Protocol of the Session on February 22, 2006

„Die Schulen... können bei den Schulbehörden beantragen, dass die Geltung von Verwaltungsvorschriften für sie aufgehoben wird. Diesem Antrag ist stattzugeben, wenn gewährleistet ist, dass die in den Rechtsvorschriften und in den Bildungsstandards festgelegten Ziele nicht gefährdet werden...“

Die einzelne Schule soll von allgemeinen Vorgaben zur Unterrichtsorganisation und -gestaltung, also von diversen Erlassen und Vorschriften, befreit werden können, wenn sie z. B. den Unterricht nach Lernbereichen statt nach klassischen Fächern organisieren will, wenn sie von der Stundentafel abweichen will, wenn jahrgangsübergreifende Lerngruppen gebildet werden sollen oder passgenaue Differenzierungsangebote. Schulen können neue Formen der Leistungsmessung und der Leistungsbescheinigung entwickeln.

An die Stelle der klassischen Zeugnisse und Zensuren können z. B. Portfolios treten, die die Lernentwicklung und den Leistungsstand differenzierter beurteilen können. Voraussetzung ist: Die Bildungsziele müssen erreicht werden, und die Vergleichbarkeit der Abschlüsse muss gegeben sein. So kann jede Schule passend zu ihrem Schulprogramm ein ganz bestimmtes Profil entwickeln und sich von ganz bestimmten Erlassen befreien lassen. Das ist ihr Recht und nicht die Ausnahme,

Frau Eckel; da müssen Sie unsere Formulierung noch einmal genau lesen.

Meine Damen und Herren, die Eigenverantwortlichkeit der Schulen darf sich nicht darin erschöpfen, dass ein paar Kompetenzen von der Landesschulbehörde auf die Schulleitung verlagert werden, aber sonst alles beim Alten bleibt. Die Schulen brauchen echte Freiräume. Es kommt darauf an, dass sie die hochgesteckten Bildungsziele erreichen. Über den Weg dorthin entscheiden sie selbst.

Zweitens. Wir wollen die Eltern und die Schülerinnen und Schüler stärker beteiligen. Die Eigenverantwortliche Schule kann nur gelingen, wenn sie einerseits von einer professionalisierten Schulleitung geführt wird und wenn andererseits ihre Entwicklung von allen Beteiligten mitgetragen und mitverantwortet wird. Sie benötigt dafür eine demokratische Verfassung, mit der das Verhältnis zwischen Schulleitung, Lehrerinnen und Lehrern, Vertretung der Eltern und der Schülerinnen und Schüler neu austariert wird.

Es reicht nicht, meine Damen und Herren - das haben Sie sicherlich inzwischen auf vielen Veranstaltungen zu hören bekommen -, dass Eltern in der Schule nur willkommen sind, wenn es darum geht, Kuchen zu backen, Lesemutter zu sein oder Wände zu streichen. In der Schule geht es um echte Erziehungspartnerschaft. Auch deshalb müssen die Eltern sich und ihre vielfältigen Kompetenzen auch in Schulentwicklung einbringen können. Deshalb wird nach unserem Gesetzentwurf in der Eigenverantwortlichen Schule - wie bereits in einer Reihe anderer Bundesländer - eine drittelparitätische Schulkonferenz eingerichtet, die die grundsätzlichen Entscheidungen über die Entwicklung der Schule, z. B. über das Schulprogramm, trifft und auch über das Schulbudget entscheidet.

Daneben gibt es als Kollegialorgan der Lehrkräfte und pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine pädagogische Konferenz. Sie entscheidet über Angelegenheiten, die ausschließlich oder überwiegend das pädagogische Personal betreffen, z. B. Unterrichtsverteilung und Lehrerfortbildung. Außerdem kann die pädagogische Konferenz in der Schulkonferenz Anträge zur Schulentwicklung stellen.

Drittens. Die Schulleitung hat in allen Gesetzentwürfen eine herausragende Bedeutung für die

Qualitätsentwicklung der Schulen. Deshalb wollen auch wir ihre Kompetenzen stärken. Aber auch der Schulleiter oder die Schulleiterin kann Reformen nicht von oben verordnen. Damit würde man schnell scheitern. Die Aufgabe und die Kunst der Schulleitung werden vor allem darin liegen, die Entwicklung der Schule anzuregen und so zu moderieren, dass sie von allen Beteiligten mitgetragen und vorangetrieben wird.

Eine Eigenverantwortliche Schule soll sich die Lehrkräfte selber aussuchen können, die zu ihrem pädagogischen Konzept passen. Aus dem gleichen Grund soll sie auch an der Auswahl der Schulleitung stärker beteiligt werden. Die Schulleiterinnen und Schulleiter sollen von der Schulkonferenz ausgewählt werden, nachdem die Schulbehörde festgestellt hat, welche Bewerberinnen und Bewerber nach Eignung, Befähigung und Leistung infrage kommen.

