Protocol of the Session on June 25, 2003

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Als niedersächsische Landespolitikerin verstehe ich bis heute nicht, warum ein Umweltminister oder ein Ministerpräsident des Landes Niedersachsen nicht bereit sind, den Standort Gorleben mit anderen Standorten vergleichen zu lassen, bevor eine Eignungsaussage getroffen wird.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Herr Sander, Herr Ministerpräsident, ich versuche, eine Antwort darauf zu geben. Sie scheuen diesen Vergleich, weil Sie wissen, wie der Vergleich ausfallen würde. Frau von der Leyen, Herr Professor Luettig, der Berater Ihres Vaters in Sachen Gorleben war, hat kurz nach seiner Pensionierung gesagt: Damals, als wir Gorleben vorgeschlagen haben, war uns Geologen klar, der Salzstock Gorleben ist im Verhältnis zu anderen Salzstöcken dritte Wahl. Politische Gründe haben uns bewogen, den Standort Gorleben vorzuschlagen.

Viele Jahre später hat Frau Merkel als Umweltministerin - Herr Hirche, ich glaube, Sie waren Ihr Staatssekretär - einen Vergleich zwischen Salzstö

cken in der norddeutschen Tiefebene durchführen lassen. Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe hat dieses Gutachten durchgeführt. Gorleben war auch in diesem Gutachten unter einigen Aspekten bestenfalls zweite und in der Regel dritte Wahl. Ein solcher Vergleich, selbst wenn er nur unter Salzstöcken durchgeführt würde, würde uns zwangsläufig vor Augen führen, dass Gorleben nicht die erste Wahl ist.

Warum hält man dann trotzdem an diesem Standort fest? - In den letzten Tagen ist eines deutlich geworden, nämlich dass es um Geld geht. Man hält an Gorleben fest, weil es um Geld geht, und zwar um sehr viel Geld. Ich frage trotzdem: Kann Geld bei einer Sache wie Atommüll vor Sicherheit gehen, Herr Sander? - Ich glaube nicht, dass das die richtige Entscheidung ist.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Deshalb bin ich eindeutig der Auffassung, dass die Energieversorgungsunternehmen, die seit Jahrzehnten sehr viel Geld mit der Atomenergie verdienen und die ausdrücklich für die Entsorgung milliardenschwere Rücklagen gebildet haben, aus diesen Rücklagen für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger aufkommen können. Ein solcher Vergleich ist das Mindeste, was unter Sicherheitsaspekten durchgeführt werden muss und zu finanzieren ist. Wären Sie, Herr Wulff, ein guter Landesvater, würden Sie genauso argumentieren. Stattdessen werden Gorleben und Schacht Konrad verschachert.

Den zweiten Punkt, bei dem es um Geld geht, kenne ich aus dem Gorleben-Konflikt. Der zweite Punkt heißt Entschädigung. Das Land will entschädigt werden, weil es einen nachgewiesenermaßen Zweite- und Dritte-Wahl-Standort aufrecht erhält. Ich meine, dass das eine völlig falsche Entscheidung ist. Ich bin sicher, dass die Hoffnung, die in meiner Region vorhanden ist, auf eine wirkliche Suche durch diese Entscheidung bitter enttäuscht werden wird.

(Zuruf von Anneliese Zachow [CDU])

Ich bin auch sicher, dass die Bereitschaft, sich auf einen Konsens einzulassen, in meiner Region gegen null gehen wird. Herr Sander, ich wäre froh, wenn Sie diese Region vor Ihrer Festlegung einmal besucht hätten. Ich wäre froh, Herr Wulff, wenn sich Ihre Dialogbereitschaft auch auf Schülerinnen und Schüler wie Marie erstrecken würde, die sich

dort angekettet hatte. Das war aus Ihrer Sicht sicherlich eine umstrittene Aktion.

