Protocol of the Session on February 23, 2006

Das sagte der schleswig-holsteinische Innenminister.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Innenministerkollegen machen einen ja nicht immer nachdenklich. Manchmal hat mich Günther Beckstein nachdenklich gemacht. Nachdem er zeitweise überlegt hat, dass er vielleicht bayerischer Ministerpräsident werden könnte, hatte ich den Eindruck, dass Sie meinten, in diese Lücke stoßen und sagen zu müssen, wer hier eigentlich der Härteste ist. Er ist jetzt zurückgekehrt, Herr Schünemann; diese Rolle können Sie jetzt wieder vergessen.

(Beifall bei der SPD)

Frau Präsidentin, ich bitte um Nachsicht. Ich habe vergessen, noch eines zu sagen: Ich möchte für die SPD-Fraktion die sofortige Abstimmung über unseren sehr klaren Antrag beantragen.

(Beifall bei der SPD - Zuruf von der CDU: Zieht ihn lieber zurück!)

Abgesehen von dem Antrag auf sofortige Abstimmung, den ich zur Kenntnis genommen habe, haben wir jetzt geschäftsordnungsmäßig folgende Gemengelage: Der Herr Kollege Professor Lennartz hat sich zu einer Kurzintervention gemeldet. Außerdem hat sich Herr Minister Schünemann gemeldet. Nach unserer Geschäftsordnung müsste zunächst Herr Minister Schünemann das Wort bekommen. Ich frage Sie, Herr Minister, ob Sie zunächst Herrn Professor Lennartz die Möglichkeit zur Kurzintervention geben wollen. - Das finde ich sehr schön, Herr Minister. Vielen Dank. Herr Kollege Lennartz, Sie haben jetzt zu einer Kurzintervention das Wort für anderthalb Minuten.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte an dem Zitat von Herrn Stegner aus Schleswig-Holstein anknüpfen, das Herr Bartling gerade angeführt hat. Die Liste der wirren Projekte von Herrn Schünemann hat inzwischen beachtliche Länge erreicht. Ich erinnere nur an die elektronischen Fußfesseln, über die wir hier schon beim letzten Plenum gesprochen haben. Das war ein Punkt. Jetzt geht es um den Einsatz der Bundeswehr im Inneren. Auch Lüchow-Dannenberg könnte man in diesem Kontext noch einmal erwähnen. Oder die Hilfspolizeipläne von Herrn Schünemann.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Alle diese Projekte wurden mit großem Tamtam gestartet. Letztendlich ist aus ihnen aber nichts geworden. Das war in aller Regel auch gut so.

Ich bin aber noch einmal an das Redepult getreten, um an dem anzuknüpfen, was ich eben schon gesagt habe. Ich finde es gut, dass Herr Wulff jetzt wieder im Raum ist. Herr Wulff, meiner Meinung nach müssten Sie sich angesichts des Interviews, das heute in der Mainzer Allgemeinen Zeitung abgedruckt worden ist, hier erklären. Sie haben dort nämlich sinngemäß gesagt, Sie hielten eine klarstellende - -

(Bernd Althusmann [CDU]: Muss er nicht!)

- Natürlich muss er das nicht.

(Bernd Althusmann [CDU]: Also was jetzt?)

Ich meine, er sollte sich erklären. Sie halten eine klarstellende Grundgesetzänderung für notwendig, und Sie sehen den Feind zum Teil schon unter uns. - Meiner Meinung nach sind das außerordentlich bemerkenswerte Fakten. Deshalb wäre es gut, wenn Sie hier noch einmal erläutern würden, was Sie darunter verstehen. - Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Jetzt erteile ich Herrn Minister Schünemann das Wort. Bitte schön, Herr Minister!

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Unkenntnis schützt vor flotten Sprüchen nicht. Das kann man über Herrn Stegner auf jeden Fall sagen. Er hat dies im Zusammenhang mit Vorschlägen gesagt, die übrigens der Kollege Schily unterbreitet hat und denen ich mich nur angeschlossen habe. Das will ich durchaus zugeben. Insofern ist es ganz interessant, wenn man neu in solch eine Runde kommt. Man weiß nicht alles das, was vorher schon passiert ist.

Meine Damen und Herren, es ist sehr erstaunlich, dass man hier in einem Bereich einen Popanz aufbaut, der eigentlich Anlass zu Ernsthaftigkeit gibt. Denn es geht darum, eine Fußballweltmeisterschaft zu sichern. Sie haben das mit der EXPO in Zusammenhang gebracht. Keine Frage: Da hat die Polizei Herausragendes geleistet. Es war aber begrenzt auf das Land Niedersachsen und auf die Landeshauptstadt Hannover. Bei der Fußballweltmeisterschaft wird es an zwölf Austragungsorten in sieben, acht oder zehn Bundesländern Veranstaltungen geben. Deshalb können wir in eine Situation kommen, in der die Polizeikräfte der Länder nicht ausreichen.

Gerade der Niedersächsischen Landesregierung kann man nicht vorwerfen, dass wir die Polizei in unserem Land insgesamt geschwächt hätten. Ich erinnere daran, wer in unserem Land Stellen bei der Polizei abgebaut hat. Das war nicht diese, sondern jene Seite dieses Hauses.

