Protocol of the Session on June 22, 2005

In Celle haben wir am Freitag einen interessanten Disput gehört. Da sagt Herr Wulff zu Herrn Plog: Der NDR gehört doch nicht ihnen, Herr Plog. Darauf sagt Herr Plog zu Herrn Wulff: Aber ihnen auch nicht, Herr Wulff.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Jetzt lese ich Ihnen einmal vor, was Herr Wulff in der FAZ, Ausgabe vom 4. Mai 2005, dazu sagt:

„Dieser NDR ist unser NDR. Er gehört den Gebührenzahlern Norddeutschlands, vertreten durch die Ministerpräsidenten und den Bürgermeister von Hamburg.“

Meine Damen und Herren, das ist das Modell der Staatsferne bei Herrn Wulff.

(Beifall bei der SPD - David McAllister [CDU] lacht)

Nicht die Vielfalt der gesellschaftlichen Gruppen macht Staatsferne aus, sondern Herr Wulff ist zugleich Staat und Staatsferne. Es geht Ihnen nicht um die Programmsouveränität,

(Bernd Althusmann [CDU]: Da lachen sogar Ihre Genossen!)

sondern es geht Ihnen um Intervention durch die Kommissare aus den Staatskanzleien, die in Zukunft die Debatte dort bereichern sollen.

Zur Zusammensetzung des Rundfunkrates: Er soll kleiner, aber feiner werden.

Herr Jüttner, Sie müssen zum Schluss kommen.

Sozialverbände, Gewerkschaften, Umweltverbände und dergleichen gesellschaftliche Randgruppen sollen vor die Tür gesetzt werden. Darauf kommt es Ihnen an. Es geht nicht um die Arbeitsfähigkeit des Gremiums Rundfunkrat, sondern um den Durchgriff auf Personalentscheidungen und auf das Programm.

(Bernd Althusmann [CDU]: Sie schei- nen sich da auszukennen!)

So verwundert es auch nicht, dass im Flurfunk beim Hörfunk bereits die Namen des zukünftigen Führungspersonals in den Funkhäusern gehandelt werden - ein Personenpaket, das Ihren Einfluss sichern soll und ausgleicht, dass inhaltlich für Niedersachsen wenig Erfolg zu vermelden ist.

Herr Jüttner, Sie haben Ihre Redezeit überschritten. Sie müssen zum Schluss kommen.

Ich komme zum Schluss. - Ein gefügiger NRD im Norden hilft dem gelehrigen Kohl-Schüler bei seinem Projekt, mit dem Ernst Albrecht 1990 gescheitert ist. Ziel ist es, die Sozen von der Macht fern zu halten. Darum geht es Ihnen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD - Lachen bei der CDU und bei der FDP - David McAl- lister [CDU]: Ihr seid doch schon von der Macht! - Bernd Althusmann [CDU]: Dieses Weltbild ist entlarvend!)

Herr Jüttner, jetzt muss ich Ihnen das Wort entziehen. Sie müssen jetzt wirklich aufhören.

Sie werden merken: Das gelingt Ihnen nicht. Ich räume ein: Ihr Konzept - -

Herr Jüttner, jetzt ist Schluss. Sie müssen sich wirklich vom Rednerpult verabschieden.

(Das Mikrofon am Rednerpult wird abgeschaltet - Zuruf von Wolfgang Jüttner [SPD])

Die nächste Rednerin ist Frau Kuhlo von der FDPFraktion.

Frau Präsidentin, ich gehe davon aus, dass Sie mit der Redezeit bei der FDP genauso großzügig sein werden, wie das bei der SPD der Fall war.

(Beifall bei der FDP)

Frau Kuhlo, solche Äußerungen stehen Ihnen überhaupt nicht zu.

(Widerspruch bei der FDP)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Würde man die Bedeutung der vorliegenden Änderung des NDR-Staatsvertrages an der Lautstärke und der Aufgeregtheit messen, mit der sie vonseiten der Opposition begleitet wurde, könnte man glauben, wir bekämen ab dem 1. August ein neues Staatsfernsehen à la DDR. Zuerst hat die SPD jegliche Notwendigkeit einer Reform des NDR-Staatsvertrages geleugnet. Es hat geheißen: Alles in Butter, alles bestens. - Ganz offensichtlich fanden Sie es völlig in Ordnung, dass die Gebührenzahler den Weg ihrer Zwangsabgabe innerhalb des öffentlich-rechtlichen Senders NDR nicht nachvollziehen können und dass der Standort Hamburg für den Großteil der Produktion grundsätzlich vorrangig ist, obwohl es sich beim NDR um eine Vierländeranstalt handelt. Besonders laut und aufgeregt war dann das Geschrei, als erste Überlegungen aus der Staatskanzlei betreffend eine Veränderung der Gremienstruktur auftauchten. Wer den Verwaltungsrat verändern wolle, wolle das Prinzip der Staatsferne aufgeben

und sich den NDR zur Beute machen, so hatte Intendant Plog sinngemäß geschrieben.

In der Tat sind Größe und Zusammensetzung der Gremien neben der finanziellen Transparenz, der Stärkung der Regionalisierung bei Programm und Produktion und der regelmäßigen Berichterstattung des NDR über die Erfüllung seines Programmauftrages für die FDP das vierte Kernthema.

