Herr Sander, Sie haben von einer gemeinsamen Zukunft gesprochen. Unsere Zukunft haben wir nicht mit Ihnen gemeinsam; denn unsere Zukunft ist eine Zukunft ohne Atomenergie. Dies haben wir auch von dieser Stelle aus immer wieder deutlich gemacht. Sie verharmlosen wider besseres Wissen. Sie wissen ganz genau, Frau Zachow, wie intensiv wir Grünen mit der SPD über diesen Atomausstieg diskutiert haben. Uns sind die Gefahren bewusst gewesen. Wir wollten viel früher abschalten und aussteigen; dies ist uns leider nicht geglückt. Aber wir haben es zumindest in Berlin und an vielen anderen Stellen versucht.
Dies geschah vor dem Hintergrund der Gefahren, die uns tagtäglich ins Haus stehen, und zwar nicht nur über der Erde, sondern auch unter der Erde, wenn das Endlager in Gorleben tatsächlich eingerichtet werden sollte. Wir hoffen, dass das Endlager nicht zustande kommt.
Wie gesagt, wir haben eine Zukunft ohne Atomenergie vor Augen, Herr Sander. Wir wissen um die Risiken der terroristischen Angriffe. Nicht umsonst sind gegen den Widerstand der Betreiber Vernebelungsanlagen installiert worden.
Die Betreiber haben sich geweigert, Nebelkerzen oder Nebelanlagen an den betroffenen AKWStandorten einzurichten; das wissen Sie ganz genau. Jürgen Trittin hat hart verhandelt und gerungen, um die Mindeststandards an Sicherheitsvorkehrungen einzufordern.
Herr Kollege, Ihre Redezeit ist abgelaufen. Sie müssen leider Ihren Beitrag an dieser Stelle beenden.
Wir Grünen haben unseren Beitrag für den Ausstieg geleistet. Wir haben die Sicherheitssituation nicht verharmlost. Von daher bitten wir um Unterstützung für unseren Antrag. - Danke sehr.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte zu dem Beitrag von Herrn Dehde noch eine kurze Anmerkung machen. Herr Dehde, Sie haben hier das böse Wort „Wegwerfsizilianer“ gebraucht. Ich verfüge über 25 Jahre Berufserfahrung in deutschen, aber auch ausländischen Kernkraftwerken und kenne kein einziges Kernkraftwerk, in dem eine solche von Ihnen unterstellte Mentalität existiert, man schicke „Wegwerfmenschen“ irgendwohin, um sie zu opfern. Ich weise dies mit allem Nachdruck zurück.
In keinem mir bekannten Kernkraftwerk, auch nicht in den russischen, gibt es eine solche Mentalität, wie Sie sie hier unterstellt haben.
Gibt es Widerspruch hinsichtlich der Frage, ob sofort abgestimmt werden kann? - Es gibt keinen Widerspruch. Dann können wir sofort abstimmen.
(Klaus-Peter Dehde [SPD]: Nein, stopp! Für unseren Antrag ist keine sofortige Abstimmung beantragt, Herr Präsident!)
Wer den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in der Drucksache 2736 unterstützen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! Der Antrag ist abgelehnt.
Der Antrag der Fraktion der SPD in der Drucksache 2712 soll in die dafür vorgesehenen Ausschüsse überwiesen werden. - Ich sehe keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Tagesordnungspunkt 43: Erste Beratung: Landesregierung muss um Erhalt der Bahn-Regionalisierungsmittel kämpfen Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drs. 15/2717
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir halten es für dringend erforderlich, die Landesregierung zu einer Initiative für den Erhalt der gesetzlich festgeschriebenen Bahn-Regionalisierungsmittel zu verpflichten.
Das geltende Regionalisierungsgesetz sieht vor, dass die Bundesmittel für die gemeinwirtschaftlichen Aufgaben im Nahverkehr jährlich um 1,5 % steigen. Dies ist nötig und sinnvoll, weil natürlich auch die Energie- und Personalkosten steigen. Daran gemessen ist die Steigerung der Förderung eher gering bemessen. Der Bedarf dafür ist auf jeden Fall nachgewiesen.
Mit der Ankündigung der drastischen Kürzung dieser Mittel hat die CDU/SPD-Koalition auf Bundesebene nicht nur die laufende konzeptionelle Arbeit vieler Aufgabenträger infrage gestellt, sondern auch ein grundsätzlich falsches verkehrs- und umweltpolitisches Signal gesetzt. Die Umsetzung der Kürzungspläne würde das Angebot auf der Schiene durch den Wegfall von jährlich 282 Millionen Euro bis 2010 in Niedersachsen qualitativ und quantitativ massiv schmälern. Die Niedersächsische Nahverkehrsgesellschaft hat erklärt, dass u. a. der geplante Ausbau der Heidebahn, die Regionalstadtbahn in Braunschweig, die Verlängerung der Bremer S- und Straßenbahn und die Verlängerung der S-Bahn von Hannover nach Hildesheim gefährdet wären, wenn sich der Bund durchsetzen würde.
