Protocol of the Session on October 7, 2005

Zur Wort gemeldet hat sich der Kollege Hagenah. Bitte schön!

(Vizepräsident Ulrich Biel über- nimmt den Vorsitz)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die nicht nur aufgrund steigender Rohstoffpreise, sondern auch wegen monopolartiger Marktbeherrschung auf immer neue Höhen getriebenen Energiepreise sind inzwischen eine schwere Belastung für Wirtschaft und Privatkunden bei uns. Damit zeigt sich, wie richtig und notwendig die von Rot-Grün eingeleitete Energiewende mit dem massiven Ausbau der Energieerzeugung aus regenerativen Quellen und die Förderung der Energieeinsparung für unsere Zukunft ist.

(Beifall bei den GRÜNEN - Bernd Althusmann [CDU]: Das ist doch die Ursache dafür!)

Dieser Weg ist ohne Alternative. Aber leider wird es bei uns noch viele Jahre eine überwiegende Abhängigkeit von fossilen Energieträgern geben. Die endlich begonnen Arbeit der Regulierungsbehörden auf der Bundesebene, die Bundesnetzagentur und das Bundeskartellamt, die mehr Wettbewerb und Flexibilität in den Strom- und Gasmarkt bringen wollen, ist daher für unser Land von großer Bedeutung und verdient unsere volle politische Unterstützung.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Leider ist durch die gescheiterten Verhandlungen über die zeitliche Begrenzung der Lieferverträge zwischen Ferngasunternehmen und Stadtwerken in der vorigen Woche die Aussicht auf eine schnelle Änderung zugunsten z. B. der Gaskunden vorerst in weite Ferne gerückt. Auch die Koppelung des Gaspreises an den Ölpreis hält das Bundeskartellamt zu Recht für überholt. Allein die Tatsache, dass nicht alle Gasimportverträge diese Koppelung enthalten, spricht gegen die zwangsläufige Notwendigkeit.

Die jetzt offensichtlich noch eine ganze Zeit ungebremst weiterlaufenden enormen Gaspreissteigerungen können wir aber im Interesse der niedersächsischen Gasverbraucher nicht tatenlos hinnehmen; das müssen wir auch nicht. Mit der im Mittelstandsreferat des Wirtschaftsministeriums angesiedelten Kartellbehörde steht der Landesregierung ein wirkungsvolles Instrument zur Verfügung, die Preisbildung der Gasversorger kritisch zu überprüfen und gegebenenfalls auch zu begrenzen. Ihr gegenüber muss offen gelegt werden, ob allein unabwendbare Preisentwicklungen des Weltmarktes an die Kunden weitergegeben werden oder ob jeweils auch eigene Aufschläge von Vorlieferanten und regionalen Verteilern als Mitnahmeeffekte mit in die Preise eingerechnet wurden.

Dass dies in der Vergangenheit nicht immer verhindert werden konnte, belegen die bei einigen Versorgern in Bund und Land immer weiter sprunghaft ansteigenden Gewinne. Solange das Bundeskartellamt noch keine kürzeren Vertragslaufzeiten beim Gas durchsetzen kann und die Kopplung von Öl- und Gaspreis nicht beendet ist, müssen die Landeskartellbehörden deshalb umso genauer und hartnäckiger für faire Marktbedingungen bei uns sorgen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Aktuell, Minister Hirche, rühmt sich Ihr hessischer Amtskollege, Wirtschaftsminister Riehl, durch ein solches hartes Durchgreifen mit mehr als einem Dutzend kartellrechtlichen Verfahren und angedrohten Klageverfahren die Gaspreisrunde in seinem Land derzeit auf ein Minimum reduziert zu haben. Alois Riehl hat allerdings auch allen Grund, besonders energisch zu erscheinen; denn als Verhandlungsführer der unionsgeführten Länder hat er vor einigen Monaten im Vermittlungsausschuss maßgeblich dafür gesorgt, dass die von Rot-Grün vorgeschlagenen schärferen Durchgriffsrechte für

die Netzagentur weichgespült wurden. Auch Sammelklagen von Verbraucherverbänden wurden von der Union damals aus dem Gesetz gestrichen.

