Protocol of the Session on May 18, 2006

Eingebracht wird der Antrag von der Abgeordneten Elsner-Solar von der SPD-Fraktion, die mir gerade gesagt hat, das wolle sie kurz und bündig machen.

Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Älter werdende Menschen wollen auch im hohen Alter möglichst in ihrer vertrauten Umgebung bleiben und möglichst selbstbestimmt leben. Neun von zehn pflegebedürftigen Menschen werden heute noch in ihren Familien betreut. Der Anteil älterer Menschen an unserer Bevölkerung wächst jedoch, und damit wächst der Bedarf an unterstützenden Leistungen entsprechend. Das Angebot an unterstützenden Leistungen ist hoch ausdifferenziert, damit aber auch hoch unübersichtlich, zudem ungleich verteilt in Niedersachsen.

Die Nachlässigkeit der Landesregierung, durch entsprechende Nachbesserung für eine verfassungsfeste Landespflegeplanung zu sorgen, die Weigerung der Regierungsfraktionen, ein einheitliches Beurteilungssystem für Angebote in der Altenpflege auf den Weg zu bringen, verschärft die Not der Entscheidungsfindung im Falle eines Falles.

Meine Herren und Damen, berufliche Mobilität erfordert oft räumliche Trennungen zwischen erwachsenen Kindern und ihren Eltern. Normale Unterstützungsleistungen wie Einkauf, Wohnungsreinigung und Pflege können nicht mehr geleistet werden und hinterlassen bei den Kindern nicht selten Schuldgefühle. Kommt dann eine Krise dazu - Unfall, Krankheit, Krankenhausaufenthalt -, befinden sich alle Beteiligten unter enormem Entscheidungsdruck, der mögliche Perspektiven keineswegs selten verstellt. Der Verweis auf die derzeitigen Rechtsgrundlagen hilft den Betroffenen in dieser Situation keineswegs weiter. Die von der Landesregierung in der Antwort auf unsere Kleine Anfrage zur Pflegesituation in Niedersachsen gerühmte Wahlfreiheit zwischen Einrichtungen und Diensten verschiedener Träger ist eine illusorische Seifenblase.

Sowohl die laut Gesetz zur Beratung verpflichteten Pflegekassen wie auch die örtlichen Sozialhilfeträger sind in höchstem Maße interessengebundene Partei. Die Pflegekassen sind unter dem Druck steigender Leistungsnachfrage als Beratende genauso Partei wie die örtlichen Sozialhilfeträger in ihrer Rolle als Ausfallgaranten für die die finanzielle Leistungskraft Einzelner übersteigenden Pflegesätze.

Der von den Regierungsfraktionen beschlossene Wegfall der Investitionskostenförderung für stationäre Einrichtungen der Altenpflege als ein Beitrag zur Sanierung des Landeshaushalts verschärft die Finanznot für Anbietende und Nutzende. Es kann also nicht ausgeschlossen werden, dass so nicht am Einzelfall orientiert beraten wird, sondern Kostengesichtspunkte im Vordergrund stehen.

Meine Herren und Damen, wie wir alle wissen, hat sich die Altenpflege zu einem riesigen Markt entwickelt, in dem der Wettbewerb sein hartes Regiment führt. Betroffene wie Angehörige stehen öffentlichen, freigemeinnützigen und privaten Trägern mit ambulanten, teilstationären und stationären Hilfen gegenüber und sind über bestehende Angebote nicht hinreichend informiert. Das belegt in klaren Worten sogar der von den Mitarbeitenden des Ministeriums exzellent zusammengestellte Landespflegebericht.

Allein in Niedersachsen gibt es ca. 1 200 Häuser mit vollstationärem Angebot und ca. 1 000 Einrichtungen der ambulanten Altenpflege mit oder ohne Kurzzeitpflege, mit oder ohne teilstationäre Hilfen. Aber schon über die Anzahl von Möglich

keiten des betreuten Wohnens in ihren kommunalen Grenzen wissen die meisten Kommunen laut Pflegebericht gar nichts. Zumindest - so konnte man dort nachlesen - beginnen sie jetzt nach der Abfrage in Anfängen mit dem Aufbau einer entsprechenden Statistik.

Ich stelle fest: Außerhalb der unmittelbaren pflegerischen Versorgung ist die Datenlage dünn, und - ich zitiere aus dem Bericht - „nur wenige Kommunen ermöglichen Hilfe- und Ratsuchenden eine Orientierung und die gezielte Auswahl durch Herausgabe von Informationsmaterial“.

Da kann man sich vorstellen, wie eine Beratung ablaufen wird. Wie soll sich da ein unbedarft Suchender zurechtfinden?

Bedauerlicherweise hat die CDU-geführte Landesregierung ebenso wie in anderen sozialpolitischen Bereichen auch hier wieder kein Konzept.

(Zuruf von der CDU: Das stimmt doch gar nicht!)