(Zurufe von der CDU)

Er wäre aber richtig gewesen, sich vor einer Festlegung einmal mit dieser Seite des Konfliktes vor Ort zu befassen. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Das Wort hat der Kollege Dr. Rösler. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Keine Landtagssitzung ohne Aktuelle Stunde oder Dringliche Anfrage zum Thema Endlager Gorleben. Es gehört eigentlich gar nicht in den Bereich der Landeskompetenz, aber ich finde es trotzdem gut, dass wir in diesem Parlament noch einmal darüber diskutieren können. So können wir noch einmal deutlich machen, wie verantwortungslos das Handeln der Bundesregierung bei diesem Thema ist.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Denn anstatt in Verantwortung für die jetzige und für folgende Generationen dafür zu sorgen, dass wir endlich zu einer sicheren Endlagerung kommen, vertun Sie Ihre Zeit mit ideologischen Spielen, und das einfach nur, um Zeit zu gewinnen und eine Entscheidung, die für die Menschen in der Region dringend notwendig ist, hinauszuzögern.

(Beifall bei der FDP)

Das Schäbige daran ist, dass Sie sich auch noch als Anwalt der Menschen in dieser Region profilieren wollen. Dabei zögern Sie doch seit 20 Jahren hinaus, dass es zu einer Gewissheit in diesem Bereich kommt und dass die Menschen endlich wissen, woran sie sind.

Vor zwei Tagen hat selbst die Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg den Bundesumweltminister Trittin aufgefordert, endlich einmal die Gründe auf den Tisch zu legen, aus denen er Gorleben für nicht geeignet hält. Das kann er nicht, weil er sich darum herumdrückt, die Erkundung zu Ende zu führen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Deshalb unterstützen wir sehr wohl die Landesregierung, die eine klare und eindeutige Position hat, die Erkundung ergebnisoffen - ich habe manchmal das Gefühl, als würde der Begriff „ergebnisoffen“ in seiner ganzen Tiefe und Bedeutung nicht von jedem in diesem Hause verstanden werden

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

endlich zu einem vernünftigen Ende zu führen.

Meine Damen und Herren, das Heft des Handelns liegt eindeutig aufseiten der Bundesregierung - um das hier klarzustellen. Dem Minister Trittin fällt jedoch nichts Besseres ein als das Wiederaufleben des „Arbeitskreises Endlagerung“ frei nach dem Motto: „Wenn ich nicht mehr weiter weiß, bilde ich einen Arbeitskreis“.

(Zurufe von der SPD)

Selbst diesem Arbeitskreis hätte sich die Landesregierung nicht verweigert, wenn sie das Gefühl gehabt hätte, dass Sie ernsthaft an einer Lösung interessiert gewesen wären. Dass Sie das nicht gewesen sind, erkennt man deutlich daran, dass Sie überhaupt nicht bereit gewesen sind, sich über die Kompetenzen und die genauen Ziele dieses Arbeitskreises klar zu werden.

Der Niedersächsische Umweltminister Sander - es ist unser gemeinsamer Umweltminister, Sie sind ja auch Niedersächsin - hat hier ganz klare Aussagen gefordert. Herr Trittin hat keine Auskunft geben können. Ich finde es deshalb völlig richtig, dass sich die Landesregierung an diesem Arbeitskreis Endlagerung nicht beteiligt hat. Es geht nach dem Motto: „Wer nicht sagt, wohin er will, kommt immer dahin, wohin er nicht will.“

(Ursula Körtner [CDU]: Genau!)

Ich könnte an dieser Stelle gerne noch etwas über die Kosten sagen, aber da Rot und Grün noch nie darüber nachgedacht haben, welche Kosten sie mit ihren Entscheidungen verursacht haben, will ich uns das an diesem Punkt ersparen. Aber eines kann ich Ihnen sagen: Ich finde es im Interesse der jetzigen und der folgenden Generation sowie der Menschen vor Ort unverantwortlich, wie diese Bundesregierung mit dieser Frage umgeht. Diese wissen nämlich sehr genau, wer dafür verantwortlich ist,

dass eine Entscheidung hinausgezögert wird. Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Das Wort hat noch einmal der Kollege Gabriel. Bitte schön!

Herr Kollege Sander und auch Sie, Herr Kollege Rösler, würden Sie vielleicht einmal dem interessierten Haus erklären, wie Sie eine ergebnisoffene Prüfung organisieren wollen, wenn Sie keine grundlegenden Kriterien haben und vor allem wenn Sie keine Vergleiche anstellen? Vielleicht können Sie noch einmal - neben Ihrer Kenntnis der Sprichworte sind Sie offensichtlich auch in der Lage, dieses Thema zu beurteilen, Herr Rösler hierhin kommen und sagen,

(Beifall bei der SPD)

was nach Ihrem liberalen Verständnis ergebnisoffen ist, wenn man keine Vergleiche hat, wenn man nicht weiß, ob das im Granit oder im Ton besser geht? Wie geht das? Herr Sander, wie kann man eine solche Möglichkeit haben?

