Protocol of the Session on June 23, 2006

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch wenn durch einen Artikel in der Braunschweiger Zeitung in den letzten Tagen der Eindruck entstehen könnte, das Thema „Schacht Konrad“ sei es nicht mehr wert, im Landtag behandelt zu werden, weil scheinbar alles entschieden ist - so wie es ja eben auch der Umweltminister hier versuchte darzustellen -, sage ich Ihnen: Wir können hier im Landtag nicht oft genug über die Entwicklung der Endlagerproblematik atomarer Abfälle diskutieren. Das sind wir den Menschen in der betroffenen Region schuldig, gerade nach dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg, das große Betroffenheit nicht nur bei den Klägern, sondern auch in der Bevölkerung ausgelöst hat.

(Hermann Eppers [CDU]: Aber nicht bei der Mehrheit der Bevölkerung!)

Das Gericht hat in wichtigen Klagepunkten - mein Kollege von Bündnis 90/Die Grünen hat es schon eingehend ausgeführt -, nämlich in der Frage, ob

das Endlager Schacht Konrad überhaupt gebraucht wird und auch in Bezug auf Standortalternativen, Langzeitsicherheit, Strahlenschutz und Sicherung gegen terroristische Angriffe, entschieden, dass der Planfeststellungsbeschluss den gesetzlichen Anforderungen genügt. Das wird aber in der Region bezweifelt. Die Kläger werden eine Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesverwaltungsgericht einreichen. Bis zu dieser Entscheidung hat das Lüneburger Urteil keine Rechtskraft, Herr Minister.

Wenn wir immer von Gesetzen reden: Gesetze sind für die Menschen gemacht, und man kann Gesetze ändern, Herr Minister. Sie haben gerade darauf verwiesen, dass es Ihre Fraktion war, die der Änderung des Atomgesetzes nicht zugestimmt hat. Lassen Sie uns doch gemeinsam eine Änderung des Atomgesetzes in Angriff nehmen, sodass die Rechte der Bürgerinnen und Bürger stärker mit einbezogen werden und wir zu einer transparenten Endlagersuche kommen!

(Zustimmung bei der SPD)

In diesem Moment bereits von Lastenausgleich zu reden, halte ich für sehr eigenartig, Herr Minister. Der Bundesumweltminister Sigmar Gabriel versicherte der Bevölkerung vor Ort in Salzgitter, dass vor einem rechtskräftigen Urteil das Bundesamt für Strahlenschutz keine vorbereitenden Maßnahmen zur Einlagerung beginnen wird. Der Respekt vor den Klägern gebietet es, keine Fakten zu schaffen, solange das Urteil keine Rechtskraft hat. Zudem bedeutet der Ausbau der Grube Schacht Konrad zu einem Endlager eine Investition von mindestens 800 bis 900 Millionen Euro, die nur dann zu verantworten ist, wenn der Planfeststellungsbeschluss unanfechtbar geworden ist.

Meine Damen und Herren, es muss doch endlich einmal zur Kenntnis genommen werden, dass sich die Situation im Bereich der atomaren Abfälle seit Beginn des Verfahrens zur Schachtanlage Konrad vor über 20 Jahren dramatisch geändert hat. Weder heute noch in Zukunft gibt es atomare Abfälle aus Wiederaufarbeitungsanlagen, noch ergeben die tatsächlich anfallenden Abfallmengen das prognostizierte Volumen. Das ist auch auf den Konsens zum Atomausstieg zurückzuführen. Der ist im Koalitionsvertrag der großen Koalition in Berlin festgeschrieben.

(Zustimmung bei der SPD - Hermann Eppers [CDU]: Der sieht aber Konrad vor!)

Durch den gesetzlich geregelten Ausstieg aus der Kernenergie sind die Mengen endzulagernder Abfälle begrenzt. Das geringere Volumen einzulagernder atomarer Abfälle wird in der Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ja bestätigt. Schacht Konrad ist für eine maximale Abfallmenge von mehr als 600 000 m³ ausgelegt, aber die tatsächlich anfallenden Abfallmengen liegen vermutlich nur bei ca. 150 000 bis 200 000 m³.

(Anneliese Zachow [CDU]: Das ist aber eine niedrige Zahl!)

Vor diesem Hintergrund steigen die Kosten dramatisch. Daher müssen die bisherigen Wirtschaftlichkeitsberechnungen zu Schacht Konrad überprüft werden. Das wird auch ein großes Interesse der EVUs sein, meine Damen und Herren.

(Zustimmung bei der SPD)

Wir dürfen auf keinen Fall unnötige Kapazitäten schaffen, die dazu führen, dass Niedersachsen zum Atomklo für Europa wird und dass die Region Salzgitter/Peine/Braunschweig in Unsicherheit leben muss.

(Zustimmung bei der SPD)

Das verbietet allein schon die Verantwortung gegenüber unseren Kindern und Kindeskindern.

