Protocol of the Session on February 23, 2006

Ebenso sagte Dr. Ingo Wolf, Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen, bei der 40. Kommandeurtagung der Bundeswehr im Rahmen der Feierlichkeiten zum 50-jährigen Bestehen der Bundeswehr am 10. Oktober 2005 in Bonn - ich zitiere -:

„So ist z. B. ein Einsatz der Bundeswehr für Zwecke des Objektschutzes außerhalb des Spannungs- und Verteidigungsfalls für mich nicht akzeptabel.“

Und weiter:

„Wir möchten da, wo wir sie aufgrund ihrer alleinigen Fähigkeiten dringend brauchen, auf ihre Katastrophenhilfe zurückgreifen. Alles andere organisieren wir selbst, so wie es das Grundgesetz vorsieht.“

Wenn ein liberaler Innenminister in dem größten Bundesland Deutschlands sagt, er brauche die Unterstützung der Bundeswehr nicht, er kriege das selber hin, dann wird das für den Innenminister in Niedersachsen gar kein Problem sein; er wird es mit links hinbekommen. Darauf bauen wir.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Gar nichts kriegt er hin!)

Ansonsten sollten wir, glaube ich, die WM nicht schlecht reden und keine schlechte Stimmung und keine Angst verbreiten. Wir sollten gemeinsam feiern, uns freuen und für die deutsche Mannschaft beide Daumen drücken. - Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der SPD)

Nächster Redner ist der Innenminister. Herr Schünemann, bitte, Sie haben das Wort!

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Auch die Minderheit muss hier zu Wort kom- men dürfen!)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ihr Auftritt, Herr Bartling, war ohne Frage theaterreif.

(Beifall bei der CDU)

Für einen Oppositionspolitiker war es sogar preiswürdig, aber für einen Innenminister aus meiner Sicht grob fahrlässig. Ich will das auch begründen.

Sie haben hier als ehemaliger Innenminister dargestellt, Sie könnten sich nicht vorstellen, dass es eine Bedrohung durch den internationalen Terrorismus bei einer solchen Großveranstaltung geben könnte. Das, meine Damen und Herren, ist angesichts der Situation, die wir insgesamt weltweit haben, meiner Ansicht nach nicht nur nicht gerechtfertigt, sondern fahrlässig. Wir wollen alles dafür tun, damit diese Situation nicht eintritt. Aber wir müssen auch dies mit in Betracht ziehen und darauf vorbereitet sein.

Herr Bartling, dass Sie sich auf solche Situationen nicht einstellen wollen und können, haben Sie als Innenminister selbst gezeigt. Ich erinnere noch einmal an den 11. September 2001, an die Bilder, die wir nicht aus den Augen verlieren können. Anschließend haben Sie vor dem Fraktionsvorstand der CDU gestanden und darum gebeten, dass die Rasterfahndung in einem Schnellverfahren in das niedersächsische Polizeigesetz aufgenommen wird. Sie waren auf eine solche Situation nicht vorbereitet. Als verantwortlicher Innenminister sage ich Ihnen: Sie können sicher sein, dass wir alles tun werden, damit wir auf solche Situationen vorbereitet sind. Da sind wir nicht nur sehr weit, sondern wir haben die Lage wirklich im Griff, keine Frage.

(Beifall bei der CDU)

Worum geht es denn konkret? Es ist doch überhaupt keine Frage: Für die innere Sicherheit ist die Polizei zuständig, insbesondere die Polizeien der Länder, aber auch mit Unterstützung des Bundes. Sie machen eine ausgezeichnete Arbeit. Darüber brauchen wir überhaupt nicht zu diskutieren. Die Bundeswehr leistet in ihrem Aufgabenbereich hervorragende Arbeit. Sie hat grundsätzlich andere Aufgabenfelder als die Polizei.

(Christa Elsner-Solar [SPD]: Das ist ja beruhigend!)

Es ist keine Frage: Kein Innenminister, nicht der niedersächsische Innenminister und auch nicht der Bundesinnenminister - ob es früher Otto Schily war oder jetzt Wolfgang Schäuble -, möchte grundsätzlich die Bundeswehr zur Hilfspolizei machen.

