Protocol of the Session on March 22, 2006

Zu Tagesordnungspunkt 1 b liegen keine Wortmeldungen mehr vor.

Ich rufe nun auf

c) Agro-Gentechnik-Kampagne der Landesregierung stoppen! Für ein gentechnikfreies Niedersachsen - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 15/2751

Das Wort hat der Abgeordnete Klein.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir wissen alle: Geisterfahrer sind gefährlich. Das gilt natürlich nicht minder für politische Geisterfahrer. Es kann im Moment keinen Zweifel geben, dass die Landesregierung in Sachen Agro-Gentechnik in der falschen Fahrtrichtung unterwegs ist. Wir wollen diese Aktuelle Stunde nutzen, um sie auf die übergroße Mehrheit der Menschen hinweisen, die ihr im Augenblick entgegenkommt, die diese Landesregierung mit ihrem Harakirikurs gefährdet und deren Interessen sie schädigt.

Ich finde, es ist schon eine etwas totalitäre Attitüde, dass die Landesregierung diese kritische Mehrheit jetzt massiv umerziehen und zwangsbeglücken möchte - und das mit einer nicht rückholbaren Risikotechnologie, die kein Mensch braucht und die keinen gesellschaftlichen Nutzen hat. Es ist doch ein Wahnsinn, 600 000 Euro für eventuell pilzresistenten gentechnischen Pflanzenschrott auszugeben, zumal wir das Ziel auch gut mit der ganz normalen konventionellen Züchtung erreichen können. Wir wissen z. B., dass die Firma Euralis selbst Herbizidtoleranz über die ganz normale konventionelle Züchtung ohne Gentechnik erreichen kann. Wie die herbizid- und insektenresistenten Pflanzen werden auch die pilzresistenten Pflanzen weder der Landwirtschaft noch der Natur und schon gar nicht den Verbrauchern irgendeinen dauerhaften Nutzen bringen.

Meine Damen und Herren, Blinden das Geld wegzunehmen und es naturwissenschaftlichen Glücksspielern und Spekulanten in den Rachen zu werfen, das ist wahrhaft konservative Ideologie.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Landesregierung wischt gesundheitliche Bedenken gegen Gentechnik im Essen immer wieder mit dem Hinweis auf Zulassungsprüfungen vom Tisch. Diese Zulassungsverfahren zeichnen sich durch fehlende Langzeitstudien und durch totale Intransparenz aus. Grundlage sind die eigenen Untersuchungen der Antragsteller, die dann auch noch weitgehend geheim gehalten werden. Wer

öffentliche Informationen möchte, muss sie heute gerichtlich einklagen. Und dazu soll ein Mensch Vertrauen haben?

Niemand kann heute behaupten, dass Genfood keine gesundheitlichen Schäden verursacht. Ich erinnere an die Einstellung der Entwicklung gentechnisch veränderter Erbsen in Australien, die nach zehn Jahren abgebrochen wurde, weil Lungenentzündung bei Mäusen hervorgerufen wurde. Ich erinnere an die französischen Studien, die Veränderungen in der Milch nachgewiesen haben, sowie an die Studien, die Veränderungen in Organen und im Blutbild nachgewiesen haben. Ich erinnere weiterhin an die ganz neuen Studien und Ergebnisse der Uni Piacenza. Im Rahmen dieser Studien wurde festgestellt, dass die gentechnisch veränderte Futterpflanzen-DNA in den Organen der entsprechend gefütterten Schweine wieder auftaucht.

