Tatsächlich zwingt diese Landesregierung den Behinderteneinrichtungen 2006 die dritte Nullrunde in Folge auf. Das entspricht einer faktischen Kürzung von drei Mal 14 Millionen Euro. 42 Millionen Euro entziehen Sie den Behinderteneinrichtungen - eine wahrlich gigantische Summe.
Warten Sie bitte, Herr Schwarz! - Herr Minister, es ist nicht zulässig, von der Regierungsbank aus Zwischenrufe zu machen.
(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Dr. Philipp Rösler [FDP]: Aber Recht hat er! Wir übernehmen den Zwischenruf gerne!)
Meine Damen und Herren, „sauber, satt und ruhig“ war das Motto der Behindertenpolitik der 50erJahre. Sie befinden sich fatalerweise auf dem Weg dorthin zurück.
- Ich finde es auch eine Unverschämtheit, den Schwächsten dieser Gesellschaft 42 Millionen Euro wegzunehmen. In der Tat, Frau Zachow!
(Beifall bei der SPD - Bernd Althus- mann [CDU]: Lass ihn, er kann doch gar nicht anders! Er ist doch verbit- tert!)
Dass die Behinderten in diesem Land immer noch auf das wiederholt vollmundig angekündigte Behindertengleichstellungsgesetz warten, vervollständigt dieses Bild nur noch. In ganz Deutschland gibt es nur noch zwei Bundesländer, die den Behinderten die gesetzliche Absicherung ihrer Rechte verweigern. Niedersachsen ist natürlich eines dieser Länder.
Und wenn Sie das schon anmerken: Der seinerzeit von der SPD-Landesregierung eingebrachte Gesetzesentwurf ging Ihnen damals nicht weit genug. Sie selber bekommen auch im dritten Jahr dieser Regierung noch nicht einmal eine Vorlage zustande. Ich finde, das ist wahrlich ein Offenbarungseid gegenüber dem Umgang mit Behinderten.
Die faktische Streichung des Landesblindengeldes zum Jahresbeginn hat unsere schlimmsten Befürchtungen übertroffen. Seit Anfang des Jahres stieg der Anteil blinder Menschen in Niedersachsen, die auf Sozialhilfe angewiesen sind, von 10 auf 25 %. Der Blindenverband stellte dazu fest:
„Kann es die CDU/FDP-Landesregierung verantworten, dass schon heute der Anteil blinder Menschen, die auf Sozialhilfe angewiesen sind, doppelt so hoch ist wie in anderen Bevölke
Meine Damen und Herren, blinde Menschen, die wie jeder andere z. B. eine angemessene Alterssicherung betrieben oder einen Notgroschen zurückgelegt haben, erhalten keine Leistungen mehr. Die Landesregierung verordnet diesen Menschen ein Leben in Armut. Letztendlich schiebt sie dadurch Blinde in Pflegeheime ab. Der noch von Frau von der Leyen eingerichtete Härtefallfonds ist grandios gescheitert. Frau Ministerin erklärte heute Morgen in der Zeitung, die Kriterien des Fonds zu ändern, „damit den Blinden die Teilhabe am Leben stärker ermöglicht wird“. Meine Damen und Herren, Sie haben deren Teilnahme doch erst zerstört! Das ist doch die Realität.
Ich finde es gut, dass sich die Blinden durch diese Almosenverteilung nach Gutsherrenart ihr Selbstwertgefühl nicht nehmen lassen.
Damit ist es ja noch nicht zu Ende. Anstatt diese Fakten zu korrigieren, planen Sie, noch nachzulegen. Die Landesregierung versucht nun auch noch, das Landesbildungszentrum für Blinde möglichst schnell loszuwerden. Der Begriff der „sozialen Kälte“ ist für dieses Verhalten noch schmeichelhaft.
„Gerade im Umgang und bei der Förderung von Menschen mit Behinderungen setzen CDU und FDP einen deutlichen finanziellen Schwerpunkt. Damit geben wir behinderten Menschen mehr Autonomie.“
Sehr geehrte Frau Ministerin, ich weiß nicht, wer das damals aufgeschrieben hat. Aber für behinderte und insbesondere blinde Menschen ist das der blanke Hohn, und davon haben sie von Ihrer Vorgängerin noch mehr als genug.
Ich bin mir sicher: Das niedersächsische Wahlergebnis für die CDU bei der Bundestagswahl war der erste Schuss vor den Bug. Das Volksbegehren des Blindenverbandes wird der nächste werden, und den haben Sie auch dringend nötig.
Nach dem Scheitern in der Behindertenpolitik will die Landesregierung nun mit dem „Jahr der Jugend“ punkten. Wir sind uns darin einig, dass das Jahr 2006 das „Jahr der Jugend“ werden soll. Faktisch hat die Jugendpolitik bei der bisherigen Sozialministerin überhaupt nicht stattgefunden,
allenfalls in Form von Kürzungen: Kürzungen beim Kinder- und Jugendschutz, Kürzungen bei den Trägern der Jugendarbeit um satte 75 % sowie komplette Streichung des Kinder- und Jugendplans in Höhe von 2,6 Millionen Euro. Der mehrfach von Frau von der Leyen angekündigte Landesaktionsplan für den Kinder- und Jugendschutz besteht noch nicht einmal im Entwurf. Bei der Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit gibt es einen Dauer-Zuständigkeitsstreit zwischen dem Sozialund dem Wirtschaftsministerium.