Ferner ist zu bedenken, dass dieses Endlager wahrscheinlich gar nicht mehr in Betrieb gehen wird, wenn die Wirtschaftlichkeit von Schacht Konrad nicht mehr gegeben ist. Natürlich - Herr Minister, da stimme ich mit Ihnen vollkommen überein muss jeglicher in Deutschland anfallender Atommüll bestmöglich und sicher gelagert werden. Da sind wir alle, die heute die Atomkraft auch nutzen, in der Verantwortung. Daher fordern wir endlich Sicherheit in dieser Frage.

(Christian Dürr [FDP]: Ja, wir auch!)

Wir brauchen eine generelle Endlagerkonzeption für Deutschland, ohne damit eine Vorfestlegung für Gorleben oder Schacht Konrad zu treffen.

(Zustimmung bei der SPD - Christian Dürr [FDP]: Sie hatten sieben Jahre Zeit - sieben Jahre Rot-Grün!)

Wir wollen eine ergebnisoffene Prüfung. Das setzt voraus, dass alle potenziellen Standorte nach internationalen Kriterien geprüft werden. Erst dann kann es zur Festlegung eines Endlagers für alle atomaren Abfälle in Deutschland kommen. Ich wünsche mir, Herr Minister, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, dass Sie dieser Vorgehensweise, nämlich ergebnisoffene Untersuchungen, zustimmen werden. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD - Hermann Ep- pers [CDU]: Bei Konrad haben wir doch ein Ergebnis!)

Das Wort hat Frau Kollegin Schwarz.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat in ihrem Antrag zum einen die Einschränkung der Bürgerrechte durch das Atomgesetz moniert und der Vertreterin der Landesregierung im Gerichtsverfahren gegen die Inbetriebnahme von Schacht Konrad unterstellt, dass sie den Klägern ihr Klagerecht abgesprochen habe. Zum anderen haben Sie die Aufforderung an die Landesregierung und auch an die Bundesregierung formuliert, keine voreiligen Schritte vor Abschluss des Suchverfahrens nach dem bestmöglichen Endlagerstandort zu unternehmen, sowie lediglich ein Endlager für alle Arten von Atommüll eingefordert.

Erstaunlicherweise haben Sie Ihrem Antrag vom 15. März 2006 drei Wochen später, nämlich am 8. Mai 2006, die Große Anfrage hinterhergeschickt. Meine Damen und Herren, es ist nun wahrlich ein ungewöhnliches Vorgehen, dass man erst einmal einen Antrag schreibt und in der Beratung merkt: Hups, da stimmt irgendetwas nicht, da kommen wir nicht weiter, jetzt müssen wir einmal die Landesregierung fragen. - Sie haben gefragt, aber man hat nach Ihren Ausführungen, Herr Meihsies, wirklich den Eindruck: Gelesen haben Sie die Antworten leider nicht.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das wäre allerdings lohnenswert gewesen, da in der Antwort auf die Fragen „Ein- oder MehrEndlager-Konzept“, „schwach- und mittelradioaktive Abfälle“, wie hoch die Zwischenlagerkapazitäten in Deutschland bzw. in Niedersachsen und die

jährlichen Kosten für die Zwischenlagerung sind, eingegangen worden ist. Ihnen sind auch Informationen hinsichtlich des Drittschutzes in dem Konrad-Verfahren gegeben worden. Alles das haben Sie, meine Damen und Herren, offensichtlich schlicht und ergreifend ignoriert, oder Sie haben schlicht und ergreifend die Position, die Sie in Ihrem Antrag vertreten, wieder aufgenommen. Aber dann hätten Sie sich die Anfrage eigentlich auch sparen können.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, das Urteil des OVG vom 8. März 2006 hat bestätigt, dass das Umweltministerium unter dem Ministerpräsidenten Gabriel und dem Umweltminister Jüttner den Planfeststellungsbeschluss vom 22. Mai 2002 korrekt erlassen hat und der Beschluss entsprechend vollziehbar ist. Gut, wir können gerne warten, wie eine eventuelle Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesverwaltungsgericht ausgeht. Aber man muss sagen: Das Vorhaben ist planfestgestellt. Man kann das nicht einfach negieren und mit allem wieder von vorne beginnen. Man kann nicht wieder bei Adam und Eva anfangen.

Sofern der Vorwurf der Einschränkung der Bürgerrechte erhoben wird, muss man einfach akzeptieren, dass das Atomgesetz seit vielen Jahrzehnten für die Zulassung von Endlagervorhaben das Instrument des Planfeststellungsverfahrens vorsieht. Demzufolge wurde und wird Betroffenen die Möglichkeit zu Einwendungen und nachfolgenden Erörterungen gegeben. Zudem werden die betroffenen Städte und Gemeinden beteiligt. Das ist auch im Verfahren für Schacht Konrad geschehen.

