Protocol of the Session on January 25, 2006

„Wir haben zwei Probleme: erstens die Akzeptanz der Atomkraft. Zweitens ist die Finanzierung großer Kernkraftwerke durch die Liberalisierung der Strommärkte und durch die kurz

fristigen Strategien privater Investoren schwierig.“

Das heißt, diese Leute wissen ganz genau, dass große Kernkraftwerke auf Märkten, auf denen auch kleine Wettbewerber und die Kraft-WärmeKopplung zum Zuge kommen, keine Chance haben. Eine Chance haben sie nur in monopolisierten Strukturen oder in Diktaturen. Wenn Sie wettbewerbsfähige Preise wollen, dann brauchen wir hier endlich mehr Markt.

Hier muss sich auch die FDP endlich bewegen. Beispielsweise haben Schweden und England Netztarife, die nur halb so hoch wie bei uns sind. Diesen Weg müssen wir beschreiten. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Für die Landesregierung hat sich Herr Umweltminister Sander zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Ist das überhaupt ein Landwirtschaftsthe- ma?)

Sehr geehrter Herr Kollege Wenzel, mit Ihren gebetsmühlenartigen Wiederholungen und pathetischen Ansprachen werden Sie nicht dafür sorgen, dass wir uns in dieser Frage zu der Sachlichkeit hin bewegen, die notwendig ist, um die von Ihnen als Schicksalsfrage hoch gepriesene Energieversorgung langfristig zu regeln.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei der CDU)

Es ist richtig: Für Sie ist die Energieversorgung eine Schicksalsfrage. Das ist auch eine Standortfrage für den Industriestandort Niedersachsen. Aber das ist auch eine Schicksalsfrage der Grünen. Wenn Sie dieses Thema nicht bei jeder Landtagssitzung von Neuem mit ideologisch verbrämten Argumenten nach vorn zu bringen versuchen,

(Zuruf von den GRÜNEN: Das ist jetzt sachlich?)

dann werden Sie selbst entsorgt werden. Das ist Ihr Problem, vor dem Sie Angst haben. Deshalb stellen Sie dieses Thema immer wieder in den Mittelpunkt.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, fragen Sie doch die Menschen auf der Straße! Um die Jahreswende herum ist es ja bei der Frage der weiteren Nutzung der Kernenergie zu einer Versachlichung gekommen. Nach einer Umfrage sind jetzt 56 % der Menschen der Auffassung, der Atomausstieg müsse noch einmal überdacht werden. So weit sind wir jetzt. Angesichts dessen müssten Sie, die Sozialdemokraten, sich auch etwas bewegen.

Wir Deutschen meinen, wir könnten in Europa einen isolierten Weg gehen.

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Harden?

Wenn ich am Ende bin, ja.

(Lachen bei der SPD und bei den GRÜNEN - Zuruf von der SPD: Sind Sie!)

- Wenn ich am Ende meiner Ausführungen bin!

Wir Deutschen meinen, in Europa einen isolierten Weg gehen zu können. Sie wollen gerne aus der Kernenergie aussteigen, nehmen aber nicht zur Kenntnis, Herr Wenzel, dass gerade die von Ihnen angesprochenen Franzosen, Briten und Schweden diese Frage neu bewerten. Wir bilden uns ein, die Weisheit gepachtet zu haben, und meinen, klüger als alle anderen Länder zu sein. Mittelfristig aber werden wir genau den Weg gehen müssen, den andere europäische Staaten gehen, nämlich den im niedersächsischen Koalitionsvertrag beschriebenen Weg eines zukünftigen Energiemixes. Zu diesem Energiemix gehören natürlich auch die erneuerbaren Energien. Aber gerade in Bezug auf die erneuerbaren Technologien haben wir die Verpflichtung, durch Innovation dafür zu sorgen, dass sie mittel- und langfristig am Markt bestehen können. Solange wir noch nicht so weit sind, müssen wir erhebliche Anstrengungen unternehmen, damit uns dies gelingt.

Meine Damen und Herren von der SPD, ich empfinde es schon als sehr eigenartig, dass Sie während der Koalitionsverhandlungen in Berlin die Argumente der Industriegewerkschaft BCE und ihres Vorsitzenden, Herrn Schmoldt, aber auch der ÖTV - auch dies ist bemerkenswert - -

(Lachen bei der SPD)

- Ja, der ÖTV! Warten Sie doch ab! Hören Sie zu!

Die ÖTV-Mitglieder, die in den Kraftwerken beschäftigt sind und in die Gewerkschaft ver.di übernommen worden sind, hatten nicht mehr die Chance, ihre berechtigten Interessen deutlich zum Ausdruck zu bringen. Aber Herr Schmoldt macht es für diese ehemaligen ÖTV-Mitglieder mit. Deshalb ist es bemerkenswert, welche Gruppierungen in dieser großen Gewerkschaft ver.di überhaupt die Möglichkeit haben, ihre Argumente durchzubringen.

Herr Kollege Althusmann hat auf den Vorstandsvorsitzenden von REpower Systems AG, Herrn Vahrenholt, hingewiesen. Er war in den 90erJahren das absolute Aushängeschild für Sie. Er hat für Sie die ideale Umweltpolitik gemacht. Er war seinerzeit für die Verbrennung zuständig und war der Umweltpolitiker. Heute, da er davon spricht, wir müssten die Kernkraft weiter nutzen, damit auch die erneuerbaren Energien nach vorne gebracht werden können, ist er auf einmal nicht mehr Ihr Mann. Das ist zu bedauern.

