Die an dieser Medikamentenstudie beteiligten Städte Bonn, Hamburg, Hannover, Frankfurt, Karlsruhe, Köln und München haben sich in einer Lenkungsgruppe zusammengefunden und diese Studie ausgewertet. Das Ergebnis der Studie - es war eindeutig positiv - kann die Fachleute nicht überraschen; denn - Frau Meißner hat darauf hingewiesen - die Vorläuferstudien in der Schweiz und in den Niederlanden kamen zu keinen anderen Ergebnissen. Den Fachleuten ist schon lange klar, dass - abgesehen von der Abstinenz - die heroingestützte Behandlung allen anderen Substitutionsbehandlungen überlegen ist. Zu diesen Fachleuten dürfen wir glücklicherweise ja auch Ihren Parteifreund, den Sozialdezernenten der Landeshauptstadt Hannover, zählen.
Die heroingestützte Behandlung schwerstdrogenabhängiger Menschen ist ein Baustein in der Therapie Suchtkranker, entwickelt zur Sicherung des Überlebens. Ich weiß nicht, ob Ihnen das eigentlich klar ist.
Verehrte Herren und Damen, in Deutschland leben etwa 150 000 Opiatabhängige. Für diese heroingestützte Behandlung kommen insgesamt aber nur 1 500 infrage.
war die Landesregierung mit ihrer Fachverwaltung an dem positiven Votum beteiligt und hält ein weitergehendes Engagement für die Verankerung im Hilfeangebot für Suchtkranke für nützlich und sinnvoll. Begründung: wesentlich verringerter Beikonsum, bessere körperliche Verfassung, weniger Kriminalitätsbelastung, Möglichkeit zur Wiederaufnahme einer Tätigkeit und verbesserte Therapiezugänglichkeiten - das haben wir schon gehört -, im Ganzen sogar finanziell günstiger als Methadonsubstitution.
Meine Herren und Damen, was Sucht bedeutet, konnten wir selbst vor kurzem hautnah erleben. Ich erinnere an den Kampf der Raucherinnen und Raucher um einen Platz zum Rauchen im Landtag. Suchtkrankheit ist rationalen Erwägungen und Appellen nun einmal wenig zugänglich.
Der Antrag der Fraktion der Grünen war und ist sachgerecht. Er ist unpolemisch und verdient unsere Unterstützung. Er beschreibt die einzuleitenden Schritte.
Die Beratungen im Fachausschuss haben zu einer gemeinsam getragenen Beschlussempfehlung geführt. Allerdings scheint die Unwissenheit in der CDU-Fraktion auch hier wieder unüberwindbar zu sein. Und wenn es nicht Unwissenheit ist, ist es Gleichgültigkeit. Ich will nicht entscheiden, was schlimmer ist.
Die Ablehnung der gemeinsam getragenen Beschlussempfehlung des Fachausschusses bedeutet die Ablehnung eines weiteren Konsenses in diesem Haus, eines Konsenses, der bisher von einem gemeinsam vertretenen Konzept in der Drogenpolitik ausgeht. Bisher hieß es: Prävention, Therapie und Schadensbegrenzung. In unrühmlicher Weise nehmen Sie von diesem gemeinsamen Konzept Abschied.
(Zustimmung bei der SPD - Norbert Böhlke [CDU]: Gucken Sie mal in den Änderungsantrag - Heinz Rolfes [CDU]: Sie haben die Nr. 2 gar nicht gelesen!)
Meine Herren und Damen, Gutes tun zu können, erfordert Wissen um die Not, Wissen um die Linderung von Not. Es nicht zu tun, ist fahrlässig. Ich
wiederhole: Die bewusste Vernachlässigung von vielen suchtkranken Menschen, die nicht wissen, wie es weitergehen soll, finde ich unbarmherzig. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Jetzt hat sich Frau Meißner zu einer Kurzintervention gemeldet. Frau Meißner, sie haben eineinhalb Minuten.
Frau Elsner-Solar, ich habe sehr sachlich auf das hingewiesen, was man im Interesse der Kranken erreichen muss. Deshalb finde ich es alles andere als hilfreich, dass Sie von „Unbarmherzigkeit“ reden und den Anschein erwecken, als hätten CDU und FDP die Situation nicht erkannt. Dieser Eindruck ist nämlich völlig verkehrt. Wir wissen genau, worum es geht.
