Nun noch ein Wort zu dem Tempo, das Frau StiefKreihe angemahnt hat. Das Tempo ist in der Politik jeweils unterschiedlich. Bürgerliche Fraktionen und Parteien machen schneller Politik als Sozialdemokraten. Das ist bekannt. Wir wollen beim Tempo
Eines ist uns aber ganz wichtig - dies soll auch ein Signal an das ganze Haus sein -: Diese EnqueteKommission wird Handlungsempfehlungen abgeben, die weit über das Jahr 2008 und auch über das Jahr 2013 hinausgehen. Auch wenn es zurzeit noch nicht einmal im Ansatz so aussieht, dass es wieder einmal zu Landesregierungen anderer Couleur in Niedersachsen kommen könnte, haben wir trotzdem ein Interesse daran, dass sich die Enquete-Kommission möglichst auf einen von einer breiten Basis getragenen Handlungsrahmen verständigt, damit alle künftigen Landesregierungen und Mehrheiten in diesem Hause auf die gesammelten Erkenntnisse zurückgreifen können. - Herzlichen Dank.
Wir kommen zur Ausschussüberweisung zu Punkt 37. Der Antrag soll zur federführenden Beratung dem Ausschuss für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit und zur Mitberatung an den Kultusausschuss, den Ausschuss für den ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz sowie den Ausschuss für Haushalt und Finanzen überwiesen werden. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Gibt es Enthaltungen? - Das ist so beschlossen.
Wir kommen dann zur Ausschussüberweisung zu Punkt 38. Hier ist vorgeschlagen worden, den Antrag an den Ältestenrat zu überweisen. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Gibt es Stimmenthaltungen? - Dann ist auch dies einstimmig so beschlossen.
Tagesordnungspunkt 39: Erste Beratung: Gesundheitliche und wirtschaftliche Schäden durch Feinstaub verhindern! - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 15/1816
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die sichtbaren Staubemissionen aus Industrieanlagen sind in den vergangenen Jahrzehnten deutlich zurückgegangen. Dieser scheinbare Fortschritt ist aber trügerisch; denn wegen der immer effektiveren Motortechnik bei Dieselkraftfahrzeugen mit höheren Verbrennungstemperaturen hat der für unsere Augen unsichtbare feine Staub in der erwähnten Zeit weiter zugenommen. Die nach Aussagen von Medizinern gefährlichsten Anteile im Feinstaub, die Mikropartikel, kommen sogar zum weit überwiegenden Teil aus diesen modernen Dieselfahrzeugen. Dieser feine Staub wird durch unsere Schutzmechanismen in den vorderen Atmungsorganen nicht aufgehalten, sondern gelangt - wie Asbest - bis in die Lungen und sogar direkt in die Blutbahn. Das macht den Feinstaub im Vergleich zu anderen Schadstoffen so gefährlich. Diese Gefährlichkeit und die damit verbundenen enormen Folgekosten im Gesundheitsbereich haben dazu geführt, dass ihm bei den Luftreinhaltezielen auf EU-Ebene die erste Priorität eingeräumt wurde.
Rußfilter sind teuer, Kranke sind teurer - das stellte die Weltgesundheitsorganisation in Berlin vorige Woche klar und forderte eindringlich, die Einhaltung der Grenzwerte auch in Deutschland sicherzustellen. Ich möchte daran erinnern: An der Grenzwertfestlegung der EU waren Bund und Länder - auch Niedersachsen - beteiligt. Ursprünglich war von der Europäischen Union Ende der 90er-Jahre sogar vorgeschlagen worden, dass schon in der ersten Phase der Grenzwert an nur 14 Tagen im Jahr überschritten werden dürfe. Alle Bundesländer haben sich schließlich auf 35 Tage geeinigt.