Viertens. Wir wollen die Aufgaben der Schulbehörden gesetzlich neu bestimmen. Die Schulbehörden sollen die Schulen unterstützen und beraten. Wir wollen auch in der Schulaufsicht den Übergang von der Inputsteuerung zur Outputsteuerung. An die Stelle der Steuerung mit detaillierten Verwaltungsvorschriften soll die Steuerung durch Bildungsziele, Standards und durch Evaluation treten. Wir halten es deshalb für notwendig, dass die Schulinspektion eine gesetzliche Grundlage erhält; denn Freiheit der Schulen ist die eine Seite, Inspektion und Evaluation von außen die andere. Sie gehört aus unserer Sicht notwendigerweise dazu.

Vor allem aber sollen die Schulbehörden die Aufgabe haben, die Schulen zu unterstützen. Dafür fügen wir einen neuen § 120 b - Beratung und Unterstützung - in das Schulgesetz ein.

Meine Damen und Herren, Herr Busemann gibt den Schulen nicht nur zu wenig Freiheit, er gibt ihnen auch zu wenig Unterstützung. Es reicht nicht zu sagen: „Nun macht mal“, sondern die Eigenverantwortlichen Schulen brauchen ein qualifiziertes Beratungs- und Unterstützungssystem. Herr Busemann, wenn Sie es mit der inneren Reform der Schule wirklich ernst meinen, dann dürfen Sie sich darum nicht herumdrücken. Das ist einer der zentralen Punkte, wenn Sie die Schulen mitnehmen wollen.

Die Eigenverantwortliche Schule darf kein halbherziges Sparmodell sein, mit dem die Schulen ihren Mangel selbst verwalten sollen. Sie muss zu einem

der entscheidenden Bausteine für mehr Qualität an unseren Schulen entwickelt werden. Dazu haben wir mit unserem Gesetzentwurf Vorschläge vorgelegt und hoffen auf eine konstruktive Beratung zwischen allen Fraktionen im Kultusausschuss. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den GRÜNEN - Unruhe)

Meine Damen und Herren, auch heute Nachmittag gilt das, was im Plenarsaal eigentlich immer gelten sollte: Man sollte dem Redner zuhören. Wer kein Interesse an der Debatte hat, sollte hinausgehen.

Für die CDU-Fraktion hat nun der Abgeordnete Klare das Wort.

(Anhaltende Unruhe)

- Herr Klare, einen Augenblick! - Meine Damen und Herren, ich habe eben um Ruhe gebeten. - Bitte, Herr Klare!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Eckel, das eine Mal beklagen Sie sich darüber, dass die Landesregierung zu wenig tut, das andere Mal, dass sie zu viel tut - je nach dem, welches Publikum gerade vor Ihnen sitzt; immer wie es gerade passt -, und dann tun wir aus Ihrer Sicht auch noch das Falsche.

(Beifall bei der SPD - Walter Meinhold [SPD]: Ja, genau! Sehr gut! Sehr gut, Herr Klare!)

So kann man das machen, je nach dem, von wem man den meisten Beifall bekommt. Sie sollten sich aber an der Sache orientieren,

(Walter Meinhold [SPD]: Das sagen ausgerechnet Sie! - Weitere Zurufe)

und da ist es ganz einfach: Als wir die Regierungsverantwortung übernommen haben, mussten wir die Schulpolitik sehr schnell zum Schwerpunkt machen. Wir mussten das Schulsystem in Niedersachsen sehr schnell verändern. Wir standen nämlich gegenüber den Schülerinnen und Schülern in der Verantwortung. Sie, meine Damen und Herren, haben jahrelang stillschweigend hingenommen, dass in Niedersachsen 25 % eines Jahrganges nicht über die Kenntnisse verfügen, die man braucht, um im Berufsleben seinen Mann bzw.

seine Frau zu stehen. Diese Verantwortung haben wir übernommen.

(Beifall bei der CDU)

Dafür mussten wir sehr viele Gesetze und Verordnungen ändern. Sie haben ungefähr 300 gezählt. Im gleichen Zeitraum sind aber auch 300 wieder abgeschafft worden, nämlich die untauglichen. Das müssen Sie in diesem Zusammenhang auch sagen.

Meine Damen und Herren, wir waren den Eltern und den Kindern gegenüber verpflichtet, Ruhe in die Schule zu bringen. Sie aber haben hier in Niedersachsen zehn Jahre lang geschlafen. Das hat uns bei nationalen und internationalen Tests nach hinten geworfen.

Meine Damen und Herren, ich möchte jetzt einige Punkte ansprechen, die bezüglich der Frage, wie man die Reform des Schulwesens vernünftig angeht, ganz wichtig sind. Wir brauchen langfristige pädagogisch sinnvolle Bildungsgänge. Wir haben die Orientierungsstufe abgeschafft. Wir haben die Schulen wieder profiliert, d. h. wir haben ihnen wieder ein Gesicht gegeben.