Wenn Sie unseren Änderungsantrag genau lesen, werden Sie feststellen, dass wir darin sehr wohl die Notwendigkeit bundesgesetzlicher Änderungen ansprechen. In dem Änderungsantrag steht auch, dass wir die Landesregierung auffordern, „die für die Umsetzung erforderlichen Beschlüsse“ zu fassen. Wenn Sie das genau lesen, verstehen Sie, was damit gemeint ist. Es geht doch darum - aber das habe ich ja schon gesagt -, so sensibel zu formulieren, dass falsche Assoziationen gar nicht erst entstehen können.
Das Schlagwort lautet doch immer „Heroin auf Krankenschein“. Generell wollen wir das nicht. Für eine kleine Gruppe von Schwerstkranken ist das aber erforderlich, weil anderes auf Dauer nicht hilft.
Frau Elsner-Solar möchte nicht auf diese Kurzintervention eingehen. - Nächste Rednerin ist Frau Ministerin Ross-Luttmann. Ich erteile ihr das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das vorrangige Ziel aller drogenpolitischen Maßnahmen muss es sein, Menschen vor der Sucht und den damit verbundenen verheerenden Folgen für die Gesundheit und das soziale Leben zu bewahren. Darüber hinaus sind Hilfen für Not leidende Menschen vorzuhalten, die, aus welchen Gründen auch immer, in die Sucht geraten sind.
Bei Heroinabhängigkeit, einer der schwersten Suchtformen überhaupt, hat sich die Substitution mit Methadon und begleitender psychosozialer Betreuung etabliert. Eine kleine Gruppe von Schwerstabhängigen ist aber auch mit diesem guten therapeutischen Ansatz nur schwer oder gar nicht zu erreichen. Die Stadt Hannover und das Land Niedersachsen haben sich deshalb am Modellprojekt des Bundes zur heroingestützten Behandlung Opiatabhängiger beteiligt. Wir wollten wissen, ob Schwerstabhängigen durch die geregelte Gabe von Heroin unter Aufsicht geholfen werden kann.
Hier in der Landeshauptstadt wurde die heroingestützte Behandlung erprobt. Diesem Entschluss waren intensive Diskussionen auf allen politischen Ebenen vorausgegangen. Das Land hat sich mit rund 2,9 Millionen Euro an der Finanzierung und Durchführung der Modellstudie beteiligt. Die niedersächsischen Ergebnisse fließen in die Gesamtstudie ein, die vom Bundesgesundheitsministerium, den Städten Bonn, Frankfurt, Hannover, Hamburg, Karlsruhe, Köln und München sowie den Bundesländern Hessen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen gemeinsam durchgeführt und finanziert wird.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die ergänzende Evaluierung und wissenschaftliche Auswertung des Heroin-Modellprojekts steht noch aus. Gleichwohl können wir schon heute feststellen, dass die Länderstudie gezeigt hat, dass mit der Diamorphinbehandlung bestimmte schwerkranke Opiatabhängige therapeutisch erreicht und in andere Behandlungsformen überführt werden können. Als Gesundheitsminister und -ministerinnen sowie -senatoren und -senatorinnen der Länder haben wir zur Kenntnis genommen, dass im Hinblick auf die Verbesserung des Gesundheitszustandes sowohl die Behandlung mit Diamorphin als auch die Behandlung mit Methadon wirksam sind.
Die Studie zeigt die medizinische Möglichkeit auf, Heroin unter bestimmten sehr eingeschränkten Bedingungen als Arzneimittel einzusetzen.
Trotzdem muss uns eines ganz klar sein: Der Einsatz von Heroin kann und wird nie das Mittel der ersten Wahl sein.
In Deutschland ist nur eine sehr geringe Zahl von Opiatabhängigen zu erwarten, für die diese Form der substitutionsgestützten Behandlung überhaupt in Betracht käme. Sowohl an die Indikationsstellung als auch an das Behandlungssetting müssen hohe Anforderungen gestellt werden. Jetzt hat der Bund zu prüfen, inwieweit der durch die Studie nachgewiesene individuelle Nutzen für eine kleine Gruppe von Schwerstabhängigen umsetzbar und auch finanzierbar ist.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Drogen machen nicht an den Ländergrenzen Halt. Es ist ein bundesweites Thema und wir müssen uns auch bundesweit damit befassen.
