Protocol of the Session on February 22, 2006

(Lachen bei der CDU und bei der FDP - Zurufe von der SPD)

Er hat zumindest auf die Frage, wie viel Verständnis er für den aktuellen ver.di-Streik hat, gesagt: Ich habe dafür kein Verständnis. Unabhängig davon, ob ich Oberbürgermeister bin, will ich Ihnen sagen, dass wir in Deutschland einen Wandel brauchen. Wir alle in Deutschland müssen mehr arbeiten, wenn es uns gelingen soll, einigermaßen unsere Zukunft zu sichern, unseren Wohlstand zu erhalten. Das gilt für alle. Das gilt auch für den öffentlichen Dienst. - Das war der Oberbürgermeister von Osnabrück. In einer weiteren Bemerkung auf die Frage, was er unternehmen will, damit die Stadt nicht auf den Hund kommt - damit hatten sie wohl die aktuelle Situation gemeint; der Müll liegt in Osnabrück nicht mehr herum, den hat er schon wegschaffen lassen, anders als in Hannover -, sagte der Oberbürgermeister:

(Dorothea Steiner [GRÜNE]: Der hat das anders gemeint!)

Ob die Stadt auf den Hund kommt, hängt von vielen Faktoren ab, was die Sichtweise auf die Dauer bedeutet. - Das heißt also, wenn wir jetzt nicht dazu kommen, schlicht und einfach anzuerkennen, dass dieses Land nur mit etwas mehr Arbeitszeit und mit etwas mehr Leistung wieder finanziellen Spielraum bekommt, dann werden wir es natürlich nicht schaffen.

Darüber hinaus ist es natürlich wie immer: Einerseits wird uns vorgeworfen, dass wir mit dem Geld fahrlässig umgehen, andererseits ist man in konkreten Situationen, in denen man zur Sanierung beitragen kann, immer dagegen.

Anders ist es natürlich bei Schmalstieg in Hannover und beim Regionspräsidenten Arndt.

Auch Sie müssen zum Schluss kommen.

Ich bin schon fast beim Schluss. Den letzten Satz sage ich noch. - Was Schmalstieg und andere, die während der Verhandlungen dem Verhandlungsführer in den Rücken fallen, machen, das kann man nur mit einem Wort bezeichnen: Das ist im Grunde nichts anderes als Parteienverrat.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Widerspruch bei der SPD)

Ich kann nur sagen: Kehrt an den Verhandlungstisch zurück, kommt zum Ergebnis! Mit Parteienverrat kommt man aber nicht zu einem guten Ergebnis.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Jetzt hat Herr Minister Möllring das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst müssen wir feststellen, dass der öffentliche Dienst immer von denen bezahlt werden muss, die nicht im öffentlichen Dienst arbeiten, d. h. alles, was wir im öffentlichen Dienst ausgeben, müssen wir vorher dem Bürger auf vier verschiedene Arten wegnehmen: Entweder über Steuern,

(Zurufe von Walter Meinhold [SPD] und Dorothea Steiner [GRÜNE])

oder wir leihen es uns bei den Bürgern - d. h. wir machen Schulden zulasten des Staates -, oder wir schicken den Bürgern Gebührenbescheide - d. h. wir verhandeln nicht mit ihnen, sondern geben ihnen z. B. im Fall der Müllabfuhr nur einen Bescheid, was sie zu bezahlen haben -, oder wir nehmen es ihnen über die Beiträge zur gesetzli

chen Krankenversicherung - im Falle der Krankenhäuser - weg. Das müssen wir wissen. Deshalb sind wir, die wir die Fürsorge für den öffentlichen Dienst haben, verpflichtet, dass wir das so kostengünstig wie möglich machen. Wir müssen das Geld ja vorher erst den Bürgerinnen und Bürgern wegnehmen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Der Regionspräsident Arndt hat doch Recht: Es verstößt nicht gegen die Menschenwürde, am Tag 18 Minuten länger zu arbeiten.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP - Christa Elsner-Solar [SPD]: Darum geht es doch gar nicht!)

Das ist allein dadurch schon bewiesen, dass es seit 16 Jahren einen Tarifvertrag gibt, von ver.di unterschrieben, in dem die Vierzigstundenwoche tarifiert ist, nämlich in den fünf ostdeutschen Ländern. In Mecklenburg-Vorpommern bis Sachsen arbeiten die Menschen im öffentlichen Dienst 40 Stunden je Woche, auch die Angestellten, bekommen dafür aber nur den Ostlohn. Sie bekommen noch nicht einmal Westlohn, sondern im Moment 92 % des Westniveaus und arbeiten dafür eineinhalb Stunden länger.

(Christa Elsner-Solar [SPD]: Das hät- ten Sie wohl gern!)

