Vor diesem Hintergrund sind schwierige Entscheidungen zu treffen, die aber dem Ziel dienen - das nehmen wir für uns als Regierung in Anspruch -, dass man auch in fünf oder zehn Jahren den Bedürftigen in diesem Lande noch wirksam wird helfen können. Ich glaube, es geht jetzt um die Frage, ob wir die Handlungsspielräume für die Zukunft immer weiter einengen oder ob wir sie wieder erweitern. Wir zahlen im Moment jeden Tag 7 Millionen Euro Zinsen für Schulden, die wir von unseren Vorgängern übernommen haben. Das sind jede Woche rund 50 Millionen Euro. Wenn wir diese Zinsen nicht zu bezahlen hätten, könnten wir
hier über Leistungsausweitungen auch im Rahmen eines solchen Bundesleistungsgesetzes reden, und zwar auch unter Mitwirkung der Länder. Wir können darüber derzeit aber nicht reden, weil wir demnächst die Last von 50 Milliarden Euro Schulden allein des Landes Niedersachsen zu tragen haben. Ich glaube, niemand hier wird sich bei dieser Lage unseres Landes der Verantwortung entziehen können. Wer dies mutwillig tut, stellt seine eigene Position, wie ich jedenfalls finde, relativ fragwürdig dar.
Herr Ministerpräsident, Sie haben eben wieder das getan, was Sie auch gestern in der Debatte über Tariffragen getan haben. Sie sind auf den Haushalt ausgewichen, was ja Ihr gutes Recht ist.
Ich komme nun auf das zurück, was sich hier im Augenblick abspielt. Ihre beiden Fachminister - das gilt für Herrn Möllring gestern und die Sozialministerin heute - sind offensichtlich nicht in der Lage, die fachspezifischen Antworten zu geben, die erwartet werden. Sie springen nun ein und schweifen vom Thema ab. Das ist keine angemessene Auseinandersetzung mit dem Thema heute. Ich stelle das einfach einmal fest.
(Karl-Heinz Klare [CDU]: Sonst wollt ihr immer den Ministerpräsidenten hö- ren, heute wollt ihr ihn nicht hören! Langsam wird es peinlich!)
Uns ist vorgeworfen worden, dass wir nach den Berechnungsgrundlagen in der jetzigen Verhandlungssituation zwischen Landesregierung und Blindenverband gefragt haben. Ich frage die Landesregierung, ob es nicht vernünftiger gewesen wäre, vorher zu berechnen, welche Probleme Ihre Streichungen im Sozialbereich, insbesondere beim Blindengeld, im Zusammenhang mit den Haushaltsberatungen aufwerfen würden. Ich beziehe
mich hier auf den Bereich der Sozialhilfe und verweise auf die Verlagerung von Kosten aus dem Landeshaushalt in die kommunalen Haushalte sowie auf die Beschwerungen für die 10 000 Blinden in diesem Lande. Das wäre nicht nur eine mathematische Aufgabe gewesen, sondern auch eine politische Aufgabe.
Herr Abgeordneter, Sie haben eine Frage gestellt. Jetzt erklären Sie Ihre Frage schon wieder. Wollen Sie eine zweite Frage stellen?
Würden Sie dann bitte auch die Frage beantworten, ob es nicht sinnvoll gewesen wäre, Ihren Streichorgien gerade im sozialen Bereich eine Art politischer Folgenabschätzung voranzustellen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu den Vorbemerkungen ist zu sagen, dass während laufender Tarifverhandlungen selbstverständlich nicht alle Fragen beantwortet werden können, weil einige auch unter den Arbeitgebern der öffentlichen Hand zu besprechen und am Verhandlungstisch auszutragen sind. Ich glaube nicht, dass auf dem Wege über eine parlamentarische Auseinandersetzung Tarifverhandlungen geführt werden können.
Zu der Frage heute ist ausreichend deutlich gemacht worden, dass eine Regierung das Recht hat - dieses Recht reklamieren wir auch für uns, wie Sie es für sich reklamiert haben, als Sie Finanzminister waren -, sich in den einer Entscheidung vorgelagerten Räumen eine Meinung zu bilden und die Entscheidung danach gegenüber dem Parlament und der Öffentlichkeit zu verteidigen. Sie
müssen sich mit diesem System einfach einverstanden erklären. Sie können natürlich auch dagegen Sturm laufen; dann wäre es aber glaubwürdig gewesen, wenn Sie das schon zu Ihrer Regierungszeit getan und bei jeder Dringlichen Anfrage zu jedem Zeitpunkt eines Verfahrens ausführlich über die unterschiedlichen Positionen innerhalb Ihrer Regierung Auskunft gegeben hätten.
