Der soziale und demografische Wandel der Gesellschaft wird uns in den kommenden Jahren und Jahrzehnten vor Herausforderungen stellen, die insbesondere Anforderungen an die Organisation und die Struktur von Hilfsangeboten für pflegebedürftige Menschen und ihre Angehörigen richten. Grundsätzliches Ziel aller Bemühungen muss es dabei sein, durch ein einem modernen Pflegeverständnis entsprechendes Konzept den Hilfebedürftigen ein selbstständiges und selbstbestimmtes Leben in autonomer Lebensgestaltung zu ermöglichen.
Meine Fraktion hat Ihnen bereits im Jahre 2005 einen umfangreichen Antrag zur Zukunft der Pflege in Niedersachsen vorgelegt. Leider haben Sie den Antrag mit Hinweis auf die EnqueteKommission abgelehnt und sogar eine Zurückstellung und dann eine Beratung zusammen mit dem Landespflegebericht verweigert. Sie haben im letzten Jahr die Chance vertan, bereits frühzeitig damit zu beginnen, die notwendigen Weichenstellungen zu verfolgen.
Die in unserem Antrag aus dem Vorjahr beschriebenen Forderungen wurden allerdings - und darüber freue ich mich - sehr wohl gelesen worden und finden sich jetzt scheibchenweise wieder. So fanden wir unsere Forderung nach Einrichtung der trägerunabhängigen Pflegeberatungsstelle in einem Antrag der SPD-Fraktion wieder, und auch den Ausbau von demenzspezifischen Beratungsund Pflegeangeboten hatten wir Ihnen bereits vorgeschlagen.
Das ist auch dringend nötig; denn die Zahl der demenzerkrankten Menschen wird wachsen. Der Antrag der SPD geht hier in die richtige Richtung, meine Damen und Herren, allerdings werden wir ihn in den Ausschussberatungen an einigen Stellen sicherlich präzisieren müssen. So nützt es aus meiner Sicht wenig, das Angebot der stationären Unterbringung für demenzkranke Menschen zu erhöhen, wenn man sich nicht gleichzeitig Gedanken über notwendige Standards für diese Einrichtungen macht. In den Berichten der Besuchskommissionen des Ausschusses für die Angelegenheiten der psychiatrischen Krankenversorgung lesen wir beispielsweise gehäuft von Einrichtungen, die Menschen mit demenziellen Störungen geschlossen unterbringen, ohne dass die hierfür notwendigen richterlichen Beschlüsse vorliegen. Oft fehlen bewohnerorientierte Konzepte und eine ausreichende fachärztliche Begleitung dieser Menschen. Da bewegt sich im Moment etwas in einer Grauzone. Es täte uns gut, die Berichte der Kommission aufmerksam zu lesen und daraus unsere Konsequenzen zu ziehen, meine Damen und Herren.
Der Antrag der CDU bleibt gewohnt unverbindlich und bittet in weiten Teilen die Landesregierung um Prüfung verschiedener Sachverhalte. Unter anderem fordern Sie jedoch eine Pflegezeit. Ich finde, dass das in der Tat ein interessantes Projekt ist. Die Möglichkeit, die Erwerbstätigkeit vorübergehend einzuschränken, würde Angehörigen helfen, sowohl ihre Erwerbsziele verfolgen zu können als auch Pflege organisieren und erste Schritte einer vernünftigen Betreuung einleiten zu können. Dazu brauchen wir ein Pflegezeitgesetz. Wir brauchen aber auch die Bereitschaft von Betrieben, ihren Beschäftigten diese Auszeit tatsächlich ohne Nachteile für ihre berufliche Entwicklung zu gewähren; denn sonst, so befürchte ich, wären insbeson
Es ist wohl unter allen unumstritten, dass wir, wie im Antrag der CDU angedeutet, eine Reform des Pflegeversicherungsgesetzes brauchen. Leider ist zu befürchten, dass der Reformmurks bei der Gesundheit auch auf die Pflege überspringen wird, sozusagen eine Infektion stattfindet.
Union und SPD haben an dieser Stelle leider keine gemeinsame Linie, wie die Pflegeversicherung zukunftsfest gemacht werden soll. Erst spricht die Kanzlerin offensichtlich von einer kleinen Kopfpauschale: 10 bis 13 Euro für die Pflege. - Das lehnt Ulla Schmid sofort ab und bringt quasi die Bürgerversicherung ins Spiel.
Dann rudert die Kanzlerin zurück und sagt ebenfalls: Beitragserhöhungen stehen nicht ins Haus! Und das alles geschieht innerhalb von drei Tagen, zwischen dem 4. und 7. Juli. Eigentlich fehlt nur noch das Wort eines Pflegefonds, und dann wäre das Chaos perfekt, meine Damen und Herren.