(Beifall bei der CDU)

Wir stärken die Polizei insgesamt in diesem Bereich. Das ist absolut notwendig.

Meine Damen und Herren, es ist völlig richtig, dass wir auch durch den Einsatz der Bundeswehr im Bereich des Objektschutzes in Extremsituationen - bei terroristischer Bedrohung - keine Garantie dafür hätten, dass wir dadurch Anschläge verhindern. Dafür ist ein ganzes Bündel von Maßnahmen notwendig, für das ich seit vielen Wochen und Monaten geworben habe. Ich erinnere nur daran, dass es hilfreich gewesen wäre, wenn Bundesinnenminister Otto Schily beispielsweise dazu beigetragen hätte, dass schon jetzt eine Anti-TerrorDatei aufgebaut worden wäre. In diesem Falle kämen wir frühzeitig an Informationen heran und würde die Sicherheit dadurch erheblich verbessert. Dies ist ein Versäumnis der von SPD und Grünen getragenen Bundesregierung gewesen.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, die Bundeswehr soll nur in einer Extremsituation und ausschließlich für den Objektschutz eingesetzt werden. Dabei geht es nicht um den Einsatz von Wehrpflichtigen. Ich wehre mich gegen die Behauptung, die Bundeswehr sei auf den Objektschutz nicht vorbereitet. Es wäre fahrlässig, wenn sie es nicht wäre. Im Grundgesetz steht nämlich, dass die Bundeswehr im Spannungsfall, im Verteidigungsfall Objektschutz vornehmen muss und dann übrigens auch zur Unterstützung der Polizei zur Verfügung gestellt werden muss.

(Widerspruch bei der SPD)

- Natürlich steht das im Grundgesetz. Ich kann Ihnen das vorlesen.

(Dieter Möhrmann [SPD]: Das ist doch ein ganz anderer Zusammenhang, Herr Schünemann!)

- Aber die Bundeswehr muss darauf vorbereitet sein. Sie müssen sich einmal anschauen, was die Bundeswehr im Ausland macht. Ich habe es mir im Kosovo angeschaut. Dort tut sie genau das, was in einem Extremfall auch bei uns notwendig wäre: Sie leistet Objektschutz.

(Zurufe von der SPD: Das ist doch nicht zu fassen! - Der Feind ist unter uns! - Glocke der Präsidentin)

Herr Professor Lennartz, ich möchte auch noch auf Ihren Beitrag eingehen, weil er eine ganz interes

sante Auslegung unserer Verfassung enthielt. Sie haben vorhin dargestellt, dass dann, wenn tatsächlich ein Terrorist unter uns wäre, der Spannungsfall bereits eingetreten wäre, sodass man die Bundeswehr heute schon einsetzen könnte. Meine Damen und Herren, eine solche Auslegung - diese Diskussion wird ja im Moment geführt - ist überhaupt nicht zielführend. Für einen solchen Fall brauchen wir eine ganz klare grundgesetzliche Regelung, die uns Rechtssicherheit gibt. Deshalb sollten Sie sich meiner Meinung nach hier nicht verweigern, sondern lassen Sie uns in Ruhe über dieses Thema sprechen.

Sie haben Recht, eine Grundgesetzänderung ist bis zur Fußballweltmeisterschaft realistischerweise nicht mehr möglich. Wir haben aber rechtzeitig darauf hingewiesen. Eine Bedrohungslage kann auch in der Zukunft noch auftreten. Daher ist dieses Thema nicht vom Tisch. Lassen Sie uns aber die ideologischen Dinge vom Tisch nehmen und in Ruhe darüber reden, damit wir die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land noch besser schützen können.

(Beifall bei der CDU)

Als Nächstem erteile ich Herrn Ministerpräsident Wulff das Wort. Bitte schön, Herr Ministerpräsident!

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Lennartz hat darum gebeten, dass ich noch einmal auf das eingehen möge, was für jedermann nachlesbar ist, weil es heute auch in der Presseschau der Landesregierung abgedruckt ist. Auf die Frage der Mainzer Allgemeinen Zeitung, ob die Diskussion um den Einsatz der Bundeswehr im Innern zu Ende sei, habe ich geantwortet:

„Es gibt Szenarien, bei denen die Bundeswehr gebraucht wird, z. B. beim Objektschutz. Ich hielte eine klarstellende Grundgesetzänderung für richtig, weil der Feind heute nicht an den Grenzen steht, sondern zum Teil unter uns ist.“

Zu der ersten Bemerkung hinsichtlich einer notwendigen Grundgesetzänderung möchte ich sagen, dass sich diese Frage spätestens nach Ihrer

Pleite vor dem Bundesverfassungsgericht im Falle des von Ihnen beschlossenen Luftsicherungsgesetzes stellt. Sie, die Grünen und die SPD, haben im Deutschen Bundestag ein Luftsicherungsgesetz beschlossen, das vor wenigen Tagen in Karlsruhe komplett gescheitert ist. Wir reden hier viel über Gerichte und verfassungsrechtliche Grenzen; manche blenden dabei völlig aus, dass sie selbst gerade eine Niederlage vor Gericht erlitten haben. Aus dieser Niederlage heraus stellt sich die Frage, ob man dieses Thema damit für erledigt erklärt oder einen offenkundigen Handlungsbedarf auch im Hinblick auf die Formulierungen unserer Verfassung erkennt.