Nun zu der Frage zur Folgenabschätzung und zu den Berechnungen. Wir haben Berechnungen angestellt. Wir haben in den Landeshaushalt etwa 25 Millionen Euro für 11 000 erblindete Mitbürgerinnen und Mitbürger eingestellt. Wir stellen jetzt fest, dass erheblich weniger Mittel gebraucht werden, weil erheblich weniger Menschen als prognostiziert den Antrag auf Gewährung von Landesblindenhilfe bzw. Blindenhilfe stellen. Das kann man vorher nicht wissen. Wenn man über Jahrzehnte ein System entwickelt hat, bei dem 11 000 erblindete Menschen in Niedersachsen einkommensund vermögensunabhängig einen pauschalen Erschwernis- bzw. Nachteilsausgleich in nahezu gleicher Höhe bekommen haben - die Höhe dieses Ausgleichs ist in jedem Land unterschiedlich -, dann weiß man bei einem Systemwechsel nicht genau, wer unter welchen Passus fällt und wer von welchem Passus Gebrauch macht. Diese Erfahrungen werten wir jetzt aus. Wir bekommen die Zahlen von den Kommunen. Diese bewerten wir, und dann treffen wir eine Entscheidung.
Herr Aller, ich finde, mehr an Bemühen einer Regierung, Ihnen umfassend Auskunft zu geben, ist nicht denkbar, als einzuräumen, dass wir vorher nicht mehr wissen konnten, als wir jetzt wissen. Manchmal weiß man ex nunc, aus der Situation heraus mehr als ex tunc, zum damaligen Zeitpunkt. Das ist bei bestimmten Dingen einfach so. Wir konnten nicht vorher bei 11 000 Menschen im Einzelnen erheben, wer wohl welchen Antrag stellt und wer welche Voraussetzungen erfüllt. Das war nicht möglich. Das wäre auch nicht möglich gewesen. Wir haben uns umfassend Mühe gegeben. Jetzt wissen wir mehr. Jetzt können wir eine Bewertung vornehmen und eine Entscheidung treffen. Ich finde, damit müssten auch Sie leben können.
Sie haben diese Dringliche Anfrage gestellt und sind nun überrascht, dass wir Ihnen gegenüber im Grunde genommen so offen Auskunft darüber geben, dass wir dies genau beraten. Diese Verblüffung kann ich Ihnen nicht nehmen. Wir geben
uns aber alle Mühe, hier Ihre Fragen zu beantworten. Herr Jüttner, wenn Sie noch zwei Fragen haben, beantworten wir auch diese gerne.
b) Was bin ich - Deutscher oder Ausländer? - Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 15/2754
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach Baden-Württemberg hat auch die Hessische Landesregierung einen Einbürgerungstest vorgelegt. Darin wird in 100 Fragen nicht nur das Wissen von Einbürgerungswilligen über Deutschland abgefragt. Gefragt wird auch nach der Meinung zu gesellschaftlichen, sittlichen und religiösen Themen. Auf der nächsten Innenministerkonferenz werden die Innenminister über die Einführung bundesweiter Einbürgerungsstandards beraten. Bundeskanzlerin Merkel hat sich positiv zu den Tests geäußert.
Zum Einbürgerungsverfahren in Deutschland gehören bereits folgende Maßnahmen: Bei allen Einbürgerungswilligen werden die Deutschkenntnisse und die wirtschaftlichen Verhältnisse geprüft. Sie müssen ein Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung abgeben und eine so genannte Extremistenklausel unterschreiben. Es erfolgen Anfragen beim Bundeszentralregister, beim Landeskriminalamt und beim Verfassungsschutz. Das alles ist geltendes Recht.
Frage 1: In welcher Form hält angesichts der bundespolitischen Diskussion die Landesregierung einen Einbürgerungstest in Niedersachsen oder bundesweit für sinnvoll?
Frage 2: Welchen Beitrag zur Integration kann nach Meinung der Landesregierung ein solcher Test leisten?
