Protocol of the Session on June 23, 2005

Einen Augenblick, bitte. - Herr Bode, wir hätten nichts dagegen, wenn sich Ihre Mitarbeiterin hinstellt oder Sie mit ihr hinausgehen.

(Björn Thümler [CDU]: Das ist nicht seine! Das ist unsere!)

Herr Aller, bitte!

Wenn man die im Laufe der Zeit deutlich gewordenen Zahlen vergleicht, stellt man fest, dass Bayern in dem Zeitraum, in dem das arme Niedersachsen über 500 Millionen Euro aus Steuerhinterziehungen eingefahren hat, 311 Millionen Euro in die Kasse gebracht hat. Das um 50 % bevölkerungs

reichere Bayern bringt deutlich weniger Steuern in die Kasse als das ärmere Flächenland Niedersachsen. Das muss einen Finanzminister eigentlich stutzig machen. Da spricht einiges dafür, dass nicht mit gleicher Elle gemessen wird.

Das Gleiche gilt für die Frage, wann die Strafverfolgungsbehörden tätig geworden sind: in Bayern rund 3 000-mal und in Niedersachsen im gleichen Zeitraum 15 000 Zugriffe. Das macht deutlich, dass auch hier offensichtlich mit unterschiedlicher Elle verfahren wird. Wenn sich das dann in 2,6 Milliarden Euro weniger Einnahmen insgesamt auswirkt, dann kann ein armes Land wie Niedersachsen nicht tatenlos zusehen, wie die reicheren Bundesländer ihrer Verpflichtung in der Solidarität der Länder nicht nachkommen.

Ich habe nur wenige Zahlen genannt, weil der Finanzminister in Niedersachsen erklärt hat, die Vergleichsmaterialien, die wir haben, seien vertraulich zu behandeln. Ich halte das für ein Unding. Wenn ich im Internet und im Bericht des Bundesrechnungshofs nachgucke, finde ich überall Zahlen, die hier in Niedersachsen plötzlich für vertraulich erklärt werden, aber das Handwerkszeug dafür sind, den Nachweis zu erbringen, dass dieser Finanzminister offensichtlich billigend in Kauf genommen hat, dass Niedersachsens Anteil aus diesen 690 Millionen Euro, aber auch aus dem, was im Übrigen beigebracht worden ist, überproportional bei den Ländern bleibt, die finanzstärker sind und ihrer Pflicht nicht nachkommen.

Ich sage das so deutlich, weil Niedersachsen, wenn man das halbwegs nachrechnen und über die Faustregeln bestimmen will, weit über 100 Millionen Euro aus dieser Operation Bankenfälle verloren gehen, die von den anderen Bundesländern nicht in der nötigen Konsequenz verfolgt worden sind.

Ich weiß sehr wohl, dass jetzt gesagt wird: Waren Sie nicht Finanzminister zu der Zeit, als das losgegangen ist? - Da gebe ich Ihnen Recht. Ich war Finanzminister. Aber wir haben aus Niedersachsen Mehrheiten gegen den Widerstand des Bundes und gegen den Widerstand anderer Bundesländer geschmiedet und haben ein Gesetz durchgesetzt, um die Aufbewahrungsfrist für Beweismaterial zu verlängern. Nur so war es überhaupt möglich, an die Milliarden heranzukommen, die hinterzogen worden sind. Gegen den Widerstand einiger Bundesländer ist das Tableau erstellt worden, das es erstmals in dieser Zeit möglich gemacht hat, auch

den Bayern Zahlen abzuverlangen, die sie nicht auf den Tisch legen wollten. Das Ergebnis ist offensichtlich, dass Bayern im Konzert der Bundesländer so etwas wie eine steuerpolitische Oase ist und die Steuerzahler pflegt, ob es die Wirtschaft, Private oder Steuerhinterzieher sind. Das kann so nicht sein.

(Beifall bei der SPD)

Das Steuerrecht ist in der Bundesrepublik einheitlich zu vollziehen. Das muss sich letztendlich auch am Zahlenwerk deutlich machen.

