Vor dem Hintergrund der Beantwortung meiner ersten Frage durch Herrn Minister Busemann frage ich die Landesregierung, wie sie die Anweisung des Innenministeriums bewertet, keine Bedarfszuweisungen an Kommunen zu geben, die das dritte Kindergartenjahr freistellen.
(Karl-Heinz Klare [CDU]: Wie war die erste Frage noch? - Wolfgang Jüttner [SPD]: Der eine macht die schönen Reden und der andere haut dazwi- schen! Das ist eine schöne Arbeits- teilung!)
- Nein. Wenn der Kommunalminister und sein Haus feststellen, wo Spielräume bei den Kommunen sind, dann muss immer die Gesamtfinanzlage der jeweiligen Kommune beleuchtet werden. Das wird auch beim Verfolgen von Anträgen, auch Bedarfszuweisungen, so gemacht. Dann kommt man auch dabei immer zu vernünftigen Ergebnissen.
(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Lachen bei der SPD - Jacques Voigt- länder [SPD]: Weicheier! - Wolfgang Jüttner [SPD]: Rumgeeiere!)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich frage die Landesregierung, speziell Herrn Busemann: Sie haben vorhin ausgeführt, was ein beitragsfreies drittes Kindergartenjahr - das haben Sie ja gefordert bzw. darüber denken Sie nach - kosten würde. Wenn es stimmt, was Sie gesagt haben, nämlich dass bereits 90 % aller in Betracht kommenden Kinder im dritten Kindergartenjahr Kindergärten besuchen, dann frage ich mich - -
- - - dann frage ich Sie: Warum überlegen Sie nicht ernsthaft, das erste Kindergartenjahr beitragsfrei zu stellen, um in diesem Bereich einen größeren Zulauf zu gewinnen und einen Gewöhnungspro
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Lennartz, das ist keine abwegige Grundüberlegung.
- Ja. - Wir haben in Niedersachsen im dritten KitaJahrgang eine Beteiligungsquote von 93 %. Sie müsste bei 100 % liegen - Stichworte Sprachförderung, Schule usw.; lassen wir das Wort „Verpflichtung“ einmal beiseite.
Ich möchte an dieser Stelle eine Diskussion aus der KMK einfließen lassen. Dort sagte die Kultusministerin eines anderen Bundeslandes - sie ist heute nicht mehr im Amt -: Wenn Beiträge offenbar keine Rolle spielen - denn es nehmen ja schon über 90 % teil -, dann kann das Thema Beitragsfreiheit ja gar kein Thema sein. - Um die Eltern zu motivieren, ihre Kinder überhaupt zur Kindertagesstätte zu schicken, wäre das Argument „Der erste Jahrgang ist viel wichtiger; dann sind sie da“ durchaus ernst zu nehmen, um - ich weiß nicht, wo die Zahlen liegen, ob es 70 % oder 80 % sind auch Richtung 100 % zu kommen. Es gibt aber auch das Problem, dass manchen Eltern bzw. Kindern drei Jahre zu viel sind - das ist immer das Gleiche; Sie kennen dieses Thema - und dass dann vielleicht der Ausstieg im zweiten Jahr droht. Das will ich einmal als offene Diskussionsebene so stehen lassen.
Ich kann natürlich von der Zuständigkeitsseite her sagen - der Bund erst recht -: Ich bin für die Kindertagesstätten von der Finanzierungs- bzw. von der Betreiberseite her eigentlich gar nicht zuständig. Ich bin der Minister für die Schulen und darf erwarten, dass die kommunalen Ebenen mir Kinder schicken, die hinreichend auf die Schule vorbereitet sind. Das klingt jetzt etwas forsch gesprochen. Aber ich habe als Kultusminister bzw. Grundschulminister, ein nachhaltiges Interesse daran - das ist das große Thema frühkindliche Bildung -, dass die Kinder entsprechend vorgebildet sind, um schon in Klasse 1 der Grundschule erfolgreich einzusteigen.
Die wichtigere Gelenkstelle für den Kultus- und Kindertagesstättenminister ist der dritte KitaJahrgang, wo wir unsere bildungspolitischen Maßnahmen bündeln können und das große Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf vor dem Übergang zur Grundschule einbringen können. Wenn ich alle diese Überlegungen abwäge, meine ich, dass wir den dritten Kita-Jahrgang mit einer besonderen Priorität versehen müssen. Gleichzeitig dürfen wir die anderen Jahrgänge nicht aus den Augen verlieren.
Nun wissen wir aus der Bildungsforschung, dass insbesondere der Besuch des Kindergartens für den späteren Schulerfolg maßgeblich und wichtig ist. Wir wissen gleichzeitig, dass gerade Familien aus sozial schwachen Strukturen oder so genannten bildungsfernen Schichten ihre Kinder sehr selten bzw. seltener als finanzstärkere Familien in den Kindergarten schicken.
Nun haben Sie ausgeführt, dass das kostenfreie Kindergartenjahr unter Finanzierungsvorbehalt steht. Macht sich die Landesregierung zumindest Gedanken darüber, wie man Familien aus bildungsfernen Schichten stärker motivieren kann, ihre Kinder in den Kindergarten zu schicken?
Ich meine dabei nicht nur den Aspekt der Finanzierung. Kostenlos - das haben Sie gerade ausgeführt - ist das heute schon.
Machen Sie sich Gedanken darüber, diese Familien stärker zu motivieren, ihre Kinder in den Kindergarten zu schicken?
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! „Bildungsfern“ heißt nicht immer „sozial schwach“ oder „arm“. Das muss man auch im Schulwesen durchaus sehen. Es gibt auch Leute, die richtig Schotter haben und trotzdem bildungsfern sind und kein Buch im Hause haben. Lassen wir das mal außen vor. Aber es muss auch in der frühkindlichen Bildung sichergestellt sein, dass auch die Kinder aus den so genannten schwierigen oder bildungsfernen Schichten die Kita besuchen.
