Protocol of the Session on June 23, 2006

(Filiz Polat [GRÜNE]: Das ist doch ein Schwarzbau! Das sagt doch das Mi- nisterium!)

- Liebe Kollegin, das wissen wir doch nicht. Wenn das im Ausschuss strittig gestellt wird, haben wir die Möglichkeit, uns darauf vorzubereiten. Dann haben wir auch die Möglichkeit, das in den Fachausschuss zu geben. Das ist doch das Verfahren, das wir vereinbart haben.

(Beifall bei der CDU)

Ich finde das, was hier läuft, sehr unbefriedigend. Ich müsste mich der Stimme enthalten.

Meine Damen und Herren, die Redezeiten sind bis auf die der SPD-Fraktion weitestgehend verbraucht.

(Dorothea Steiner [GRÜNE] meldet sich zu einer Kurzintervention)

- Jetzt ist genau das eingetreten, was ich den Protagonisten immer schon gesagt habe. Das hat das Plenum zu entscheiden; das habe nicht ich zu

entscheiden. Aber bei Kurzinterventionen zu Petitionen können wir in eine heillose Situation kommen. Die ist jetzt eingetreten. Frau Kollegin Steiner hat sich zu einer Kurzintervention gemeldet. Ich kann nach Maßgabe der Geschäftsordnung nicht verhindern, dass sie diese nutzt, um auf einen anderen Redebeitrag einzugehen. Ich bitte Sie sehr herzlich, unter den Fraktionen darüber noch einmal nachzudenken. Ich bin gern bereit, noch 20 weitere Kurzinterventionen zuzulassen. Wenn Sie das in der Geschäftsordnung so festschreiben, kann ich nicht anders handeln.

Bitte sehr, Frau Steiner!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die wichtige, zusätzliche Information, die man sehr spät berücksichtigen konnte, ist doch, dass jetzt festgestellt wird, dass eine Unterrichtung über die Sach- und Rechtslage die Mitteilung beinhalten würde, dass das Umweltministerium bereit ist zuzulassen, dass genau dieses Gebiet aus dem Landschaftsschutz entlassen wird, und dass das Ministerium seiner Aufsichtspflicht nicht gerecht wird.

(Zurufe von der CDU)

Wenn Sie jetzt sagen, in dieser Situation müssen Sie neu diskutieren, weil das im Ausschuss nicht berücksichtigt worden ist, dann bitte ich Sie, die Petition zurück in den Ausschuss zu nehmen und die Punkte noch einmal zu erörtern. Dann kann man das klären.

(Widerspruch bei der CDU)

Meine Damen und Herren, die Fraktionen sind jetzt mit allen „K“, die man zeigen kann, durch.

Gibt es zu der anderen Eingabe noch Wortmeldungen? - Die liegen nicht vor.

Damit ist die Beratung der Eingaben abgeschlossen.

(Unruhe)

- Ich wäre sehr dankbar, wenn Frau Steiner und andere sich jetzt der Mühe unterziehen würden, die notwendigen Abstimmungen vorzunehmen.

Wir kommen jetzt zu den Abstimmungen über die beiden in der Drucksache genannten Eingaben. Ich rufe sie einzeln auf und lasse zunächst über den Änderungsantrag und, falls er abgelehnt wird, dann über die Ausschussempfehlung abstimmen.

Demzufolge rufe ich die Eingabe 2284 auf: betr. Bauleitplanung. Das ist die Eingabe, die wir eben diskutiert haben. Zu dieser Eingabe liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor, die Eingabe der Landesregierung zur Berücksichtigung zu überweisen. Wer dem Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen folgen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Das ist mit großer Mehrheit abgelehnt.

Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Ausschusses, die Einsenderin der Eingabe über die Sach- und Rechtslage zu unterrichten. Wer dieser Meinung ist, den bitte ich um ein Handzeichen. Ich bitte um die Gegenprobe. - Stimmenthaltungen? - Das ist mit großer Mehrheit so beschlossen.

Ich rufe die Eingabe 2873 auf: betr. öffentlicher Personennahverkehr. Auch zu dieser Eingabe liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor, nämlich die Eingabe der Landesregierung als Material zu überweisen. Wer diesem Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zustimmen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Das ist mit großer Mehrheit abgelehnt.

Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Ausschusses, den Einsender der Eingabe über die Sach- und Rechtslage zu unterrichten. Wer dieser Empfehlung folgen möchte, den bitte ich wiederum um ein Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Das ist mit großer Mehrheit so beschlossen.

