Protocol of the Session on September 13, 2006

Auch für die kommenden Jahre behauptet die Landesregierung, dass sie die Neuverschuldung zurückführen will. Gleichzeitig weist die Mittelfristige Planung trotz der Mehrwertsteuererhöhung gigantische Haushaltslöcher auf: Für das Haushaltsjahr 2010 allein 1,2 Milliarden Euro, für 2009 schon 1 Milliarde Euro, für 2008 bereits 755 Millionen Euro. Diese Haushaltslöcher sollen in den kommenden Jahren durch weitere Ausgabereduzierungen und Einnahmeverbesserungen abgebaut werden.

Aber welche Ausgaben gekürzt werden und welche Steuererhöhungen es geben soll, das bleibt leider offen. Jahr für Jahr versuchen Sie, Herr McAllister, Herr Wulff, in Haushaltsklausuren zu Beginn der Sommerferien die neuesten Taschenspielertricks vor den Augen der Bürgerinnen und Bürger zu verbergen.

(Bernd Althusmann [CDU]: Das ist ei- ne bösartige Behauptung!)

Wir haben hier mehr Transparenz eingefordert. Wir haben Bürgerbeteiligung bei der Haushaltsplanung eingefordert, wie sie beispielsweise in Hamburg praktiziert wurde.

(Bernd Althusmann [CDU]: Oje! Wie in Hamburg!)

Das ist ein mögliches Beispiel. Man kann sich auch andere vorstellen.

(Bernd Althusmann [CDU]: Das wurde in Hamburg nicht einmal umgesetzt!)

- Aber Ihre Kollegen in Hamburg waren wenigstens so mutig, das anzugehen.

(Bernd Althusmann [CDU]: Das wurde in Hamburg nicht einmal umgesetzt!)

Hier liegen die Chancen. - Sie beraten gerade darüber; das wissen Sie ganz genau.

(Bernd Althusmann [CDU]: Die kön- nen lange darüber beraten!)

Aber wenn Sie bessere Vorschläge haben, Herr Althusmann: Wir sind für alles offen. Solange etwas dabei herauskommt, was mehr Transparenz in die Sache bringt, als Sie bisher an den Tag gelegt haben, verschließen wir uns keiner guten Idee.

(Bernd Althusmann [CDU]: Das ist nett!)

Das sage ich Ihnen hier von diesem Pult aus, und dazu stehen wir auch.

(Bernd Althusmann [CDU]: Im Aus- schuss sind Sie immer viel netter!)

Wir haben mehr Bürgerbeteiligung bei der Haushaltsplanung eingefordert. Darin liegt eine Chance, künftige Herausforderungen zu meistern. Diese Chance muss genutzt werden. Aber damit haben Sie ein Problem, Herr Wulff: Solch transparente Formen der Haushaltungsberatung passen nicht mit Ihren Mauschelgeschichten zusammen.

(Bernd Althusmann [CDU]: Was?)

So sind Sie z. B. nicht willens, hier zu erklären, welche Kriterien die Bieter bei dem geplanten Verkauf der Landeskrankenhäuser erfüllen müssen. Das zeigt doch: Sie fürchten die frische Luft und kungeln lieber im stickigen Hinterzimmer mit den Konzernen, die diese Krankenhäuser erwerben wollen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Unverständlich ist auch Ihre Weigerung, sich der doppelten Buchführung anzunehmen. Entweder ist das Instrument schlecht, dann darf man aber auch die Kommunen nicht damit quälen, oder das Instrument ist gut, aber dann, Herr Althusmann, muss auch das Land diesen Weg gehen.

Meine Damen und Herren, in den von der Landesregierung vorgelegten Nachtragshaushalt 2006 ist bisher nur ein Teil der erwarteten Steuermehreinnahmen eingebucht. Die aktuellen Schätzungen des Finanzministeriums gehen weit darüber hinaus. Aber bevor überhaupt solide Zahlen vorlie

gen, verkündeten schon die ersten Fraktionsmitglieder von CDU und FDP noch kurz vor der Kommunalwahl über die Presse, was sie mit weiteren Mehreinnahmen Schönes machen wollen: Herr Althusmann will der Polizei Gutes tun, Herr Bode will wieder mehr Straßen sanieren und Straßen bauen.

(Dr. Philipp Rösler [FDP]: Investieren, Herr Kollege!)

Ich kann Ihnen nur raten: Verfrühstücken Sie die Einnahmen nicht, bevor sie überhaupt in der Kasse sind! Reduzieren Sie mit den dem, was an weiteren Mehreinnahmen 2006 in die Kasse kommt und nicht für zwangsläufige Ausgabensteigerungen verloren geht, die Neuverschuldung.

(Bernd Althusmann [CDU]: Vielleicht setzen Sie sich mal weniger auf die Gleise; dann müssen wir auch nicht so viel Polizei schicken!)

Alles andere wäre angesichts der Haushaltslage des Landes fatal.