Die geplanten Kürzungen um insgesamt 11,7 % wirken sich für die Verkehrsverbünde je nach Art der laufenden Verträge unterschiedlich aus. Nach Vorausberechnungen des Zwecksverbandes Großraum Braunschweig führen die Kürzungen dort bis zum Jahr 2009 mit den dort zu erwartenden Steigerungen von 1,5 bis 2 % bei den Verkehrsleistungen, die von der DB AG eingekauft werden, zu einem schrittweisen Leistungsabbau von 20 %. Das heißt, innerhalb weniger Jahre würden dort 20 % weniger Zugkilometer angeboten werden; jeder fünfte Zug müsste abbestellt werden. Dies ist eine massive Verschlechterung des ÖPNVAngebots in dieser Region.
- Ja, aus dem Status quo. Dies wäre ein unhaltbarer Zustand, den wir überhaupt nicht tolerieren können.
Die CDU/SPD-Koalition in Berlin, Herr Eppers, legt entgegen ihrer eigenen Ankündigungen mit der Kürzung der Bahn-Regionalisierungsmittel den Rückwärtsgang für die Kundinnen und Kunden im öffentlichen Nahverkehr ein. Auch in der Klima
schutzpolitik legt sie den Rückwärtsgang ein; denn diejenigen, die nicht mehr mit der Bahn reisen können, müssen die Entfernungen zwangsläufig anderweitig überbrücken.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Niedersächsische Landesregierung trägt allerdings mit der inzwischen mehrjährigen Praxis der Zweckentfremdung von wachsenden Anteilen der Bundesmittel einen erheblichen Teil der Verantwortung für das Entstehen der Kürzungsdiskussion beim Bund. - Nicht wahr, Frau Rühl, wir beide wissen, worum es an dieser Stelle geht. - Mit fast 100 Millionen Euro im Jahr, die mittlerweile zur Finanzierung des Landesanteils bei der Schülerbeförderung abgezweigt werden, ist Niedersachsen das Bundesland mit der größten Zweckentfremdungssumme unter allen Bundesländern. Dieser Missbrauch muss spätestens jetzt gestoppt werden, wenn der Kürzungsdruck des Bundes noch erfolgreich abgewendet werden soll.
Mehr Mobilität mit attraktiven Angeboten bei öffentlichen Verkehrsmitteln ist ein soziales und ein umweltpolitisches Ziel. Es geht um die Teilhabe von Bürgerinnen und Bürgern am gesellschaftlichen Leben durch gut erreichbare und erschwingliche Verkehrsmittel und zugleich um den Schutz der Umwelt durch Reduzierung verkehrsbedingter Schadstoffe. Diesem Ziel hat sich nicht nur der Bund, sondern auch das Land verpflichtet. Jetzt gilt es auch, gemeinsam so zu handeln.
Aber zum Glück kann die Bundesregierung die Regionalisierungsmittel derzeit nicht einseitig kürzen. Dafür braucht sie die Zustimmung der Länder - da kommen wir ins Spiel -, die aber über die finanziellen Anreize, z. B. mit der Verlängerung der Förderperiode über 2007 hinaus - bis 2010 -, wie es von Herrn Steinbrück zusammen mit der Kürzungsankündigung angeboten wurde, dazu verleitet werden sollen, diesem Kürzungsansinnen nachzugeben. Das Kalkül ist allerdings sehr durchsichtig. Mit der Verlängerung würden missbräuchliche Mittelverwendungen zunächst noch einige Jahre länger sanktioniert. Das ist ein verlockendes Angebot für diese Landesregierung, die dort besonders viel abzweigt - das könnte man zumindest meinen.
- Eben! Damit dieser Verdacht gar nicht erst aufkommen kann, können wir ja gemeinsam reagieren und mit unserem Antrag die Landesregierung verpflichten, entsprechend tätig zu werden.
Widersetzen sich nämlich die Länder, wie das ein Beschluss der Verkehrsminister vom 10. März - parteiübergreifend, aus allen Ländern - nahe legt, bleibt es bei der derzeitigen Regelung. Erst im Jahre 2007 wäre dann turnusmäßig darüber mit dem Bund zu verhandeln, in welchem Umfang er ab 2008 die gemeinwirtschaftlichen Leistungen weiterhin fördern will. Der Beschluss der Landesverkehrsminister braucht, meine ich, durch eine Entschließung hier im Landtag noch einigen Rückenwind, damit er auch von der Landesregierung insgesamt getragen wird - auch vom Finanzminister - und mit Erfolg gegenüber dem Bund durchgesetzt werden kann.
Auch hier ist eine sofortige Abstimmung dringend geboten; denn wie Sie wissen, findet diese Auseinandersetzung dieser Tage statt. Eine langwierige Beratung im Ausschuss bringt uns da nicht wirklich weiter. Eine Positionierung dieses Plenums wäre für die Meinungsbildung im Bund sehr hilfreich. Vielen Dank.