Protocol of the Session on February 23, 2005

Meine Damen und Herren, in der Bundesrepublik wie auch in der EU ist eine deutliche Entwicklung hin zur teilweisen oder vollständigen Umstellung der Rechnungssysteme öffentlicher Haushalte auf eine bilanzierfähige Doppik festzustellen. Diese Entwicklung kann zur Folge haben, dass mittelfristig von allen öffentlichen Haushalten, auch denen des Bundes und der Länder, auch unter den Gesichtspunkten des Ratings und der Kreditwürdigkeit ein international üblicher Abschluss in Form einer Bilanz erwartet werden wird. Darauf haben sich zumindest alle einzustellen.

Ich habe vorhin gesagt, dass die Gründlichkeit Vorrang vor der Geschwindigkeit haben muss. Deshalb sieht dieser Gesetzentwurf eine Übergangsfrist bis zum Jahr 2011 vor. Erst ab dem Jahr 2012 sollen alle niedersächsischen Kommunen, deren Eigenbetriebe, kommunale Anstalten und Eigengesellschaften das neue Haushaltssystem verwirklicht haben. Wenn in Einzelfällen die Umstellung auch dann noch nicht für möglich gehalten wird, kann das Innenministerium Ausnahmegenehmigungen erteilen. Festgelegt ist, dass die Doppik im Jahr 2008 einer Evaluierung unterzogen werden wird. Ich glaube, es ist gut, dass wir uns im Jahr 2008 über die Grundsätze und die Bedeutung noch einmal unterhalten werden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, abschließend bleibt festzustellen: Für eine nachhaltige Finanzpolitik auch unter dem Gesichtspunkt der Generationengerechtigkeit ist dies der richtige Weg mit ausreichend langen Übergangsfristen. Wir sollten versuchen, ihn gemeinsam zu gehen. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Danke schön. - Für die FDP-Fraktion spricht Herr Kollege Bode.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Modder, Sie haben es schon geahnt: Die FDP hat bei diesem Gesetzentwurf einen anderen Schwerpunkt als viele der Vorredner. Unser Schwerpunkt liegt bei diesem Gesetzentwurf bei der wirtschaftlichen Betätigung der Gemeinden. Denn - das ist vielleicht auch die Antwort auf viele der von Ihnen aufgeworfenen Fragen - nicht der Staat ist leistungsfähig, der sich in möglichst viele Bereiche der Gesellschaft einmischt, sondern der Staat, der sich auf die Kernaufgaben konzentriert. Der schlanke Staat ist der stärkere Staat.

(Beifall bei der FDP)

Deshalb will die FDP Subventionen abbauen, öffentliche Aufgaben zurückführen und staatliche Beteiligungen privatisieren. Die größten Privatisierungspotenziale liegen auf kommunaler Ebene, Frau Modder. Bundesweit führen die Kommunen mehr als 100 000 Eigenbetriebe. Dabei ist es nicht einsichtig, warum Grünflächenpflege, Müllabfuhr, Tierparks, die Gebäudeverwaltung, Druck- und Buchbinderarbeiten in kommunaler Hand liegen müssen.

Schauen Sie sich einmal vor dem Landtag um. Die Stadt Hannover versucht sich erfolglos als Immobilienvermieter und -verkäufer. Ferner unterhält die Stadt Hannover den wohl erfolglosesten Partyservice Norddeutschlands. Hier werden Steuergelder vergeudet und - das ist der entscheidende Punkt, Frau Modder - mögliche reguläre Arbeitsplätze verhindert.

(Zuruf von Johanne Modder [SPD])

- Frau Rübke, Entschuldigung, Sie hatten geredet, nicht Frau Modder.

(Jutta Rübke [SPD]: Wir fühlen uns beide nicht beleidigt! Wir fühlen uns beide geehrt!)

Unter dem Gesichtspunkt, dass wir möglichst viele zusätzliche Arbeitplätze schaffen wollen, betrachten wir die Verschärfung der Regeln für die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden. Hierzu hat die Landesregierung den ersten richtigen Schritt vorgelegt. Einerseits muss die Kommune den öffentlichen Zweck der Betätigung rechtfertigen. Andererseits muss sie auch beweisen, dass es keinen einzigen privaten Anbieter gibt oder geben könnte, der es nicht wenigstens genauso gut kann

wie die Kommune. Das fällt bei einem Partyservice schon sehr schwer.

(Beifall bei der FDP - Karl-Heinz Klare [CDU]: Da hat er Recht!)