Da ist es schon ein Hohn, dass wegen dieser von den CDU zu verantwortenden Rechtslage nun in Niedersachsen unter Führung des CDU-Kollegen Beckmann, den ich jetzt nicht im Raum sehe

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Der läuft sich schon warm!)

- es wäre gut, wenn er am Lautsprecher zuhören würde -, der Verein Haus & Grund Hannover just für solche gemeinsamen Klagen wirbt. Sie protestieren da praktisch gegen sich selbst, Herr Beckmann, wo auch immer Sie im Augenblick im Hause sein mögen.

Kollege Beckmann, meine sehr verehrten Damen und Herren von CDU und FDP, noch ein dezenter Hinweis: Die von Ihnen getragene Landesregierung kann alle Preise, gegen die Ihr Kollege zu Recht die aufgebrachten Unternehmer und Hausbesitzer versammeln will, überprüfen und klären, ob sie in Ordnung sind. Wozu also seine Aufregung? Er müsste eher den Minister auffordern, entsprechend tätig zu sein.

Dabei ist die Gaspreisentwicklung in Hannover - hier spielt ja der Fall von Haus und Grund - im Verhältnis z. B. zu den Forderungen der EWE im Landkreis Leer sogar noch relativ moderat. Bei der EWE in Leer sollen es nämlich innerhalb von zwölf Monaten sogar 29 % sein, die auf den Gaspreis aufgeschlagen werden. Angesichts der gleichzeitigen Erhöhung der Dividende und der Rücklagen bei der EWE verstehe ich da auch die einstimmigen Beschlüsse des Kreistages gegen diese Abzocke; einstimmig: also auch CDU und FDP sind da sehr skeptisch.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Uns wundert schon, warum die Landeskartellbehörde hier und auch an anderen Orten in der aktuellen Preisrunde bisher nach außen nicht erkennbar mäßigend eingreift. Wir sehen dringenden Handlungsbedarf, im Interesse der Kunden, aber vor allem auch zur Erneuerung der Vertrauensbasis zwischen Verbrauchern und Lieferunternehmen.

Noch im März hatte Ihr Haus, Minister Hirche, über Vorermittlungen in 16 Fällen anlässlich der Preisrunde im letzten Winter berichtet, die alle einge

stellt werden konnten, weil man sich bei der Preisbildung auf das wirtschaftlich Unabweisbare verständigt hatte. Auch jetzt brauchen die Menschen in Niedersachsen Klarheit. Hat EWE auch heute tatsächlich nur das Unabweisbare auf den Preis für das Gas aufgeschlagen, Herr Minister? 29 % in zwölf Monaten! Der Kreistag in Leer hat parteiübergreifend erhebliche Zweifel. Wir finden, die muss das Land, die muss Ihr Haus, Minister Hirche, dringend ausräumen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für die CDU-Fraktion hat nun der Abgeordnete Dinkla das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Derzeit vergeht kein Tag, ohne dass man von Bürgern und Unternehmen auf die stetige und hochgradig ärgerliche Steigerung der Energiepreise angesprochen wird. Verbraucher und nicht zuletzt die heimische Wirtschaft und Industrie leiden unter den drastischen Preissprüngen bei Strom, Gas und Kraftstoffen. Wettbewerbsfähige Energiepreise sind für eine Volkswirtschaft Grundvoraussetzung.

(Christian Dürr [FDP]: Sehr richtig!)

Aber auch Millionen von Privatverbrauchern stöhnen und blicken sorgenvoll auf die nächsten Abrechnungen der Energieversorger, weil insbesondere für die Bezieher unterer Einkommen die Schmerzgrenze erreicht ist.

Energie muss in diesem Lande bezahlbar bleiben. Deshalb ist es die Pflicht der Politik, Sorgen aufzunehmen, vermeintliche Fehlentwicklungen anzusprechen und auch überprüfen zu lassen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Fast nirgendwo in Europa ist Energie so teuer wie in Deutschland. Dies aber allein den Energieunternehmen anzulasten, wäre auch falsch.