Weder Union noch SPD liefern irgendwelche inhaltlichen oder konstruktiven Konzepte. Sie reden im Moment nur darüber, wie sie möglichst umkompliziert in die Taschen der Versicherten greifen können. Eine Pflegereform verdient ihren Namen aber erst dann, wenn sie eine Finanz- und Strukturreform umfasst. Wenn man schon Geld ausgibt, dann muss zuerst geklärt werden, wozu eigentlich. Der Handlungsbedarf ist groß. Die Leistungen müssen passgenauer werden und eine individuellere Versorgung ermöglichen. Nötig sind z. B. eine Überarbeitung des Pflegebegriffs, Leistungsverbesserungen für Demenzerkrankte, die Dynamisierung der Leistungssätze, die seit Einführung der Pflegeversicherung unverändert sind und seitdem sozusagen zu einer schleichenden Aushöhlung der Leistungsfähigkeit geführt haben, die Stärkung der ambulanten Pflege und neuer Wohnformen, die Schaffung einer Demografiereserve, Entlastungsangebote für pflegende Angehörige und die Stärkung des Prinzips „Prävention und Rehabilitation
vor Pflege“; auch dort haben wir dringenden Nachholbedarf, meine Damen und Herren. Nur so können die zukünftigen Aufgaben gemeistert werden. Danke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Helmhold, Sie haben hier zum Teil einem privatwirtschaftlichen System in der Pflege das Wort geredet. Das wäre durchaus etwas, was auch wir ganz gut finden.
Ansonsten haben Sie an einigen Punkten klar zu machen versucht, dass wir wieder einmal hinterherhinken. Sie sind auch auf Ihren Pflegeantrag, den wir abgelehnt haben, eingegangen. Es ist richtig, dass wir diesen Antrag abgelehnt haben. Wir haben ihn aber nur deswegen abgelehnt, weil in der Enquete-Kommission gerade damit begonnen wird, das Thema Pflege als großen Themenblock zu beraten, und weil in diesem Zusammenhang in angemessener Zeit alles bearbeitet werden wird, was für die Zukunft der Pflege erforderlich ist. Wir wollten das Ganze auf keinen Fall ruckzuck durchziehen. Sie wissen genau, dass das der Hintergrund ist. Unsere Ablehnung hat inhaltlich also gar nichts damit zu tun. Auch wir wissen, was in der Pflege erforderlich ist.
Sie hatten gesagt, dass die Pflegezeit ein interessantes Projekt sei und die Benachteiligung von Frauen verhindert werden sollte. Weil auch wir diese Benachteiligung verhindern wollen, haben wir uns damit beschäftigt.
Frau Groskurt, Sie haben angesprochen, was Demenz ist, dass Demenz Desorientierung, erhöhten Bewegungsdrang und Verletzungsgefahr bedeutet. Das ist richtig, und das wissen auch wir. Wir wissen auch, dass es erforderlich ist, die Demenzforschung weiter auszubauen und die Erkenntnisse, die sich aus der Demenzforschung ergeben, in die
Sie haben so schön aus dem Landespflegebericht zitiert. Vielen Dank für die Nennung der Seiten. Aber wir kennen diese Seiten schon. Wir haben den Landespflegebericht nämlich auch gelesen. Es ist aber toll, wenn Sie versuchen, uns beim Lesen zu helfen. Wir haben den Bericht gelesen, wissen somit, was darin steht, und ziehen daraus auch die entsprechenden Konsequenzen.
Zu dem Thema Desorientierung von Dementen haben wir als Regierungsfraktionen schon verschiedene Projekte auf den Weg gebracht. Übrigens, Gabi Kohlenberg, die Regierungsfraktionen haben dabei immer zusammengearbeitet. Es gibt noch weitere Erkenntnisse, die Sie nicht angesprochen haben. Man hat herausgefunden, dass Menschen mit einer Demenz z. B. eine andere Ernährung brauchen. Man hat herausgefunden, dass es z. B. richtiger ist, diesen Menschen Fingerfood zu verabreichen, und dass bunte Nahrung für diese Menschen ansprechender ist und vorgezogen wird. Demenzkranke brauchen auch mehr Kohlehydrate, weil sie einen enormen Bewegungsdrang haben und entsprechend mehr Kalorien verbrauchen. Man verfügt also heute schon über eine ganze Menge an Erkenntnissen, die schon zum Teil berücksichtigt werden. Aber das kann natürlich noch besser werden. Das wissen wir. Daran arbeiten wir schon länger und nach dem Pflegebericht erst recht.
Nun noch zu baulichen Gegebenheiten. Ich gehe darauf ein, weil nicht alle wissen, was ein Mensch mit Demenz wirklich braucht. Viele Einrichtungen haben schon Umbauten vorgenommen; das haben Sie, Frau Groskurt, bereits angesprochen. So kann es bei Menschen mit einer Demenz z. B. sehr hilfreich sein, wenn man in Alten- und Pflegeheimen einen Rundgang einbaut, weil die Leute dann automatisch wieder ankommen und sich nicht verlaufen können. Es gibt also einfache Maßnahmen, die man durchführen kann und die heute schon angewendet werden.