Herr McAllister, wenn die CDU-geführte Landesregierung es versäumt hat, die notwendige Gesundheitsvorsorge für die Bevölkerung fristgerecht zum In-Kraft-Treten der neuen Verordnung umzusetzen, dann liegt das nicht an den Grenzwerten der
Herr Minister Sander, Sie wissen genau, dass natürliche Staubbelastungen, wie z. B. das von Ihnen immer wieder zitierte Sea-Spray, aus den Messergebnissen herauszurechnen ist, wenn es um die Einhaltung der Grenzwerte geht. Hören Sie mit derartigen Bagatellisierungen auf! Niemand bestreitet, dass der gefährliche Feinstaub aus vielen Quellen stammt, zu Ostern auch mal aus Osterfeuern - klar. Obwohl der Straßenverkehr im landesweiten Mittel nur etwa ein Viertel der Gesamtbelastung ausmacht, besteht dort aber besonders großer Handlungsbedarf. Die Grenzwerte werden nämlich genau dort überschritten, wo der Straßenverkehr durch entsprechende Intensität im Ergebnis den überwiegenden Teil der Belastungen ausmacht, Herr Minister.
Besonders deutlich wird die große Rolle des Straßenverkehrs bei Grenzwertüberschreitungen an den hohen Belastungen im Zuge der Autobahnen, wozu uns aus Ihrem Hause, Herr Minister Hirche, aus Planfeststellungsunterlagen zum Ausbau der A 7 vorgerechnet wurde, dass stellenweise an 220 Tagen pro Jahr die Grenzwerte nach dem Ausbau auf sechs Spuren überschritten würden - und das im sonst so klaren Harzvorland, Herr Minister Sander. Differenzierende Untersuchungen in Berlin und München haben ergeben, dass der Feinstaubanteil aus dem Straßenverkehr an Hauptverkehrsstraßen auf mehr als 50 oder 60 % der gemessenen Feinstäube ansteigt. Deshalb besteht dort Handlungsbedarf.
Die Landesregierung versucht, sich dem Handlungsdruck zu entziehen, indem sie möglichst wenig messen lässt. Ihre Hoffnung scheint zu sein: Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß. - In vielen gefährdeten Bereichen an Hauptverkehrsachsen sind bis heute noch keine Messgeräte installiert. Insofern ist es auch keine Lösung, in Hannover Messgeräte abbauen zu wollen, um sie anschließend wieder in Osnabrück aufzubauen, wie Sie uns heute auf unsere Anfrage zu den Ergebnissen in Osnabrück mitgeteilt haben. Das macht deutlich, dass Sie nur auf Lücke der Erkenntnis setzen.
Die Landesregierung zeigt bisher zu wenig Interesse an einem Überblick über das tatsächliche Gefährdungspotenzial. Dabei stehen Sie gesetz
lich in der Pflicht, allen potenziell stärker belasteten Kommunen ausreichend Messeinrichtungen zur Verfügung zu stellen. Stattdessen fordert nun Minister Hirche am Dienstag dieser Woche in der Berliner Zeitung von der Europäischen Union Abstriche vom Umweltschutz - angeblich, damit Arbeitsplätze in der europäischen Autoindustrie gehalten werden. Er verkehrt wissentlich Ursache und Wirkung. Die Politik darf nicht Reparaturbetrieb für falsche Konzernentscheidungen einiger Autobauer sein, wenn die Innovationsschritte verschlafen. Im Gegenteil: Klare, frühzeitige Vorgaben schaffen erst gleiche Wettbewerbsbedingungen und nützen damit unserem Hochtechnologiestandort.
Die Rücküberweisung der Verantwortung an Bund oder Europäische Union dokumentiert letztendlich nur Ihre eigene Handlungsunwilligkeit in Niedersachsen. Sie als neue Regierung hatten inzwischen zwei Jahre Zeit, sich auf die neuen Grenzwerte einzustellen. Es ist Aufgabe der Länder, die Steuerungsmöglichkeiten, die der Bund geschaffen hat und zusätzlich bietet, jetzt zügig umzusetzen.
Herr Hagenah, einen Augenblick. - Meine Damen und Herren, ich weiß aufgrund langjähriger persönlicher Erfahrungen, dass man es manchmal nicht merkt, dass man andere stört, wenn man sich mit seinem Nachbarn unterhält. Es ist jetzt aber wirklich wieder ziemlich laut. - Herr Hagenah, Sie haben das Wort.
Wir fordern von dieser Landesregierung endlich wirksame Maßnahmen gegen den drohenden logistischen Stillstand in den niedersächsischen Kommunen und an den Hauptverkehrsachsen durch das Überschreiten der Feinstaubgrenzwerte. Im vorigen Jahr noch haben die CDU-regierten Länder mit ihrer Mehrheit im Bundesrat die vom Bund vorgeschlagene Möglichkeit zur Kennzeichnung der schadstoffarmen Autos verhindert. Jetzt schlägt Berlin aus verständlicher Not erneut eine Verordnung, die das ermöglicht, im Bundesrat vor. Stimmen Sie diesmal doch bitte zu, damit wir auch in Niedersachsen entsprechend steuern können!
