Protocol of the Session on April 21, 2005

Fünftens. Die Studienbeiträge sind zusätzliche Mittel für die Hochschulen. Die Einnahmen aus den Studienbeiträgen sollen nicht auf die staatlichen Zuschüsse angerechnet werden. Wie Minis

ter Stratmann schon mehrfach ausgeführt hat, zuletzt heute Morgen wieder, werden mit den Hochschulen Gespräche sowohl über den Zukunftsvertrag als auch über die Kreditverträge geführt.

Um die Studienbedingungen zügig zu verbessern, wollen wir die Studienbeiträge zum nächstmöglichen Zeitpunkt, frühestens zum Wintersemester 2006/2007, einführen. Der genaue Zeitpunkt hängt natürlich vom Verlauf der Beratungen ab; eventuell muss der Termin um ein Semester verschoben werden. Wir erwarten ganz klar eine transparente und unbürokratische Ein- und Durchführung. Bei der Immatrikulation soll ein Vertrag über den Bildungskredit abgeschlossen werden können, und zwar unabhängig vom Einkommen der Eltern. Das ist uns an dieser Stelle sehr wichtig.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Was erreichen wir mit der Einführung von Studienbeiträgen? Auch das habe ich in der letzten Sitzung hier sehr deutlich ausgeführt. Trotzdem zur Auffrischung noch einmal einige Punkte:

Natürlich verbessern Studienbeiträge auch die Finanzausstattung der Hochschulen. Wir dürfen vor der jetzigen Situation doch nicht die Augen verschließen. Im internationalen Vergleich stehen die Hochschulen finanziell schlechter da. Wir haben wegbrechende Steuereinnahmen, die öffentliche Hand kann den Finanzbedarf nicht allein auffangen, und die einzige Einnahme für die Lehre sind Landesmittel. Alle 16 Bundesländer haben Schwierigkeiten, den steigenden Finanzbedarf auf Dauer zu decken. Deshalb fordern wir, die Studienbeiträge zur Verbesserung der Lehre an den Hochschulen zu belassen. Sie werden dort erhoben und verwaltet. Das ist ganz klar.

Bei Studienbeiträgen geht es nicht nur um finanzielle, sondern insbesondere auch um ideelle Bereiche. Ich hatte ausführlich dargelegt, wie es an den Hochschulen mit dem Wettbewerb aussieht. In meiner letzten Rede zu diesem Thema habe ich deutlich gemacht, wie Studienbeiträge Anreiz zu einem zügigen Studium geben. Ich möchte in Ergänzung meiner Rede im Februarplenum zwei Zitate bringen. Zum einen möchte ich Herrn Zühlsdorff, den Sprecher der Universität Lüneburg, zitieren:

„Wenn wir von den Studenten verlangen, dass sie für den Unterricht, die Professoren und das Material bezah

len, dann werden sie auch eine höhere Qualität verlangen. Und genau dafür wird das Geld auch verwendet werden.“

Der HRK-Präsident, Professor Dr. Gaehtgens, sagt:

„Und insofern glaube ich, dass Studiengebühren eben vor allen Dingen einen anderen Steuerungseffekt auf das Hochschulwesen hätten, sie würden das Engagement sowohl der Lehrenden als auch der Lernenden gegenüber dem Studium deutlich erhöhen.“

Das sind ganz klare Worte.

Auch aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 26. Januar möchte ich noch kurz zitieren:

„Die Möglichkeit, allgemeine Studiengebühren einzuführen und auszugestalten, bietet den Ländern die Chance, die Qualität der Hochschulen und eine wertbewusste Inanspruchnahme ihrer Leistungen zu fördern.“

Meine Damen und Herren, das wollen wir.

Zum Thema „soziale Gerechtigkeit“. Darauf hacken Sie ja immer wieder herum. Wir sagen ganz deutlich: Studienbeiträge führen zu mehr sozialer Gerechtigkeit in der Bildungsfinanzierung. Auch hierbei habe ich letztes Mal deutlich gemacht: Von 1982 bis heute fiel der Anteil der Studierenden aus den so genannten sozial schwachen Familienverhältnissen von 23 % auf 12 % - und das ohne Studienbeiträge. Dass es keine Studienbeiträge gibt, hat in diesem Bereich also überhaupt nichts gebracht. Sie können Ihre Äußerungen in keiner Weise belegen.

Wir brauchen Studienbeiträge, die sozialverträglich ausgestaltet sind und in ein leistungsfähiges Darlehens- und Stipendienwesen integriert werden müssen. Das bedeutet zinsgünstige, vermögensunabhängige Bildungskredite mit Rückzahlungsverpflichtung erst nach Aufnahme einer Berufstätigkeit und bei einem Mindesteinkommen, das - wie wir heute Morgen gehört haben - noch zu definieren ist.