Eine weitere Bemerkung: Die Aufregung über dieses Thema verstehe ich schon deshalb nicht, weil wir im Bundesrat und im Bundestag für eine solche Änderung Zweidrittelmehrheiten brauchen. Das heißt, entweder kommt es in dieser Frage zu einem Konsens oder es kommt nicht zu einem Konsens. Warum müsste es nach unserer Überzeugung zum Konsens kommen und warum stimmt die von mir aufgestellte Behauptung? - Die Täter des 11. September 2001 sind zum Teil in Niedersachsen geboren und groß geworden; sie sind hier sozialisiert worden und zur Schule gegangen. Später haben sie Flugzeuge in die Tower von New York gelenkt, was zu tausenden von Toten führte. Mehrere von ihnen haben in Harburg studiert. Sie haben in der Zeit, als sie unter uns gelebt haben, diese Anschläge geplant und ausgeführt. Sie haben die amerikanische Welt bedroht, und wir waren zum Teil der Überzeugung, Herr Plaue, dass es sich gegen Amerika und nicht gegen die wehrhafte freiheitliche Demokratie richte. Aber spätestens mit den Anschlägen in Madrid und London kann man diese These weiß Gott nicht mehr aufrechterhalten. Diese Anschläge richten sich gegen alle freiheitlichen Demokratien dieser Welt.

(Beifall bei der CDU)

In Djerba, Tunesien, und anderswo sind inzwischen viele Deutsche und Menschen anderer Nationalität Opfer des weltweit vernetzten Terrorismus geworden. Gegen dieses weltweite Terrornetzwerk muss sich die freiheitliche Welt rüsten. Dazu gehört es selbstverständlich, den Kontakt zwischen den Religionen zu vertiefen, den Dialog der Kulturen zu fördern, Meinungen und Ideen auszutauschen und für die freiheitliche Welt zu werben. Aber dazu gehört eben auch, gegen diejenigen, denen Menschenleben völlig egal sind, die Mittel einzusetzen, die uns zur Verfügung stehen,

um den größtmöglichen Schutz unserer Bevölkerung zu gewährleisten.

In Extremsituationen, in denen Anschläge auf mehrere Ziele geplant oder schon in der Ausführungsphase sind, wie es in Madrid und London, aber auch in Amerika der Fall war, gänzlich darauf zu verzichten, dass zum Schutz bestimmter Einrichtungen auch die Bundeswehr eingesetzt werden kann, halte ich mit Herrn Schünemann und der Landesregierung gemeinsam für fahrlässig. Wenn heute die Bundeswehr zwar an bestimmten Stellen eingesetzt werden könnte, aber nicht über bestimmte Möglichkeiten der Polizei verfügt, dann sollte auch darüber diskutiert werden. Beispielsweise können von der Bundeswehr nicht Kontrollen von Kofferräumen auf Waffen durchgeführt oder Untersuchungen zur Feststellung der Identität einer Person vorgenommen werden. In Extremsituationen müssen wir auch Bundeswehrsoldaten diese Befugnis geben. Ich sage Ihnen ganz offen: Da habe ich mehr Vertrauen in unsere Soldaten, als Sie hier an Misstrauen gegenüber der Bundeswehr zum Ausdruck bringen.

(Beifall bei der CDU - Zuruf von Heid- run Merk [SPD])

- Liebe Frau Merk, ich kann Ihre hier zum Ausdruck kommende Aufregung nicht verstehen. Erstens kann ich es nicht verstehen, weil Sie bisher noch Herrn Schily und seine Politik unterstützt haben, die auch den Einsatz der Bundeswehr vorsah.

(Heidrun Merk [SPD]: Ich habe Herrn Schily nie unterstützt - damit das klar ist!)

- Okay, dann verstehe ich Ihre Aufregung sehr gut, wenn Sie Herrn Schily nie unterstützt haben. Aber die Aufregung der gesamten SPD kann ich nicht verstehen; denn einige von Ihnen müssen Herrn Schily ja unterstützt haben. Es war ja Ihr Bundesinnenminister. Von daher können Sie nicht alle sagen, Sie hätten mit ihm nichts zu tun.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Ulrich Biel [SPD]: Es war auch Ihr Bundesinnenminister!)

Bestimmte Fragen stellen sich für uns zu Themen, die Sie hier einfach abräumen, etwa die Frage der Videoüberwachung an öffentlichen Plätzen. Es beschäftigt uns schon, dass man den Anschlag in London zwar nicht verhindern konnte, wohl aber

die zweite Anschlagsserie aufgeklärt werden konnte. Alle vier Täter konnten über ganz Europa hinweg ermittelt werden, weil sie an den öffentlichen U-Bahn-Stationen auf Video aufgenommen wurden, sodass anschließend Fahndungen stattfinden konnten.