Worum geht es? Es geht darum, dass wir einen konkreten Hinweis darauf haben, dass bei einer Großveranstaltung wie einer Fußballweltmeisterschaft ein Anschlag des internationalen Terrorismus bevorsteht. Wir haben hier in Deutschland zwölf Austragungsorte und müssen einen besonderen Objektschutz leisten. Wenn ein konkreter Verdacht für einen terroristischen Anschlag besteht, dann können wir in die Situation kommen, dass die Kräfte der Polizeien des Bundes und der Länder nicht ausreichen. Dafür, dass wir vor einer solchen Situation die Augen verschließen und uns der Möglichkeit berauben, in dieser Situation - und nur in dieser Situation - die Bundeswehr zum Objektschutz einzusetzen - nicht vor Stadien, sondern an anderen Objekten -, hat die Bevölkerung in unserem Land kein Verständnis; denn sie will, dass diese Möglichkeit geschaffen wird. Das bestätigt eine Umfrage. Deshalb sollten Sie nicht so tun, als habe die Bevölkerung Angst davor, dass die Bundeswehr in einer solchen Situation eingesetzt wird. Ganz im Gegenteil, sie will dies. „Ich bin für Bundeswehreinsätze, um die Sicherheit bei der Fußball-WM 2006 in Deutschland zu gewährleisten“: Ja 70 %, nein 28 %. - Meine Damen und Herren, darauf sollte man Rücksicht nehmen.

(Beifall bei der CDU - Elke Müller [SPD]: Populist!)

Wir haben jetzt ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Einsatz der Bundeswehr nach dem Luftsicherheitsgesetz, übrigens ein Gesetz von Rot-Grün. Auch dort haben Sie ja die Notwendigkeit gesehen, dass die Bundeswehr eingesetzt wird. Aber das Urteil des Bundesverfassungsge

richts ist hier eindeutig; darüber brauchen wir nicht zu diskutieren. Das Bundesverfassungsgericht hat allerdings auch ganz klar gesagt: Für den Fall, dass eine Bedrohung aus der Luft besteht und das Flugzeug ausschließlich mit Terroristen besetzt ist, kann durch eine Grundgesetzänderung erreicht werden, dass die Gefahr beseitigt und dieses Flugzeug abgeschossen werden kann. Meine Damen und Herren, ich glaube, man sollte zumindest, wenn man verantwortlich ist, darüber nachdenken, ob wir diesen Hinweis des Bundesverfassungsgerichts nicht ernst nehmen und eine solche Möglichkeit für einen solchen Extremfall schaffen sollten. Ich glaube, auch das ist verantwortungsvolle Politik, wenn man sich das Urteil des Bundesverfassungsgerichts genau anguckt.

(Zustimmung bei der CDU)

Die gleiche Situation besteht auf See. Auch hier gibt es eigentlich überhaupt keinen Dissens zwischen CDU und SPD darüber, dass wir hier insgesamt eine Regelung brauchen.

Meine Damen und Herren, es ist völlig klar: Diese Fußballweltmeisterschaft wird auf jeden Fall ein Großereignis in Deutschland und gerade hier in Hannover und in Niedersachsen werden. Wir sind darauf durch hervorragende Konzeptionen der Polizei auf Bundes- und auf Landesebene vorbereitet. Wir haben diese Konzeptionen seit Monaten nicht nur diskutiert, sondern bereits umgesetzt. Wir haben hoch motivierte Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte, die sowohl in den Stadien als auch an den öffentlichen Übertragungsplätzen insgesamt für ein hohes Maß an Sicherheit sorgen. Wir sollten aber nicht die Augen davor verschließen, dass es auch eine Situation geben kann, die wir uns alle nicht wünschen. Wir setzen alles daran, dass sie nicht entsteht. Wenn sie aber entsteht, müssen wir vorbereitet sein und schnell handeln, damit in Deutschland nicht wieder der Fall eintritt, der leider bei den Olympischen Spielen 1972 eingetreten ist. Meine Damen und Herren, Sie sollten einmal mit dem seinerzeitigen Innenminister Genscher darüber sprechen, welche Schwierigkeiten es gegeben hat. Ich sage Ihnen: Wir dürfen davor die Augen nicht verschließen. Wir dürfen uns auch nicht aus ideologischen Gründen diese Möglichkeit verschließen, damit wir nicht wieder in die gleiche Situation kommen. Ich hoffe sehr, Herr Bartling, dass ich Ihre Rede nicht vorlesen muss, wenn eine solche Situation eingetreten ist.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

In diesem Sinne bin ich sicher, dass wir eine gute Weltmeisterschaft 2006 haben werden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Kollege Bartling hat sich noch einmal zu Wort gemeldet. Bitte schön, Herr Bartling!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte gerade das zuletzt Gesagte aufgreifen. Herr Schünemann, wenn Sie wirklich glauben, Sie hätten das Attentat in München - der eine oder andere von Ihnen hat vielleicht den Kinofilm gesehen, der vielleicht nur einen Teil der Realität wiedergegeben hat - durch den Einsatz von Bundeswehrsoldaten abwenden können, dann gehen Sie an der Realität vorbei.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Sie hätten auch die Terrorattentate in London und Madrid - so schlimm diese Vorfälle auch sind nicht durch den Einsatz von Streitkräften eindämmen können. Das ist nicht der Fall.