Was den Verwaltungsrat betrifft, der nun um die vier Vertreter der Landesregierungen erweitert wird, die von der Opposition auch Horchposten genannt werden, kann ich Sie beruhigen. Diese Regelung - der Herr Ministerpräsident hat es schon gesagt - wurde auf Anregung des Intendanten in die Novelle aufgenommen. Aus MecklenburgVorpommern hört man ein Lob dieser Regelung. Von dort heißt es nämlich: Damit wird dem von Niederachsen geäußerten Informationsbedürfnis Rechnung getragen, gerade ohne direkte politische Einflussnahme zu ermöglichen. Das ist der Originalton Ringstorff. Sie dagegen, Frau Wiegel, behaupten, der neue Staatsvertrag ermögliche unserem Ministerpräsidenten Wulff den Zugriff auf den Rundfunkrat und stelle so das Prinzip der Staatsferne infrage. So ist es in der HAZ vom 8. Juni nachzulesen. Herr Jüttner, wenn Sie dem Intendanten am vergangenen Freitag in Celle - wir saßen ja zufällig nebeneinander - zugehört hätten, wüssten Sie, dass er gesagt hat, bei der möglichen Annäherung an die Grenzen der Staatsferne bliebe die Vertragsnovelle weit hinter ihren Möglichkeiten zurück. An anderer Stelle sagte er: Die Bedenken, die wir ursprünglich hatten, sind ausgeräumt.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch einmal auf die Größe und Zusammensetzung des Rundfunkrates nach § 17 zu sprechen kommen. Es mag durchaus schwer sein, unter den vier Ländern und angesichts der Vielzahl von Ansprüchen aus Verbänden, Vereinen und Lobbygruppen eine ausgewogene Verkleinerung zustande zu bringen. Ich für meine Fraktion möchte aber doch sagen, dass wir hier ehrgeizigere Ziele anstreben. Die 1992 offiziell wegen des Beitritts des vierten Landes - Mecklenburg-Vorpommern - vorgenommene Vergrößerung des Gremiums von 32 auf 58 Mitglieder bedeutete eine Aufblähung um über 80 %. Schon damals wären 42 oder 43 Mitglieder genug gewesen. Unter heutigen Bedingungen meinen wir, dass höchstens 40 Mitglieder genug sind. Meine Damen und Herren von der Opposition, Sie sehen - ob Sie nun heute zustimmen oder

nicht -, die Diskussion bleibt spannend. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Der nächste Redner ist Herr Briese von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir begehen das Schillerjahr. Der 200. Todestag des berühmten deutschen Dichters wird in diesem Jahr in Deutschland gefeiert. Ich finde, auch der Landtag sollte sich nicht zu schade sein, das zur Kenntnis zu nehmen und diesen großen deutschen Dichter zu ehren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich finde, das ganze Theater um den NDRStaatsvertrag gibt eine gute Gelegenheit dazu. Hier nun der bescheidene Versuch einer Ode an den großen deutschen Dichter:

Zu Plog, dem Intendanten, schlich Wulff, den Staatsvertrag im Gewande, ihn schlugen die Häscher in Bande: Was willst du mit dem Vertrage, sprich? Entgegnet ihm Ringstorff, der Wüterich: Den NDR von der Staatsferne befrei’n. Das wirst du noch bitter bereu’n.

Ich bin, sprach Wulff, zu kündigen bereit und hänge nicht an den Verträgen, begreift meinen Angriff als Segen. Und wenn auch der Mahrenholz noch so laut schreit, ich bitte euch, gebt mir etwas Zeit, bis ich den NDR habe befreit von lästigen Räten - denn ich bin es leid.

Da lächeln die anderen mit arger List und sprechen nach kurzem Bedenken: Etwas Zeit woll’n wir dir schenken, doch wisse, die Staatsferne ist ein hohes Gut,

die Verfassungsrechtler werden schäumen vor Wut. Und Wulff merkt schnell: Ach, das war jetzt wohl Mist. Ich lass es lieber - soll’s bleiben, wie es ist.

Und am Ende ergreift das Volk ein Erstaunen, denn in den Armen liegen sich beide, Wulff und Plog weinen vor Freude, die sich vor kurzem noch bekämpften bis aufs Messer, wissen es auf einmal plötzlich viel besser.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Da beschleicht so manchen ein böser Verdacht: Haben sie vielleicht die Sache zu eignen Gunsten gemacht? Und die Moral von der Geschichte: Politiker sind oft eitle Wichte. Ob KMK, NDR, ob Rechtschreibreform, auch Wulff tutet gern mal ins Pressehorn. Ihn unterscheidet nun auch nicht mehr viel vom alten Sigmar-Gabriel-Stil.

(Große Heiterkeit und Beifall bei den GRÜNEN - Lachen bei der CDU und bei der FDP)

Drum, liebe Bürger, gebt gut Acht, wo ihr euer Kreuzchen macht.

(Große Heiterkeit)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das war zugegebenermaßen ein laienhafter Versuch, Schiller in das Medienzeitalter des 21. Jahrhunderts zu transformieren. Wer etwas aufgepasst hat, hat aber gemerkt, worum es geht.

(Glocke der Präsidentin - Bernd Althusmann [CDU]: Das war gerade die Glocke!)

Es war in erster Linie sehr viel Theaterdonner, den Christian Wulff, der Ministerpräsident, mit der NDR-Politik hier vom Zaun gebrochen hat. Herr Wulff hat sich bundesweit als ein harter Medienpo

litiker präsentiert. Damit hat er seinem politischen Anliegen erst einmal Genüge getan.