Protocol of the Session on December 8, 2005

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nun sind Sie ja beim Maßregelvollzug schon fein zurückgerudert, nachdem Ihnen aber auch jeder Experte gesagt hat, dass man das so nicht machen kann. Der Paketverkauf steht aus kartellrechtlichen Gründen auch nicht mehr an. Aber wie beim Blindengeld treiben Sie auch hier ein doppeltes Spiel. Die Beteiligten werden hingehalten und beruhigt, und ansonsten wird die Sache gnadenlos durchgezockt. Denn während die neue Ministerin noch Ende November erklärte, für sie käme auch eine Übertragung auf eine Anstalt öffentlichen Rechts infrage, schrieb das Finanzministerium eine Woche später den Beratervertrag zum Verkauf der Landeskrankenhäuser aus. Wer ist in diesem Kabinett eigentlich für die Psychiatrie zuständig? - Offenbar hat doch im gesamten Verfahren der Finanzminister das Heft in der Hand, und die jeweiligen Sozialministerinnen dürfen Nebelkerzen werfen und der Öffentlichkeit Beruhigungspillen verabreichen. Das ist das Spiel, das Sie hier treiben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das passt auch zu dem, was Ihr Fraktionsvorsitzender McAllister neulich als neue Losung ausgegeben hat, nämlich, die CDU müsse mehr Geschichten erzählen.

Frau Helmhold, einen Moment bitte! - Es ist nicht erlaubt, im Plenarsaal mit Blitzlicht zu fotografie

ren. Wenn Sie ein Blitzgerät benutzen wollen, machen Sie die Fotos bitte draußen.

Dabei hat er George W. Bush als leuchtendes Beispiel hingestellt. Der hat z. B. - und das war das Vorbild Ihres Fraktionsvorsitzenden einem schwarzen Jungen gesagt, man müsste jetzt zwar die Wohlfahrtsleistungen streichen, aber dafür würde er ihn als ersten Menschen zum Mars schicken bzw. schießen. Ich bitte Sie: Allein aufgrund des Zynismus, der in diesem Beispiel liegt, sollte man es nicht verwenden.

Aber was wollen Sie denn den Menschen in Niedersachsen anbieten? - Ich stelle mir vor, Sie erzählen einem Migrantenkind folgende Geschichte: Du bekommst zwar keine echten Chancen, du bekommst keine wirkliche Sprachförderung, die Wahrscheinlichkeit, dass du zu den 10 % gehörst, die die Schule ohne Abschluss verlassen, ist sehr hoch, aber dafür - wenn du nur immer brav das CDU-Parteiprogramm auswendig lernst - kannst du eventuell Ministerpräsident werden. - Oder was sollen das für Geschichten sein, die Sie in Niedersachsen nach dem Vorbild von George W. Bush verbreiten wollen, meine Damen und Herren?

(Beifall bei den GRÜNEN - Zurufe von der CDU)

So etwas glaubt Ihnen doch niemand mehr. In Niedersachsen glaubt Ihnen sowieso niemand mehr. Das haben Sie ja am Wahlergebnis gemerkt, das Sie bei der Bundestagswahl eingefahren haben.

Für den Finanzminister, meine Damen und Herren, ist die Psychiatrie offenbar wirklich nichts als eine Ware, die nach Gewinnmaximierungsprinzipien verscherbelt wird. Aber auch das macht er falsch. Allein der Wert der Grundstücke beträgt 290 Millionen Euro. Warum er diesen Wert für geschätzte 100 Millionen Euro einem privaten Investor in den Rachen schmeißen will, bleibt mir unerfindlich. Das wird er uns auch noch zu erklären haben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, Sie beachten bei Ihren Verscherbelungsplänen doch überhaupt nicht, dass Sie damit jegliche Steuerungsmöglichkeiten im Bereich der Psychiatrie aus der Hand geben. Die weitere Dezentralisierung des Versorgungs

sektors ist dringend notwendig. Die Psychiatriereform in Niedersachsen ist noch nicht zu Ende gebracht. Deswegen sollten Sie schleunigst mit bewährten und zuverlässigen regionalen Krankenhausträgern, die ja durchaus schon Interesse bekundet haben, ernsthaft reden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, auch die Frauenpolitik hat in der Amtszeit der Vorgängerin dieser Sozialministerin schweren Schaden genommen. Wenn Frauen nur noch unter dem Label „Mütter“ oder „Gewaltopfer“ wahrgenommen werden, dann ist das eine äußerst eingeschränkte Perspektive. Daneben wurde den frauenpolitischen Strukturen schwer zugesetzt. Die Abschiebung der Frauenbeauftragten auf das Ehren- und Nebenamt wird in mehr und mehr Kommunen in Niedersachsen Wirklichkeit und schwächt dort die Einflussnahme der Frauen.

