Protocol of the Session on September 13, 2006

rungen ermöglichen. Diese Firmen begreifen kulturelle Vielfalt und Toleranz als Stärke, als Kraft, als Möglichkeit, den Herausforderungen der Globalisierung die Stirn zu bieten. Auch Wirtschaftswissenschaftler wie beispielsweise der Amerikaner Richard Florida weisen nach, dass die Fähigkeit zur kulturellen Integration, zur Aufnahme von Ideen aus anderen Regionen und Ländern, dass Toleranz und Weltoffenheit zentrale Determinanten des wirtschaftlichen Erfolgs unseres Landes sind. Hier, Herr McAllister, liegt die zentrale Herausforderung. Die Integration muss zur Chefsache werden. Sie gehört auf die Regierungsbank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Man muss aufhören, gut integrierte Migranten, die hier leben und arbeiten, die hier Rentenversicherungsbeiträge und Steuern zahlen, ins Ausland zu vertreiben. Auch im öffentlichen Dienst - ob in den Finanzämtern, in den Schulen oder bei der Polizei - müssen Menschen mit Migrationshintergrund Chancen und Wege eröffnet werden.

(Ingrid Klopp [CDU]: Was tun wir denn?)

Es geht um die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft. Wir reden über Wirtschaft, Finanzen und Haushalt. Die Determinanten, über die wir künftig reden müssen, wenn unsere Bevölkerung zurückgeht, lauten: Wo entsteht Kreativität? Wo entsteht Innovationspotenzial? Wer sorgt dafür, dass unsere Universitäten vorankommen? Diese Fragen werden die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft künftig ganz maßgeblich bestimmen und ausschlaggebend dafür sein, ob wir für kreative, phantasievolle und innovative Zu- und Einwanderer attraktiv sind, egal, ob sie als Gastprofessoren, als Studentinnen und Studenten, als Facharbeiterinnen und Facharbeiter oder als Flüchtlinge kommen.

Meine Damen und Herren, so mut- und perspektivlos wie die Große Koalition in Berlin, so kommt auch Ihr Landeshaushalt in Niedersachsen daher. Ein Landeshaushalt soll auch immer einen langfristigen Blick in die Zukunft markieren. Dieser Landeshaushalt tut das aber nicht. Wo sind denn Ihre langfristigen Linien? Was sagen Sie den Kommunen, die von Kassenkrediten erstickt werden, zumal dann, wenn die Zinsen noch steigen?

(David McAllister [CDU]: Machen Sie doch konkrete Alternativvorschläge!)

Notwendig sind jetzt mutige Initiativen zur Reform der Länderfinanzverfassung. Sie muss so gestaltet werden, dass die stillschweigende Duldung von Steuerhinterziehung finanziell bestraft wird. 20 Milliarden Euro gehen dem Fiskus jährlich verloren, weil die Finanzminister ihre Ressorts als fünfte Kolonne der Wirtschaftsförderung sehen.

Was ist mit einer Länderneuordnung? Das Problem der zu kleinteiligen Ländergrenzen zeigt sich insbesondere bei der Hafenfinanzierung. Jedem Land sein eigenes Spielzeug! Wenn der Tiefwasserhafen Sinn machen soll, meine Damen und Herren, dann nur, wenn gleichzeitig die endlose Vertiefung von Weser und Elbe beendet wird.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, vieles muss jetzt angepackt werden: eine verkehrswertnahe Reform der Erbschaftsteuer, eine Begrenzung der Ärzteabrechnung bei der Beihilfe, eine echte Kooperation im Nordländerverbund, ein Anreizmodell für kooperations- und fusionswillige Kommunen, eine Diskussion über künftige Verwaltungszuschnitte und eine Gemeindefinanzreform.

Nicht zuletzt gilt es, den Zumutungen der großen Koalition entgegenzutreten. Beispielsweise widerspricht die geplante Kürzung bei den Wohnkosten für Arbeitslosengeld-II-Empfänger alten Vereinbarungen mit den Kommunen.