Wir wollen Vorsorge und Schutz vor überflüssigen Risiken. Diese Landesregierung will 8 Millionen Niedersachsen zu Versuchskaninchen machen. Nicht mit uns, meine Damen und Herren!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Kommen wir nun zum Thema Ökologie. Obwohl das Märchen vom geringeren Spritzmittelverbrauch seit Jahren widerlegt ist, werden Sie nicht müde, immer wieder damit zu argumentieren. Meine Damen und Herren, ist das nun Altersstarrsinn, oder ist das auch Ideologie? Denken Sie an den BTMais MON 810, den Herr Seehofer - das war eine seiner ersten Amtshandlungen - gleich zugelassen hat. Es gibt eine ganze Latte von Studien, die Anhaltspunkte für eine Schädigung der Biodiversität belegen. Negative Auswirkungen auf Schmetterlinge, Larven und Raupen sowie auf andere Insekten und das Bodenleben sind Ihnen aber natürlich egal. Uns ist die Artenvielfalt jedenfalls zu wertvoll, als dass sie für nutzlose Experimente aufs Spiel gesetzt werden sollte.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Eine besondere Rolle spielt die CDU auch beim Thema Terminatorsaatgut. In dieser Woche findet in Brasilien die Vertragsstaatenkonferenz statt, bei der das geltende Moratorium aufgeweicht werden soll. Damit würde die Axt an das bäuerliche Recht auf Selbstversorgung mit Saatgut gelegt. Das gefährdet natürlich insbesondere in den Entwicklungsländern die Nahrungsmittelversorgung, die Ihnen doch angeblich so am Herzen liegt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Initiative der SPD-Bundestagsfraktion, dagegen einen Bundestagsbeschluss herbeizuführen, finde ich sehr lobenswert. Ich kann es einfach nicht glauben, dass von einer CDU-Genindustrielobby genau das verhindert wurde. Ich gehe vielleicht nicht so häufig in die Kirche wie einige andere hier in diesem Saal. Ich finde aber, eine solche Konstruktion von Selbstmordsaatgut ist mit der Würde der Schöpfung und der Würde der Natur nun wirklich nicht vereinbar.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN)

Für die CDU-Fraktion hat nun der Abgeordnete Biestmann das Wort.

Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Die Bundesregierung hat vor kurzem das Dritte Gesetz zur Änderung des Gentechnikgesetzes verabschiedet und damit endlich die EUFreisetzungsrichtlinie umgesetzt. Herr Klein, um auf Ihre Worte einzugehen: Wir sind froh, dass die rot-grüne Geisterfahrt auch in dieser Frage ein Ende hat.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das Gentechnikgesetz bedarf einer vierten grundlegenden Novellierung, die zeitnah vorgenommen werden muss. Bei dieser Novellierung müssen folgende Bereiche neu geregelt werden. Es müssen verlässliche Regelungen für die Koexistenz der unterschiedlichen Bewirtschaftungsformen in der gesamten Produktionskette getroffen werden. Die Voraussetzungen für die Wahlfreiheit auf der Seite der Landwirte und Verbraucher müssen beispielsweise durch eindeutige Kennzeichnungsvorschriften geschaffen werden.

(Zustimmung bei der CDU)

Im Rahmen der vierten Novellierung des Gentechnikgesetzes soll insbesondere die Frage der Haftungsregelung geklärt werden. Die beteiligten Wirtschaftszweige sollen sich für Schäden, die trotz Einhaltung aller Vorsorgepflichten und der Grundsätze guter fachlicher Praxis eintreten, auf einen Ausgleichsfonds verständigen. Langfristig soll eine Versicherungslösung angestrebt werden. Die derzeitige Regelung, die eine verschuldensunabhän

gige und gesamtschuldnerische Haftungsregelung vorsieht, ist für die Landwirte und für die Wirtschaft unzumutbar.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Und für die Verbraucher!)

Hierin liegen vor allen Dingen die Gründe für die bisherige Ablehnung der grünen Gentechnik durch die Landwirtschaft und ihre Verbände. Die gute fachliche Praxis muss klare Regelungen vorgeben, die den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen ermöglichen und auch Antworten auf Fragen beim Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen geben. Sie muss für alle Landwirte verbindlich sein. Vor allem aber müssen Forschung zur und Anwendung der Gentechnik in Deutschland gefördert werden. Zum einen ergeben sich mit der Etablierung der Forschung Chancen für den Standort Deutschland, vor allem aber auch für Niedersachsen mit den weltweit anerkannten Unternehmen und Institutionen, die es in den Bereichen der Biotechnik und der Bioforschung gibt, meine Damen und Herren. Zum anderen sichern wir dadurch einen den Verbraucher schützenden, sicheren und verantwortungsvollen Umgang mit der Gentechnik.

Meine Damen und Herren, diese umfassende Novellierung mit den von mir genannten erforderlichen Neuregelungen ist im Koalitionsvertrag der Union und der SPD verankert. Für die Bundesregierung ist die Biotechnologie eine wichtige Zukunftsbranche für Forschung und Wirtschaft. Dabei wird das oberste Ziel des deutschen Gentechnikrechts der Schutz von Mensch und Umwelt bleiben.

