So sagte die Ministerin dem Landesblindenverband, dass die Kürzung des Landesblindengeldes im Jahre 2003 auf 406 Euro eine einmalige Angelegenheit gewesen sei und dass damit für diese Wahlperiode das Landesblindengeld nicht nochmals angepackt wird. Meine Damen und Herren, das genaue Gegenteil haben Sie hier im Dezember beschlossen.
So halten Sie also Ihr Wort, wenn Sie mit denen reden, meine Damen und Herren, die Ihnen als Gesprächspartner anvertraut sind und für die Sie, Frau Ministerin, im Kabinett eigentlich Sachwalterin und nicht Plattmacherin sein sollten.
Führen Sie bitte an dieser Stelle nicht die alte Leier auf, Sie hätten ja keine Alternative behabt, weil das nicht zu bezahlen gewesen wäre. Meine Damen und Herren, wir haben Ihnen einen Änderungsantrag vorgelegt, in dem klar geworden ist, woraus wir in Zukunft das Landesblindengeld be
zahlen wollen. Wenn Sie sich allerdings eher für die Steuerprivilegien der Reichen verwenden und dafür das Geld der Blinden nehmen wollen, dann ist das Ihre Angelegenheit, aber nicht unsere, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Noch nie ist hier im Niedersächsischen Landtag ein Sozialminister oder eine Sozialministerin derart kaltherzig mit einer Bevölkerungsgruppe umgegangen, die eigentlich ihre Klientel ist und für sie handeln und sprechen müsste.
- Wissen Sie, Herr Kollege, das kann man gar nicht oft genug sagen. Diese Art der kaltherzigen Sozialpolitik muss gebrandmarkt werden.
Nun pfeifen es ja die Spatzen vom Dach, dass Frau von der Leyen auf einem neuen Karriereweg in Richtung Berlin ist. Aber ich frage mich schon - -
- Das gehört zur Sache. Sie begreifen nur nicht, was hier passiert. Hier soll eine Klientel der eigenen Karriere geopfert werden. Das halten wir für unanständig, meine Damen und Herren.
Denn die Menschen, meine Damen und Herren, sind durchaus bereit, Lasten hinzunehmen. Aber sie wollen Ehrlichkeit in der Debatte, und sie wollen vor allem Ehrlichkeit im Handeln.
Ihnen in Gesprächen etwas zu versprechen und hinterher das genaue Gegenteil zu tun, das haben die Menschen satt.
(Beifall bei der SPD - Norbert Böhlke [CDU]: Ehrlichkeit und Gerechtigkeit, das sind die Maßstäbe unseres Han- delns!)
Ich will Sie, Herr Kollege - falls Sie es nicht nachgelesen haben sollten -, und Sie, Frau Ministerin, daran erinnern, welchen Eindruck Sie hier im Landtag erweckt haben. Sie haben gesagt: Nun gut, wir haben eine neue Situation, aber wir werden wenigstens das mit den Einkommensgrenzen so flexibel gestalten, dass die davon Betroffenen durchaus damit leben können. Sie haben am 17. September 2004 hier im Landtag wörtlich erklärt:
„Die neuen Regelungen zur Anrechnung von Einkommen und Vermögen im SGB XII eröffnen Beurteilungsspielräume, in denen die besondere Situation blinder Menschen berücksichtigt werden kann und muss.“
Das waren die Versprechungen. Und jetzt zur Praxis, meine Damen und Herren: Tatsächlich bekommen die Blinden aber nicht Bescheide, in denen ihre besondere Situation gewürdigt wird, sondern in denen knallhart Einkommens- und Vermögensgrenzen festgelegt werden. Da heißt es z. B.: Die Vermögensfreigrenze beträgt 2 600 Euro zuzüglich 614 Euro für Ehegatten und 256 Euro für jede weitere haushaltsangehörige Person. Meine Damen und Herren, das heißt im Klartext, dass es in einer Familie, in der ein Ehepartner blind ist und zwei Kinder leben, Einkommensgrenzen für Vermögen in der Größenordnung von 3 726 Euro gibt. Das ist ein Viertel von dem, was selbst das vielgescholtene Hartz IV den Menschen gestattet. Das nennen Sie flexibel, meine Damen und Herren. Ich nenne das kaltherzig!
Damit auch einmal klar ist, über welche Größenordnungen wir reden: Die Einkommensgrenze für die Blindenhilfe beträgt für diese Beispielsfamilie, die ich eben genannt habe, 1 416 Euro zuzüglich der Kaltmiete. Den Menschen, die diese Grenzwerte überschreiten, nehmen Sie das Blindengeld weg. Ich halte das schlicht für nicht erträglich, meine Damen und Herren.