Wir haben also gesagt: Finanzminister, leg die Zahlen offen, diskutier mit uns über die Schwachstellen, die bei den Bankenfällen aufgetreten sind, erarbeite mit uns zusammen Möglichkeiten, im föderalen Aufbau der Steuerverwaltung Lösungen zu finden, dass in Bayern wie in MecklenburgVorpommern, aber auch in Niedersachsen nach den gleichen Methoden die Steuern erhoben, festgesetzt und vollzogen werden!

Der Finanzminister hat gesagt: Es gibt keinen Handlungsbedarf! - Wenn es bei 2,6 Milliarden Euro zulasten der Bundes- und Länderkassen keinen Handlungsbedarf gibt, dann lebt dieser Finanzminister in einer völlig verkehrten Welt. Deshalb wollen wir ihn rügen und auffordern, die Zahlen und Fakten auf den Tisch zu legen. Ich bitte um Zustimmung zu diesem Antrag.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Für die Landesregierung hat nun Herr Minister Möllring das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe schon bei der ersten Beratung gesagt: Solche Statistiken gibt es nicht. Es macht auch keinen Sinn, Herr Aller, sieben Jahre nach Beginn der Bankenverfahren jetzt 16 Finanzministerien zu zwingen, manuell Daten zu erheben, die es von Anfang an nicht gegeben hat. Dann wäre es sicherlich sinnvoll gewesen, wenn sich die damals tätigen Finanzminister meinetwegen darauf

geeinigt hätten, dass man das in dieser oder jener Form erhebt, und der Bundesfinanzminister vielleicht darauf gedrungen hätte. Ich halte das nicht für zielführend. Aber wenn Sie mir jetzt aus der Opposition heraus vorwerfen, dass das vor sechs oder sieben Jahren nicht passiert ist, dann finde ich das schon ein bisschen merkwürdig.

(Beifall bei der CDU)

Dann müssen Sie sich schon vorhalten lassen, dass Sie damals die Verantwortung getragen haben.

Sie zitieren hier aus einer Übersicht, die wir Ihnen zur Verfügung gestellt haben. Die letzten Daten haben wir Ihnen noch heute Mittag gegeben, die Sie angefordert haben. Wir sind da völlig offen Ihnen gegenüber. Nur, wir sagen Ihnen auch, dass diese Daten nicht vergleichbar sind, weil sie zum Teil auf Schätzungen und zum Teil auf konkreten Erhebungen beruhen und zum Teil ganz unterschiedlich erhoben werden.

Sie haben eben einen Vorwurf gegenüber den Bayern erhoben. Ich möchte Ihnen dazu ein Schreiben des Bayerischen Staatsministers der Finanzen vom 25. Juni 2004 an den Bundesinnenminister vorlesen, der gesagt hat, wie er es gemacht hat. Er hat nämlich gesagt: Der größte Teil der im Massenverfahren erstellten Kontrollmitteilungen aus Bankenverfahren und die Selbstanzeigen wurden nicht mehr von der Steuerfahndung bearbeitet, damit deren Kapazität auf die Großfälle und die Fälle mit notwendigen strafprozessualen Maßnahmen konzentriert werden konnte. - Das ist auch logisch. Wenn sich jemand selbst anzeigt, muss ich nicht mehr die Steuerfahndung hinter ihm herschicken, sondern dann kann das ganz normale Veranlagungsfinanzamt dies machen. Dann wird es statistisch anders erfasst, als es beispielsweise bis vor kurzem noch in Hessen der Fall gewesen ist, wo die Steuerfahndung das bis zum Schluss abgearbeitet hat und der hessische Kollege jetzt endlich durchgegriffen und gesagt hat: Die einfachen Fälle, die Massenfälle, kann das Veranlagungsfinanzamt machen, dafür brauchen wir nicht die hoch bezahlten Staatsanwälte und Steuerfahnder. - Das ist doch ein vernünftiges Verfahren. Da es aber in jedem Land etwas anders gemacht worden ist, ist es statistisch nicht vergleichbar.

