die zweite Anschlagsserie aufgeklärt werden konnte. Alle vier Täter konnten über ganz Europa hinweg ermittelt werden, weil sie an den öffentlichen U-Bahn-Stationen auf Video aufgenommen wurden, sodass anschließend Fahndungen stattfinden konnten.
Herr Ministerpräsident, Sie haben eben gesagt, wir Sozialdemokraten hätten Misstrauen gegenüber der Bundeswehr. Dazu habe ich Ihnen zugerufen, dass dies nicht zutrifft. Ich weise Sie darauf hin, dass Sie offensichtlich in der Debatte, die wir vorher geführt haben, nicht anwesend waren. Dort ist dies nämlich nicht zum Ausdruck gekommen.
Vielmehr ist zum Ausdruck gekommen, dass der Innenminister offensichtlich gegenüber seiner Polizei Misstrauen hat und deshalb die Bundeswehr benötigt. Dies wollte ich klarstellen.
Dann kann ich zu beiden Fragebestandteilen zum Konsens beitragen, indem ich feststelle, dass auch Sie der Bundeswehr vertrauen, und indem ich Sie bitte, zur Kenntnis zu nehmen, dass Herr Schünemann nicht etwa der Polizei misstraut, sondern dass er die Polizei in bestimmten Situationen für zahlenmäßig zu schwach ausgestattet hält, als dass man die Polizei diese Aufgaben alleine erledigen lassen kann. In einem solchen Fall sollte man verfügbare Bundeswehrkräfte in ihren Kasernen nicht einfach Däumchen drehen lassen, son
Das ist die Aussage. Das heißt, in Extremsituationen der Polizei Hilfestellung geben zu können, den Staat schützen zu können und die Bundeswehrsoldaten nicht zur Untätigkeit verurteilen zu müssen. Auch für Bundeswehrsoldaten ist es problematisch, wenn sie nur ihre eigenen Einrichtungen und Objekte schützen dürfen, aber nicht sonstige staatliche Einrichtungen - immer unter dem Gesichtspunkt der Extremszenarien. - Frau Merk, wenn Sie das nächste mal wieder wenig Interesse an einer Antwort haben - Sie reden gerade mit Ihrem Nachbarn -, würde ich vorschlagen, dass Sie erst gar nicht die Frage stellen.
Ich kann nur sagen: Die Sozialdemokratie in Deutschland, die sich ja mit uns in Berlin in einer großen Koalition befindet, muss sich entscheiden, ob sie das heutige rechtliche Instrumentarium für zureichend hält, oder ob sie bereit ist, über solche Fragen zu diskutieren unter der Maßgabe neuer Szenarien, die bis vor wenigen Jahren als unvorstellbar galten. Ein solches weltweites Terrornetzwerk, das nicht als Feind an der Grenze steht, sondern in den Ländern selbst die Anschläge verübt, war bis vor wenigen Jahren undenkbar. Das ist eine neue Kategorie. Auf die wollen wir uns einrichten. Darüber brauchen wir sachliche und keine emotionalisierten Debatten. - Vielen Dank.
Die Fraktionen haben um zusätzliche Redezeit gebeten. Ich erteile den kleinen Fraktionen jeweils zwei Minuten und den großen jeweils drei Minuten.
Herrn Professor Lennartz von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erteile ich das Wort, anschließend Herrn Bartling.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Wulff, Sie haben sich jetzt zu den Aussagen im Interview erklärt. Ich finde das bemerkenswert. Sie
haben erklärt, warum nach Ihrer Auffassung der Feind bereits unter uns ist. Sie haben als Beleg für diese Behauptung das unselige kriminelle Wirken von Atta und anderen herangezogen, die in Deutschland gelebt haben, zum Teil in HamburgHarburg studiert und dann diese Anschläge in New York verübt haben. Was ist denn zwischen dem 11. September 2001 und heute passiert? Ist in dieser Zeit eigentlich gar nichts passiert? Hat es nicht ein Sicherheitspaket I und ein Sicherheitspaket II, d. h. ein Bündel von Sicherheitsgesetzen, im Deutschen Bundestag gegeben, mit denen die Konsequenzen aus diesen Anschlägen und aus der Tatsache, dass diese Terroristen in Deutschland nicht entdeckt worden waren, gezogen wurden? Das müssen Sie doch bitte einmal zur Kenntnis nehmen
und nicht so tun, als wäre innerhalb von etwas mehr als vier Jahren im Hinblick auf die Konsequenzen aus diesen Erfahrungen nichts passiert.