Wenn sich in den letzten Jahrzehnten international die Erkenntnisse vollständig verändert haben und jetzt der Versuch unternommen wird, im Gesetz Kriterien festzulegen - das, was wir immer gewollt haben, nämlich dass überall in Deutschland die gleichen Kriterien bei der Frage angelegt werden, ob das ein geeigneter Endlagerstandort ist -, wenn das nicht existiert, wie wollen Sie sich dann auf Gorleben festlegen? Was hat das mit sparsamer Haushaltsführung zu tun, wenn Sie Geld in die Erkundung investieren, ohne die Grundlage dafür zu haben, das hinterher mit anderen Erkundungen in Deutschland zu vergleichen? Das ist doch abenteuerlich, was Sie hier machen!

(Beifall bei der SPD)

Was heißt eigentlich „endlich ein Problem lösen und zu einer schnellen Entscheidung kommen“? Vor welchem Hintergrund soll diese schnelle Entscheidung eigentlich erfolgen? Sie tun so, als gäbe es einen unmittelbaren Entscheidungsdruck. Sie tun so, als verweigerten wir uns der Beteiligung an der Endlagersuche. Das ist nicht so, Herr Rösler.

Sie müssen endlich einmal erläutern - weil Sie ja offensichtlich im Besitz der Erklärung dafür sind -, was ergebnisoffen ist und wie Sie das hinkriegen wollen.

Letzte Bemerkung zum Geld: Damit Sie einen Eindruck und ein Gespür dafür bekommen, wie schnell man in dieser Frage unnötig Geld ausgeben kann, und weil eben Frau Zachow die gewaltige Zahl von 600 Millionen Euro genannt hat, sage ich Ihnen einmal, was es gekostet hat, als man etwas nicht gründlich geprüft hat und ein Atomkraftwerk nach nur 13 Monaten Laufzeit abgeschaltet wurde, weil man nicht gründlich und sorgfältig gearbeitet hat. Das war nämlich beim Atomkraftwerk Mülheim-Kärlich der Fall. Das hat 3,6 Milliarden Euro gekostet.

Das Geld ist vorhanden, aber es ist kein Geld da, um im Granit zu suchen. Ich sage Ihnen auch, warum: Sie sind nicht die Interessenvertreter des Landes Niedersachsen, sondern die Ihrer politischen Freunde in Bayern und Baden-Württemberg. Das ist es, worum es geht!

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Das Wort hat der Ministerpräsident.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Gabriel, die Zuständigkeit für die Endlagerung atomarer Abfälle liegt ausschließlich bei der Bundesregierung. Insofern gehört die Debatte in erster Linie in den Deutschen Bundestag. Das Land Niedersachsen hat sich auf Wunsch ihrer SPD-Bundesregierung in den Jahren 1976 bis 1979 bereit erklärt, die Erkundung vorzunehmen. Es spricht nicht für unseren Wirtschaftsstandort, dass wir für die Erkundung inzwischen 24 Jahre gebraucht haben, jetzt die Moratoriumszeit haben und offensichtlich insgesamt über 30 Jahre benötigen werden, um etwas zu beurteilen.

Sie haben mit Ihrer Bundes- und Landesregierung die Pilotkonditionierungsanlage in Gorleben genehmigt. Da frage ich Sie einmal, mit welcher anderen Pilotkonditionierungsanlage Sie das verglichen haben.

(Beifall bei der CDU)

Sie haben das Endlager für schwach radioaktive Abfälle im Schacht Konrad genehmigt. Sie haben eben in Ihrem ersten Wortbeitrag gesagt, wir hätten es genehmigt, wir wollten es genehmigen. Nein, Ihre Landesregierung hat es genehmigt. Ich halte hier einmal fest, dass Sie es genehmigt haben. Herr Jüttner als Umweltminister hat die Genehmigung für das atomare Endlager in Schacht Konrad ausgestellt.