Im nächsten Jahr wollen Sie mit der Novelle des niedersächsischen Gleichberechtigungsgesetzes Geld einsparen. Sie lassen Frauenprojekte ausbluten, und wenn es hart auf hart kommt, wie beispielsweise hier im Landtag beim Thema Zwangsprostitution, dann sind Sie kein verlässlicher Partner und verabschieden windelweiche Anträge. Hier ist dringend ein genereller Kurswechsel erforderlich.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, noch eine weitere Gruppe leidet schwer unter dieser Landesregierung. Den Behinderteneinrichtungen haben Sie jetzt bereits die dritte Nullrunde verordnet. Das geht nur auf Kosten der Qualität, und damit sparen Sie bei den Schwächsten der Gesellschaft. Auch hier führt der Finanzminister das Zepter, indem er die Tarifverhandlungen zwischen den Ländern und den Gewerkschaften blockiert und auf dem Rücken der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Millionen spart.

Ein Gleichberechtigungsgesetz gibt es immer noch nicht, und ich frage mich, ob diese Sozialministerin sich gegen die Innenund Haushaltspolitiker durchsetzen und endlich die schwierigen Ressortabstimmungen durchführen kann, die angeblich immer noch im Raum stehen.

Lassen Sie mich noch kurz den letzten Trümmerhaufen erwähnen, nämlich das völlig zerrüttete Verhältnis zu den Wohlfahrtsverbänden, denen Sie

die Sozialpartnerschaft im Wesentlichen aufgekündigt haben - mit dem Gipfel, dass bei der 60Jahr-Feier weder eine Ministerin noch der Staatssekretär vertreten waren.

Meine Damen und Herren, die Menschen im Land merken, was sie von Ihrer Art Sozialpolitik zu halten haben. Wer mit einem Lächeln und Geschichten erzählend durch die soziale Landschaft fährt und sie hinter sich in Trümmer schlägt, kommt auf Dauer damit nicht durch, meine Damen und Herren. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Jetzt hat Herr Böhlke von der CDU das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der zur Verabschiedung anstehende Einzelplan 05 macht deutlich: Ein soziales Niedersachsen steht nicht im Widerspruch zu den Konsolidierungszwängen und dem Sparwillen in der Landespolitik.

(Beifall bei der CDU)

Wir kürzen nicht nach der Rasenmähermethode, wie das Frau Helmhold hier versucht deutlich zu machen, sondern wir prüfen sehr genau und entscheiden dann, wer vom Land bekommt - Geld, das aufgenommen werden muss. Es gibt auch keinen Vertrauensbruch im Zusammenhang mit dem Landesblindengeld, verehrte Kollegin. Wir haben in der Tat nach langer und ausführlicher Diskussion beschlossen, einen Systemwechsel beim Landesblindengeld herbeizuführen, nämlich darauf zu achten, dass nicht unabhängig vom Einkommen und Vermögen der Betroffenen entsprechende Gelder gezahlt werden. Wir achten sehr wohl darauf, dass diejenigen, die ein geringes Einkommen haben, weiter entsprechend gefördert und unterstützt werden. Das ist Sozialpolitik, die wir uns auch leisten können und die wir im Sinne der Schwächeren in unserer Gesellschaft auch gern erbringen wollen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Im Haushalt 2006 sind einige Akzente gesetzt, beispielsweise die Förderung der Jugendarbeit. Die CDU-Landtagsfraktion hat sich mit ihrem Antrag, die niedersächsische Jugendpolitik neu aus

zurichten, bereits im Laufe des Jahres dafür eingesetzt, dass das Jahr 2006 zum „Jahr der Jugend“ erklärt wird. Im Haushalt finden sich 250 000 Euro, mit denen wir die finanziellen Voraussetzungen dafür schaffen, dass wir besondere Veranstaltungen und Initiativen in diesem Rahmen ermöglichen können.

Ziel moderner Jugendpolitik muss sein, die Jugendlichen auf ihrem Weg zu mündigen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern zu unterstützen und den Jugendlichen entsprechende Hilfestellung zu gewährleisten, um ihre Persönlichkeit zu entwickeln; denn bekanntlich sind starke Persönlichkeiten weniger anfällig für Sucht, Gewalt und politischen Radikalismus. Mit dem „Jahr der Jugend“ wird deutlich: In Niedersachsen werden junge Menschen ernst genommen. Ihre Arbeit ist uns wichtig; sie wird entsprechend gefördert, unterstützt und anerkannt.

Die 44 Pro-Aktiv-Zentren in Landkreisen und kreisfreien Städten sowie die von uns geförderten über 100 Jugendwerkstätten bieten benachteiligten jungen Menschen wertvolle und erfolgreiche Unterstützung bei der beruflichen Eingliederung. Mehr als 18 000 junge Menschen haben im vergangenen Jahr dieses Angebot in Anspruch genommen, und mehr als die Hälfte von ihnen konnte in eine Ausbildung, eine Beschäftigung oder eine weiterführende Qualifizierungsmaßnahme vermittelt werden. Das ist ein gutes Ergebnis. Es macht deutlich, dass diese Mittel auch weiterhin zur Verfügung stehen müssen, damit wir hier unseren Beitrag leisten können.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Entsprechend finden sich 15,2 Millionen Euro im Haushalt; dazu kommt noch die Kofinanzierung durch die Europäische Union mit etwa 20 Millionen Euro. Ich finde, das ist ein guter Ansatz bei der Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit.