Es wird auch nicht mehr lange dauern, bis die ersten Bürger im Klageverfahren gegen die unzulässigen Belastungen die Kommunen zu drakonischen Maßnahmen zwingen. Umleitungen und Bewässerungen sind zur Gesundheitsvorsorge unzureichend, und völlige Fahrverbote sind wirtschaftlich kontraproduktiv. Einzig die Reduktion der Emissionen an der Quelle wird nachhaltig wirksam sein. Ihr fehlgeschlagener Versuch in Hannover mit Bewässern und Umleiten, Herr Sander, sollte Ihnen eigentlich vor Augen geführt haben, dass diese Maßnahmen nichts bringen.
- Der Umweltdezernent von Hannover hat wirklich versucht, sich gegen diese unsinnige Maßnahme des Ministeriums zur Wehr zu setzen. Nachdem die Anweisung ins Haus kam, hat er sie umgesetzt. Nach einer Woche war klar: Es bringt nichts.
Ihre parteitaktische Ablehnung der vom Bund vorgeschlagenen steuerlichen Förderung von Dieselrußfiltern - der Ruß ist nämlich eine Hauptursache für die Überschreitungen - grenzt in unserem von der Fahrzeugindustrie stark abhängigen Bundesland doch schon an wirtschaftliche Selbstverstümmelung. Wenn wir angesichts drohender Fahrverbote weiter Zeit verlieren, werden noch mehr potenzielle Autokäufer verunsichert, und die Konjunktur bricht vollends ein. Oder ist das Ihr Kalkül wie schon bei der übrigen Reformblockade? - Die vom Bund vorgeschlagenen zeitlich befristeten Steuernachlässe würden durch die Zunahme von Dieselfahrzeugzulassungen und die steuerliche Mehreinnahmen aus dem Einbau und Vertrieb der Filter für Niedersachsen und die anderen Bundesländer auf mittlere Sicht mehr als ausgeglichen. Zusätzlich muss die Landesregierung bei den Fahrzeugen von Behörden und Landesbetrieben selbst mit einem guten Beispiel vorangehen und diese Fahrzeuge mit Dieselfiltern ausrüsten. Außerdem muss sie endlich die Umrüstung der Fahrzeuge der ÖPNV-Unternehmen im Land aus den vorhandenen Nahverkehrsmitteln fördern, damit die Busse immer fahren können. Bis heute ist das nicht möglich.
Außerdem schlagen wir für 2006 die Ausweitung der Maut auf Lkw ab 3,5 t und die Anhebung der bestehenden Lkw-Maut für Lastwagen ohne Filter
Meine Damen und Herren, mit diesem Maßnahmenpaket wäre der drohende logistische Stillstand noch zu verhindern, und zugleich käme ein kleines Konjunkturprogramm für die deutsche Zulieferindustrie ins Rollen, die heute schon jeden zweiten Partikelfilter in Europa herstellt, in Deutschland sogar 80 % der hier eingesetzten Partikelfilter.
Ich fordere Sie auf, ernsthaft und wirksam für eine Verbesserung der Luftqualität zu sorgen und damit aufzuhören, Herr Minister Sander, einen künstlichen Gegensatz zwischen Ökonomie und Schutz der Gesundheit der Menschen aufzubauen. Das Gegenteil ist der Fall.