Diese Selbstbeschränkung des Staates zugunsten neuer Arbeitsplätze und neuen Wachstums durch entstehende Investitionspotenziale wollen wir.

(Enno Hagenah [GRÜNE]: Es werden Arbeitsplätze ausgetauscht: besser bezahlte durch schlechter bezahlte!)

Wenn Sie, Frau Rübke, dann das Argument bringen, dass viele Menschen auf die Daseinsvorsorge der Kommune angewiesen seien, nehme ich das sehr ernst und bedanke mich dafür bei Ihnen. Denn ich habe es bisher nicht für möglich gehalten, dass es in diesem Hause eine Mehrheit dafür geben könnte, dass wir die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen auf die Daseinsvorsorge beschränken. Wenn die SPD das mitmacht, freue ich mich; dann sollten wir das tun. Beschränken wir die kommunale wirtschaftliche Betätigung auf die Daseinsvorsorge. Dann können in Niedersachsen noch viel mehr Arbeitsplätze entstehen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Auch die Neuordnung des Rechnungswesens ist erforderlich, sowohl auf kommunaler als auch auf Landes- und auf Bundesebene.

(Zustimmung von Dr. Philipp Rösler [FDP])

Wir müssen aufzeigen, welche Politik, welche Entscheidungen nachhaltig sind. Wir müssen aufzeigen, welche Entscheidungen die Ressourcen und damit die nachkommenden Generationen belasten. Wir müssen insbesondere den Politikern auf allen Ebenen wieder die Übersicht über die gesamte Vermögens- und Schuldenlage geben, insbesondere auch der Eigenbetriebe und Auslagerungen.

In dieser Beziehung gehen wir den richtigen Weg, auch mit langen Übergangsfristen; denn nur so können wir es schaffen, dass die Umstellung für die Kommunen kostenneutral erfolgen kann. Jede Kommune muss die Software für die Haushaltsführung ersetzen. Daher macht es Sinn, die Buchführung dann umzustellen, wenn die Investitionen ohnehin erforderlich sind.

Herr Dr. Lennartz, ich gebe Ihnen Recht: Hierdurch werden natürlich nicht - das hat auch niemand behauptet - die kommunalen Haushalte saniert. Ich sage es Ihnen ganz deutlich: Pleite ist pleite, egal nach welcher Buchführung. Aber wir können aufgrund einer anderen Buchführung bessere Entscheidungen treffen, die uns vielleicht gar nicht erst in finanzielle Probleme geraten lassen oder die uns helfen, sie besser zu bewältigen. Deshalb ist dieser Weg richtig. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Danke schön. - Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Wir kommen zur Ausschussüberweisung. Der Ältestenrat empfiehlt Ihnen, den Gesetzentwurf zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Inneres und Sport und zur Mitberatung sowohl an den Ausschuss für Haushalt und Finanzen als auch an den Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen zu überweisen.

(Zurufe von der SPD: Der Wirt- schaftsausschuss mitberatend!)

- Wie ich gerade höre, war beantragt worden, zusätzlich auch noch den Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr mitberatend tätig werden zu lassen. Wer so beschließen und die drei Ausschüsse an der Mitberatung beteiligen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Wer ist dagegen? Niemand. Damit ist das so beschlossen.

Ich rufe jetzt auf

Tagesordnungspunkt 9: Erste Beratung: Entwurf eines Gesetzes zur Gleichstellung behinderter Menschen und zur Änderung anderer Gesetze - Gesetzentwurf der Fraktion der SPD - Drs. 15/1695

Zur Einbringung des Gesetzentwurfs erteile ich Frau Groskurt von der SPD-Fraktion das Wort. Frau Groskurt, bitte!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Deutsche Bundestag hat auf der Basis des Diskriminierungsverbotes nach Artikel 3 Grundgesetz am 27. April 2002 ein Behindertengleichstellungsgesetz verabschiedet. Parallel sind auch die Länder zur Verabschiedung entsprechender Landesgesetze verpflichtet. Für Niedersachsen ergibt sich diese Verpflichtung ebenfalls aus Artikel 3 Abs. 3 unserer Landesverfassung.

Die alte SPD-geführte Landesregierung ist dieser Verpflichtung nachgekommen und hat dem Landtag nach einem zugegebenermaßen schwierigen Abstimmungsprozess am 11. Dezember 2002 den Entwurf eines niedersächsischen Behindertengleichstellungsgesetzes vorgelegt. Dieser Gesetzentwurf entsprach zwar nicht in allen Belangen den Erwartungen der Betroffenen, er war aber ein Kompromiss zwischen dem Wünschenswerten und dem Machbaren.