(Bernd Althusmann [CDU] und Chris- tian Dürr [FDP]: Sehr richtig! - Zuruf von Meta Janssen-Kucz [GRÜNE])

Die staatlich verursachten Belastungen der Energie sind in Deutschland von rund 2,2 Milliarden Euro im Jahre 1998 um das über Fünffache auf mehr als 12 Milliarden Euro angestiegen.

(Beifall bei der CDU)

Allgemein ist zu bemerken, meine Damen und Herren, dass Gaspreise keiner energierechtlichen Aufsicht unterliegen. Eingriffsmöglichkeiten haben lediglich - das haben Sie auch gesagt, Herr Hagenah - die Kartellbehörden, die gegen einen etwaigen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung der Gasversorgungsunternehmen vorgehen können. Das Bundeskartellamt hat ja auch angekündigt, nachdem die Verhandlungen mit den großen Energiekonzernen nicht erfolgreich waren, die langfristigen Lieferverträge der deutschen Ferngasunternehmen mit regionaler Weiterverteilung, insbesondere den Stadtwerken, zu verbieten.

In Niedersachsen hat die Tarifpreisaufsicht bereits in der Vergangenheit dazu beigetragen, dass das Tarifpreisniveau der Energieversorger im Vergleich zu den anderen Ländern insgesamt als günstig anzusehen ist. Dazu haben nicht zuletzt Vorermittlungsverfahren gegen 16 Unternehmen nach einem Preisvergleich im Jahre 2004 beigetragen, die allesamt nach erfolgreichen Gesprächen eingestellt werden konnten.

Der Landeskartellbehörde im Niedersächsischen Wirtschaftsministerium obliegt es, im Rahmen der Missbrauchsaufsicht gegen die Preisgestaltung der Energieversorgungsunternehmen im Gasbereich tätig zu werden. Dabei ist die Behörde in ihren Ermittlungen selbstständig und unabhängig. Sie hat aber auch weitreichende Ermittlungs- und Verfahrensmöglichkeiten. Mit der Erfüllung ihrer Aufsicht wird die Landeskartellbehörde - so hat es das Niedersächsische Wirtschaftsministerium mitgeteilt - in Kürze erneut einen Gaspreisvergleich durchführen und gegebenenfalls die entsprechenden Maßnahmen einleiten. Damit wäre in Niedersachsen wie in anderen Bundesländern - Herr Hagenah, Sie haben die anderen Bundesländer, z. B. Hessen, angeführt - die Preiserhöhung auf einen etwaigen Missbrauch bzw., wenn Sie so wollen, auf eine kreative Preisgestaltung intensiv überprüft.

Insofern ist das, was in dem vorliegenden Antrag steht, eine Selbstverständlichkeit und praktizierte Politik innerhalb der Landesregierung von CDU und FDP.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich erwarte und bin mir auch sicher, dass die Landeskartellbehörde Niedersachsen gerade angesichts der sehr emotionalen und hochpolitischen

Ausgangslage, angesichts der Ankündigung von Zahlungsverweigerung durch Kommunen und Privatabnehmer auch aufgrund des Wunsches der Verbraucherorganisationen nach Offenlegung der Kalkulation und angesichts der öffentlich geführten Diskussionen über die Bezüge von Aufsichtsräten, Ausschüttungen, Gewinne usw. eine sehr sorgfältige Überprüfung vornehmen wird.

Aber, meine Damen und Herren, ich will auch darauf hinweisen, dass in der öffentlichen Diskussion auch Dinge thematisiert werden, die innerhalb der Gesellschaft und der Anteilseigner geklärt werden müssen und keiner Aufsicht unterliegen. Das Ergebnis solcher Kartellverfahren ist übrigens auch keine Preisgenehmigung, sondern stellt, wenn Sie so wollen, eine Preisobergrenze dar. Die Landeskartellbehörde hat ja nur Einfluss auf die Preisstruktur, indem sie gegebenenfalls Preisspitzen abschneidet. Über die Gaspreise, über die Verwendung der Gewinne, über die Gehaltsstrukturen in den Unternehmen und auch über die Entschädigungen für die Mitarbeit in entsprechenden Gremien entscheiden Geschäftsleitung und Eigentümer, also in vielen Fällen in Niedersachsen auch Kommunalpolitiker.

