Warten Sie bitte einen kleinen Moment, Herr Kollege Jüttner. - Wenn es gleich nicht leiser wird, dann unterbreche ich die Sitzung für zwei Minuten. Warten Sie bitte noch, Herr Kollege Jüttner!
Sie plädieren für Förderunterricht, streichen die Förderstunden und spielen Ihre Lieblingsrolle: Mr. Hundertprozent - ich, Bernd Busemann, sorge dafür, dass in Niedersachsen jede Unterrichtsstunde erteilt wird. - Meine Damen und Herren, es gibt in Niedersachsen zwei Welten. Die eine ist Ihre Welt, Herr Busemann, sind Ihre Fantasien, Ihre Erlasse und Ihre Claqueure Frau Körtner, Herr Klare und andere hier, die Sie darin bestätigen.
Die andere Welt sind die Schulen in Niedersachsen. Ich finde es beeindruckend, was Elternräte in den letzten Monaten gemacht haben. Sie haben einfach mal gezählt, welche Stunden stattfinden und welche Stunden ausfallen. Das haben sie
beispielsweise bei über 40 000 Schülerinnen und Schülern im ehemaligen Regierungsbezirk Braunschweig und bei 2 500 Klassen im ehemaligen Regierungsbezirk Lüneburg und in Hannover getan. Da ist es aus mit Ihrer Theorie der „gefühlten“ Unterrichtsversorgung, die so schlecht sein soll. Nein, meine Damen und Herren, die tatsächliche Unterrichtsversorgung ist das Problem - ist Ihr Problem, Herr Busemann.
Uns können Sie nicht einlullen, die Eltern haben es auch gemerkt, und auch die Öffentlichkeit ist hinreichend aufmerksam geworden. Ich nenne Ihnen Beispiele: Realschulen im Regierungsbezirk Lüneburg: 4,6 % Ausfall; Hauptschulen: 4,1 %. Unterrichtsversorgung bei Berufsbildende Schulen: zum Teil 70 %. Hauptschulen in Salzgitter: 86 % Unterrichtsversorgung. Gymnasien in Peine: 91 % Unterrichtsversorgung. Realschulen in Braunschweig: 87 % Unterrichtsversorgung. Gymnasien in Hannover, 8. Klasse: 88 % Unterrichtsversorgung.
Das sind sorgfältige statistische Erhebungen der Kreis- und Stadtelternräte, meine Damen und Herren. Sie wissen das, Herr Busemann. Sie haben die Briefe bekommen, und Ihre Antworten sind hinreichend peinlich. Ich will Ihnen einmal ein Zitat von Herrn Hullen geben, der einen Teil koordiniert hat. Ich zitiere: Der Minister lügt nicht bewusst, er geht nur von anderen Realitäten aus. - Meine Damen und Herren, treffender kann man das wirklich nicht sagen!
Und wie reagieren Sie, Herr Busemann? - Sie machen zweierlei. Erstens verbreiten Sie den dezenten Hinweis, in der Zeit der Datenerhebung doch möglichst keinen Unterricht ausfallen zu lassen. Zweitens setzen Sie eine Arbeitsgruppe ein, die überprüft, ob diese Elternaktion rechtlich zulässig ist. - Das ist Ihre Antwort auf Elternengagement in Niedersachsen! Beschämend ist das, Herr Busemann, wirklich beschämend!
Sie erzählen den Eltern, dass Sie 1 300 Lehrerinnen und Lehrer einstellen. - Na klar, das stimmt. Sie sagen ihnen aber nicht, dass das höchstens für Stellen ist, die durch Fluktuation frei werden.
Deshalb sage ich Ihnen: Das Parlament erwartet von Ihnen, dass Sie hier Fragen beantworten und deutlich machen, wie viele Stellen Sie seit Ihrem Regierungsantritt gestrichen haben. Sagen Sie uns das einmal! Sagen Sie uns hier einmal, wie hoch der Unterrichtsausfall in Niedersachsen in diesem Schuljahr ist und wie hoch er wahrscheinlich auch im nächsten Schuljahr sein wird! Machen Sie mal deutlich, welche zusätzlichen Aufgaben Sie auf den Weg gebracht haben, ohne dass Sie das gleichzeitig mit Stunden unterlegen. Das ist die tatsächliche Situation, die in der Tat dazu geführt hat, dass Ihr Ruf in den niedersächsischen Schulen ruiniert ist. Unsere Schülerinnen und Schüler, unsere Lehrerinnen und Lehrer und die Eltern haben Besseres verdient. Bildung ist das Pfund für die Zukunft. Wir dürfen es nicht leichtfertig verspielen. Sie tun es aber.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe mich schon zu Beginn der Aktuellen Stunde gefragt, warum ausgerechnet Sie von der SPD diesen Antrag zu dieser Aktuellen Stunde gestellt haben.
Herr Jüttner, ich finde es sehr richtig, dass Sie hier die Problemfälle angesprochen haben. Hätten Sie das immer getan, wären wir vielleicht bei der einen oder anderen Schule schon weiter. Wir haben die Ergebnisse Ihrer Hotlines - ich glaube, Sie haben drei durchgeführt -, um die wir Sie gebeten haben, immer noch nicht erhalten.