Herr Wulff, Sie haben - das dokumentiert Ihr Haushaltsplanentwurf - noch immer nicht den Stellenwert der Bildungspolitik für Gesellschaften erkannt, die in globalisierten Wirtschaftsbeziehungen leben. „Deutschland fällt im Wohlstandsvergleich zurück“, schreibt die Welt am 8. Mai 2006. Nach Berechnungen von Deutsche Bank Research könnte Deutschland beim Pro-Kopf-Einkommen bereits 2008 hinter Spanien zurückfallen. 2020 wären nur noch Griechenland und Portugal hinter Deutschland. Der Grund liegt in dem rasanten Anstieg gut ausgebildeter Nachwuchskräfte in anderen Ländern. Unter den 25- bis 34-jährigen Spaniern haben mittlerweile 37 % einen Hochschulabschluss, in Deutschland nur 20 %. Die Zahl der Schulabbrecher ist bei uns viel zu hoch, gerade bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund. Diese verfehlte Bildungspolitik verschlechtert die wirtschaftlichen, die finanz- und die haushaltspolitischen Aussichten unseres Landes erheblich.

Jetzt können Sie natürlich sagen, Herr Wulff: Das alles sind Deutschland-Zahlen; bei uns in Niedersachsen ist alles viel besser. - Aber weit gefehlt! Ich erinnere nur an unsere Debatte von heute Vormittag, die leider dokumentiert hat, dass in Niedersachsen das Gegenteil der Fall ist. Herr Hirche wirft Nebelkerzen, wenn es um Ausbildungsplätze geht. Herr Busemann redet die Gesamtschulen schlecht, weil es ihn wurmt, dass diese gute Leis

tungskennziffern abliefern. Überhaupt lässt Herr Busemann keine Gelegenheit aus, um seine Hauptschulen gesundzubeten. Dabei kommen Experten zu anderen Schlüssen: „Die Probleme werden größer“, so der Bildungskoordinator der OECD, Andreas Schleicher, in der Wirtschaftswoche von Mai 2006. Und erst gestern hat sich bestätigt, wo wir bildungspolitisch stehen.

Meine Damen und Herren, mit dem vorliegenden Haushalt sollen mehrere hundert Lehrerstellen abgebaut werden. Das wird mit zurückgehenden Schülerzahlen begründet. Solange unsere Schulen aber nicht ein deutlich besseres Niveau haben und solange die Unterrichtsversorgung nicht bei 100 % liegt, ist das der falsche Weg.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Ihr Kinderbetreuungsplacebo ist mit heißer Nadel gestrickt. Den Herausforderungen der frühkindlichen Bildung wird es nicht gerecht. Sie müssen an das Ehegattensplitting heran - dazu haben wir eindeutige Finanzierungsvorschläge gemacht, Herr McAllister -,

(David McAllister [CDU]: Das lehne ich ab!)

um eine bessere Kinderbetreuung, Fort- und Weiterbildung bei Erzieherinnen und Erziehern sowie ein kostenfreies Bildungsjahr im Kindergarten finanzieren zu können.

(David McAllister [CDU]: Für uns gilt das Leitbild von Ehe und Familie!)

Warum werden denn Alleinerziehende und Menschen ohne Trauschein, die mit Kindern leben, schlechter behandelt?

(David McAllister [CDU]: Die Ehe wird aus gutem Grund bevorzugt behan- delt!)

Ist es denn gerechtfertigt, dass Gutverdiener ohne Kinder mehr staatliche Förderung erhalten? Die CDU, Herr McAllister, wird an dieser Stelle ihre Lebenslügen nicht los. Da werden Sie sich bewegen müssen. Das ist nur eine Frage der Zeit.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Auch die Hochschulpolitik geht in die falsche Richtung. Von 2001 bis 2005 ist die Zahl der Stu

dienanfängerplätze in Niedersachsen um 11 % gesunken. Niedersachsen ist bei den Studierenden Exportweltmeister. Die Hochschulen mit Forschung und Spitzentechnologie zu fördern, wäre die bessere Wirtschaftsförderung. Hier entstehen die Arbeitsplätze von morgen, und hier muss investiert werden.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Meine Damen und Herren, auch an einer anderen Stelle sind Ihre Koordinaten völlig verloren gegangen. Wir leben in einem Land, das künftig schrumpfen wird - nicht überall, aber an vielen Ecken und leider auch an vielen Ecken in Niedersachsen. In manchen Regionen haben wir heute schon Arbeitslosigkeit bei gering qualifizierten Menschen und Fachkräftemangel am selben Ort.

Sie, Herr Wulff und Herr Schünemann, sind dabei, gut integrierte ausländische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und ihre Kinder außer Landes zu treiben oder abzuschieben. Dabei geht es um Kinder, die hier geboren und hier aufgewachsen sind. Sie erkennen nicht die Chance, meine Damen und Herren, die darin auch für die ökonomische Zukunft unseres Landes liegt. Während große Unternehmen längst den Wert von diversity, Vielfalt, erkannt haben, sind Sie noch immer dabei, die gesetzlichen Grundlagen rigide und bis zum Anschlag auszureizen.

(David McAllister [CDU]: Wer hat denn die Gesetze beschlossen? Das war Rot-Grün!)

- War das vielleicht im Vermittlungsausschuss? Täusche ich mich da? Hat nicht vielleicht auch die CDU daran mitgestrickt?

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Wer nutzt heute die Chancen, und wer versucht, das Ganze jetzt kontraproduktiv so anzuwenden, dass Menschen, die seit zehn oder 15 Jahren hier leben und arbeiten, plötzlich wieder ausreisen sollen?

(David McAllister [CDU]: Wir wenden Ihre Gesetze an!)

Herr McAllister, große Firmen haben mittlerweile erkannt, dass vielfältige kulturelle Hintergründe ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine ganzheitlichere Sicht auf Probleme und Herausforde