(Bernd Althusmann [CDU]: In London war es selbstverständlich, dass Sol- daten eingesetzt worden sind!)

- Herr Kollege, auch wenn es dort selbstverständlich war, hat das Attentat dort zu meinem Bedauern nicht verhindert werden können.

(Bernd Althusmann [CDU]: Darum geht es auch gar nicht!)

Sie führen hier eine Diskussion, die meiner Ansicht nach an dem vorbeigeht, was wir wirklich brauchen.

Herr Schünemann, es gibt ein schönes Zitat von der Gewerkschaft der Polizei. Möglicherweise mögen Sie es nicht hören, weil diese Gewerkschaft von Ihnen parteilich eingeordnet wird. Da fragt z. B. der Vorsitzende der GdP:

„Was will Schünemann eigentlich?... Einerseits soll keine Bundeswehr vor den Stadien auftreten, andererseits

soll sie abseits davon aufmarschieren. Schreckt er vor den Bildern in der Öffentlichkeit und im Ausland selbst zurück, die er mit seinem Vorschlag herauf beschwört? Auch terroristische Bedrohungen sind Aufgabe der Polizei und nicht der Bundeswehr. Mit Panzern und Kanonen wären die Anschläge in London und Madrid auch nicht verhindert worden.“

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Das ist so. Darum werbe ich dafür, mit solchen Überlegungen sorgfältig umzugehen.

Ich nehme einmal das Szenario, das Herr Schünemann aufgemacht hat. Vor Stadien will er Soldaten nicht. Dann sollen sie woanders entlasten. Was heißt das denn? - Sie sollen Objektschutz woanders durchführen. Jetzt stelle ich mir einmal Folgendes vor: Unsere wehrpflichtigen Soldaten stehen vor dem türkischen Generalkonsulat, wo heute Polizei steht. Sie sollen in einer bestimmten Situation bewerten, wie sie sich verhalten können. - Das können Wehrpflichtige nicht. Das können nur ausgebildete, gut qualifizierte Polizeibeamtinnen und -beamte. Deshalb ist diese Überlegung für mich abwegig.

(Beifall bei der SPD)

Herr Dr. Stumpf, Sie haben mir hier mehr oder weniger vorgeworfen, dass ich keine Vorstellungen davon hätte, was bei einer Weltmeisterschaft abläuft. Ich bedaure sehr, dass die Weltausstellung 2000 nicht die Medienaufmerksamkeit auf sich gezogen hat, die die Weltmeisterschaft wahrscheinlich haben wird. Aber trotzdem bleibt dies ein Einsatz, den ich für ähnlich halte. Auch wenn die Welt auf uns guckt, sollte hier nicht überzogen agiert werden, sondern die Informationen, die man hat, sollte man zur Kenntnis nehmen und auswerten, und dann sollte man sich in Ruhe darauf vorbereiten.

Der Hauptvorwurf ist, dass die Landesregierung den Eindruck erweckt, dass eine solche Veranstaltung eigentlich nur dann durchgeführt werden kann, wenn wir die Bundeswehr zu Hilfe holen. Dieser von Ihnen vermittelte Eindruck weist ja geradezu darauf hin - wie es auch andere schon gesagt haben -: Wir müssen die Weltmeisterschaft absagen, weil es viel zu gefährlich ist. - Aus diesem Grunde bitte ich Sie, darüber nachzudenken

und mit solchen Themen sorgfältiger und zurückhaltender umzugehen.

Lassen Sie sich vielleicht auch von den Realitäten einholen. Die Realitäten sagen: Sie werden auf Bundesebene keine Verfassungsänderung hinkriegen, weil eine große Partei - das ist meine -, aber auch kleine Parteien dem nicht zustimmen werden. Von daher wird auch für die Fußballweltmeisterschaft eine solche Änderung des Grundgesetzes nicht möglich sein. Deshalb ist diese Diskussion eine Phantomdiskussion, die begonnen, aber nicht zu Ende geführt wird.

Herr Schünemann, nehmen Sie es mir nicht übel, aber eines muss ich Ihnen doch noch vorhalten. Ich habe das mit Begeisterung zur Kenntnis genommen. Nehmen Sie es mir nicht übel. Ihr Kollege aus Schleswig-Holstein - das ist für mich die einzige Begründung dafür, weshalb Sie das trotz dieser vielen vernünftigen Gegenargumente immer wieder forcieren; heute forciert es auch Ihr Ministerpräsident - hat gesagt - vor 14 Tagen war das in der Zeitung zu lesen -:

„Kein Vorschlag kann abwegig genug sein, um nicht zumindest vom niedersächsischen Innenminister verbreitet zu werden.“

Das sagte der schleswig-holsteinische Innenminister.