Protocol of the Session on June 23, 2006

(Beifall bei der CDU)

Zahlen sind immer statische Werte - nicht mehr und nicht weniger. Darüber sind wir uns wohl einig.

(Walter Meinhold [SPD]: Nein!)

Wenn es „100 %“ oder „knapp 100 %“ heißt, dann bezeichnet dieser Wert den Schnitt aller Schulen. Dass es Unterschiede zwischen den einzelnen

Schulformen gibt, ist ein alter Hut. Die Grundschulen etwa sind deutlich besser versorgt als die berufsbildenden Schulen oder die Förderschulen. Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang aber einmal daran erinnern - es ist inzwischen ja deutlich besser geworden -, warum die Förderschulen so schlecht versorgt waren. Sie haben doch gedacht, dass Sie die Sonderschulen abschaffen können - das wollen Sie ja auch jetzt noch - und keine Sonderschullehrer mehr auszubilden brauchen. Nach Ihrem Verständnis von Gerechtigkeit in dieser Welt würden dann auch gleich die Sonderschüler wegfallen, und alle wären gleich. Das war eine billige Rechnung, die Sie aufgemacht haben.

(Beifall bei der CDU)

Mich hat das damals an jemanden erinnert, der Schulden hat, diese aber nicht wahrhaben will, und glaubt, dass die Schulden weg sind, wenn er seine Kontoauszüge zerreißt. Ganz so geht es aber nicht.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen vor allem von den Grünen, wir haben diesen Förderbedarf richtig erkannt und deshalb die Sonderschulen als Förderschulen neu positioniert. Das ist ein ganz wesentlicher Punkt, der in einen Bildungsbericht gehört, nach dem Sie aber tunlichst nicht fragen.

Natürlich gibt es auch zwischen den Schulen einer Schulform Unterschiede bei der Unterrichtsversorgung. Das war immer so, und das werden wir auch nicht ganz beseitigen können. Dies ist ein fachspezifischer Mangel. Einige Regionen haben es in dieser Hinsicht schwerer. Das Entscheidende aber ist doch: Ich muss der einzelnen Schule helfen. Bei dieser Gelegenheit erinnere ich einmal an die Sonderzählaktion. Auch die SPD hatte einmal eine heiße Hotline zum Unterrichtsausfall eingerichtet. Heute haben sie wieder so etwas Ähnliches gefordert. Aber, meine Damen und Herren, damals sind zahlreiche Fragen offen geblieben. Dies gilt auch für die jetzige Zählaktion. Sind die während eines 14tägigen Berufspraktikums ausgefallenen Unterrichtsstunden deshalb ausgefallen oder nicht, weil das Lernen an einem anderen Ort stattgefunden hat? - So etwas muss man vorher klären. Das aber haben Sie nicht getan.

(Zuruf von Walter Meinhold [SPD])

Gestern z. B. haben wir ein Gespräch mit Schulelternräten aus dem ehemaligen Regierungsbezirk Lüneburg geführt, die uns ausdrücklich bestätigt haben, dass sie die im Rahmen ihrer Zählaktionen ermittelten Zahlen landkreisweit zusammengezogen haben, weil sie keine Aussagen über die einzelnen Schulen treffen wollten. Ich möchte Ihnen einmal etwas sagen: Wenn Sie einer einzelnen Schule helfen wollen - darauf kommt es an -, müssen Sie die Zahlen für jede einzelne Schule nennen. Das ist wesentlich.

(Unruhe)

- Frau Präsidentin, Sie hören, dass es sehr laut ist? - Ja.

(Zurufe)

Dazu sage ich Ihnen eines: Wir, meine Damen und Herren, haben die Anzahl der Feuerwehrlehrer erhöht. Heute haben wir die Leute da, wo es einen Ersatzbedarf gibt, nach ein bis zwei Wochen vor Ort. Das ist effektive Hilfe gegen Unterrichtsausfall durch das Kultusministerium.

(Beifall bei der CDU)

Aber schön und gut, die Grünen wollen die Zählerei neu aktivieren. Ich sage Ihnen: Zahlen sind in der Tat wichtig. - Wir müssen aber auf dem Teppich bleiben. Überfordern Sie nicht den Aussagewert bloßer Zahlen. Wenn wir jetzt 99,9 % oder 98,4 % haben,

(Walter Meinhold [SPD]: Haben wir doch nicht!)

so ist das nur eine bestimmte Zahl. Entscheidend aber ist - gucken Sie doch in Ihren eigenen Antrag -: Auch viele andere Faktoren spielen in den Lernerfolg einer Schule hinein. Das ist wörtlich aus Ihrem Antrag. Die Leistungsfähigkeit des Schulwesens - das ergänze ich jetzt - können Sie in ganz wichtigen Teilen überhaupt nicht mit Zahlen erfassen. Ich weiß, dass Sie das nicht glauben. Das begreife ich nicht.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Sie haben doch diese Zahlen in die Welt ge- setzt!)