Sie haben aber - Sie deuteten das auch schon selber an - einen logischen Fehler in Ihrer Argumentation. Das Finanzthema kann dabei gar keine Rolle spielen, weil - um es auf den Punkt zu bringen - der Besuch der Kita für diese Einkommensschichten auch jetzt schon faktisch umsonst ist. Das zahlt die öffentliche Hand. Die Stadt Hannover übernimmt beispielsweise die Kosten für 42 % der Kinder.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich stelle meine Frage vor dem Hintergrund der Frage von Bedarfszuweisungen und der Übernahme der Kosten für das dritte Kindergartenjahr durch die Kommunen. Bis auf einen Landkreis können die Landkreise in Niedersachsen ihren Haushalt nicht mehr ausgleichen. Ich frage die Landesregierung, wie sie vor diesem Hintergrund die Aussage des Kultusministers beurteilt, dass er es für eine gute Sache hält, wenn es bei der Zuwendung von Bedarfszuweisungen gleichzeitig die Auflage gibt, sie nur dann zu gewähren, wenn in einer Zielvereinbarung nachgewiesen und vereinbart wird, dieses beitragsfreie dritte Kindergartenjahr wieder zurückzunehmen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Möhrmann, ich glaube, das Zitat „gute Sache“ ist nicht korrekt. Der Begriff ist so nicht gefallen. Aber das ist ja verfahrensimmanent zu klären. Wenn eine Kommune, ob arm oder nicht ganz so arm, sich erfreulicherweise in der Lage sieht, sich stark im Kindertagesstättenwesen und in der Tagespflege zu engagieren, kann man sowohl von der Sache als auch von den Finanzen her nur sagen: Herzlichen Glückwunsch! - Dann muss aber in einem Verfahren auf Prüfung von Anträgen auf Zuteilung von Bedarfszuweisungen die zuständige Behörde - letztlich das Innenministerium - die Gemengelage betrachten. Aus der Sicht der Kommunalaufsichtsbehörde kann es doch nicht richtig sein, dass sich jemand in einem „guten“ Bereich entreichert, weil er dort viel Geld ausgibt, im Übrigen aber beim Land Bedarfszuweisungen beantragt, um die eine oder andere Maßnahme durchzuführen. Sie sind doch Finanzpolitiker und wissen: Das muss in einen Gesamtzusammenhang gestellt und dann ganz nüchtern miteinander abgeklärt werden.
Herr Busemann, vor dem Hintergrund, dass Sie eben längere Ausführungen über die Komplexität der Finanzierung von Bildung gemacht und gesagt haben, man müsse das erst sorgfältig prüfen, frage ich Sie, wie Sie folgendes Zitat beurteilen - ich sage es vorher: es ist von Ihnen -:
„Möchten wir dahin kommen, dass wir die Eltern im dritten Kita-Jahrgang von den Beiträgen freistellen? - Ich glaube, das ist eine wirksame, vernünftige und bezahlbare Maßnahme. Das anstehende Kostenvolumen macht etwa 0,3 % des Landeshaushalts aus. Es kann mir niemand erzählen, dass, sofern der politische Wille vorhanden ist, ein solcher Handlungsspielraum trotz der angespannten Finanzlage dafür nicht bestünde. Das muss hinzukriegen sein.“
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Jüttner, ich will Ihnen auch gleich sagen, wer auf die Frage des Oppositionspolitikers Busemann dann die richtige Antwort gegeben hat. Das will ich Ihnen gern erzählen.
Ich habe eben nicht ohne Grund darauf hingewiesen, dass ich mich seit etwa 1998/1999 mit diesem Thema beschäftige. Es ist doch in der Tat - da haben wir sogar großen Konsens - eine große PISA-Botschaft, mehr auf dem Gebiet der frühkindlichen Bildung zu tun. Der ganze Strukturkram, der rund um PISA diskutiert wird, ist relativ belanglos. Es geht um ganz gezielte Maßnahmen, um Kinder aus bildungsfernen Familien oder aus Familien mit Migrationshintergrund an Bildung heranzuführen und frühkindliche Bildung durchzuführen. Es gibt tausend gute Gründe - das haben wir eben ja auch miteinander geklärt -, über das dritte Kindergartenjahr entsprechend nachzudenken. Für meine Seite habe ich bei jeder Erklärung, auch in der Vergangenheit, immer den Finanzierungsvorbehalt gemacht.
Ich habe die Frage des beitragsfreien Kindergartenjahres hier im Oktober 2002 in der Tat im Rahmen einer Aktuelle Stunde thematisiert und gefragt, ob das erwirtschaftbar ist. Ich habe vorher 100 Millionen Euro genannt. Man kann die Rechnung auch bei 70 Millionen Euro oder 80 Millionen Euro ansetzen je nachdem, ob man den öffentlich getragenen Teil mit einrechnet oder nicht. Ich habe damals gefragt, ob man eine Summe in Höhe von 0,3 % eines Landesetats erwirtschaften kann.
Aus heutiger Sicht würde ich Ihnen sagen: Dieser Landesetat ist sehr strapaziert. Sie haben mitverfolgt, was wir tun müssen, um dieses Land auch fiskalisch wieder auf vernünftige Füße zu stellen. Ich nenne nur die weitgehende Abschaffung des Weihnachtsgeldes, die Streichungen beim Urlaubsgeld und bei der Lernmittelfreiheit, die Sie ja wieder einführen wollen, die Veränderung beim Blindengeld und andere Maßnahmen mehr.