Frage 3: Welche Ansicht vertritt die Landesregierung zur Zulässigkeit von Testfragen zu persönlichen Meinungen?
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wer sich mit der Einbürgerung befassen will, der muss sich auf Fakten stützen und über inhaltliche Voraussetzungen, die anzulegenden Qualitätsmaßstäbe und über das Verfahren diskutieren, das bei einer Einbürgerung eingehalten werden soll.
In Deutschland sind von 2000 bis 2004 knapp 800 000 Menschen eingebürgert worden. In Niedersachsen waren es in diesem Zeitraum bis 2005 etwa 76 000. Diese Zahlen zeigen, dass nach wie vor in großem Umfang eingebürgert wird. Da ist es schon erforderlich, sich verantwortungsbewusst mit Inhalt und Ausgestaltung des Verfahrens zu befassen.
Meine Damen und Herren, die deutsche Staatsbürgerschaft gibt einerseits zusätzliche Rechte wie das Wahlrecht, den konsularischen Schutz im Ausland, das Verbot der Auslieferung oder der Abschiebung. Dem stehen andererseits Pflichten, etwa die Wehrpflicht oder die Zivildienstpflicht und die Pflicht zu Übernahme einer Tätigkeit als Wahlhelfer, gegenüber.
Ob sich ein Einzubürgernder auch tatsächlich wirtschaftlich und sozial integriert hat, wird im Einbürgerungsverfahren anhand der gesetzlichen Kriterien geprüft und prognostiziert. Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, das strafrechtlich einwandfreie Verhalten, die erforderlichen Deutschkenntnisse und das Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes sind im Grundsatz unumstritten. Das gilt auch für die erst von dieser Landesregierung eingeführte Regelabfrage beim Verfassungsschutz und bei den Polizeibehörden.
Die Bedeutung des Einbürgerungsaktes sollte durch einen Eid unterstrichen werden. Niedersachsen hat 2005 im Bundesrat einen Gesetzentwurf mit dem Ziel vorgelegt, dem Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch Einbürgerung ein Bekenntnis zu unserem Staat voranzustellen, und zwar durch einen Eid auf die Verfassung und die darin manifestierte Werteordnung des Grundgesetzes. Daran halte ich nach wie vor fest. Die Einbürgerung sollte also Folge - man könnte auch sagen: krönender Abschluss - einer gelungenen Integration eines ausländischen Mitbürgers sein.
Meine Damen und Herren, die aktuelle Diskussion entzündet sich vor allem an einzelnen Aspekten der Kenntnisse von Fakten, die unser Land betreffen, und der Werte unserer freiheitlichdemokratischen Grundordnung. Hierauf möchte ich deshalb jetzt im Detail eingehen.
Wer deutscher Staatsbürger werden will, der muss die wesentlichen Grundlagen und Inhalte unseres Staates, unseres Landes und unserer Werteordnung kennen. Deshalb geht es mir in erster Linie um Wissensvermittlung. Aus diesem Grund muss das Angebot an Staatsbürgerkursen über die Erwachsenenbildungseinrichtungen erheblich ausgeweitet werden. Mein Haus hat bereits erste entsprechende Gespräche für Niedersachsen geführt.
Selbstverständlich muss überprüft werden, ob das Erlernte auch verstanden worden ist. Das ist eigentlich bei jedem Erwachsenenbildungskurs genauso. Deshalb spreche auch ich mich für einen Wissenstest vor der Einbürgerung aus. Die Innenminister sollten aber nicht über einzelne Testfragen diskutieren, sondern vielmehr festlegen, welche Inhalte vermittelt werden müssen. Dies ist bundeseinheitlich zu regeln.
Wie das erlernte Wissen dann abgefragt wird, kann aus meiner Sicht in jedem Bundesland durchaus unterschiedlich gehandhabt werden. Ich darf in diesem Zusammenhang an die Kultusministerkonferenz erinnern. Auch dort werden Ziele vorgegeben, was vermittelt werden muss. Aber der Kultusminister selber gibt ja nicht die Aufgaben vor. Wir als Innenminister sollten uns dabei auch zurückhalten.
Meine Damen und Herren, neben dem Wissen um unser Land sind aber vor allem ausreichende Deutschkenntnisse für eine Einbürgerung wichtig.