Protocol of the Session on March 24, 2006

weise untersucht hat. Hinweise, die Gegenstand laufender Ermittlungsverfahren waren, konnten zum Untersuchungszeitpunkt noch nicht freigegeben werden. Die von der Justiz freigegebenen Hinweise dürften sich aufgrund des kurzen Untersuchungszeitraumes auf eingestellte Verfahren beziehen. Weshalb die positiven Ergebnisse keinen Niederschlag in der Studie finden, mag dahingestellt bleiben. Im Übrigen ist festzustellen, dass die Studie von Professor Backes hinsichtlich ihres wissenschaftlichen Anspruchs auch im universitären Bereich nicht unumstritten ist.

Zu 2: Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass sich die in dieser Frage angesprochene Problematik unabhängig vom Tatvorwurf und unabhängig vom Grund für die Ermittlungen für jeden Beschuldigten stellen kann, der im Laufe des Ermittlungsverfahrens Zwangsmaßnahmen ausgesetzt war und bei dem das Ermittlungsverfahren mangels hinreichenden Tatverdachts gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt wird. Als solche Zwangsmaßnahmen kommen u. a. Durchsuchungen, Kontoabfrage, Vernehmung, Beschlagnahme von Gegenständen oder Vermögen, erkennungsdienstliche Behandlung und gegebenenfalls sogar Untersuchungshaft in Betracht. Gegen entsprechende Maßnahmen, die noch fortwirken, kann mit dem Rechtsmittel der Beschwerde vorgegangen werden. Maßnahmen, die bereits abgeschlossen sind, können gemäß § 23 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz nachträglich überprüft werden.

Sofern durch die Ermittlungsverfahren Nachteile für den Betroffenen entstanden sind, kommen Entschädigungsleistungen nach dem Strafrechtsentschädigungsgesetz oder - unter den Voraussetzungen des § 839 BGB in Verbindung mit Artikel 34 des Grundgesetzes - aus Amtshaftung in Betracht.

Zu 3: Korruptionsverfahren sind wie viele Wirtschaftsstrafverfahren erfahrungsgemäß langwierig. Bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens können in Einzelfällen Jahre vergehen. Der Evaluierungszeitraum der in Bezug genommenen Studie ist viel zu kurz gewählt. Dies zeigt sich bereits daran, dass mittlerweile sechs durch das BKMS ausgelöste Verfahren mit einer Sanktion endeten, während es bei Abschluss der Studie nur ein Verfahren war.

Generell ist darauf hinzuweisen, dass die Masse aller bei den Staatsanwaltschaften geführten Ermittlungsverfahren mit einer Einstellung endet und

lediglich ein geringer Teil zur Anklage führt. Nach der Statistik wurden in Niedersachsen bei den Staatsanwaltschaften im Jahr 2005 insgesamt 458 790 Verfahren erledigt. Dies erfolgte in 52 792 Verfahren durch Anklage, in weiteren 60 580 Verfahren durch Strafbefehl und in knapp 3 500 Verfahren durch Antrag auf Aburteilung im beschleunigten Verfahren. Die übrigen Verfahren, also fast drei Viertel, endeten durch Einstellung. 114 167 Verfahren wurden eingestellt, weil ein hinreichender Tatverdacht nicht festgestellt werden konnte. Bei den übrigen erfolgte die Einstellung - dies wird jedoch nicht gesondert erfasst - vermutlich wegen geringer Schuld gegen oder ohne eine Auflage.

Dies verdeutlicht, dass die Quote der Einstellungen generell hoch ist. Dass die Anzahl von Einstellungen mangels hinreichenden Tatverdachts bzw. das Absehen von Ermittlungen mangels Anfangsverdachts bei anonymen Anzeigen – unabhängig ob diese auf traditionellem Wege per Post oder nunmehr per BKMS eingehen – deutlich höher ist als bei offenen Strafanzeigen, ist selbstverständlich. Zum einen können anonyme Anzeigen von bestimmten Anzeigeerstattern auch bewusst fälschlicherweise erhoben werden. Zum anderen reichen die Angaben in der Anzeige alleine häufig nicht aus, um einen Anfangsverdacht zu begründen, da bei anonymen Strafanzeigen, mit denen die Strafverfolgungsbehörden bereits seit vielen Jahren und nicht erst seit Einführung des BKMS-Systems zu tun haben, entsprechend erhöhte Anforderungen an deren Werthaltigkeit gestellt werden.