Da teilt der Bundesminister der Finanzen mit Schreiben vom 23. Juni 2005, also von heute, mit,

dass ihm diese Daten nicht vorliegen, weil er sie auch nicht erhoben hat. Er versucht jetzt, nachträglich noch die einen oder anderen zu bekommen, bezweifelt aber, dass sie alle da sind.

Solange er noch Ihr Bundesfinanzminister ist - -

(Dieter Möhrmann [SPD]: Unser!)

- Unser aller, aber aus Ihrer Partei kommend, und deshalb ein Schaden für das Land. - Ich nehme es zurück, weil Sie ein netter Mensch sind.

(Thomas Oppermann [SPD]: Kommen Sie doch einmal zur Sache, Herr Mi- nister!)

- Sie Witzbold, Herr Oppermann, Sie haben es gerade nötig.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Minister, bei dem „Witzbold“ gehe ich davon aus, dass es ein Witz war.

Selbstverständlich.

(Heiterkeit bei der CDU und bei der FDP)

Er hat einen Witz gemacht, und deshalb habe ich gesagt, er sei ein Witzbold. - Entschuldigung, wenn das beleidigend war, nehme ich das mit dem Ausdruck des tiefsten Bedauerns zurück.

(Heiterkeit bei der CDU - Wolfgang Jüttner [SPD]: Das war jetzt aber auch ein Witz!)

Da Ihnen offensichtlich die Oppositionsarbeit hier im Hause nicht ausreicht, wollen Sie demnächst Opposition in Berlin machen. Herzlichen Glückwunsch!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Der Bundesfinanzminister schreibt in dem Schreiben vom 23. Juni 2005, Herr Aller,

„dass die obersten Finanzbehörden der Länder in den so genannten Bankenfällen ihren Pflichten in ausreichendem Maße nachgekommen sind,

woran ich aufgrund ihrer bisher gemachten Aussagen nicht zweifle.“

Er sagt hier also, dass er völlig davon überzeugt ist, dass die Finanzbehörden in den einzelnen Ländern in vollem Umfang ihre Pflicht getan haben. Das haben sie auch getan. Das lässt sich auch nachweisen, zumindest in Niedersachsen. Wenn Sie sich die Statistik anschauen und mit den Kollegen reden, und zwar unabhängig davon, welcher Partei die jeweiligen Finanzminister angehören, dann stellen Sie fest, dass hier saubere Arbeit gemacht worden ist. Sie wissen, dass das Millionen von Fällen waren. Diese sind zu 98 % abgearbeitet. Ich finde, dafür sollten wir den Beamten wirklich dankbar sein.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Für die CDU-Fraktion hat nun der Abgeordnete Thul das Wort. Ich erteile es ihm.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In den letzten zehn Minuten haben mir zwei Dinge besonders gut gefallen, Herr Aller. Das Eine war Ihr Lob an unseren Finanzminister. Das Zweite, was mir sehr gut gefallen hat, war das befreiende Lachen in Ihren Reihen auf den Hinweis von Silke Weyberg, dass Sie es in zwei Monaten in Berlin überstanden haben. Das hat mir richtig gut gefallen. Machen Sie weiter so.

(Zuruf von der SPD: Wahrnehmungs- probleme!)

Was den vorliegenden Antrag der SPD-Fraktion angeht, so hätte ich mir gewünscht, dass Sie das Ganze ohne weitere Kommentierung gleich zu Beginn zurückgezogen hätten; dann hätten Sie sich die Dinge erspart, die Sie sich bereits in den Fachausschusssitzungen haben anhören können und die Sie heute noch einmal gesagt bekommen; denn wir werden - das kann ich als Fazit vorwegnehmen - diesen Antrag ablehnen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Damit ereilt diesen Antrag der SPD-Fraktion das gleiche Schicksal wie viele andere, die ebenso unausgegoren waren, Herr Aller.

(Unruhe - Zurufe - Glocke des Präsi- denten)