Meine Damen und Herren, ich rufe nun auf

Tagesordnungspunkt 37: Besprechung: Schacht Konrad und die Lagerung von Atommüll - Große Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 15/2910 - Antwort der Landesregierung - Drs. 15/2947

Tagesordnungspunkt 38: Einzige (abschließende) Beratung: Keine Fakten schaffen bei Schacht Konrad! Bürgerrechte wahren! - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 15/2733 - Beschlussempfehlung des Umweltausschusses Drs. 15/2930

Die Tagesordnungspunkte werden vereinbarungsgemäß zusammen behandelt. Die Beschlussempfehlung zu Tagesordnungspunkt 38 lautet auf Ablehnung.

Zur Einbringung dieser beiden Vorlagen hat jetzt der Kollege Meihsies das Wort. Bitte schön!

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir behandeln beide Vorlagen gemeinsam. Ich möchte auch zu beiden Vorlagen eine Stellungnahme der Fraktion abgeben.

Mit dem Urteil des OVG Lüneburg von März dieses Jahres hat erstmals ein Gericht in Deutschland atomrechtlich über die Zulässigkeit eines Atommüllendlagers, nämlich des Atommüllendlagers „Schacht Konrad“ in Salzgitter, entschieden. Von Beginn dieses Prozesses in Lüneburg an - ich habe an ihm teilgenommen - war klar, dass die Kläger keine Chance hatten. Drei Tage wurde verhandelt. Ein Tag galt der Klage der Familie Traube, zwei Tage den Klagen der Gemeinden Salzgitter, Vechelde und Lengede. Das Urteil stand praktisch von vornherein fest; denn das Land Niedersachsen hat in seiner schriftlichen und mündlichen Äußerung vor Gericht unmissverständlich deutlich gemacht, dass es die Klagen für unzulässig und unbegründet hält und dass die Klagen unbedingt abgewiesen werden müssten.

Dass die Landesregierung den Klägern ihr Klagerecht in einem Verfahren dieser Reichweite abspricht, ist aus Sicht der Grünen äußerst bedenklich. Herr Minister, es handelt sich nicht um eine Pommesbude, die da genehmigt wird, sondern um ein Atommüllendlager. Wir wundern uns schon sehr, welche Position das Land Niedersachsen in dieser Frage eingenommen hat.

(Hermann Eppers [CDU]: Das war doch vor Gericht!)

Städte und Gemeinden als Träger öffentlicher Belange sowie Anwohner als unmittelbar Betroffene

sind bei Ansiedlung von Atommülllagern schon bisher in ihren Rechten eingeschränkt. Ihre ohnehin unzureichenden Rechte werden Kommunen und privaten Klägern nun zusätzlich von der Landesregierung beschnitten. Praktisch entfällt damit der Drittschutz, und das in einem Verfahren von sehr weit reichender Bedeutung, wie es bei der Errichtung von Atommüllendlagern zweifelsohne der Fall ist. Der Kläger Traube hat es auf den Punkt gebracht:

„Es ist schwer verständlich, dass man als nächster Nachbar des geplanten Atommüllendlagers weniger Rechte haben soll als bei irgendeiner beliebigen... Baumaßnahme.“

Meine Damen und Herren, Kläger Traube hat Recht.

Das Urteil darf nicht das letzte Wort in dieser Sache sein. Das ist jedenfalls die Auffassung der Grünen. Selbst der Präsident des Oberverwaltungsgerichtes Lüneburg, Herr van Nieuwland, hat sich kritisch geäußert - eine aus unserer Sicht sehr ungewöhnliche Stellungnahme. Es stelle sich die Frage, ob der Rechtsschutz für Bürger und Kommunen erweitert werden müsse, sagte der Jurist im Gespräch mit Radio ffn. Er sprach sich für eine Überprüfung des Atomrechtes aus und sagte, dass der Verwaltungsrechtsschutz in anderen Ländern, insbesondere in Frankreich, anders aufgebaut sei. Er hat Recht. In unserem Rechtssystem fehlt etwas. Das Vertrauen der Bevölkerung in den Rechtsstaat wird durch dieses Urteil nicht gestärkt, sondern ausgehöhlt.

(Anneliese Zachow [CDU]: Das sehe ich anders!)

Doch werfen wir einen Blick auf einiges, was im Verfahren um Schacht Konrad nicht geprüft worden ist! Ohne eine faire und ergebnisoffene Suche nach einem Endlager sollen im Schacht Konrad - hören Sie genau zu! - 90 % des deutschen Atommüllvolumens eingelagert werden.