Weiter soll es eine Befreiung vom Studienbeitrag aus Billigkeitsgründen wie z. B. Kindererziehung,

Behinderung oder Familienpflege geben. Das ist wirklich sozial verträglich und gerecht. Wir können den Katalog gerne noch um einige Punkte erweitern. Wir erwarten von den Hochschulen, dass sie Stipendien für herausragende Leistungen in Studium und Gesellschaft ausloben.

Meine Damen und Herren, Sie glauben noch immer, dass Studienbeiträge in der Bevölkerung und bei den Studierenden auf breite Ablehnung stoßen, sonst hätte die SPD in Nordrhein-Westfalen dieses Thema ja nicht zum Wahlkampfthema gemacht.

(Hans-Christian Biallas [CDU]: Das nützt allerdings auch nichts mehr!)

Aber sehen wir es doch einmal so: Die aktuelle forsa-Umfrage zeigt, dass eine Mehrheit der Studierenden, nämlich 59 %, und eine Mehrheit der Bevölkerung, 67 %, Studienbeiträge befürworten, wenn die Einnahmen den Hochschulen in vollem Umfang zugute kommen. Genau das wollen wir.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Zur Kommunikation, meine Damen und Herren: Herr Minister Stratmann hat alle Studierenden angeschrieben - übrigens nicht kostenträchtig. Über E-Mails und über die Hochschulen sind alle Studierenden über die Art und Weise, wie Studienbeiträge eingeführt werden sollen, informiert worden. Wir alle - sowohl Ministerium, Minister und Staatssekretär als auch unsere Fraktion - sind bereit, in Diskussionen einzusteigen und mit den Studierenden konstruktiv über dieses Thema zu reden.

(Zustimmung von Ursula Körtner [CDU])

Wir wissen genau: Es wird akzeptiert, und es funktioniert auch. Viele Studierende akzeptieren, dass dies der Weg ist, den wir gehen müssen.

Meine Damen und Herren, spätestens nach dem 22. Mai werden Sie feststellen, dass sich der Blickwinkel Ihrer Parteigenossen drastisch verändern wird. Die SPD wird dieses Thema dann in einem realistischen Licht betrachten; denn der Muff, der durch die 68er Bildungsrevolution unter den Talaren entfernt werden sollte, hat sich doch nur wie Mehltau auf ihre hochschulpolitischen Ansichten gelegt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wenn ich heute erfahre, dass die Bundesregierung überall in Nordrhein-Westfalen für Millionenbeträge

in überregionalen Tageszeitungen großseitige Anzeigen schaltet, um sich selbst zu loben - zufällig vier Wochen vor der Landtagswahl -, dann kann ich nur sagen: Diese Mittel wären in der Bildung wesentlich besser aufgehoben. Ich verstehe nicht, dass Rot-Grün das mitträgt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, mir liegt eine letzte Wortmeldung zu diesem Tagesordnungspunkt vor, und zwar von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Frau Dr. Heinen-Kljajić!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Pläne dieser Landesregierung zur Einführung von Studiengebühren werden bereits vor deren Umsetzung immer fragwürdiger. Meine Damen und Herren von CDU und FDP, Sie sind wie alle CDU-geführten Bundesländer nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Siegestaumel vorschnell damit vorgeprescht, schon zum Wintersemester 2006/07 Studiengebühren einführen zu wollen. Jetzt haben Sie das Problem, dass Sie um Akzeptanz für das Gebührenmodell werbend Zusagen gemacht haben, liebe Frau Trost, die Sie gar nicht mehr einhalten können.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Katrin Trost [CDU]: Wie bitte?)

Es gelingt Minister Stratmann nach wie vor nicht, das vollmundige Versprechen einzuhalten, wonach Studiengebühren nur dann eingeführt werden, wenn sichergestellt ist, dass die Mittel auch wirklich den Hochschulen zufließen.

Inzwischen liegt ein erster Entwurf des Zukunftsvertrages vor, auf den die Hochschulen seit 2003 warten und der sie vor weiteren Kürzungen bewahren soll. Aber von Entwarnung ist doch keine Spur. Im Gegenteil: Die Hochschulen sollen sich schon im ersten Entwurf - bevor also überhaupt Haushaltsberatungen stattgefunden haben - dazu verpflichten, jährliche Tarifsteigerungen bis zu 1 % aufzufangen. Mal schauen, wie das erst nach den Haushaltsdebatten aussieht. Das alleine würde aber de facto für die Hochschulen bedeuten, dass sie schon nach fünf Jahren Kürzungen im Umfang des HOK tragen müssten.

