Sie haben das Endlager für schwach radioaktive Abfälle im Schacht Konrad genehmigt. Sie haben eben in Ihrem ersten Wortbeitrag gesagt, wir hätten es genehmigt, wir wollten es genehmigen. Nein, Ihre Landesregierung hat es genehmigt. Ich halte hier einmal fest, dass Sie es genehmigt haben. Herr Jüttner als Umweltminister hat die Genehmigung für das atomare Endlager in Schacht Konrad ausgestellt.
Wenn Sie uns vor dem Hintergrund Ihrer Genehmigung hier weismachen wollen, dass Sie an einem Ein-Endlager-Konzept festhalten, würde das bedeuten, dass man den Schacht Konrad dafür in Betracht zöge, der dafür völlig ungeeignet ist.
Wir haben ein paar Bedingungen für die Mitarbeit am Arbeitskreis Endlagerung gestellt. Es ist schlicht inakzeptabel gegenüber den Stromkunden und der Elektrizitätswirtschaft, die dafür Geld zahlen, dass in Deutschland wiederum ein LaberGremium über die Endlagerung, ohne Bedingungen dafür nennen zu können, errichtet werden soll.
Seriöserweise muss man vorher darüber sprechen, ob es eine Geschäftsordnung gibt, wer entscheidungsbefugt ist, wer mitmacht und welches Ziel man erreichen will. Wenn Herr Sander einen freundlichen Brief schreibt und Herr Trittin anschließend erklärt, jetzt gebe es den Arbeitskreis Endlagerung nicht, und auf Bedingungen lasse man sich überhaupt nicht ein, ist das für diese Landesregierung inakzeptabel, weil es um den Einsatz öffentlicher Mittel und um die Vernunft geht und weil es keinen objektivierbaren Grund gibt, die Erkundung in Gorleben jetzt nicht abzuschließen.
Dort werden hunderte von Arbeitsplätzen vernichtet. Dort wird die Kompetenz abgezogen. Die Leute werden weggehen, und wir werden dann in einigen Jahren die Erkundung mit einem gewaltigen Aufwand abschließen müssen; denn es hat nach den Äußerungen von Herrn Steinmeier, die morgen in der Zeit erscheinen werden, keiner ernsthaft ein Interesse daran, dass man in die Erkundung anderer Standorte geht, solange man nicht ergebnisoffen festgestellt hat, dass der Standort Gorleben nicht geeignet ist. Das wissen die Beteiligten, aber Sie wollen den Leuten Sand in die Augen streuen, und damit geht man mit den Leuten vor Ort nicht anständig um.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann derzeit nicht beurteilen, welche Äußerungen von Herrn Steinmeier hier eigentlich gemeint sind. Herr Steinmeier hat laut Zeit-Vorberichterstattung etwas gesagt, was er schon seit langem sagt, nämlich dass es keine Aktivitäten der Bundesregierung gegen den Atomkonsens geben wird. Das ist vielleicht für Sie interpretationsfähig. Den Anhang 4 des Atomkonseses zu Gorleben kenne ich; der ist für mich nicht neu. Dieser Hinweis auf Herrn Steinmeier entlässt Sie, Herr Wulff, überhaupt nicht aus der Pflicht, zu begründen, warum an Gorleben festgehalten werden soll, ohne dass jetzt schon verabredet wird, dass Gorleben mit anderen Standorten auf seine Eignung hin verglichen wird, und ohne dass jetzt schon geklärt ist, dass in dieser Legislaturperiode endlich die Langzeitsicherheitskriterien von der Bundesregierung gesetzlich verankert werden.
Ich glaube, dass das Spiel, das Sie spielen, sehr durchsichtig ist. Dass es um Geld geht, habe ich schon gesagt. Dass es um Wohlverhalten gegenüber der Energiewirtschaft geht, habe ich auch schon gesagt. Gleichzeitig scheint Ihnen aber entgangen zu sein, dass die Auseinandersetzung um Gorleben tatsächlich an einem neuen Punkt angelangt war, was Sie nun aber zurückdrehen wollen.
Wenn man es von außen betrachtet, finde ich, dass dies mit der größte Fehler ist, den diese Landesregierung in der kurzen Zeit Ihrer Tätigkeit gemacht hat, nämlich dass man eine Chance, die sich eröffnet hat, eine Hoffnung, die geweckt wurde, an sich vorbeiziehen lässt, ohne noch einmal genauer hinzugucken. Möglicherweise werden Sie das noch sehr bereuen. Der perspektivische Friede am Standort Gorleben, der mir z. B. wirklich ein Herzensanliegen ist, ist durch diese Entscheidung und gerade auch durch den Vorrang für die wirtschaftlichen Interessen, die Sie überhaupt nicht verbergen, in Frage gestellt.
Eine Sache beschäftigt mich noch. Herr Eberl, Sie sitzen ja auch hier; vielleicht kann Herr Sander das für Sie beantworten: Sie hatten ja schon ganz kurz
nach Ihrem Amtsantritt die europäischen Perspektiven für den Standort Gorleben angesprochen. Da das Geld in der Auseinandersetzung um Gorleben für Sie eine so große Rolle spielt: Wann müssen wir denn damit rechnen, dass diese Landesregierung die nächste Drehung im Umweltministerium vornimmt und Sie Gorleben und Konrad europäisch vermarkten? Denn dann macht das, was Sie in den letzten Tagen vertreten haben, natürlich noch mehr Sinn.