(Walter Meinhold [SPD]: Reden Sie lieber mal zur Sache, Herr Klare!)

Wir haben die frühkindliche Bildung gestärkt. Wir haben die Durchlässigkeit endlich gesetzlich abgesichert.

(Silva Seeler [SPD]: Herr Klare, diese Rede kennen wir schon! Wir hätten gern etwas zum eigentlichen Thema gehört!)

Wir haben die Grundfertigkeiten gestärkt. Wir haben die Schulzeit verkürzt. Wir haben den verpflichtenden Dialog mit den Eltern endlich ins Gesetz geschrieben.

All das, meine Damen und Herren, ist auf den Weg gebracht worden, und keiner will da zurück, jedenfalls nicht - das will ich hoffen - von den Beteiligten an den Schulen.

Jetzt führen wir die Eigenverantwortliche Schule ein. Ich bin davon überzeugt, dass wir damit auf dem richtigen Weg sind. Im Übrigen sage ich - ich glaube, das darf ich für Sie alle mit sagen -,

(Walter Meinhold [SPD]: Nein!)

dass dieser Weg unumkehrbar ist. Meine Damen und Herren, ich bin davon überzeugt, dass große Kreise in der Gesellschaft hier mitziehen werden. Das zeigen auch die Ergebnisse, die erfolgreiche PISA-Länder in der Vergangenheit erzielt haben.

Das heißt für uns ganz konkret: Klare verbindliche Vorgaben für die Schule, Einführung von Instrumenten regelmäßiger Qualitätskontrolle, und dann werden die Schulen mit dem ihnen gegebenen größeren Spielraum und mit der größeren Eigenverantwortung die Qualität der Arbeit nachhaltig verbessern. Dazu gehört natürlich ein leistungsstarkes Beratungs- und Unterstützungssystem. Mit einfachen Worten heißt „Eigenverantwortliche Schule“: größter Gestaltungsspielraum, aber die Ergebnisse müssen stimmen.

(Beifall bei der CDU)

Wir setzen auf die Professionalität unserer Lehrkräfte. Wir setzen auch darauf, dass die Schulen selbst herausfinden, an welchen Stellen sie Unterstützung und Hilfe benötigen.

Heute stehen hier die Gesetzentwürfe der SPD und der Grünen zur Diskussion. Der Gesetzentwurf der Landesregierung ist in die Anhörung gegangen. Wir warten die Ergebnisse ab, um daraus die entsprechenden Schlüsse zu ziehen.

Meine Damen und Herren, trotz aller Unterschiede im Detail - das ist hier ja auch schon deutlich geworden - besteht zwischen den Fraktionen hier im Land doch erhebliche Einigkeit über den Weg hin zu mehr Qualität an unseren Schulen über die Eigenverantwortlichkeit. Ich finde das sehr wichtig. Wir sollten uns dabei auch nicht von irgendeinem Störfeuer aus der SPD-Landespartei, Herr Jüttner, stören lassen.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Genau! Fürchterliche Kerle!)

In vielen Details haben wir schließlich eine große Übereinstimmung. Entscheidende Punkte sind etwa die Stärkung der Schulleitung, die Schulinspektion, die Allzuständigkeit des Schulleiters sowie die vernünftige Ausgestaltung auch der Mitbestimmung und der Mitwirkung in den Gesamtkonferenzen. Im Detail gibt es Unterschiede. Im Großen und Ganzen aber geht es doch in die richtige Richtung.

Meine Damen und Herren, aber auch der Gesetzentwurf der Grünen enthält einige durchaus inte

ressante Ansätze. Auch hier kann ich mir vorstellen, dass man zumindest gemeinsam auf den Weg geht.

Falsch ist im Übrigen - wenn ich das an dieser Stelle einmal sagen darf - die Einführung der Drittelparität im Hinblick auf die Partizipation von Eltern. Die Eigenverantwortliche Schule bleibt in staatlicher Verantwortung. Deshalb muss gewährleistet sein, dass Bedienstete des Landes letztendlich immer in die Verantwortung genommen werden können. Das hängt einfach damit zusammen, dass unter Umständen auch sehr weit reichende Entscheidungen zu treffen sind. Dies ist z. B. dann der Fall, wenn mit Ordnungsmaßnahmen sehr stark in die Schülerentwicklung eingegriffen werden soll.

Meine Damen und Herren, bis zum 3. Februar hatte ich noch die große Hoffnung, dass wir in der Schulpolitik eine gemeinsame Zielrichtung hinbekommen. So eindeutig waren die Aussagen in den Fraktionen. Doch dann kam dieses neue Bildungspapier der Landes-SPD.

(Hans-Dieter Haase [SPD]: Gutes Pa- pier! - Gegenruf von David McAllister [CDU]: Kalter Kaffee!)