Nach der Ablehnung unseres Antrages auf Einführung eines landeseinheitlichen Prüfsiegels, das die Orientierung wenigstens im stationären Bereich ermöglicht hätte, fehlt jeglicher Anhaltspunkt zur Orientierung. Wir fordern daher von dieser Landesregierung dringend die Einrichtung von trägerunabhängigen Beratungsstellen zur Unterstützung von Betroffenen und zur Orientierung der Angehörigen. Diese hätten dann den Vorteil - solange wir auf ein professionelles Hilfemanagement in diesem unserem Lande noch warten müssen -, wenigstens die Entscheidungsfindung für den Einzelfall aus der Interessenbezogenheit von Trägern und Kostenträgern zu lösen und dem einzelnen Menschen eine am Bedarf orientierte Hilfe zu vermitteln. Neben der Vermeidung von Irritationen und Desintegration des bedürftigen Menschen käme man zu sinnvoller Kosteneinsparung im Bereich Fehlplatzierung.

Wir fordern Sie auf, umgehend tätig zu werden und nicht nach dem Motto „Eigenmittel sparen - mit Bundesmitteln fahren“, das wir aus den anderen Politikfeldern dieser Landesregierung gut kennen, zu verfahren und auf eine Finanzentscheidung durch das Bundesministerium für Gesundheit zu warten. Wenn Sie schon keine eigenen Konzepte haben, dann greifen Sie wenigstens auf die vorliegenden Konzepte, z. B. auf das des Sozialverbandes Deutschland, zurück, und handeln Sie! Versuchen Sie, das Vertrauen der Verbände für diese

Fragen zurückzugewinnen, auch wenn Sie diese bei dem jüngsten gemeinsamen Modellvorhaben - ich meine das Pflegenotruftelefon - schmählich im Finanzierungsloch alleine sitzen ließen. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Frau Elsner-Solar, ich danke Ihnen, dass Sie Ihre Zusage so hervorragend eingehalten haben. Das ist beispielgebend.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Frau Kohlenberg hat für die CDU-Fraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Antrag der SPD-Fraktion hat die Überschrift „Informationsdschungel in der Altenpflege lichten unabhängige Beratung ermöglichen!“. Meine Damen und Herren, wir müssen erst einmal genau schauen, wer eigentlich für diese Aufgaben zuständig ist.

Jeder hat den Wunsch, bei Pflegebedürftigkeit möglichst selbständig und selbstbestimmt leben zu können. Wenn man dann aber in Situationen kommt, in denen man Hilfe benötigt, ist es oft für einen selbst oder für die Angehörigen schwierig, das passgenaue Angebot zu finden. Daher ist es auch besonders wichtig, dass man sich frühzeitig informiert, welche Angebote es vor Ort gibt. Viele tun das ja auch. Sie befassen sich mit den Fragen: Kann ich in meiner Wohnung bleiben? Stimmt das Angebot, das ich vor Ort habe, mit dem überein, was ich haben möchte?

Auch auf kommunaler Ebene wird sehr viel getan. Es ist eine Aufgabe der Kommunen, Angebote zu fördern, und den Bürgerinnen und Bürgern Informationen zu vermitteln. Viele Kommunen haben Seniorenberatungen. Es gibt Seniorenbeiräte. Auch Wohlfahrtsverbände und die Kirchen bieten viele Hilfen an.

Mit der Förderung des Landes wird eine Datenbank zur Erfassung der Angebote der Altenhilfe - Informationsplattform Altenhilfe - erstellt. Dadurch wird eine erhebliche Verbesserung des Informati

onsstandes sowohl auf Landesebene als auch zwischen den kommunalen Gebietskörperschaften bewirkt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

In der Datenbank sollen neben den Diensten und Einrichtungen der Altenpflege auch alle Beratungsangebote sowie niedrigschwellige Hilfsangebote erfasst werden. Sie wird auf örtlicher Ebene die Transparenz über das oft nicht vollständig bekannte Angebot an Dienstleistungen und Unterstützungen im Bereich der Altenhilfe erhöhen. Sie schafft verbesserte Voraussetzungen für gezielte Beratung und Unterstützung. - Auch das steht im Landespflegebericht.

Wenn man mit den Hilfestellungen nicht mehr auskommt und der Pflegefall eintritt, ist die Pflegekasse zuständig. Die soziale Pflegeversicherung ermöglicht allen Versicherten, alle zustehenden Leistungen selbst zu wählen und in Anspruch zu nehmen. Die Pflegekassen sind gemäß § 7 SGB XI verpflichtet, Versicherte, Angehörige oder Lebenspartner in den mit der Pflegebedürftigkeit zusammenhängenden Fragen, insbesondere über die Leistungen und Hilfen anderer Träger, umfassend zu unterrichten und zu beraten. Zudem unterstützt die zuständige Pflegekasse betroffene Menschen bei der Ausübung ihres Wahlrechts, indem sie über die Bewilligung von Pflegeleistungen eine Vergleichsliste über die Leistungen und Vergütungen der zugelassenen Pflegeeinrichtungen vorlegt. - Dies steht übrigens auch in der Antwort auf die Kleine Anfrage der SPD vom 28. Februar 2006 zur Pflegesituation in Niedersachsen.