Die Länder haben in der Vergangenheit eine exzellente Vorarbeit für den Bund geleistet, und wir führen nach dem 30. Juni dieses Jahres, dem Datum des Auslaufens des Modellprojekts, das Projekt bis zum 31. Dezember 2006 weiter. Eine Übernahme der medizinischen Behandlungskosten mit Diamorphin zulasten der Länder und Kommunen über den 31. Dezember 2006 hinaus - darin bestand immer Konsens - haben die Gesundheitsminister der Länder abgelehnt. Wenn nun nach Abschluss des Modellprojekts eine weitere Behandlung mit Diamorphin ermöglicht werden soll, dann sind dazu die Festlegung von Rahmenbedingungen und zwingende betäubungsmittelrechtliche Änderungen auf Bundesebene nötig: im Betäubungsmittelgesetz, in der BetäubungsmittelVerschreibungsverordnung und im Arzneimittelgesetz. Darüber muss auf Bundesebene entschieden werden; hier ist Berlin am Zug.
Die Gesundheitsminister haben aber auf ihrer letzten Konferenz dem Bundesministerium für Gesundheit angeboten, die noch offenen Fragen möglichst abschließend zu klären und den Prozess konstruktiv zu begleiten.
Es geht um Hilfe für schwerstkranke Menschen. Ich freue mich, dass mit dem Änderungsantrag von CDU und FDP dieses Ziel verantwortungsbewusst angestrebt wird; denn dieser Antrag hat zum Ziel, auf Bundesebene initiativ zu werden, um nach Auslaufen des Bundes-Modellprojekts zum 31. Dezember die Zielsetzung in den Bedarfsschwerpunkten des Landes weiterzuverfolgen. Hierbei muss der Bund für die Bereitstellung der finanziellen Mittel sowie für die entsprechenden Gesetzesänderungen Sorge tragen. - Schönen Dank.
Jetzt hat sich Herr Schwarz von der SPD-Fraktion gemeldet. Er hat noch eine Restredezeit von eineinhalb Minuten.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin der Ministerin dankbar, dass sie den Sachverhalt hier noch einmal korrekt dargestellt hat. In der Bewertung sind wir uns alle einig. Umso peinlicher fand ich Ihre Eierei, Frau Mundlos. Sie haben im Fachausschuss einen Änderungsvorschlag als Kompromissgrundlage für alle vier Fraktionen eingebracht, der hier zur Abstimmung steht. Ganz allein die CDU verlässt diese gemeinsam getragene Beschlussempfehlung mit einem neuen Änderungsantrag.
Wir halten hier lange, herzzerreißende Reden, wenn es um Palliativmedizin, Hospiz und Sterbebegleitung geht. An der allerersten Stelle, an der der Landtag selbst gefordert ist, Farbe zu bekennen, fallen Sie im letzten Moment um.
Sie haben es exakt richtig beschrieben: Die niedersächsische CDU war zu Beginn dieses von meinem Freund Heinz Jansen initiierten Modellprojekts stolz darauf, dass sich die These, es gehe nicht um Legalisierung von Sucht, sondern um die Behandlung von Schwerstkranken, auch bei ihr durchgesetzt hatte. Das, was die CDU heute macht, ist eine Rückwende zu ihrer Position von vor fast zehn Jahren.
Sie tun so, als ginge es um die Legalisierung von Drogen, und blenden völlig aus, um welchen Personenkreis es hier wirklich geht.
Diesen Vorgang halte ich nur noch für peinlich. Mit humanitärer Hilfe für Schwerstkranke hat dies überhaupt nichts zu tun. Ich hätte es wirklich gut gefunden, Frau Mundlos - ich sage das ganz offen -, wenn Sie von dieser Stelle aus gesagt hätten: Meine Damen und Herren, ich muss hier eine Mehrheitsmeinung vortragen, die nicht meine ist, weil wir es fachlich anders gemeinsam beurteilt haben.
Ich halte es für schlimm, dass Sie sich in dieser Art und Weise verbiegen, nur weil Ihre CDU die Position von vor zehn Jahren einnimmt. Mit der Behandlung dieses Personenkreises und einem vernünftigen, sachlichen Umgang mit diesem Personenkreis hat dies überhaupt nichts zu tun. Die CDU sollte sich schämen für das, was sie hier gemacht hat.
Zu einer Kurzintervention hat sich jetzt Frau Mundlos gemeldet. Frau Mundlos, Sie haben eineinhalb Minuten.