstenschutz verloren gehen.
Zu Frage 3: Die Frage ist nicht nachvollziehbar. Die Deichsicherheit zählt für die Landesregierung auch zukünftig mit zu den höchsten Prioritäten. Die Landesregierung wird niemals Maßnahmen durchführen, die eine Gefährdung der Menschen an der Küste nach sich ziehen würde.