Als weiteres Stichwort in dem Zusammenhang nenne ich die Schuldnerberatung. Hier ist auch vor dem Hintergrund der Arbeitslosigkeit und der stetig steigenden Zahl von Privatinsolvenzen ein Akzent zu setzen. Insbesondere benachteiligte Jugendliche haben es schwer, die Schuldenspirale zu vermeiden bzw. sich aus einer Schuldenspirale zu befreien. Deshalb stellen wir in diesem Haushalt 100 000 Euro für die Schuldnerberatung junger Menschen zur Verfügung. Die Beratung junger Schuldner soll über den Bereich PACE erfolgen.

Hier sollen Beratungs- und Hilfsangebote entstehen, die frühzeitig eingreifen und eine schicksalhafte Entwicklung rechtzeitig stoppen.

Nicht unerwähnt bleiben sollte auch, dass wir im Rahmen der freiwilligen Leistungen 20 000 Euro zusätzlich für die niedersächsische AIDS-Hilfe zur Verfügung stellen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die erhöhten Mittel, die wir trotz der angespannten Finanzlage des Landes, auf die bereits mehrfach hingewiesen worden ist, als so genannte freiwillige Leistungen in Höhe von 47 Millionen Euro im Haushalt bereitgestellt haben, machen deutlich: Wir wollen bewusst und sehr bedacht in diesem Haushaltsplan entsprechende Akzente setzen und bieten somit Zuwendungsempfängern und engagierten Menschen im Sozialbereich entsprechende Unterstützung für ihre Arbeit.

Im Bereich Pflege möchte ich noch einmal darauf aufmerksam machen, dass wir mit der Vorgabe erfolgreich vorankommen, dass die Investitionskostenförderung nach dem niedersächsischen Pflegegesetz entsprechend wahrgenommen wird. Die Förderung stärkt die häusliche Pflege und hilft, dauerhafte Heimaufenthalte zu vermeiden.

(Beifall bei der CDU)

Dafür haben wir rund 3,5 Millionen Euro zusätzlich in den Haushalt aufgenommen, sodass hier insgesamt 40 Millionen Euro zur Verfügung stehen. Bei der Anpassung schlägt vor allem die in den letzten Jahren gestiegene Inanspruchnahme von eingestreuter Kurzzeitpflege zu Buche.

Ein anderes Stichwort ist die Städtebauförderung. In diesem Haushalt ist erkennbar, dass die im Jahr 2005 ausgesetzte Förderung nunmehr wieder aufgenommen wird. Wir haben für das Normalprogramm Mittel in Höhe von 10,2 Millionen Euro und für das Programm „Soziale Stadt“ noch einmal 6,4 Millionen Euro zur Verfügung gestellt.

(Beifall bei der CDU)

Mit dieser Kofinanzierung steht eine Summe von knapp 50 Millionen Euro für Städtebauförderungsinvestitionen zur Verfügung. Damit ziehen die in diesem Bereich investierten Gelder der öffentlichen Hand in Niedersachsen das etwa Siebenfache der vergleichbaren privatwirtschaftlichen Investitionen nach sich.

Weiterhin sollen für die Krankenhausinvestitionen gemäß den haushalterischen Voraussetzungen zur Finanzierung der laufenden Baumaßnahmen im Jahre 2006 rund 80 Millionen Euro an die Krankenhausträger ausgezahlt werden. Rund weitere 100 Millionen Euro wurden für die Wiederbeschaffung kurzfristiger Anlagegüter, für Pachten, Mieten und Darlehenslasten bewilligt. Im Haushalt für das Jahr 2006 stehen damit insgesamt 181 Millionen Euro für Krankenhausinvestitionen zur Verfügung. Damit sichern wir die Krankenhausversorgung sowohl in den Zentren als auch, was uns sehr am Herzen liegt, in der Fläche. Das ist eine herausragende Leistung, die einen besonderen Schwerpunkt der Sozialpolitik darstellt. In diesem Zusammenhang möchte ich daran erinnern, dass wir für diese Legislaturperiode ca. 100 Millionen Euro mehr für Krankenhausinvestitionen zur Verfügung stellen werden sowie im Investitionsvolumen für die Jahre 2004 bis 2007 noch einmal eine Verpflichtungsermächtigung in Höhe von 480 Millionen Euro. Das sind gute Voraussetzungen, um eine entsprechende Sozialpolitik im Krankenhausbereich zu gewährleisten.

(Beifall bei der CDU und Zustimmung bei der FDP)

Zum Abschluss noch ein Wort zur Privatisierung der Landeskrankenhäuser. Frau Helmhold hat in diesem Zusammenhang von „Trümmern“ gesprochen. Ich frage mich ganz ernsthaft, ob das wirklich die richtige rhetorische Wahl war.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Ja!)

Ich empfinde das, was Sie hier vorgetragen haben, als Trümmerbruch; denn hier steht immer wieder deutlich, sowohl von der Ministerin als auch von den zuständigen Stellen