Dennoch würde ich mir wünschen, dass die Versorgungsunternehmen in Niedersachsen und die Repräsentanten erkennen, dass in schwierigen Zeiten, in denen in vielen Haushalten jeder Euro umgedreht werden muss, bevor er ausgegeben wird, und viele mittelständische Unternehmen auch Zukunftssorgen haben, jede Unternehmensentscheidung, einschließlich der Preiserhöhung, auch wenn sie berechtigt und möglicherweise unvermeidbar ist, Folgewirkungen bis in jedes Haus hat und auch dementsprechend sensibel beobachtet wird.

Erklärt werden muss sicherlich schon, weshalb es Preisdifferenzen von über 30 % für Gaskunden gibt. Die aktuelle Untersuchung von Plusminus belegt das ja auch. Der Preisanstieg, der in den einzelnen Bundesländern zwischen 6 und 40 % liegt, muss schon mit einem Fragezeichen versehen werden.

Eine zügige und intensive Überprüfung durch die Kartellämter müsste eigentlich auch im Interesse der niedersächsischen Unternehmen liegen. Schließlich steht derzeit der ganze Wirtschaftszweig quasi unter Generalverdacht, die Preise weiter hochzutreiben. Die Bildung der Gaspreise darf insoweit, meine Damen und Herren, kein Ge

heimnis bleiben. Entweder ist die Kalkulation logisch und betriebswirtschaftlich nachvollziehbar, dann ist und bleibt es eine ärgerliche Entwicklung, die letztendlich auch eine Konjunkturbremse darstellt, die aber eben nicht verhindert werden kann. Oder es bestätigen sich Hinweise auf willkürliche, übertriebene Preiserhöhungen in einem abgeschotteten Markt, was ich nicht hoffen will. Dann würden sich leider die Mahner und Kritiker bestätigt sehen, die von der Illusion des Wettbewerbs im Energiemarkt sprechen.

Es bleibt auch zu hoffen, dass die Novellierung des Energiewirtschaftsrechts im Ergebnis zu mehr Wettbewerb im Gasmarkt führt. Hierbei besteht zweifellos Nachholbedarf.

Zudem gibt es noch eine Reihe von Punkten, die nicht Gegentand des Antrages sind, die aber dennoch in einem engen Zusammenhang mit der Preisentwicklung im Energiesektor stehen. Die Frage - Sie haben das ja auch angesprochen, Herr Hagenah -, ob die Bindung des Gaspreises an den Ölpreis noch zeitgemäß ist und ob der Wegfall der Preisbindungsklauseln wirklich dauerhaft niedrigere Preise bringen kann, wird nach wie vor unterschiedlich beurteilt.

(Walter Meinhold [SPD]: Wird er nicht!)

Die ursprüngliche Begründung für die Preisbindung ist heute sicherlich nicht mehr zeitgemäß; das ist keine Frage. Aber dass sich die Gaspreise ohne die Preisbindungsklauseln doch an den Spotpreismärkten für Öl orientieren würden, ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Die Praxis zeigt das ja auch. Eine Sicherheit und Garantie für sinkende Gaspreise nach dem Fortfall der Preisbindung besteht insoweit nicht - so schnell und dringlich der Wegfall der Preisbindung jetzt auch gefordert wird.

Sorgen machen müsste uns eigentlich eine wachsende Abhängigkeit in Europa und besonders in Deutschland. Über 80 % von dem Gas, das in Deutschland verbraucht wird, muss importiert werden. Davon liefern nur drei Produzenten 75 %. Das macht deutlich, wie das in der Realität aussieht.

Stichwort „Netznutzungsentgelte“: Wenn die Netznutzungsentgelte etwa ein Drittel des Endverbraucherpreises ausmachen, dann wird ja bald geklärt sein, ob es die vom Präsidenten der Bundesnetzagentur Kurth erwarteten Potentiale für die Senkung der Netznutzungsentgelte geben wird oder

nicht. Ende Oktober beginnt die Überprüfung für Stromversorger, Ende Januar für Gasversorger. Das könnte gegebenenfalls zu einer Entlastung führen. Schätzungsweise 18 Milliarden Euro fallen zurzeit bundesweit für die Netznutzungsentgelte an. Das ist eine enorme Größenordnung.