Das Erbe der rot-grünen Bundesregierung sind überzogene Haftungsregelungen und nicht gelöste Koexistenzfragen, die die Landwirte untereinander in Konfliktsituationen gebracht haben. Damit ist vor allem die Lage für die Landwirte unklar geworden, sodass ein Keil zwischen die Landwirte getrieben worden ist, der möglicherweise auch zwischen sie getrieben werden sollte.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Das ist doch Quatsch! Jeder muss für das haften, was er tut! Beim Autofahren ist das auch so!)

Die Willkür dieser ideologisierten Politik, die alle positiven Ansätze im Kern erstickt, wird am Fall des Gentechnikgesetzes besonders deutlich. Welche Ideologie im Spiel ist, hat Herr Klein mit den

Beispielen Kirche und Axt und vielen anderen Beispielen dargestellt. Ich meine aber, wir müssen wieder zu einem sachlich gerechtfertigten Dialog zurückkommen. Von einer 1 : 1-Umsetzung - das fordern wir ja in vielen anderen Bereichen auch dieser Richtlinie kann schon gar keine Rede sein.

Meine Damen und Herren, der Anbau gentechnisch veränderter Organismen sollte nicht pauschal abgelehnt werden. Es gilt, den Nutzen und das Risiko im Einzelfall zu bewerten, die Belange der Umwelt zu beachten und ethische Bedenken zu berücksichtigen.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Sie haben aber nicht das Recht, mit jedem Expe- rimente zu machen, Herr Biestmann! Das steht Ihnen nicht zu!)

- Herr Wenzel, hören Sie bitte zu. - Ich möchte an dieser Stelle auch einmal die Potenziale der grünen Gentechnik aufzeigen: Verbesserung der Nahrungsmittel, Anreicherung lebensnotwendiger Stoffe, geringere Kosten bei der Nahrungsmittelproduktion, Minderung von Umweltbelastungen durch den Anbau krankheits- und schädlingsresistenter Sorten, effiziente energetische Nutzung nachwachsender Rohstoffe, was ein ganz wichtiger Punkt ist. Gerade im Hinblick auf eine stetig wachsende Weltbevölkerung um jährlich 80 Millionen Menschen und auf den damit verbundenen steigenden Bedarf an Lebensmitteln darf sich niemand diesen Potenzialen verschließen.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Das ist ein Märchen, Herr Biestmann! Wem dient denn die Terminatortechnologie? Sie dient doch nicht den Menschen, son- dern den Konzernen!)

Die Option grüne Gentechnik, Herr Wenzel, ist deshalb aus unserer Sicht unverzichtbar.

(Glocke des Präsidenten)

- Ich komme zum Schluss. - Die grüne Gentechnik wird nur akzeptiert werden, wenn der Nutzen für die Verbraucher erkennbar und nachvollziehbar ist und die Entwicklung transparent bleibt.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Sie wollen das doch wieder verschleiern! Warum machen Sie denn nicht auf Transpa- renz? Warum wollen Sie denn keine Kennzeichnung für alles?)

Es ist unsere Aufgabe, die grüne Gentechnik zu der Zukunftstechnologie zu machen, die sie wirklich ist. Deshalb müssen wir zu einer offenen und sachlichen Diskussion über Chancen und Risiken der grünen Gentechnik gelangen - jenseits ideologischer Vorstellungen.

Herr Kollege, Sie müssen zum Ende kommen. Sie haben Ihre Redezeit bereits überschritten.

Das ist der letzte Satz, Herr Präsident. - Verherrlichungen und Verteufelungen sind deshalb kontraproduktiv. - Danke schön.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Für die FDP-Fraktion hat der Abgeordnete Oetjen das Wort.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Noch einer gegen Transparenz!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wieder einmal bringt die ehemalige Ökopartei das Thema grüne Gentechnik auf die Tagesordnung des Niedersächsischen Landtags. Wieder einmal bekunden die Grünen ihre ablehnende Haltung gegenüber einer Zukunftstechnologie, die schon heute in diesem Land, Herr Kollege Klein, tausende von Menschen beschäftigt - denken Sie nur an die KWS und andere Unternehmen - und die meiner Ansicht nach eine der Schlüsseltechnologien dieses Jahrhunderts sein wird.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Aber, meine Damen und Herren, ich wundere mich nicht darüber. Die Grünen sind eine Partei, die von den Ängsten der Menschen lebt.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)