Außerdem bekommen sie laut Tarifvertrag dafür nur 70 % des Weihnachtsgeldes eines Westkollegen. Dort wird es als menschenwürdig hingenommen, aber im Westen, wo es uns viel besser geht und wir mehr Geld bekommen, soll das nicht richtig sein.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Zwei Drittel unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im öffentlichen Dienst der Länder arbeiten bereits 40 Stunden je Woche und mehr: Das sind die Beamten. Sie bekommen dafür inzwischen kein Weihnachtsgeld mehr. Und inzwischen haben wir - darauf hat Frau Kollegin Rübke richtig hingewiesen - 30 % der Arbeitsverträge auf eine Vierzugstundenbasis umgestellt. Davon werden wir nicht wieder zurückgehen können.

Ich will noch sagen: Zu diesem Arbeitsplatzabbaugespenst, das Herr Bsirske und andere durchs Land tragen

(Christa Elsner-Solar [SPD]: Das ist kein Gespenst!)

- ich gebe zu: das Argument ist albern -, will ich zwei Beispiele ansprechen.

(Christa Elsner-Solar [SPD]: Das ist Realität!)

- Nein! - Ich habe neulich ver.di in einer Fernsehdiskussion gefragt, ob sie mir sagen könnten, wie der Arbeitsplatzabbau denn machbar sein soll. Wie soll es denn möglich sein, wenn eine Erzieherin im Kindergarten am Tag die Kinder 18 Minuten länger betreut und dafür die Eltern etwas mehr entlastet, dass dafür in einem anderen Kindergarten in einem anderen Stadtteil eine Erzieherin entlassen wird?

(Zurufe von der SPD)

Herr Hoffmann, den Sie sehr lieben, der Oberbürgermeister von Braunschweig, hat sofort gesagt: Wenn Möllring die 18 Minuten durchsetzt, kommt das sofort der Mehrbetreuung der Kinder und damit der Entlastung der Eltern zugute.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Sie können das Gleiche mit einer Anästhesieschwester oder einem Mitglied eines Operationsteams machen. Wenn Sie die Anästhesieschwester 18 Minuten länger an einem Tag arbeiten lassen, können Sie in einem anderen OP-Saal nicht ohne Anästhesieschwester auskommen. Dies geht nun einmal nicht. Das heißt, Arbeitsplatzabbau ist völlig abwegig.

(Walter Meinhold [SPD]: Das stimmt doch gar nicht!)

Jetzt zur Notdienstvereinbarung. Ich bekomme massenweise Schreiben. Die einen sprechen sich für den Streik aus, die anderen sprechen sich gegen den Streik aus, das mag alles sein; dazu kann man unterschiedlicher politischer Meinung sein. Aber wenn mir Eltern schreiben, dass die Operation ihrer kranken Kinder verschoben wurde, dann habe ich dafür überhaupt kein Verständnis mehr.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Es kann nicht sein, dass Streikleitungen darüber entscheiden, ob und wann eine Operation stattfindet.

(Zuruf von der SPD: Das tun sie nicht!)

- Jawohl, das tun sie!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die Notdienstverordnung der MHH sah vor, dass nur die Operationen durchgeführt werden, die auch sonst am Sonnabend oder Sonntag durchgeführt werden können. Das kann man machen: Man kann am Freitag jemandem sagen, dass er am Montag seinen OP-Termin hat. Aber man kann nicht jemandem sagen, der dringend operiert werden muss: Wir haben einen unbefristeten Streik. Heute ist nicht Sonnabend oder Sonntag, und deshalb warten Sie bitte ein paar Wochen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zurufe von der SPD)

Das Beispiel Freiburg hat gezeigt, dass es eine Flucht aus dem öffentlichen Dienst in die Privatisierung geben wird. Der Oberbürgermeister von Freiburg - er gehört den Grünen an - hat am ersten Tag freie Mitarbeiter eingestellt, die den Müll weggeräumt haben, und damit bewiesen, wie die öffentliche Hand reagieren muss und wird, wenn im öffentlichen Dienst in solchen Bereichen weiterhin gestreikt wird. Deshalb muss man ver.di sagen: Mit Ihrem Streik sägen Sie an dem Ast, auf dem die eigenen Mitglieder sitzen.

(Starker Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Jetzt hat sich noch einmal Frau Rübke zu Wort gemeldet. Sie hat eine Restredezeit von eineinhalb Minuten.

Die FDP macht hier öffentliche Tarifverhandlungen. Herr Rolfes - das fand ich besonders entzückend - fordert ver.di von dieser Stelle aus auf, den Streik zu beenden. Das war wirklich ganz herzig, Herr Rolfes.

(Zustimmung bei der CDU)

Ich hoffe, dass sich niemand nach Ihrer Meinung richtet. Aber ich weiß: Das tut bei Ihnen niemand, Gott sei Dank.

Herr Möllring, Sie haben gerade gesagt: Eine Erzieherin oder eine Anästhesieschwester arbeitet 18 Minuten länger. - Dabei haben Sie selbstverständlich vergessen, dass es wohl auch in Hildes

heim keine Kindertagesstätte mit nur einer Erzieherin gibt. Die Summe macht es nun einmal aus.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Sie hat es nicht verstanden)