Protocol of the Session on June 23, 2006

Meine Damen und Herren, das Atomgesetz sagt etwas anderes aus. Es sagt aus, dass ein geeig

neter Standort zu finden sei. Ansonsten praktizieren wir hier nämlich die Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Das kann sehr lange dauern. Herr Gabriel hat den Handlungsbedarf genauso wenig leugnen können. Das ist seitens des Niedersächsischen Umweltministers in der Antwort auf die Große Anfrage belegt worden. Handlungsbedarf ergibt sich allein daraus, dass die Zwischenlager in ihren Kapazitäten begrenzt sind. Sie sind für einen kürzeren Zeitraum gedacht, als er sich mittlerweile abzeichnet. Für die Zwischenlagerung sind andere Behälter ausgewählt worden. Hier besteht Handlungsbedarf. Wir können nicht mehr ewig lange warten. Wenn wir noch länger warten, können wir uns nämlich auch mit Korrosion beschäftigen. Dann aber sind der Handlungsbedarf und der Handlungsdruck weitaus größer.

Eine Konzeption darf nicht nur laufend angemahnt, diskutiert und dann wieder diskreditiert werden, sondern es muss auch gehandelt werden, meine Damen und Herren. Die vom Bundesumweltministerium erhobene Forderung nach einem bestgeeigneten Endlagerstandort deutet nicht darauf hin, dass an verantwortlicher Stelle entsprechend reagiert wird. Meine Damen und Herren, solche Äußerungen irritieren den Bürger mehr, als dass sie informieren. Eine klare und belastbare Aussage kann nur im Sinne der Bürger sein - der Bürger in dem Raum Salzgitter und derjenigen im Umfeld der Zwischenlager.

Frau Tinius hat darauf hingewiesen, dass schwach- bis mittelradioaktiver Müll in einem EinEndlager-Konzept untergebracht werden sollte bzw. dass der Handlungsbedarf nicht so groß sei. Meine Damen und Herren, der radioaktive Müll löst sich nicht durch ein solches Reden und durch Fingerschnipsen in Luft auf. Es ist erläuterungsbedürftig, warum Frau Tinius die EVUs in der Verantwortung sieht, obwohl dieser Müll überwiegend durch die öffentliche Hand entstanden ist.

(Hermann Eppers [CDU]: Genau so ist es!)

Das müssen Sie nach 25-jähriger Diskussion um das Endlager Schacht Konrad akzeptieren, und zwar auch nach dem Urteil des OVG Lüneburg, in dem das belegt wurde.

Meine Damen und Herren, der Handlungsbedarf ist gegeben. Herr Gabriel ist gefordert. Wir können es uns nicht leisten, aufgrund einer massiven Verzögerung eventuell Mehrkosten in Höhe von 480 Mil

lionen Euro in Kauf zu nehmen. Man muss auch konstatieren, dass Herr Gabriel den entsprechenden Genehmigungsantrag des Bundes für das Endlager aus politischen Gründen noch nicht zurückgezogen hat, weil er ansonsten schlicht und ergreifend Schadenersatzforderungen befürchten muss. Er weiß sehr wohl um die Dringlichkeit.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

(Vizepräsidentin Silva Seeler über- nimmt den Vorsitz)

Eines lassen Sie mich abschließend noch anführen, auch an die Adresse der SPD. Das habe ich in der Broschüre „Endlagerung radioaktiver Abfälle als nationale Aufgabe“ des Bundesamts für Strahlenschutz gefunden.

Frau Schwarz, Ihre Redezeit ist abgelaufen. Sie müssen Ihre Rede bitte beenden.

„Der damalige niedersächsische Ministerpräsident Alfred Kubel (SPD) gab der Bundesregierung im Winter 1974/1975 die Zusage, - - -“

Frau Schwarz, das ist jetzt der letzte Satz!

„- - - ein nukleares Entsorgungszentrum könne in Niedersachsen realisiert werden.“

Daran sollten wir uns halten, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Um zusätzliche Redezeit hat Herr Wenzel von Bündnis 90/Die Grünen gebeten. Ich erteile ihm das Wort für zwei Minuten.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Schwarz, manchmal erscheint es mir

sinnvoll, neuere Erkenntnisse auch zu berücksichtigen und noch einmal nachzudenken.

Herr Sander, was die Landesregierung in diesem Fall gemacht hat, nämlich den Kommunen das Recht der Klage gegen eine solche Anlage abzusprechen, halte ich in hohem Maße für skandalös. Bei jeder einfachen Baugenehmigung hat eine Kommune mehr Rechte als in diesem Verfahren.

Es ist doch schon höchst ungewöhnlich, Herr Sander, dass sich der Präsident eines Oberverwaltungsgerichts gedrängt fühlt, deutlich zu machen, dass in solchen Fällen der Rechtsschutz für die betroffenen Kommunen und Bürger seiner Ansicht nach in keiner Weise ausreichend ist.

(Annette Schwarz [CDU]: Wo waren die Änderungsanträge von Bünd- nis 90/Die Grünen?)