Wenn im Zuge der Reform der Pflegeversicherung generell die Möglichkeit zur Inanspruchnahme eines persönlichen Budgets geschaffen wird, ist der Auf- und Ausbau eines Case Managements in der Pflege dringend geboten.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Dies zeigt auch der noch laufende Modellversuch der Evangelischen Fachhochschule in Freiburg. Das Land wird deshalb vorbehaltlich der Zustimmung des Bundesgesundheitsministeriums über die finanzielle Beteiligung der Spitzenverbände der Pflegekassen ein Projekt des Sozialverbandes Niedersachsen zur Erprobung eines Case Managements durch trägerunabhängige Beratungsstellen unterstützen. - Auch das steht übrigens im

Landespflegebericht. Das ist ja genau das, was Sie fordern.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP - Norbert Böhlke [CDU]: Hört, hört! - Christa Elsner-Solar [SPD]: Aber wann?)

- Wenn die Entscheidung vom Bundesgesundheitsministerium kommt. Darauf warten wir ja.

(Norbert Böhlke [CDU]:So ist es!)

Die Landesregierung setzt sich dafür ein, dass in Berlin die Weichen richtig gestellt werden. Wir alle haben großes Interesse daran, dass jeder die Hilfe bekommt, die er braucht.

Die Landesregierung und die Fraktionen der CDU und der FDP haben in den vergangenen Jahren im Bereich der Pflege für die Menschen in Niedersachsen vieles auf den Weg gebracht.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Da es schon spät ist, möchte ich jetzt nur ein Beispiel nennen, nämlich das niedrigschwellige Angebot für Demenzkranke und vieles mehr. Auch die Enquete-Kommission zum demografischen Wandel wird sich noch mit dem Thema „Pflege“ beschäftigen.

Wir können feststellen, dass die Landesregierung keine Aufforderung vonseiten der Opposition braucht.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir werden weiter Initiativen ergreifen und nach Möglichkeiten suchen, um die Situation für die pflegebedürftigen Menschen in Niedersachsen zu verbessern.

Wir werden Ihren Antrag im Ausschuss weiter beraten. Ich habe die Hoffnung, dass Sie ihn dann noch zurückziehen werden. Also, bis dann!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat die Abgeordnete Helmhold um das Wort gebeten. Ich erteile es ihr.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Ungewissheit über die Zukunft ist beim Eintreten einer Pflegebedürftigkeit zunächst die schlimmste Belastung für die Betroffenen und die Angehörigen. Plötzlich stehen sie vor einem Berg bedrohlich wirkender Fragen: Wer hilft uns jetzt? Welche Angebote gibt es? Welches könnte das Richtige für uns sein? Können wir das überhaupt schaffen? Wer kann uns helfen? Wie können wir das finanzieren? - Dabei kann man sich tatsächlich im Gestrüpp der Pflegeversicherung in den verschiedenen Problemstellungen verirren. Welche Leistungen gibt es? Wie wird die Pflegebedürftigkeit überhaupt festgestellt? Kann man zu Hause pflegen? Welche Hilfsmittel gibt es usw.?

Bei der Beantwortung dieser Fragen können Pflegeberatungsstellen einen unschätzbaren Dienst leisten. Hier können sich Betroffene und Angehörige frei von Ängsten beraten lassen und auf dieser Grundlage eine Entscheidung treffen. Die meisten Betroffenen wollen nämlich nicht in eine stationäre Einrichtung und brauchen dennoch Hilfe und Unterstützung.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Sie kennen das Hilfesystem nicht. Sie kennen die Regularien nicht. Sie kennen die gesetzlichen Vorgaben nicht. Diese können sie in Pflegeberatungsstellen erhalten und mithilfe einer unabhängigen Pflegeberatung ihr persönliches und passendes Pflegearrangement finden.

In Schleswig-Holstein, meine Damen und Herren, wurden mit Pflegeberatungsstellen außerordentlich gute Erfahrungen gemacht. Sie werden sehr gut angenommen. Sie leisten über die Problemklärung, Informationsvermittlung und Anbahnung von Hilfe hinaus auch psychosoziale Beratung und Begleitung. Daneben haben sie im Laufe der Zeit die Aufgabe eines Beschwerdemanagements vor Ort angenommen. Diese Aufgabe nimmt in Niedersachsen im Moment vor allen Dingen der Sozialverband Deutschland wahr, der in dieser Aufgabe weiterhin - und zwar besser - unterstützt werden sollte.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)