Protocol of the Session on December 8, 2005

Ich empfinde das, was Sie hier vorgetragen haben, als Trümmerbruch; denn hier steht immer wieder deutlich, sowohl von der Ministerin als auch von den zuständigen Stellen

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Wer sind denn die zuständigen Stellen im Mi- nisterium?)

als auch von den Fraktionen der CDU und der FDP getragen, dass wir keine Veräußerung um jeden Preis befürworten, sondern wir haben ganz klare Bedingungen formuliert, die sicherstellen, dass letztlich alle von dieser Maßnahme, wenn sie denn realisiert wird, profitieren: Patienten, Beschäftigte und das Land. Das heißt: Die Rechte der Beschäftigten in den Landeskrankenhäusern müssen gewahrt bleiben. Die patientengerechte Qualitätssicherung ist zu gewährleisten. Im Maßregelvollzug müssen auf jeden Fall diejenigen Maßnahmen und

Leistungen, die den grundrechtsrelevanten Kernbereich betreffen, in staatlicher Hand bleiben. Die Ausbildungsangebote müssen verbindlich festgeschrieben werden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das wird der Maßstab sein, an dem wir die konkreten Angebotsergebnisse zu bewerten haben. Das wird im Übrigen, Frau Helmhold und andere Kritiker, auch der Maßstab für Sie sein, uns an unserer Entscheidungsfindung zu messen.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Davon sind Sie überzeugt?)

Aber hier gilt selbstverständlich grundsätzlich: Wer sich immer von Sparzwängen ins Bockshorn jagen lässt, kann keine kreative Politik betreiben. Kreativität ist aber notwendig, um trotz der Sparzwänge eine gerechte Politik zu betreiben. Dies bietet der Einzelplan 05. Dafür werden wir auch weiterhin werben. - Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Jetzt erteile ich Frau Kohlenberg das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Aus Japan stammt der Ausspruch: „Die größte Kulturleistung eines Volkes sind die zufriedenen Alten.“ Dabei muss jedoch jeder im Hinterkopf behalten, dass die Alten alles andere als eine homogene Gruppe sind. Es gibt die so genannten jungen Alten, die mitten im Leben stehen, reisen und Ehrenämter übernehmen, aber es gibt auch die Senioren, die schwach, hilflos und pflegebedürftig sind. Der Anteil der Hochbetagten an der Bevölkerung wird in Zukunft deutlich steigen.

Nicht nur ihretwegen, aber auch ihretwegen müssen wir uns in Zukunft verstärkt mit dem Thema „humanes Sterben“ beschäftigen. Ich bin sehr froh, dass wir, die Koalitionsfraktionen von CDU und FDP, dieses Thema in den letzten Monaten wiederholt auf die Tagesordnung gesetzt und auf Fachtagungen diskutiert haben. Uns als CDUFraktion liegt der große Bereich humanes Sterben aus unserer christlichen Verantwortung heraus besonders am Herzen. Deshalb sprechen wir es auch ganz bewusst und immer wieder an, auch

und gerade um die Botschaft nach draußen, zu den Menschen im Lande zu tragen: „Ihr seid nicht verlassen oder auf dubiose Sterbehilfevereine angewiesen. Es gibt andere Wege. Wir kümmern uns.“

Ich bin unserer neuen Sozialministerin Frau RossLuttmann außerordentlich dankbar, dass sie noch einmal klargestellt hat, wie unsere Maxime lautet: „Nicht durch, sondern an der Hand eines anderen Menschen soll ein Mensch sterben.“

(Beifall bei der CDU)

Wir stellen 250 000 Euro zur Verfügung, um das in Niedersachsen bestehende Netz an palliativmedizinischen und hospizlichen Einrichtungen und Dienstleistungen weiterzuentwickeln und effizienter zu gestalten. Dieses Geld soll nicht einer Einrichtung oder einem Pflegedienst zugute kommen, sondern es soll dazu dienen, die bestehenden Einrichtungen zu vernetzen und Stützpunkte einzurichten. Diese Stützpunkte sollen vor Ort an jeweils vorhandene Strukturen angebunden und darauf weiter aufgebaut werden.

Ein gutes Beispiel sind die Mehrgenerationenhäuser, bei denen es uns gelungen ist, die schon bestehenden Strukturen weiterzuentwickeln. Nach diesem Vorbild kann auch die flächendeckende palliativmedizinische und hospizliche Versorgung weiter aufgebaut werden;

(Beifall bei der CDU)

denn es gibt mittlerweile eine ganze Palette von Einrichtungen, die sich um Sterbende kümmern. Sie leisten hervorragende Arbeit, oft mit einem großen ehrenamtlichen Einsatz. Ihnen allen möchte ich an dieser Stelle herzlich danken.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Es liegt auf der Hand, dass sie noch besser arbeiten könnten, wenn sie in ein Netz von Gleichgesinnten eingebunden sind, sich austauschen und von den Erfahrungen der anderen profitieren können.