Morsleben, Asse, Schacht Konrad, Gorleben - sind wir nicht mit Morsleben und der Asse schon genug geschlagen, meine Damen und Herren? Die Asse bei Wolfenbüttel - das kennen Sie doch alle -: Es ist erst wenige Jahre her, dass alle damals maßgeblichen Experten gesagt haben, das ist vollkommen sicher, da kann nie etwas passieren. Und was passiert? Noch nicht einmal eine Generation geht ins Land, und schon säuft das Ding ab. Ist das etwas, was unsere Bevölkerung im Raum Salzgitter beruhigen kann?

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, ich möchte zu Ende ausführen. - Ist das etwas, was Vertrauen in staatliches Handeln weckt? - Nein, meine Damen und Herren.

Die zentrale Frage ist doch: Brauchen wir wirklich zwei Endlager? Schon jetzt sind die Kostenplanungen Makulatur. Der Transport ist nie geprüft worden. Das hat damals Frau Merkel per Weisung untersagt. Ebenso die Planrechtfertigung. Deshalb sage ich Ihnen ganz deutlich: Die einzige Möglichkeit für eine verantwortbare Entscheidung ist ein ergebnisoffenes Endlagersuchverfahren nach AkEnd-Kriterien.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das haben die Schweden erkannt, meine Damen und Herren, und das werden auch Sie, Herr Sander, noch erkennen. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der nächste Redner ist der Abgeordnete Herr Dürr von der FDP-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Wenzel, Sie haben ganz bewusst einige Punkte durcheinander geworfen, um für Desinformation zu sorgen. Ich werde nachher noch darauf eingehen, insbesondere hinsichtlich der Verantwortung der Grünen bei der Frage des Klagerechts.

Viel interessanter aber fand ich das, was der Kollege Meihsies vorhin gesagt hat. Er überlegt nicht nur, ob der Standort Gorleben am Ende nach dem Ein-Endlager-Konzept ein Endlager sein könnte. Dann müssten Sie konsequenterweise dafür sorgen, dass das Moratorium für Gorleben aufgehoben wird.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Das hat er nie gesagt, Herr Dürr!)

Interessant war auch Ihre Argumentation hinsichtlich des Volumens des Mülls. Sie haben gesagt: Achtung, da sind 90 %, die am Ende in Schacht Konrad gelagert werden. - Das können Sie in Ihrer eigenen Rede nachlesen.

Wenn ich mir die Frage 3 Ihrer Großen Anfrage anschaue, lese ich darin:

„Teilt die Landesregierung die Aussage von Umweltminister Sander, dass die schwach- und mittelradioaktiven Abfälle ein noch größeres Problem als die hochradioaktiven Abfälle darstellen? Wenn ja, welche Gefährdungsabschätzung liegt dieser Bewertung zugrunde“

- jetzt kommt es

„angesichts der Tatsache, dass die hochradioaktiven Abfälle zwar nur einen Anteil von 10 % des Volumens aller radioaktiven Abfälle darstellen, jedoch mehr als 98 % der insgesamt

zu entsorgenden Radioaktivität enthalten?“

Demnach müssten Sie konsequenterweise auch sagen, dass die 90 % nach dem Volumen, die in Schacht Konrad eingelagert werden sollen, nur 2 % der endzulagernden Radioaktivität ausmachen. Das wäre redlich gewesen, Herr Kollege Meihsies.

(Beifall bei der FDP)

Am 22. Mai 2002 hat der damalige niedersächsische Umweltminister Wolfgang Jüttner den Planfeststellungsbeschluss für den Schacht Konrad als Endlager für Abfälle mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung erlassen.

(Hans-Dieter Haase [SPD]: Hervorra- gender Mann!)

- Er hat in Teilen durchaus hervorragende Arbeit geleistet.

(Hans-Dieter Haase [SPD]: Das fällt Ihnen schwer!)

- Das ist richtig, das muss ich ehrlicherweise zugeben. Aber der Planfeststellungsbeschluss war schon eine ordentliche Leistung.

Nach Angaben des Bundesamtes für Strahlenschutz stammen die Abfälle, die dort nach dem damaligen Planfeststellungsbeschluss eingelagert werden sollen, zu 49 % aus der Forschung, zu 19 % aus dem Betrieb von Kernkraftwerken, zu 17 % aus der Wiederaufarbeitung, zu 6 % aus stillgelegten Kernkraftwerken, zu 5 % aus der kerntechnischen Industrie und zu 3 % aus den Landessammelstellen. Ich wiederhole: Fast die Hälfte der Abfälle stammt aus der Forschung. An diesen Zahlen wird nochmals deutlich, was wir alle wissen: Auch nach einem Ausstieg aus der Kernenergie werden Kapazitäten für schwach- und mittelradioaktive Abfälle benötigt.

Meine Damen und Herren, unabhängig von der zukünftigen Nutzung der Kernenergie ist es die Aufgabe unserer Generation, für eine sichere Endlagerung des bisher angefallenen Abfalls zu sorgen. Das will ich hier ganz deutlich sagen. Vor dieser Verantwortung dürfen wir uns nicht drücken.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren von den Grünen, genau das unterscheidet uns von Ihnen. Sie wollen nach