Für die gerichtliche Überprüfung von behördlichen Entscheidungen gibt es in unserem Land den Grundsatz, dass ein Kläger darzulegen hat, ob er durch die Entscheidung in seinen Rechten verletzt wurde. So genannte Popularklagen, also Klagen von Kommunen für ihre Bürger oder Klagen heute lebender Menschen für ihre möglichen Nachkommen, sind nicht zulässig. Das, meine Damen und Herren, hat im Ergebnis dazu geführt, dass die vor dem OVG Lüneburg anhängigen Klagen abgewiesen wurden.

Eine Diskussion über Änderungen der Rechtsgrundlagen kann sicherlich stattfinden. Aber auch unter der vorherigen rot-grünen Bundesregierung haben keine Gesetzesänderungen stattgefunden. Dann sollte man das auch hier in Niedersachsen

nicht monieren, wie es Rebecca Harms im NDR bei der Kommentierung des Urteils getan hat, als sie sagte, das Gericht prüfe nicht, ob es für die Errichtung des Endlagers überhaupt eine systematische, wissenschaftliche und an Sicherheitskriterien orientierte Begründung gebe. Dann hätte Rebecca Harms genauso gut sagen können, dass so etwas letztlich im Planfeststellungsverfahren mit abgewickelt werden müsse und dass man so etwas nicht zigmal wiederholen und erneut erörtern könne. - Es muss irgendwann auch einmal akzeptiert werden, dass eine Entscheidung gefällt wird.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Rosemarie Tinius [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ich würde meine Ausführungen gerne noch zu Ende bringen. Danach gerne.

Meine Damen und Herren, dass der radioaktive Müll - egal ob hoch radioaktiv oder nur schwach verstrahlt - für immer aus unserem Biokreislauf entfernt werden muss, kann von niemandem bestritten werden. Das ist unsere Anforderung. Das kann niemand aussitzen. So hat auch Bundesumweltminister Gabriel in seiner Pressemitteilung auf das OVG-Urteil am 8. März 2006 reagiert. Denn er hat hinsichtlich der Erarbeitung einer Konzeption folgende Positionen mit dargelegt - ich möchte die ersten beiden jetzt nennen und mit Erlaubnis des Präsidenten auch zitieren -:

„Die Nationale Verantwortung soll wahrgenommen werden. Deutsche radioaktive Abfälle sollen auch in Deutschland entsorgt und nicht in andere Länder mit möglicherweise geringeren Sicherheitsstandards exportiert werden.“

„Verantwortung jetzt übernehmen. Die Generation, die Kernenergie genutzt hat, muss sich auch um die Entsorgung der Abfälle kümmern.“

Meine Damen und Herren, man kann ihn darin nur bekräftigen.

(Walter Meinhold [SPD]: Wer ist die Generation?)

- Wenn man sich dann fragt, Herr Meinhold, wie diese Forderung nach dem bestmöglichen Endlagerstandort, die mittlerweile auch vom Bundesumweltminister Gabriel unterstützt wird, angesichts der Entscheidung des Bundesrats vom 14. Mai 2004 erhoben werden kann, ist mir, ehrlich gesagt, schleierhaft. Da wird nämlich die Entscheidung ignoriert, dass eine sicherheitstechnisch optimale Endlagerung erforderlich sei und die radioaktiven Abfälle mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung, also schwach- und mittelradioaktive Abfälle, von den Wärme entwickelnden radioaktiven Abfällen, d. h. abgebrannten Brennelementen und hoch radioaktiven Abfällen, zu trennen seien. Im Bundesrat wurde das von Jürgen Trittin ins Spiel gebrachte Ein-Endlager-Konzept abgelehnt in Übereinstimmung mit der Vorgehensweise in anderen europäischen Staaten. Da haben wir keine Differenz, meine Damen und Herren, auch wenn hier vor Ort der gegenteilige Eindruck erweckt wurde.

Der Bundesumweltminister hat im NDR angekündigt, dass die große Koalition im ersten Halbjahr dieses Jahres einen Vorschlag für ein atomares Endlager in Deutschland präsentiere werde. Heute haben wir den 23. Juni. Man muss insofern fragen: Wo ist die Konzeption?

(Rosemarie Tinius [SPD]: Das ist doch nicht wahr! Die Kriterien sind beschrieben!)

Betrübt hat mich in Bezug auf die Hoffnungen, die unser Umweltminister, Herr Sander, hegt, Folgendes. Ausweislich der Nordwest-Zeitung vom 21. Juni 2006 hat der Bundesumweltminister auf die Frage, wo das angekündigte Endlagerkonzept bleibe, geantwortet:

„Es geht in dieser Legislaturperiode darum, das Verfahren zur Suche eines Endlagers festzulegen. Wir müssen nicht irgendeinen geeigneten Standort finden, sondern den bestgeeigneten in Deutschland.“

(Hans-Dieter Haase [SPD]: So ist es!)

Meine Damen und Herren, das Atomgesetz sagt etwas anderes aus. Es sagt aus, dass ein geeig