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen zu Tagesordnungspunkt 1 a liegen mir nicht vor. Damit ist dieser Antrag besprochen.
b) Sozial total egal? Sozialpolitik der Ministerin ohne Konzept - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 15/279
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Diese Landesregierung ist mit hohen Ansprüchen an die Sozialpolitik angetreten. Frau Ministerin von der Leyen wurde den Niedersachsen als das soziale Gewissen des Landes vorgestellt und mit dem Auftrag ausgestattet, Herz, Wärme und Charme über dem Land zu verbreiten.
- Das reicht aber nicht, meine Damen und Herren, und warum das nicht reicht, darauf komme ich gleich noch zurück.
Es wurde eine neue Partnerschaft mit den Trägern sozialer Arbeit und den Kommunen verkündet. Die Koalitionsfraktionen sekundierten hier mit einem Antrag. Leider halten Sie dieses Prinzip der Partnerschaft aber nicht durch, wie als jüngstes Beispiel der starke Protest des Städtetages und des Niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes
zeigt, die sich vehement gegen den von Ihnen beschlossenen Niedersächsischen Weg bei der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe ausgesprochen haben. Mit denen haben Sie überhaupt nicht gesprochen, und da frage ich mich: Was hat das mit einer „neuen Partnerschaft“ zu tun?
Verlässlichkeit, Vertrauen und Planungssicherheit - das sollen die Eckpfeiler der neuen Politik der Landesregierung im sozialen Bereich sein.
Freiwilliges Engagement soll gefördert werden, soziale Initiativen und Selbsthilfegruppen sollen unterstützt werden. - Das klingt ja auch wirklich gut. Aber inzwischen erleben wir die harte Ankunft auf dem Boden der Wirklichkeit und das Brechen dieser Ankündigungen.
Seit Anfang Juni kommen nämlich härtere Töne von Ihnen, Frau Ministerin, und uns wird deutlich, dass der Hintergrund der Nebelkerzen des Antrags „Partnerschaftliche Sozialpolitik“ doch nur gewesen ist, die bevorstehenden Grausamkeiten den Trägern möglichst lange nicht sagen zu müssen.
Wir konnten von Ihnen, Frau Ministerin, in der Neuen Presse vom 3. Juni lesen, Sozialbürokratie sei bislang blind finanziert worden,
Besitzstände müssten abgebaut werden, und die Träger sozialer Arbeit müssten aufhören, auf Fördertöpfe zu schielen. - Da frage ich mich natürlich, ob jemand, der so etwas sagt, die Realität sozialer Arbeit kennt.
Wenn Sie einmal ein Arbeitslosenzentrum, ein Frauenzentrum, eine Drogenberatungsstelle besuchen, dann werden Sie feststellen - und zwar sehr schnell -, dass die Menschen, die dort arbeiten, nicht zwischen Designermöbeln und unter Kronleuchtern sitzen und Managergehälter beziehen.
Ganz im Gegenteil! An den Tarifsteigerungen des öffentlichen Dienstes nehmen die schon seit Jahren nicht mehr teil, und sie können ihre Arbeit zum größten Teil nur noch dadurch aufrecht erhalten, dass ein großer Kreis von Ehrenamtlichen die Lücken füllt, die mangels ausreichender Zuwendungen inzwischen von den Hauptamtlichen nicht mehr geschlossen werden können.
Und was heißt denn eigentlich, „auf Fördertöpfe schielen“? - Das unterstellt doch, dass die Zuwendungsempfänger da sitzen, warten, bis Geld kommt, und dann hinterher Däumchen drehen. Die arbeiten doch mit dem Geld! Ich finde solche Äußerungen außerordentlich diffamierend. Eine Sozialministerin sollte sich gut überlegen, ob sie sie tätigt.
Lassen Sie mich noch einmal auf Ihr Partnerschaftsverständnis zurückkommen: Vertrauen, Verlässlichkeit, Planungssicherheit und ständige Absprache mit den Partnern.
Am 13. Juni verkündeten Sie einschneidende Kürzungen im Sozialhaushalt. 156 Millionen Euro sollten aus Kürzungen bei Aids-Hilfe, Drogenberatungsstellen, BISS-Stellen, Jugendhilfe und Behindertenhilfe erwirtschaftet werden. Da war mit den Partnern aber überhaupt nichts abgesprochen! Die haben sich auch sofort lautstark zu Wort gemeldet und Ihr soziales Gewissen angemahnt.
Am 19. Juni legten Sie dann den Rückwärtsgang ein. Zwei Drittel sollten jetzt aus Einsparungen durch Änderungen von Bundesgesetzen kommen. Gegen diese Luftbuchungen, die vor einigen Jahren, wie ich mir habe sagen lasse, schon Ihr Vater erfolglos versucht hat, hat aber sofort Ihr Kabinettskollege Möllring Widerspruch eingelegt. Nach einem nochmaligen Salto rückwärts haben Sie dann am 21. Juni verkündet, Sie seien jetzt doch zuversichtlich, die Einsparungen aus eigener Kraft erwirtschaften zu können.
in der vergangenen Woche selbst Zweifel an der Erreichbarkeit seiner vorgegebenen Sparziele angemeldet, sich aber später dahin gehend korrigiert hat, er sei zuversichtlich, dass das schwere Ziel doch erreicht werden kann.
Ich werde Ihnen einmal sagen, was Sie erreicht haben. Das Gerede von sozialer Partnerschaft ist inzwischen zerplatzt wie eine Seifenblase. Das wirkliche Problem in diesem Land ist, dass Sie völlig falsche Prioritäten setzen. 1 000 Polizisten werden eingestellt.
Dafür haben Sie Geld, das können Sie finanzieren, und dafür nehmen Sie die Zerschlagung gewachsener Strukturen in Kauf.