Meine Damen und Herren, die Krönung der ganzen Angelegenheit, die sogenannte Gesundheitsreform, würde auch Niedersachsen treffen: steigende Beiträge - man höre und staune; wer hätte dies für möglich gehalten? -, doppelte Kontenführung bei der neuen Behörde und bei den Kassen für die kleine Kopfpauschale, eine neue Mammutbehörde, die kein Mensch braucht, Frau RossLuttmann. Was die Große Koalition hier verabredet hat, ist großer schwarz-roter Bockmist. Um in Ihrem Bilde zu bleiben, Herr McAllister, könnte man es auch als konservativ-altlinken Bockmist bezeichnen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Wulff, Herr McAllister, Sie haben sich zum Gewinner der Kommunalwahl erklärt,

(David McAllister [CDU]: Na klar!)

obwohl Sie absolut und in Prozent verloren haben. Außer in Braunschweig haben Sie in den großen Städten keinen Erfolg gehabt.

(David McAllister [CDU]: Niedersach- sen ist ein Flächenland!)

Osnabrück, Göttingen, Hannover, Oldenburg, Lüneburg - Sie haben verloren!

(Zuruf von David McAllister [CDU])

- Herr McAllister, was soll denn das Geschrei? Sie haben absolut und in Prozent verloren!

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Damit haben Sie auch das Ergebnis des Niedersachsentrends bestätigt. Ministerpräsident Wulff ist wieder auf dem Teppich. Die FDP ist vierte Kraft, und das ist gut so.

Meine Damen und Herren, einmal mehr hat sich Herr Wulff als Anscheinserwecker versucht. Die Realität straft ihn Lügen. - Herzlichen Dank.

(Starker, lang anhaltender Beifall bei den GRÜNEN und Zustimmung bei der SPD)

Für die FDP-Fraktion hat sich jetzt Herr Rickert zu Wort gemeldet.

(Dr. Philipp Rösler [FDP]: Lange hat er gewartet! Das Beste zum Schluss!)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich freue mich darüber, dass ich nun doch noch zu Wort komme. Ich habe meinen Redebeitrag mit „Haushalt 2007“ betitelt. Es fällt mir schwer, Sie auf dieses Thema zurückzuführen, nachdem Herr Wenzel hier die große weite Welt bewegt hat.

Herr Wenzel, noch eine Anmerkung zu Ihnen: Der prozentuale Durchschnitt reißt mich nicht vom Hocker. Es ist viel wichtiger, wenn man in den Kommunen mitbestimmen, mitmachen kann. Ich möchte darauf aufmerksam machen, dass die FDP immerhin einen hauptamtlichen Landrat und einige Bürgermeister stellt.

(Beifall bei der FDP)

Zudem ist die Zahl der Mandate im Vergleich zu denen der Grünen größer geworden. Damit spielt für mich die im Übrigen nur theoretische Frage,

wer denn nun die dritte Kraft im Lande ist, keine große Rolle. Im Augenblick bilden wir hier im Lande zusammen mit der CDU-Fraktion eine Regierungskoalition, die ausgesprochen erfolgreich ist. Ich freue mich darüber, dass das besonders gute Klima in der Koalition von Herrn McAllister gelobt worden ist. Dies beruhigt mich, weil wir gut zusammenarbeiten und das parlamentarische Spiel in anderen Feldern durchaus geübt werden kann.

Ich hatte gesagt, ich betitele meinen Redebeitrag mit „Haushalt 2007“, und wollte mit der alten Volksweisheit „Spare in der Zeit, so hast du in der Not“ beginnen. Wir sparen zwar noch kein Geld, sondern bauen lediglich Schulden ab. Aber die Aussicht auf die hohen Steuereinnahmen im nächsten Jahr sollten uns nicht dazu verleiten, vom Konsolidierungskurs abzuweichen und die Ausgabendisziplin schleifen zu lassen, zumal - dies ist unsere Position - die internationalen Rahmenbedingungen - ich denke nur an die fragile Situation in Nahost und anderswo - alles andere als sicher sind und auch die nationale Konjunkturpolitik keinen Anlass zu überschäumendem Optimismus bietet.