Deswegen ist Ihre Aussage nur dann begründbar, wenn Sie mehr wissen als wir, wenn Sie nämlich konkrete Anhaltspunkte dafür haben, dass es erneut vergleichbare kriminelle potenzielle Attentäter in Deutschland gibt. Das ist auch die Schiene, auf der beispielsweise Herr Schünemann seit 2003 diese verdachtsunabhängigen polizeilichen Kontrollen vor Moscheen durchführen lässt. Ich kenne nicht die genaue Zahl, aber vor wenigen Monaten waren es mehr als 16 000, meine ich mich zu erinnern. Das heißt, das ist genau die gleiche Linie. Es hat keinerlei Erkenntnisse gegeben, abgesehen von Kleinkriminalität und irgendwelchen Passvergehen - jedenfalls haben Sie nie darüber berichtet, in keinem Ausschuss, auch nicht in nicht öffentlich tagenden Ausschüssen.
Deswegen sage ich: Sie bauen hier einen Popanz auf. Sie knüpfen an 2001 an und argumentieren, dass deswegen die Bundeswehr auch im Inneren herangezogen werden muss.
Meine letzte Bemerkung, Herr Ministerpräsident: Sie haben vor etwa 14 Tagen in einer Rede gesagt - ich fasse diese Botschaft kurz zusammen -: Integration ist für uns die wichtigste Aufgabe. - Ich empfinde das als einen gewissen Widerspruch, wenn Sie hier 14 Tage später sagen: Der Feind steht bereits unter uns. - Sie transportieren damit nämlich eine Konnotation, die da sagt: Leute, die
wie Atta und Konsorten orientiert sind, sind die potenziellen Terroristen oder die Terroristen von morgen. - Sie müssen sich überlegen, was Sie sich an undifferenzierter Pauschalierung in Richtung der muslimischen Bevölkerung in Deutschland leisten können und was Sie sich nicht leisten können.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Ministerpräsident hat sich hier wieder betätigt, wie wir das kennen, nämlich als Nebelwerfer.
Er versucht hier, Zusammenhänge herzustellen, die in keiner Weise gerechtfertigt sind. Herr Wulff, wenn Sie der SPD-Fraktion vorwerfen, sie habe ein Misstrauen gegenüber der Bundeswehr, dann ist das eine schlichte Unverschämtheit,
weil das weder dem entspricht, was wir gesagt haben, noch dem entspricht, was wir über die Aufgabenstellung zum Ausdruck gebracht haben. Sie sind sich anscheinend gar nicht darüber im Klaren - obwohl Sie das eigentlich sein müssten -, welche Aufgaben unsere Bundeswehr zurzeit erfüllt. Sie ist in Afghanistan, sie ist auf dem Balkan, sie ist am Horn von Afrika. Dann sind Sie der Meinung, sie müssten ihr auch noch Aufgaben im Inneren übertragen. Eine solche Veranstaltung ist doch abenteuerlich!
Sie bringen das auch noch mit dem Einsatz von Videokameras in Deutschland in Verbindung und leiten daraus ab, man müsse die Bundeswehr hier einsetzen. Einen solchen Unfug kann man nur erzählen, wenn man nicht bereit ist, sich mit ernsthaften Argumenten auseinander zu setzen.
Diese Claqueurtruppe, die da sitzt, ist überhaupt nicht bereit, ein ernsthaftes Gespräch zur Kenntnis zu nehmen.
- Regen Sie sich nur auf! Im Moment habe ich das Mikrofon, aber nicht mehr lange. Dann dürfen Sie hier hin.
Ich will Ihnen noch eines sagen: Die Bundeswehr müsse Objektschutz machen können, sagen Sie. Dann müssen Sie sich einmal von Fachleuten, die Sie bei sich haben, erklären lassen, wofür die Bundeswehr Objektschutz machen darf. Sie darf das nämlich in bestimmten Situationen, wo militärische Sicherheitsbereiche abgegrenzt sind.
Um es noch einmal zu sagen, meine Damen und Herren: Objektschutz, wie ihn sich Herr Schünemann vorstellt, wenn er überhaupt - -
(Hans-Christian Biallas [CDU]: Das ist doch irre! Was Sie erzählen, ist blan- ker Irrsinn! - Weitere Zurufe von der CDU - Anhaltende Unruhe - Glocke der Präsidentin)
Wenn Herr Schünemann erklären wollte, was er mit „Objektschutz“ meint, dann komme ich wieder zu dem Beispiel mit dem türkischen Generalkonsulat. Dort ist eben kein militärischer Sicherheitsbereich. Dafür sind die Soldaten nicht ausgebildet. Das können sie nicht. Das ist der Unterschied. Das