Herr Minister Stratmann, mit dem vorliegenden Vertragsentwurf liefern Sie selbst die Bestätigung dafür, dass die Einnahmen durch Studiengebühren natürlich nicht bei den Hochschulen bleiben, sondern hinterrücks über den Finanzminister einkassiert werden. Kein Wunder, dass die Hochschulen gesagt haben: Auf dieser Grundlage unterschreiben wir den Zukunftsvertrag nicht.

Das zweite Versprechen, das Sie, Herr Minister Stratmann, bisher nicht haben einlösen können, ist die sozialverträgliche Ausgestaltung der Studiengebühren. Jüngstes Zeugnis dieser Misere war das Hin und Her des MWK in Sachen BAföG, über das wir schon heute Morgen gesprochen haben. Herr Minister Stratmann, da ist dann auch Ihre Intervention, die Abschaffung des BAföG sei kein Thema, wenig hilfreich. Sie glauben doch nicht wirklich, dass irgendjemand diesem Dementi glaubt. Wenn Staatssekretär Lange, dessen Seriosität in diesem Hause, glaube ich, niemand in Frage stellt - ich hoffe, Sie selbst auch nicht -, behauptet, man habe in Berlin mehrfach in Sachen Abschaffung des BAföG interveniert, dann können Sie doch nicht behaupten, dass sei in Ihrem Hause kein Thema.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Dr. Philipp Rösler [FDP]: Das haben wir doch heute Morgen schon geklärt!)

Tatsächlich weist der Eiertanz des Ministeriums doch nur darauf hin, dass sich kreditfinanzierte Studiengebühren, wenn sie sozialverträglich gestaltet werden sollen, als ein Problem darstellen. Den Banken ist die Kreditsumme aus den Studiengebühren zu klein. Für sie wäre eine Einbeziehung von Unterhaltsleistungen wesentlich lukrativer. Entsprechend hat die KfW - wie auch alle Privatbanken - bisher nur ein Kreditmodell zur Absicherung der Lebenshaltungskosten vorgestellt.

Ihre Gebührenfantasien, meine Damen und Herren von den Fraktionen der CDU und der FDP, drohen an den harten Realitäten zu scheitern. Bei der Einführung von Studiengebühren ab dem ersten Semester wird die soziale Abfederung einfach zu teuer. Die jetzt im Raum stehenden Überlegungen zur Abschaffung des BAföG zeigen, dass Ihre Pläne nur auf Kosten derjenigen zu realisieren sind, die im deutschen Bildungssystem ohnehin benachteiligt sind: Kinder aus einkommensschwachen Familien. Dem verweigern wir unsere Zustimmung. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Danke schön. - Inzwischen ist eine weitere Wortmeldung - von der FDP-Fraktion - eingegangen. Herr Professor Dr. Zielke, bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bis 1971 hat es in Deutschland Studienbeiträge - damals hießen sie zum Teil „Hörergelder“ - gegeben. Dann haben sich die Länder darauf geeinigt, bis auf Weiteres keine Studienentgelte mehr zu erheben. Aber jedes Land hätte das jederzeit ändern können. Das heißt also, verboten waren Studiengebühren nie. Erst Frau Bulmahn hat versucht, Studiengebühren per Bundesgesetz generell zu verbieten. Dieser Versuch stellte aber einen Verfassungsbruch dar und war damit nichtig, wie das Bundesverfassungsgericht in großer Klarheit festgestellt hat.

Dass der jetzige Zustand der Gebührenfreiheit die vermögenden Klassen auf Kosten der durchschnittlichen Steuerzahler begünstigt, habe ich in der ersten Beratung dieses Antrages ausgeführt. Dass Studienbeiträge in sozial verträglicher Weise durch nachlaufende Kredite finanziert werden können und dass der Anteil der Studierenden aus ärmeren Schichten dadurch eben nicht sinkt, sondern tendenziell steigt, zeigen vielfache Erfahrungen aus dem Ausland, etwa aus Australien oder aus Österreich.

(Beifall bei der FDP - Zurufe von der SPD)

Offenbar überwiegen bessere Studienbedingungen mit Studienentgelten gegenüber dem angeblichen Abschreckungseffekt durch Verschuldung. Überwältigend viele weitere Argumente sprechen für Studiengebühren: vom effizienteren Studierverhalten bis zur Leistungssteigerung durch mehr Wettbewerb zwischen den Hochschulen. Frau Trost hat dazu viel Wichtiges und Kluges gesagt.

(Katrin Trost [CDU]: Vielen Dank!)

Auch mit der formidablen Liste, wer sich alles aus den Reihen von SPD und Grünen schon für Studienentgelte stark gemacht, will ich Sie nicht noch einmal behelligen.

(David McAllister [CDU]: Das können Sie ruhig machen!)