Die Landesregierung und die Fraktionen von CDU und FDP legen Ihnen heute die Gesetzentwürfe für das Haushaltsjahr 2007 vor. CDU und FDP gehen unbeirrt den Weg, die Nettoneuverschuldung bis auf ein verfassungskonformes Maß zu bringen.

Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir eine Anmerkung: Wir erfüllen die Norm der Verfassung. Wir haben dies die Jahre davor nicht tun können. Wir haben Wege gesucht, über Ausgabenkürzungen dahin zu kommen. Sie waren sehr anstrengend und sind nicht immer auf Zustimmung in der Bevölkerung gestoßen. Dennoch ist hin und wieder kritisch hinterfragt worden: Was passiert eigentlich, wenn ihr die Verfassung nicht einhaltet? - Dieser Verfassungsbruch - so darf ich es nennen - wurde damit motiviert, dass wir kein wirtschaftliches Gleichgewicht haben. Meine Damen und Herren, ein nicht vorhandenes wirtschaftliches Gleichgewicht bedeutet: keine Vollbeschäftigung, kein Wachstum und keine Preisstabilität. Wenn wir das durch die Politik, die jetzt in diesem Lande gemacht wird, erreichen, dann haben wir, glaube ich, den Schlüssel in der Hand, um die Wählerinnen und Wähler wieder an die Urnen zu holen, um sie wieder für Politik zu interessieren und Politik wieder bedeutend zu machen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Wir haben mit einem Schuldenstand von 44 Milliarden Euro angefangen. Er hat sich mittlerweile auf 50 Milliarden Euro entwickelt. Wir zahlen für diesen Schuldenstand 2,5 Milliarden Euro. Herr Wenzel, deswegen ist jede Maßnahme legitim, diesen Schuldenberg abzutragen. Es ist Unsinn, von Schattenhaushalten zu sprechen; denn wir wollen die Nettoneuverschuldung auf jeden Fall abbauen, egal, wie die wirtschaftliche Lage ist. Wir hatten z. B. 2004 und 2005 eine sehr schwierige Einnahmesituation. Wir haben sie dennoch gemeistert und unser Ziel, die Nettoneuverschuldung zurückzuführen, erreicht.

Wir haben Ihnen einen Nachtragshaushalt vorgelegt. Aufgrund der zu erwartenden Steuermehreinnahmen in 2006 werden 248 Millionen Euro aus den Erlösen des LTS-Vermögens in diesem Jahr nicht benötigt, sodass dieser Überschuss in den Haushalt gebucht werden kann. Wir sind nicht der Versuchung erlegen, vor den anstehenden Kommunalwahlen Wahlgeschenke zu verteilen, sondern wir werden diese Mittel der Haushaltskonsolidierung zuführen. Das ist solide Haushaltspolitik!

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - David McAllister [CDU]: Richtig!)

Auf dem Wege zu einem ausgeglichenen Haushalt ist die Nettoneuverschuldung nicht die einzige relevante Größe. Ähnlich wichtig ist das strukturelle Defizit. Zur Erinnerung - es ist hier schon angesprochen worden -: Das strukturelle Defizit ist die Lücke zwischen Einnahmen und Ausgaben, die durch Schulden und Vermögensveräußerungen geschlossen werden muss. Diese Lücke hat sich von den 3,8 Milliarden Euro, die uns die SPDgeführte Landesregierung hinterlassen hat - da beißt die Maus keinen Faden ab, Herr Jüttner -, im Haushaltsjahr 2007 auf 1,9 Milliarden Euro reduziert. Das ist eine Halbierung. Im Klartext heißt dies nicht weniger, als dass es für uns in jedem Jahr etwas einfacher wird, einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Wir sanieren ruhig und unaufgeregt jedes Jahr ein Stückchen weiter, bis der Haushalt ohne Schulden auskommt.