Meine Damen und Herren, die Niedersächsische Landesregierung wird an ihrem Kurs festhalten. Sie wird auf einen Energiemix setzen, wozu die Kernenergie, die erneuerbaren Energien und für einen Übergangszeitraum auch die fossilen Energieträger gehören.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Weitere Wortmeldungen zu diesem Tagesordnungspunkt liegen mir nicht vor. Ich schließe damit den Tagesordnungspunkt 1 a und rufe auf:

b) Kombilohn: Mehr Schein als Sein - wenig Neues mit fremdem Geld - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 15/2554

Zu Wort gemeldet hat sich von der SPD-Fraktion Herr Kollege Jüttner. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Arbeitslosigkeit ist ein Skandal.

(Beifall bei der SPD)

Deshalb ist es Aufgabe von Politik und Wirtschaft, für Vollbeschäftigung zu streiten. Aber ich ergänze dies ganz bewusst wie folgt: Wir erwarten, dass Löhne und Gehälter existenzsichernd sind. Das ist die Messlatte.

Wir stellen fest, dass es in Deutschland trotz zahlreicher Programme und arbeitsmarktpolitischer Reformen weit über 4 Millionen Arbeitslose gibt; über 440 000 sind es in Niedersachsen. Die Jugendarbeitslosigkeit in Niedersachsen ist sogar überproportional hoch. Die Langzeitarbeitslosigkeit nimmt zu. In Deutschland gibt es 650 000 Vollerwerbstätige, die zusätzlich Arbeitslosengeld II zur Existenzsicherung beziehen. Schließlich gibt es mehr als 3 Millionen sozialversicherungspflichtige Einkommen, die als Armuts- oder prekäre Einkommen bezeichnet werden. Meine Damen und Herren, der Exportweltmeister Deutschland darf sich diese soziale Schieflage nicht länger leisten!

(Beifall bei der SPD)

Wir begrüßen ausdrücklich, dass die Koalition in Berlin die arbeitsmarktpolitischen Instrumente überprüfen und - ich zitiere die Koalitionsvereinbarung - die Fehlentwicklung beenden will. Wir halten es auch für angemessen, in diesem Zusammenhang auch über die Themen Kombilohn und Mindestlohn zu reden. Wir stellen aber mit Verwunderung fest, dass der Niedersächsische Ministerpräsident erneut einen Alleingang unternimmt, obwohl er diese Koalitionsvereinbarung mit ausgehandelt hat. Ohne Beteiligung des Fachressorts, ohne Rücksprache mit den Verantwortlichen bei Bund, Bundesagentur und Kommunen hat er das Niedersachsen-Kombi in die Welt gesetzt. Meine Damen und Herren, dafür gibt es nur einen einzigen Grund: Er wollte der Neujahrsrede bei der IHK ein Krönchen aufsetzen. Nur darum ging es.

(Beifall bei der SPD - Zuruf von der CDU: Sie dürfen nicht von sich auf andere schließen!)

- Ich habe da noch nicht reden dürfen. Das dauert noch zwei Jahre, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Ihnen, Herr Wulff, geht es nicht um die Sache. Ihnen geht es nur um Ihr Renommee. Das ist die Messlatte, nach der Sie arbeiten. Ich möchte das mit drei Hinweisen begründen:

Erstens. Sie wildern in den Zuständigkeiten anderer. Sie kürzen die Mittel für die Arbeitsmarktpolitik in den Landeshaushalten für die Jahre 2005 und 2006 - hier sind Sie zuständig - um mehr als 1,6 Millionen Euro.

(Beifall bei der SPD)

Dann gehen Sie hin und kombinieren die Mittel des Bundes - ohne jede Zuständigkeit - mit Mitteln aus Europa zu Ihrem vorgeblichen Programm. Ich sage: Ganz schön dreist, Herr Anscheinserwecker! Ganz schön dreist!

(Beifall bei der SPD)

Zweitens. Nachdem die Idee nun in der Welt ist, müssen die Fachleute die Fachtauglichkeit herbeiführen. Sie schwitzen erkennbar, um wenigstens einen Hauch von rechtlicher Korrektheit und inhaltlicher Plausibilität herbeizuführen. Fragen über Fragen: Wie kann der Eindruck erweckt werden, dass dem Land Kompetenzen zustehen? Sind die unterschiedlichen Instrumente unter rechtlichen Gesichtspunkten überhaupt miteinander kombinierbar? Wie ist das Thema Nachbeschäftigungspflicht zu integrieren und zu bewerten? Zu wessen Lasten könnten die umzuschichtenden ESF-Mittel gehen? Und so weiter und so weiter. Alles unklar! Nur die Idee steht in der Welt.

Drittens. Ich teile die Auffassung von Frau Merkel: Wer über Kombilöhne redet, muss auch über Mindestlöhne reden, meine Damen und Herren, wie dies in vielen Ländern üblich ist.

(Beifall bei der SPD)

Kombilöhne ohne Mindestlöhne werden weitere Verwerfungen auf dem Arbeitsmarkt produzieren, die Tarifautonomie aushöhlen und die Zunahme prekärer Einkommen zur Folge haben. Kombilohn

ohne Mindestlohn ist mit der SPD in Hannover und in Berlin nicht zu machen. Das sage ich Ihnen.

(Beifall bei der SPD)