Dann wird versucht, wie in der Vergangenheit auch, Probleme zu lösen, wo es möglich ist und angebracht erscheint.
Es wäre schön, Sie hätten Probleme immer so offen angesprochen. Sie können sich darauf verlassen, dass, wie in allen anderen Fällen auch, dieser Frage jetzt nachgegangen wird. Ich nehme an, das Ministerium wird sofort reagieren.
Herr Jüttner, Sie haben vor kurzem noch gesagt, wir müssten aufhören, ständig über Schulstrukturen und Unterrichtsversorgung zu reden, sondern wir müssten uns jetzt auf Inhalte konzentrieren. Ich gestehe Ihnen ja zu, dass man seine Meinung auch mal ändern kann, gar keine Frage. Wenn es gerade passt, ändern Sie ja ohnehin Ihre Meinung relativ oft. Das ist in Ordnung. Ich finde es gut, dass wir jetzt über Unterrichtsversorgung reden. Wir haben in Niedersachsen eine sehr gute Unterrichtsversorgung. Sie ist allemal wesentlich besser als das, was Sie uns hinterlassen haben, Herr Jüttner. Das ist die Realität.
Ich kann es Ihnen auch nicht ersparen, ein bisschen aus der Vergangenheit zu zitieren und einfach zu sagen, was da gelaufen ist, weil uns das heute noch in einer wirklich erschreckenden Form belastet. Ich kann Ihnen sagen: Es gab keine Landesregierung, die die Schulen bei der Unterrichtsversorgung so im Stich gelassen hat wie die damalige Landesregierung.
Meine Damen und Herren, in den letzten Jahren Ihrer Regierungszeit sind durch Ihre Politik mit Einstellungsstopp und Streichung von Lehrerstellen Riesenlücken in den Stundenplänen gerissen worden. Das war eine Katastrophe für die Schulen, und es war zum anderen ein völlig falsches Signal an die jungen Lehrerinnen und Lehrer. Die sind nämlich zu Hunderten in andere Bundesländer abgewandert. Diese Lehrerinnen und Lehrer brauchten wir eigentlich heute noch.
Meine Damen und Herren, jetzt kommt der wirkliche Skandal. Sie kommen hier mit Versorgungsberechnungen, aber Sie haben die Lücken, die damals in den Stundenplänen der Schulen gerissen worden sind, durch eine gewaltige Manipulation der Unterrichtsversorgungsstatistik auszugleichen versucht.
Dabei haben Sie aber sehr viel Pech gehabt, denn das wurde entdeckt. Ich nenne Ihnen jetzt eine Zahl, die von niemandem bestritten wird. Der Kollege Voigtländer ist mein Zeuge; auch er hat es öffentlich gesagt, das Zitat liegt mir vor. Sie haben durch einen einzigen Erlass die Statistik um 14 % nach oben geschönt.
Die Unterrichtsversorgung lag bei einer Schule laut Statistik bei 94 %, während sie in Wirklichkeit nur 80 % betrug. Das ist die Wahrheit, meine Damen und Herren. Darum werden wir auch nicht herum reden. Das müssen wir Ihnen immer noch ankreiden.
Ich erinnere auch noch daran, dass Sie den Schulen in einer Größenordnung von fast einem Schuljahr Stunden aus der Stundentafel gestrichen haben. Es ist doch ein Skandal, dass ein 15jähriger Schüler in Niedersachsen zum Ende Ihrer Regierungszeit fast ein Jahr weniger Unterricht hatte als ein Schüler in Bayern oder in BadenWürttemberg. Und Sie haben sich über die Ergebnisse der PISA-Studie hier in Niedersachsen gewundert?
Für uns war Unterrichtsversorgung immer das zentrale Thema. Unser Wahlversprechen lautete: 2 500 zusätzliche Lehrkräfte. Sie haben geglaubt, das könnten wir gar nicht umsetzen. Zum Schuljahr 2003 haben wir 2 500 zusätzliche Lehrkräfte eingestellt. Insgesamt waren es 4 200. 2004 haben wir weitere 1 400 neue Lehrer eingestellt. 2005 hat die Landesregierung 2 500 neue Lehrkräfte eingestellt, und im Februar wurden 700 plus 300, also 1 000, eingestellt. Zum 1. August werden noch einmal alle frei werdenden Stellen wieder besetzt und 1 400 Lehrer zusätzlich eingestellt.
Das ist bei dieser katastrophalen Haushaltslage, an der Sie ja auch beteiligt waren, eine ganz großartige Leistung zugunsten unserer Kinder.
Meine Damen und Herren, draußen erzählen Sie immer, Sie würden etwas für die Unterrichtsversorgung tun, es wäre alles so schlimm. Aber bei den Haushaltsberatungen hier in diesem Landtag haben Sie nicht einen einzigen Haushaltsantrag gestellt, um mehr Lehrer einzustellen. Ich finde das blamabel und skandalös.