Es genügt aber nicht, sich nur auf die Steuereinnahmen zu verlassen. Ich habe, glaube ich, schon angeführt, dass ich nicht viel von der Steuerpolitik der Großen Koalition in Berlin halte, da ich befürchte, dass mit dieser Politik die Konjunktur erlahmen könnte und die Quelle der zusätzlichen Steuereinnahmen schneller versiegt, als uns lieb sein kann. Daher gehören auf die Einnahmeseite

auch die Verkaufserlöse aus der Privatisierung von Landesvermögen. Die FDP-Fraktion unterstützt Privatisierungen nicht nur aus fiskalischen Gründen, sondern auch unter ordnungspolitischen Gesichtspunkten. So haben wir der Veräußerung der niedersächsischen Spielbanken zugestimmt, weil wir der Meinung sind, dass Glücksspiel nicht zur staatlichen Daseinsvorsorge gehört.

(Beifall bei der FDP)

Da es auch nicht zur staatlichen Daseinsvorsorge gehört, Eisenbahnen zu unterhalten, haben wir uns entschlossen, die Osthannoversche Eisenbahnen AG zu privatisieren. Ebenfalls gehört es nicht zur staatlichen Daseinsvorsorge, Landeskrankenhäuser zu bewirtschaften, sodass wir uns auch hier - mit dem Vorbehalt des Maßregelvollzugs - zur Privatisierung entschlossen haben.

Bei der Bewertung all dieser laufenden Verfahren sollten wir uns als Parlamentarier zurückhalten; denn vorschnelles Polemisieren ohne jegliche Faktenkenntnis ist unprofessionell und für das Land schädlich. Außerdem sollten wir die Privatwirtschaft nicht dämonisieren und so tun, als könnte der Staat alles besser. Die Einrichtungen, von denen ich gerade gesprochen habe, sind alles andere als profitabel. Wir können es uns einfach nicht leisten, Einrichtungen, die nicht zur Daseinsvorsorge gehören, weiterhin zu alimentieren.

(Beifall bei der FDP)

Auf der Ausgabenseite mussten alle Bereiche des Landes erhebliche Kürzungen hinnehmen, sodass alle Ressorts einen Beitrag zur Konsolidierung geleistet haben. Insbesondere mussten die Personalkosten, die bekanntlich 45 % der Ausgaben ausmachen, besonders harte Einschnitte hinnehmen. Unvermeidlich war es, bei den Beamten das Urlaubs- und Weihnachtsgeld einzusparen. Wir meinen, damit die Zumutbarkeitsgrenze erreicht zu haben. Gut 320 Millionen Euro werden wir ab 2008 zusätzlich für die Beamten im Landesdienst ausgeben, um ihnen wieder ein Weihnachtsgeld sowie eine Anpassung ihrer Bezüge zu finanzieren. Das bedeutet für 2007 1 280 Euro als Sonderzahlung. Damit befinden wir uns im Bundesdurchschnitt; der Bund gewährt z. B. 30 % für Aktive und 25 % für Pensionäre. Dies, meine Damen und Herren, ist sicherlich keine leichtfertige Ausgabenpolitik, sondern die konsequente und richtige Antwort auf den neuen Tarifvertrag der Angestellten. Eine deutliche Ungleichbehandlung zwischen Angestellten und

Beamten kann sich das Land nicht leisten, ohne Motivationseinbußen bei seinen wichtigsten Mitarbeitern zu riskieren. Obwohl wir damit den Wünschen der Beamten nicht vollständig folgen, hoffen wir, ein Signal an die Landesbeamten gesandt und damit gezeigt zu haben, dass wir im Rahmen der Haushaltsprobleme dennoch zu ihnen stehen. Es gibt einige Leute, die behaupten, wir könnten uns die Beamten nicht mehr leisten. Ich sage Ihnen eines: Wir können uns einen öffentlichen Dienst à la ver.di nicht mehr leisten.

(Beifall bei der FDP - Sigrid Leusch- ner [SPD]: Aha!)

Die Verwaltungsmodernisierung mit der Abschaffung der Bezirksregierung, bei der 6 740 Stellen in Abgang gestellt worden sind, ist abgeschlossen. Die Bezirksregierungen gibt es nicht mehr, was aber niemand gemerkt hat. Dies ist ein Beweis dafür, wie wichtig diese Maßnahme war.