Wir setzen das, was zurzeit möglich ist, um. Wir haben 0,25 Millionen Euro zusätzlich eingestellt zusätzlich, nicht irgendwo weggenommen. Ich finde, das ist ein Anfang, auf den wir stolz sein können,

(Beifall bei der CDU)

ein Fundament, auf das wir in den nächsten Jahren aufbauen können. Denn es ist und bleibt unser Ziel, in Niedersachsen eine gute, flächendeckende schmerzmedizinische Versorgung zu schaffen und zu unterstützen, damit Menschen friedlich, ohne Angst vor Einsamkeit und unerträglichen Schmerzen Abschied vom Leben nehmen können. - Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Nächster Redner ist Herr Schwarz von der SPDFraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich zuerst bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Sozialministeriums und insbesondere bei Herrn Hinrichs und seiner Mannschaft für die prompte Zuarbeit im Rahmen der Haushaltsberatung bedanken.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich möchte an dieser Stelle Ihnen, sehr geehrte Frau Ross-Luttmann, noch einmal herzlich zu Ihrer Ernennung als Sozialministerin gratulieren. Ich wünsche Ihnen eine glückliche Hand im Interesse der benachteiligten und gehandicapten Menschen in diesem Land.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei der CDU)

Wir verbinden Ihre Ernennung mit der Hoffnung, dass Selbstinszenierung wieder durch sachorientierte Politik ersetzt wird. Sie haben die Parlamentsarbeit selbst kennen gelernt. Deshalb erwarte ich, dass Parlament und Fachausschuss wieder ernst genommen werden. Dazu gehört auch, dass Gesetzesvorhaben nicht regelmäßig im Schweinsgalopp durch den Ausschuss gepeitscht werden sollen, und dazu gehört auch, dass das Ministerium bei wichtigen Themen im Ausschuss wieder durch die Hausspitze und ansonsten durch die Abteilungsleiterebene vertreten wird.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wenn der Ministerpräsident über Ihre Vorgängerin festgestellt hat, „Frau von der Leyen habe in Nie

dersachsen bewiesen, wie erfolgreiche Sozialpolitik gemacht wird“, so mag dies aus der Sicht des Ministerpräsidenten und des Finanzministers stimmen. Aus der sozialpolitischen Szene jedenfalls weint der ehemaligen Sozialministerin keiner eine Träne nach, und aus Teilen der CDU anscheinend auch nicht.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Ernst-August Hop- penbrock [CDU]: Muss man hier nachtreten? - Zuruf von der CDU: Un- erhört!)

- Von wegen „unerhört“! Wenn Sie darauf bestehen, lese ich Ihnen einmal die Presseberichterstattung in der HAZ vom 12. Oktober vor; ich weiß nicht, ob Sie es dann immer noch so sehen.

Von der ersten Regierungsminute an hatte sich die ausgeschiedene Sozialministerin nicht schützend vor die ihr anvertrauten Menschen gestellt, sondern sie war vielmehr die Speerspitze eines in diesem Ausmaß noch nie erfolgten Sozialabbaus in Niedersachsen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Die sozial-, familien- und jugendpolitische Bilanz der Landesregierung ist nach drei Jahren verheerend.

(Norbert Böhlke [CDU]: Überhaupt nicht!)

Frau von der Leyen hat viel verbrannte Erde hinterlassen und viel Vertrauen zerstört. Zum Beispiel mit dem Landespflegegesetz 2005: Die gesamten Landesmittel für die stationäre Altenpflege wurden gestrichen, angeblich für eine Stärkung von ambulant vor stationär. Ergebnis: Über 10 000 Menschen wurden zusätzlich in die Sozialhilfe gedrängt und werden jetzt in Mehrbettzimmern untergebracht. Ein Lebensabend ohne Privat- und Intimsphäre - ich finde, eine würdelose Leistung für eine christliche Partei!

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Die Behindertenpolitik hingegen wird mit der Abrissbirne betrieben.

(Anneliese Zachow [CDU]: Jetzt reicht es aber!)

Noch im Januar 2003 stellte der jetzige Ministerpräsident fest:

„Psychologische Beratung, Obdachlosen- und Nichtsesshaftenhilfe dürfen nicht infrage gestellt werden.“

Tatsächlich haben Sie dieses Jahr die Mittel für die Obdachlosenhilfe ersatzlos gestrichen. Die Zuschüsse für geistig Behinderte in Nachsorgeeinrichtungen wurden auf null gesetzt. Im nächsten Jahr werden die Zuschüsse für geistig behinderte Menschen in Wohngemeinschaften ebenfalls auf null gestellt. Das, meine Damen und Herren, ist genau das Gegenteil der Versprechungen des Ministerpräsidenten. Ich finde, Glaubwürdigkeit und Ehrlichkeit sehen anders aus.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Noch in seiner Regierungserklärung hatte der Ministerpräsident erklärt:

„Wir müssen vor allem den sozialen Einrichtungen Planungssicherheit geben.“

Tatsächlich zwingt diese Landesregierung den Behinderteneinrichtungen 2006 die dritte Nullrunde in Folge auf. Das entspricht einer faktischen Kürzung von drei Mal 14 Millionen Euro. 42 Millionen Euro entziehen Sie den Behinderteneinrichtungen - eine wahrlich gigantische Summe.