Frau Groskurt, nachdem ich auf Ihre Ausführungen eingegangen bin, kann ich mich unserem Antrag zuwenden. Sie haben gesagt, dass Sie in unserem Antrag, den Sie voller Interesse gelesen hätten, nichts von Optimierung gefunden hätten, dass der Antrag eigentlich überflüssig sei, dass vieles schon
erfüllt sei oder auf dem Weg dahin sei und dass alle Daten, die wir im Antrag aufgeführt haben, im Landespflegebericht drinstehen. Diese Aussage verwundert mich ein bisschen; denn man sollte doch meinen, dass man dann, wenn man neue Erkenntnisse hat, das, was schon auf dem Weg ist, bestärkt und dass man darüber hinaus überlegen sollte, was man daran anschließen kann. Wenn Sie sagen, dass unser Antrag überflüssig ist, dann könnte ich erst recht sagen, dass Ihr Antrag überflüssig ist.
Im Grunde genommen beinhalten beide Anträge nämlich absolut richtige Punkte, die in der Pflege für alte Menschen und auch für demente Menschen erforderlich sind. Das gilt z. B. auch dafür, Demenz bei der Entscheidung über die Pflegestufe zu berücksichtigen. Zu sagen, dass das überflüssig sei, nur weil das im Pflegebericht stand und weil einiges schon auf dem Weg ist, halte nun wiederum ich für überflüssig oder falsch.
(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Ulla Groskurt [SPD]: Die Zahlen kommen doch erst 2009! Das ist ja das Problem!)
Ansonsten haben Sie leider z. B. die Pflegezeit gar nicht angesprochen. Es könnte eine Optimierung sein, sich darüber Gedanken zu machen. Es ist nun einmal ein Fakt, dass wir angesichts der steigenden Zahl von pflegebedürftigen Menschen, die uns allen bewusst ist und die uns die Demografen hochrechnen, nicht nur Pflegeheime und ambulante Betreuung, sondern auch vermehrt Personen brauchen, die bereit sind, ihre Angehörigen zu pflegen. Das ist völlig klar. Wir brauchen niedrigschwellige Angebote für diese Personen und müssen überlegen, mit welchen Regelungen wir verhindern können, dass die pflegenden Angehörigen - meistens Frauen - benachteiligt werden, die vorübergehend beruflich aussteigen müssen, um die Pflege zu leisten, die möglicherweise gesellschaftlich gar nicht in dem ausreichenden Umfang vorgehalten werden kann.
Wir müssen für diese Angehörigen eine vorteilhafte Regelung finden, z. B. indem wir darauf hinwirken, dass die Rentenversicherung für alle Pflegenden, nicht nur für diejenigen, die nach Pflegestufe pflegen, durch die Pflegeversicherung übernommen wird. Das ist wirklich wichtig und bedeutet meines
Frau Groskurt, Sie haben anscheinend den Pflegebericht, aber leider nicht unseren Antrag sehr ausführlich gelesen;
Ich stelle abschließend fest: In beiden Anträgen steht vieles, was wir für die Zukunft der Pflege bedenken müssen. Wir werden noch ausführlich im Ausschuss darüber beraten. Ich freue mich jetzt auf die Beratung.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nur noch ein paar Worte in aller Kürze zu unserem Antrag. Die gewachsenen Strukturen der so genannten niedrigschwelligen Angebote haben sich für die Pflegeunterstützung sowohl bei Demenz als auch z. B. bei geistigen Behinderungen bewährt und finden immer mehr Anerkennung und Zuspruch. Man kann durchaus von einer Erfolgsstory der niedrigschwelligen Angebote sprechen,
und das, weil wir die entscheidenden Schritte eingeleitet haben, die ab 2004 greifen. Kurz für die, welche das nicht so ganz genau wissen. Es gibt einen Anspruch von 460 Euro pro Jahr, der recht ausgeprägt nachgefragt wird. Somit kann der Betroffene Betreuungsleistungen einkaufen oder aber auch Kurzzeitpflege in Anspruch nehmen. Das Land stellt dafür zurzeit 1 Million Euro zur Verfügung, 920 000 Euro kommen vom Bund.
Ich betone noch einmal ausdrücklich - das ist mir jetzt sehr wichtig, Frau Groskurt, damit Sie heute mit dieser kleinen Bereicherung nach Hause gehen können -: Hiermit wird auch Hilfe bei demenziellen Erkrankungen gefördert. Das steht übrigens
Sie haben gefragt, wo das Land bei der Begleitung von solchen demenziellen Krankheiten aktiv ist. Dazu weise ich darauf in, dass gerontopsychiatrische Beratung und Hilfe bei demenziellen Erkrankungen gefördert werden - von CDU und FDP in einen der letzten Haushalte eingebracht. Das wird im Zusammenhang mit gerontopsychiatrischer Beratung im Pflegebericht angedeutet. Vielleicht haben Sie das ja auch nur übersehen.