Bezüglich dessen, dass die Verfasser der Studie als vermeintlichen Beleg für den Misserfolg des BKMS anführen, dass in einer überwältigenden Mehrzahl der mitgeteilten Fälle keine Ermittlungen geführt wurden, möchte ich sagen, dass gerade dieser Umstand den verantwortungsvollen Umgang der Ermittlungsbehörden mit der Bejahung eines Anfangsverdachts, sofern dieser allein auf Angaben eines anonymen Hinweisgebers beruht, belegt.

Zurückkommend auf die Überschrift der Anfrage „Ist das anonyme Korruptionsbekämpfungsprojekt des LKA Niedersachsen ein Flop?“ kann ich Ihnen nur sagen: Nein.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Minister. - Herr Kollege Klein hat sich zu einer Zusatzfrage gemeldet.

(David McAllister [CDU]: Herr Minis- ter, der letzte Satz hätte gereicht!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Minister hat berichtet, dass eine große Anzahl der Meldungen nicht zu Ermittlungen geführt hat bzw. dass viele Verfahren eingestellt worden sind. Können Sie uns sagen, wie viele grundlose Verdächtigungen es über das BKMS-System gegeben hat? Meine zweite Frage: Welche Informationen gibt es darüber, welche Nachteile die grundlos Beschuldigten in ihrer Familie, in ihrem Sozialleben durch eine solche grundlose Beschuldigung erlitten haben?

Vielen Dank. - Herr Minister!

Die Zahl, die Sie gerade abgefragt haben, habe ich in meiner Beantwortung genannt. Ich bitte aus Zeitgründen darum, dass ich das nicht noch einmal darstellen muss. Das können Sie dem Protokoll entnehmen.

Zu Ihrer zweiten Frage: Die Staatsanwaltschaften und die Gerichte prüfen zunächst, ob ein Anfangsverdacht vorliegt. Erst danach wird ermittelt. Aber es ist nie auszuschließen, dass das Verfahren eingestellt werden muss. Ich hatte auch dargestellt, dass man die Möglichkeit hat, dagegen vorzugehen, wenn es zu Nachteilen geführt hat. Das wird in den Einzelfällen geprüft.

Vielen Dank. - Herr Kollege Hagenah, bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sicherlich wird es hier im Hause niemanden geben, der eine offensive Arbeit gegen Korruption nicht begrüßt und der nicht alle Wege unterstützt, die zu dieser Arbeit beitragen. Uns interessiert, ob der Weg des BKMS ein solcher Weg

ist. Sie haben in der Beantwortung der Anfrage dargestellt, dass bei normalen Anzeigen, aufgrund deren Ermittlungsverfahren eingeleitet werden, 75 % der Verfahren eingestellt werden. Wenn ich Ihren Zahlen richtig gefolgt bin, werden im BKMSSystem - auch wenn es nachträglich zu Strafverfolgungen bzw. zu tatsächlichen Verurteilungen oder Sanktionen gekommen ist - wohl über 95 % der Verfahren eingestellt. Da besteht doch ein eklatanter Unterschied.

Herr Kollege, die Zeit Ihres Anlaufes ist vorbei. Sie müssen jetzt fragen.

Vor diesem Hintergrund frage ich Sie: In wie vielen Fällen ist es im Zusammenhang mit den BKMSMeldungen bei Beschuldigten zu Kontenabfragen gekommen? Welche Folgen haben Kontenabfragen für die Beschuldigten im Verhältnis zu ihrer Bank?

Vielen Dank, Herr Kollege. - Herr Minister!

Diese Abfragen können nur im Rahmen des Ermittlungsverfahrens durchgeführt werden. Das hat mit dem BKMS-System direkt nichts zu tun. Ob und in wie vielen Fällen Kontenabfragen durchgeführt worden sind, kann ich im Moment nicht sagen. Das muss ich nachreichen.

Frau Korter, bitte schön!

Herr Minister Schünemann, Sie haben vorhin ausgeführt, in 2004 sei es aufgrund des BKMSSystems zu elf Ermittlungen gekommen und danach noch einmal zu 17. Ich frage die Landesregierung: In wie vielen Fällen ist Anklage erhoben worden, und in wie vielen Fällen hat es Verurteilungen gegeben? Sie haben vorhin von sechs Sanktionen gesprochen. Das hätte ich gerne etwas genauer ausgeführt; denn wir haben erhebliche Zweifel an der Effizienz des Systems.

Vielen Dank. - Herr Minister!

Ich bestätige Ihnen noch einmal die Anzahl von sechs Sanktionen.