Die Region um das ehemalige Erzbergwerk ist dicht besiedelt und wird industriell intensiv genutzt. Es ist nicht nachgewiesen, dass ausgerechnet dieser Standort besser ist als andere. Gefahren durch die Häufung von Transporten durften nicht geprüft werden. Mindestens 80 Jahre lang wird Atommüll aus der gesamten Republik nach Salzgitter gefahren werden. Ob dieses Endlager über

haupt gebraucht wird, hat niemand überprüft auch hier ein Manko.

Mit der Einlagerung von Atommüll in Schacht Konrad würde eine Entscheidung getroffen, die Konsequenzen für eine unübersehbare Zahl von Generationen mit sich brächte. Wir fordern die Landesregierung und die Bundesregierung deshalb auf, keine voreiligen Schritte zu unternehmen und keine Fakten im Schacht Konrad zu schaffen. Mit dem Ausbau darf nicht begonnen werden, bevor das Urteil rechtskräftig ist. Herr Sander, von einem höchsten Gericht muss die Sicherheit von Schacht Konrad überprüft werden, und es müssen neue, grundsätzliche Fragen zur Endlagerung von Atommüll geprüft werden.

Mit dem Ausbau von Schacht Konrad muss auch so lange gewartet werden, bis ein bundesweit einheitliches, vergleichendes Verfahren für die Suche nach dem bestmöglichen Endlagerstandort durchgeführt ist. Wir brauchen nämlich nicht irgendein Atommüllendlager, sondern ein Endlager, mit dem auch spätere Generationen umgehen können, das den höchstmöglichen Sicherheitsstandard bietet und der Verantwortung, die wir für den Atommüll in Deutschland tragen, gerecht wird.

Meine Damen und Herren, wie gefährlich es ist, wenn nicht sorgfältig ausgewählt wird, zeigt uns ein Beispiel in nächster Nähe, nämlich das Endlager Asse bei Wolfenbüttel, von dem vor 20 Jahren gesagt wurde: Es ist sicher. Dort wird nichts passieren. Es wird keine Wassereintritte geben. - Dieses Bergwerk - es wird ja als „Forschungsbergwerk“ bezeichnet - hat mittlerweile ein so genanntes Leck. Seit einigen Jahren tropft Wasser durch die Decke, um das mal ein bisschen salopp zu sagen. Man hat Probleme mit dem Auffangen des Wassers, bzw. man weiß nicht, wo das Wasser eintritt. Es besteht die Gefahr, dass dort in den nächsten Jahrzehnten und Jahrhunderten eine Kontaminierung des Grundwassers stattfinden kann. Daran sehen Sie, wie sicher es ist. Es ist nämlich nicht sicher. Diejenigen, die vor 20 Jahren kritisiert haben, dass das Lager nicht sicher ist, haben Recht behalten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Minister Sander, Sie müssen zur Kenntnis nehmen, dass die selbst ernannten Experten aus vielen Ministerien in vielen Verfahren der letzten Jahrzehnte nicht Recht behalten haben.

Meine Damen und Herren, bei der Auswahl eines Endlagerstandortes gilt der Vorrang der Sicherheit. Aber wichtig ist auch die Art und Weise, in der ein solches Auswahlverfahren durchgeführt wird. Erst allmählich und zögerlich setzt sich in der Atomindustrie und in den Atomenergieländern die Erkenntnis durch, dass die Auswahl eines Standortes nicht nur eine wissenschaftliche, technische Frage ist, sondern es ist auch die Frage, wie damit umgegangen wird, wie Menschen in den Prozess der Entscheidung einbezogen werden, wie sie gegebenenfalls auf eine Situation vorbereitet werden, die nicht ungefährlich ist. Von daher sollten wir uns an anderen Ländern ein Beispiel nehmen. Wenn man will, kann man daraus lernen. Demokratische Beteiligung und Transparenz bei der Standortauswahl müssen gewährleistet sein. Das ist jedenfalls unsere Auffassung. Nur dann gibt es eine Chance für eine Akzeptanz in den betroffenen Regionen.

(Zustimmung von Stefan Wenzel [GRÜNE])

Schweden und Finnland beispielsweise haben daraus gelernt und halbwegs systematische Auswahlverfahren unter Öffentlichkeitsbeteiligung durchgeführt. Nur deshalb stehen sie in Sachen Endlager besser da als wir in der Bundesrepublik. Wenn Sie, Herr Minister Sander, die Anforderungen, die der AkEnd entwickelt hat, übernehmen würden, dann wären wir in der Diskussion um ein Endlager in Deutschland einen Schritt weiter. Wenn Sie nicht immer nur auf der Bremse stünden, würde mehr Sicherheit in diesem Bereich geschaffen werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)