Die ausschließlichen Verlierer dieser Untätigkeit sind die Jugendlichen. Das Ergebnis, meine Damen und Herren, ist: Die Jugendarbeitslosigkeit entwickelt sich in Niedersachsen im Gegensatz zum Bundestrend zusehends negativ.
Sonntags reden Sie davon, dass Kinder und Jugendliche unsere Zukunft sind, und alltags, mit Ihrer tatsächlichen Politik, lassen Sie sie im Regen stehen. Das ist die Realität in Niedersachsen.
Da ich gerade bei der Kinder- und Jugendpolitik bin: Wir reden hier mehrfach übereinstimmend über die Versorgung von Schwerstkranken, und ausgerechnet bei schwerstkranken Kindern wird der schon einmal deutlich reduzierte Ansatz erneut um 129 000 Euro gekürzt. Ich finde das wirklich abenteuerlich und ungeheuerlich.
Da führt die Landesregierung einen fruchtlosen Streit über das mögliche Verbot von Dignitas, anstatt sich konkret darum zu kümmern, dass die Versorgung von Schwerstkranken und Sterbenden tatsächlich endlich verbessert wird. Seit über einem Jahr liegt der einstimmige Beschluss des Landtags auf dem Schreibtisch der Sozialministerin, ein Konzept für die Weiterentwicklung der palliativmedizinischen Versorgung in Niedersachsen vorzulegen. Außer Fensterreden und unverbindlichen Ankündigungen ist bis heute so gut wie nichts geschehen.
Das ist übrigens nicht das einzige Thema, bei dem deutlich geworden ist und deutlich wird, wie ignorant unter Frau von der Leyen mit Beschlüssen des Parlaments umgegangen worden ist.
Frauenpolitik im Lande Niedersachsen ist nach der ersatzlosen Streichung aller Frauenprojekte auf das Thema „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ begrenzt worden. Dabei ist es falsch, Vereinbarkeit und Gleichberechtigung gegeneinander auszuspielen. Aber unabhängig davon: Im 100-TageProgramm der Landesregierung wurden angekündigt neue Konzepte zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf, für den haushaltsnahen Dienstleistungsbereich, für Elternschaft und Beruf und für familienfreundliche Betriebe. Nichts davon ist bis heute erfolgt. Stattdessen wurden auf der Bundesebene das Tagesstättenausbaugesetz, der Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit und das geplante Elterngeld von der Sozialministerin massiv bekämpft. Dass sie nun als Bundesfamilienministerin mit Inbrunst für diese sozialdemokratische Familienpolitik eintritt, ist nicht nur Ironie des Schicksals, sondern spricht für die bekannte Wendigkeit. Ich hoffe allerdings, meine Damen und Herren, dass diese Inhalte nun von der Landesregierung unterstützt werden.
Herr McAllister hat vor wenigen Tagen in der Presse erklärt, die CDU muss Geschichten erzählen. Ich finde, damit haben Sie wirklich überhaupt kein Problem. Nach Ihrem aktuellen Bestseller zum Landesblindengeld aus dem vergangenen Jahr haben Sie sich nun mit gleicher Verbohrtheit den Landeskrankenhäusern zugewandt. Während private Krankenhausträger auf Anraten dieser Landesregierung kooperieren und fusionieren, machen
Sie selbst bei den Landeskrankenhäuser genau das Gegenteil: Sie zerlegen ein hoch profitables Landesunternehmen, das allein im Jahre 2003 dem Finanzminister 10 Millionen Euro in die Tasche gespielt hat, in mehrere Einzelteile. Drei Jahre lang wurde der Öffentlichkeit erklärt, dass kein Anlass besteht, die öffentliche Trägerschaft in Frage zu stellen. In Wirklichkeit wurde die ausschließlich ideologisch geprägte Privatisierung hinter den Kulissen knallhart vorbereitet. Sie haben Patientinnen und Patienten, aber auch Beschäftigte arglistig getäuscht, und Sie versuchen diese Nummer weiter. Während die neue Ministerin gestern vor 1 000 Demonstranten Gesprächsbereitschaft signalisiert, wird sie schon vor ihrem Amtsantritt vom Finanzminister vorgeführt. In ihrer Haushaltsklausur vom 14. November haben die Koalitionsfraktionen u. a. beschlossen - Herr Böhlke hat das noch einmal deutlich gemacht -: Prüfung von Alternativen, Wahrung der Rechte von Beschäftigten, Fortführung der Ausbildungsplatzangebote und patientengerechte Qualitätsstandards. In der EU-Ausschreibung des Finanzministers vom 21. November 2005 findet sich davon nichts, aber auch gar nichts wieder, meine Damen und Herren.
Darin werden ausschließlich die Vorbereitung der Privatisierung und die Schaffung von 200 Plätzen im Maßregelvollzug als Auftrag beschrieben.
(Bernd Althusmann [CDU]: Stimmt doch überhaupt nicht! - Zuruf von der CDU: Das hat er nicht gelesen!)
- Ich habe es gelesen. Wir können das ja vergleichen. Vielleicht haben Sie eine Fassung für Ihre Fraktion und ich habe die, die öffentlich verkündet wurde.