Sie müssen einmal bedenken, welche Möglichkeiten man durch das BKMS-System hat. Ich habe das ja relativ ausführlich dargestellt. In der Vergangenheit hat man nur anonyme Briefe bekommen; man konnte mit demjenigen, der über einen anonymen Brief eine Anzeige erhoben hat, überhaupt nicht kommunizieren. Durch das BKMSSystem - das habe ich ja auch dargestellt - ist es möglich, mit dem Hinweisgeber zu kommunizieren und so die Plausibilität der Hinweise zu prüfen. Das ist der große Vorteil.

(Zustimmung bei der CDU)

Insofern gibt es überhaupt keinen Anlass, zu sagen, dass sich dieses System nicht bewährt. Das System bedeutet eine zusätzliche Möglichkeit, sogar noch an mehr Erkenntnisse zu kommen. Insofern schafft es eine bessere Grundlage für Staatsanwaltschaften und Gerichte, um Ermittlungen durchzuführen.

(Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank. - Jetzt hat Frau Kollegin HeinenKljajić das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Minister hat eben ausgeführt, dass der wissenschaftliche Anspruch der Untersuchungen nicht unumstritten sei. Im Ausschuss ist die Behauptung aufgestellt worden, die Studie sei womöglich interessengeleitet gewesen. Hat die Landesregierung für beide Vorwürfe Belege?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank. - Herr Minister!

Frau Bannenberg, die im Bereich der Korruptionsbekämpfung einen sehr guten Namen hat, hat sich mit dieser Studie beschäftigt und Zweifel geäußert. Insofern meine ich, dass ich das auch durchaus in Zweifel ziehen kann, wenn es sehr kritische stimmen von Fachleuten gibt.

Vielen Dank. - Herr Kollege Lennartz, bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage die Landesregierung: Sieht sie aufgrund der Studie Veranlassung, das System noch einmal zu überprüfen? Oder meint sie, dass alles von Anfang an super ist und dass es nur eine schlechte Studie und ein gutes System gibt?

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Vielen Dank. - Herr Minister!

Am System kann man ja gar nichts ändern. Ich habe ja dargestellt, wie das System läuft. Man kann durch dieses System mit einem anonymen Hinweisgeber besser kommunizieren. Es muss doch jedem klar sein, dass das besser ist, als wenn man nur einen Brief bekommt, mit dem man im weiteren Verlauf überhaupt nichts mehr anfangen kann. Insofern muss am System nichts geändert werden. Wichtig ist, dass man die Erkenntnisse, die man dadurch bezieht, vernünftig auswertet. Man kann immer eine bessere Auswertung erreichen, wenn man noch mehr Informationen bekommen kann. Das ist doch logisch.

(Zustimmung bei der CDU)

Meine Damen und Herren, bevor der Kollege Briese eine Zusatzfrage stellt, habe ich die große Freude, die Beschlussfähigkeit des Hauses feststellen zu können.

Herr Briese, bitte schön!

Die Kritik der Studie richtet sich ja nicht prinzipiell gegen das Phänomen von anonymen Anzeigen. Die Kritik richtet sich dagegen, dass es staatlich geförderte Systeme sind, die anonyme Anzeigen befördern.

Meine Frage geht aber in eine andere Richtung. Das ursprüngliche Ziel von BKMS war es ja, Insiderwissen aus Behörden und Unternehmen zu bekommen, weil angeblich die dort Sitzenden wichtige Informationen haben, wenn es um Korruptionstatbestände geht. Hat die Landesregierung Hinweise, dass dieses Wissen durch BKMS tatsächlich aus Behörden oder Unternehmen generiert werden konnte? Oder haben sich alle möglichen Leute und nicht diejenigen, die ursprünglich intendiert waren, bei dem System gemeldet?

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Briese. - Herr Minister!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe dargestellt, wie viele Hinweise eingegangen sind und wie viele davon zu echten Erkenntnissen geführt haben. Es ist sicherlich richtig, dass nicht nur Hinweise zum Bereich Korruption gekommen sind.

Wichtig ist uns, das Dunkelfeld gerade im Bereich der Korruption aufzuhellen. Wir haben - ich habe dargestellt, in wie vielen Fällen - durchaus qualifizierte Hinweise bekommen, mit denen wir dieses Dunkelfeld besser aufhellen konnten. Daran sollte uns allen gelegen sein.

Vielen Dank, Herr Minister. - Frau Kollegin Merk hat jetzt das Wort zu einer Zusatzfrage.