- Ich rede hier ja, damit Sie es begreifen, Herr Wenzel.

(Beifall bei der CDU)

Ich gebe Ihnen dazu einmal ein Beispiel.

Frau Bertholdes-Sandrock, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Aller?

Nein, überhaupt nicht.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Vielleicht eine von mir?)

- Hinterher. - Als Beispiel nenne ich die Frage nach dem Wechsel. Die Grünen fordern in ihrem Antrag ausdrücklich, man möge den Wechsel dokumentieren. Ich frage Sie dazu von vornherein: Sind wenige Wechsel besser als viele Wechsel? Sind wenige Wechsel vielleicht ein Indiz dafür, dass die Schüler an der richtigen Schule sind und dort gut lernen? - Dann wären wenige Wechsel ja gut. Oder aber: Sind wenige Wechsel vielleicht ein Indiz für die Starrheit des Schulwesens? - Dann sind wenige Wechsel eine schlechte Zahl. Was wollen Sie eigentlich?

(Zuruf von den GRÜNEN: Durchläs- sigkeit an den Schulen!)

- Die Durchlässigkeit - das sei ausdrücklich betont - erfordert eine gewisse Anzahl von Wechseln. - Vorsicht also mit dem bloßen Nennen von Zahlen. Wir müssen gerade beim Wechsel zwischen den Schulformen auch berücksichtigen, aus welchem Grunde ein Wechsel erfolgt.

Frau Kollegin, Sie müssen jetzt zum Schluss kommen. Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Ansonsten können wir die Zahlen nicht bewerten.

Eines noch zum Schluss: Warum jetzt ein speziell niedersächsischer Bildungsbericht? - Wir bekommen nächstens alle zwei Jahre einen bundesweiten Bericht, der uns aufgrund festgelegter Standards und Absprachen zwischen den Länderkultusministerien und dem Bundesbildungsministerium wirkliche Ländervergleiche erlauben wird. Warum sollen wir dann diesen heidenbürokratischen Aufwand betreiben?

Das war der letzte Satz.

Meine Damen und Herren, wir gehen gelassen in den Bildungsbericht. Einen Teil dafür konnte ich Ihnen aber auch heute schon liefern. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Walter Meinhold [SPD]: Ha, ha! Gar nichts!)

Zu einer Kurzintervention hat sich Frau Korter gemeldet. Eineinhalb Minuten, Frau Korter!

(Jacques Voigtländer [SPD]: Aber är- gere sie jetzt nicht!)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Bertholdes-Sandrock, von Gelassenheit habe ich bei Ihnen nichts gespürt. So, wie Sie sich hier eben geäußert haben, müssen Sie ganz schön Angst vor diesem Bildungsbericht haben.

(Dr. Philipp Rösler [FDP]: Leiden- schaft!)

Ganz kurz drei Punkte.

Erstens zu den Praxistagen an den Hauptschulen. Ich habe eine ganze Reihe von Hauptschulen besucht. Dort ist mir zu den Praxistagen in den Klassen 8 und 9 gesagt worden, dass die Betriebe keine Kinder aus den 8. Klassen wollten.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Welche Schulen wann? Sagen Sie mal, wel- che!)

- Muss ich jetzt nicht sagen. Ich gebe Ihnen die Liste hinterher.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Sagen Sie doch mal, welche! Immer diese allge- meinen Plattitüden! Die kann man ja bald nicht mehr hören! Das ist doch allgemeines Geschwafel! - Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Zweitens. Frau Bertholdes-Sandrock, Sie haben gesagt, unser Bildungsbericht werfe lauter problemorientierte Fragen auf. Selbstverständlich werfen wir problemorientierte Fragen auf. In diesem Bericht soll es nämlich genau um die Probleme im Schulwesen gehen: zu viele Schulabgänger ohne

Abschluss, zu wenig Durchlässigkeit und eine schlechte Unterrichtsversorgung.

Drittens haben Sie gesagt, die statistischen Werte glaube niemand mehr, und wir würden hier alles schlechtreden. Was hat denn der Kultusminister mit der Änderung der Statistik über die Abgängerzahlen gemacht? - Einmalig in der Bundesrepublik! - Niedersachsen hat auf einmal gut 24 000 Abgänger mehr, weil das Kultusministerium die Zahl der Abgänger zweimal gezählt hat, nämlich zum einen in der Sekundarstufe I und zum anderen nach dem Abitur. Auf diese Weise hatten wir auf einmal eine tolle Quote von Schulabgängern mit Abschlüssen. Das ist ganz eindeutig ein Manipulieren und Frisieren von Statistiken. Es ist doch klar, dass Ihnen die Eltern nicht mehr glauben.

(Beifall bei den GRÜNEN - Stefan Wenzel [GRÜNE]: Das ist der Ham- mer! Das ist echt ein Hammer!)

Frau Bertholdes-Sandrock, möchten Sie darauf antworten?

(Karin Bertholdes-Sandrock [CDU]: Nein, danke!)