Meine Damen und Herren, bevor wir mit diesem Tagesordnungspunkt fortfahren, möchte ich zur verbleibenden Tagesordnung noch Folgendes sagen: Die Fraktionen sind übereingekommen, dass der Antrag unter Tagesordnungspunkt 41 direkt an die Ausschüsse überwiesen werden soll. Gleiches gilt für die Tagesordnungspunkte 43, 44, 45 und 46.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muss zugeben, dass ich ein wenig erstaunt war, als ich gesehen habe, dass auf der Tagesordnung der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen „Gesundheitliche und wirtschaftliche Schäden durch Feinstaub verhindern!“ steht - nicht wegen des Inhalts, wie ich hier betonen möchte. Der Antrag greift in der Tat ein ernstes Thema auf, das die öffentliche Debatte in den letzten Wochen, wie wir alle wissen, maßgeblich mit bestimmt hat. Wir haben dieses Thema aber schon im Umweltausschuss im Zusammenhang mit einem Klimaantrag behandelt, und wir haben uns seinerzeit zwischen allen Parteien auf eine sachverständige Unterrichtung, auf eine sachverständige Auseinandersetzung zu diesem Thema verständigt. Meiner Erinnerung nach haben damals auch die Grünen zugestimmt.
Nichtsdestotrotz, meine Damen und Herren: Der Schwerpunkt des heute von den Grünen eingebrachten Antrags liegt - das ist bei einem Antrag der Grünen ein Stück weit überraschend oder nicht ganz alltäglich - eher auf den wirtschaftlichen Folgen der Feinstaubproblematik. Die Fokussierung in Richtung Dieselfahrzeuge - in der Rede ist diese Fokussierung sogar noch stärker deutlich geworden - wird dem Gesamtproblem Feinstaub meines Erachtens aber überhaupt nicht gerecht.
Wie wahrscheinlich viele von uns habe auch ich mich in den letzten Wochen sehr intensiv mit dem ganzen Thema auseinander gesetzt und habe mich in vielen Zeitungen und öffentlichen Berichterstattungen darüber kundig gemacht. Eines ist mir dabei sehr deutlich geworden: Die heutige Entwicklung war absehbar. Auch in den letzten Jahren wurden die Grenzwerte - wenn es im Lande denn schon Messstellen gab; es gab ja durchaus Messungen - schon regelmäßig überschritten. Es war kein öffentliches Thema - wohlgemerkt. Die Richtlinie - das sei Ihnen allen noch einmal gesagt - ist seit 1999 in der Welt. Besonders treffend fand ich deshalb eine Beschreibung im Spiegel aus diesem Jahr. Ich zitiere:
„Die Feinstaubdebatte ist aber auch eine Farce, weil alle hiesigen Beteiligten die Problematik jahrelang delegiert und ignoriert, unterschätzt oder schlicht verschlafen haben und nun alle Energie darauf verwenden, einen Schuldigen zu finden, während europäische Nachbarn wie Italien längst reagiert haben.“
Auch wir hier im Parlament, in der Regierung und in den Kommunen versuchen nun zum Teil hektisch, die schnelle Lösung für alle unsere Feinstaubprobleme zu finden, mit sehr unterschiedlichen Ergebnissen.
Eines stört mich daran besonders: Anstatt endlich selbst zu handeln, versucht die Landesregierung, die Verantwortung und gleichermaßen die Schuld wieder einmal auf die Bundesregierung und die Kommunen zu schieben. Da werden Maßnahmen ergriffen, von denen der Umweltminister schon im
Vorfeld öffentlich verkündet, dass sie eigentlich unsinnig seien. Das verunsichert die Bürgerinnen und Bürger, führt zu wirtschaftlichen Einbußen und erhöht sogar an anderer Stelle durch Umverteilung von Verkehren das Feinstaubproblem, hilft also nicht weiter. Wirkliche Lösungsansätze, alternative Vorschläge oder auch Hilfestellungen für die Kommunen und Aufklärung für die Bürgerinnen und Bürger kommen aus dem Umweltministerium leider nicht. - So viel zu dem Thema Politik mit den Menschen.
Meine Damen und Herren, obwohl 83 % der Autofahrer beim Autokauf besonders auf die Umweltverträglichkeit achten und für 80 % vor allem der geringe Ausstoß von Krebs erregenden Abgasen eine Rolle spielt - diese Forsa-Umfrage ist vor der öffentlichen Debatte über den Feinstaub erhoben worden -, will die Landesregierung den Vorstoß der Bundesregierung zu einer Steuervergünstigung für Partikelfilter nicht unterstützen. Das ist unbegreiflich und falsch. Andere Länder, wie z. B. Rheinland-Pfalz oder sogar Hessen, sind dagegen bereit, das Problem anzugehen, und wollen gemeinsam mit der Bundesregierung Steuervergünstigungen für die Nachrüstung mit Partikelfiltern gewähren.