(Zuruf von der CDU: Da war die Ver- fassung schon acht Jahre alt!)

- Aber nicht das Behindertengleichstellungsgesetz.

Die CDU-Landtagsfraktion hatte in der Debatte am 11. Dezember 2002 durch Frau Jahns verkünden lassen, der Gesetzentwurf habe noch nicht viel Aussagekraft und müsse noch erweitert werden.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Es ist doof, dass man immer die alten Sachen vorgehalten kriegt!)

Einer zügigen Gesetzesberatung hat sich die damalige Opposition jedoch verweigert, und so wurde der Gesetzentwurf leider Opfer der neuen Landesregierung.

Im Landtagswahlkampf 2003 allerdings wurde den Behinderten durch die damalige Opposition ein umfassendes niedersächsisches Behindertengesetz versprochen. Sofort nach der Regierungsübernahme hat die Sozialministerin erklärt, dass die Landesregierung ein Gleichstellungsgesetz für Behinderte vorlegen wird.

Im Mai 2003 haben wir Sie mit unserem Entschließungsantrag zur Vorlage eines Gesetzentwurfs aufgefordert. Ich habe dabei - um Sie nicht im Hinblick auf zu viel Arbeit zu erschrecken - noch darauf hingewiesen, dass die ganzen Vorarbeiten von

der vorherigen SPD-Regierung bereits erledigt wurden.

Frau Jahns erklärte in der Debatte am 15. Mai 2003 zu unserem Antrag: „Ihr Antrag war überflüssig; denn Sie wissen, dass die Ministerin ein solches Gesetz einbringen wird.“ - Frau Meißner von der FDP-Fraktion fügte noch hinzu: „Die Ministerin hat schon gesagt, sie will dafür sorgen, dass es ein solches Gesetz gibt. Das stand auch in unserem Wahlprogramm. Wir wollen wirklich das halten, was wir versprechen.“ - Sie wollten sogar noch liberale Akzente hinzufügen.

Jetzt, zwei Jahre später, herrscht aber immer noch großes Schweigen. Ein Gesetzentwurf ist weit und breit nicht zu sehen.

Meine Damen und Herren von der Mehrheitsfraktion, wir haben wirklich lange geduldig gewartet und gehofft, gehofft für die Menschen mit Behinderungen, gehofft darauf, dass Sie - wenn Sie schon so lange daran arbeiten - einen gut durchdachten und für die Menschen akzeptablen und abgestimmten Gesetzentwurf vorlegen. Unseren Entschließungsantrag lassen Sie einfach unbehandelt liegen. Das ist übrigens auch eine der neuen parlamentarischen Sitten, die diesem Haus nun wirklich nicht gut tun.

(Beifall bei der SPD)

Sie glauben doch wohl nicht im Ernst, dass Sie schon nach der Hälfte der Legislaturperiode die Anträge der Opposition durch Aussitzen ignorieren können. Das wird Sie sehr bewegungslos machen. Der Gestaltungswille der Regierungsfraktionen in der Sozialpolitik ist bisher jedenfalls nicht sehr ausgeprägt.

Am 19. März 2003, also auch schon vor fast zwei Jahren, erklärte Herr Staatssekretär Hoofe vor dem Landesbehindertenbeirat, man sei auf gutem Wege. Lediglich die Verbandsklage und die Barrierefreiheit seien noch strittig. Vier Monate vorher, als ein entsprechender SPD-Gesetzentwurf beraten worden war, hatte die CDU die Verbandsklage als neues Instrument aber noch ausdrücklich begrüßt. Was gilt bei Ihnen denn nun eigentlich? Dieses Hinhalten und Vertrösten der Behinderten dauert nun schon zwei Jahre an.

Im April vergangenen Jahres hat sich der Behindertenbeirat mit einem umfangreichen Fragenkatalog erneut an die Sozialministerin gewandt und an die versprochene Vorlage des Gesetzes erin

nert. Am 30. April 2004 antwortete in Vertretung der Ministerin erneut Staatssekretär Hoofe. Klar wird in diesem Brief auch wieder, dass auch ein Jahr nach dem Gespräch des Staatssekretärs beim Landesbehindertenbeirat immer noch kein innerhalb der Landesregierung abgestimmter Gesetzentwurf vorliegt.