Am schlimmsten aber ist es, Herr Kollege, wie Sie mit diesem Antrag umgehen. Sie können dagegen stimmen. Dann könnte man sagen: Okay, Sie haben aus der Debatte im Dezember nichts gelernt. Augen zu und durch. Kopf zwischen die Schultern. Mal sehen, wie es durchgeht. - Aber Sie erklären
Frau Ministerin, der Landesblindenverband ist mit Ihrer Politik fertig. Er vertraut Ihnen nicht mehr. Der Landesblindenverband wird zu einer Volksinitiative aufrufen. Ich bin mir sicher: Dieser Landtag wird sich damit zu beschäftigen haben. Sie können heute so abstimmen, wie Sie es im Ausschuss getan haben, aber das Problem bekommen Sie damit nicht aus der Welt, und das ist gut so, meine Damen und Herren.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Niedersächsische Blindenverband ist der Landesregierung im letzten Jahr mit einem Kompromissvorschlag zur Zukunft des Blindengeldes sehr weit entgegen gekommen. Wir hatten diesen Vorschlag in Teilen in unseren Antrag übernommen und in die Beratungen eingebracht. Zunächst hatten wir auch den Eindruck, dass unser Antrag in Ihren Überlegungen zumindest eine wohlwollende Berücksichtigung finden würde. Allerdings hat Ihre Regierung im weiteren Verlauf die ausgestreckte Hand des Blindenverbandes nicht ergriffen, sondern weggestoßen. Wer so etwas tut - und das vor dem Hintergrund der Diskussion, die im Zusammenhang damit geführt worden ist -, zeigt nicht nur sein kaltes Herz, sondern handelt daneben auch politisch völlig unklug.
Dieser Kompromissvorschlag ist den Beteiligten nicht leicht gefallen. Es hat dafür auch Kritik gegeben. Aber das, was die Regierung jetzt zusammengezimmert hat, ist ein Tiefschlag für die Betroffenen.
Die jungen Blinden bekommen noch ein bisschen etwas; der Rest muss seine Hilfen nach dem Gesichtspunkt der Bedürftigkeit beantragen - das ist
hier eben dargelegt worden - oder ist gar auf Almosen aus der Hilfsstiftung angewiesen. All dies ohne jede Übergangsfrist, und deswegen auch mit hohen Reibungsverlusten. Es war ja nicht verwunderlich, dass ein Teil der Kommunen in vorauseilendem Gehorsam seine Bescheide schon verschickt hatte, ehe hier im Plenum überhaupt abgestimmt worden war.
Für die Blindenhilfe nach dem SGB XII müssen die Blinden nun ihre Ersparnisse bis auf das Vermögensniveau der Sozialhilfe aufbrauchen. Das, meine Damen und Herren, freut sicherlich insbesondere den Finanzminister; denn er hat jetzt die Möglichkeit, diejenigen Menschen, die bislang ein selbstbestimmtes Leben jenseits eines Heimaufenthalts führen konnten, abzukassieren, bevor er selbst dran ist. Dass diese Menschen später gegebenenfalls in ein Heim umziehen müssen, was sehr viel höhere Kosten verursacht: Wen interessiert das hier eigentlich? So langfristig wird wohl nicht gedacht.
Meine Damen und Herren, der Beschluss der Landesregierung - natürlich auch Ihr Beschluss zum Landesblindengeld - ist eine Volte zurück in die 50er-Jahre. Sie brauchen sich überhaupt nicht zu wundern, dass sich die Betroffenen wehren und dabei sind, eine Volksinitiative zum Erhalt des Landesblindengeldes zu starten. Ich prophezeie Ihnen: Es wird ein Leichtes sein, die dafür zunächst notwendigen 25 000 Unterschriften zusammenzubekommen und dann weiter zu machen. Wir werden hier im Land noch sehr oft über dieses Thema diskutieren. Dieses Thema wird Sie immer wieder einholen.
Leider ist unser Entschließungsantrag nicht mehr ausreichend zu Ende beraten worden. Insofern kann man ihn keinesfalls als erledigt betrachten. Wir hatten vorgeschlagen, die Leistungen des Blindengeldes in das SGB IX und langfristig in ein Bundesleistungsgesetz zu überführen. Dazu haben Sie sich aber überhaupt nicht verhalten, obwohl Sie wissen, dass andere CDU-geführte Länder durchaus dabei sind, interessante Vorschläge zu machen. Sie haben sich in der damaligen Debatte jedoch ereifert, dass Rot-Grün das doch schon längst hätte machen können. Wahrschein
lich werden Sie das auch hier gleich wieder erzählen. Das ist nun aber wirklich ein starkes Stück; denn als das SGB IX von Rot-Grün eingebracht und verabschiedet worden war - ein Gesetz übrigens, das Sie in 16 Jahren Regierungszeit nicht zustande gebracht haben -, waren Sie hier noch gar nicht an der Regierung, und kein Bundesland dachte daran, das Landesblindengeld abzuschaffen. Jetzt aber präsentieren Sie sich mit Ihrem Beschluss als Vorreiter für den sukzessiven Abbau aller Landesblindengeldgesetze, entwickeln jedoch andererseits keinerlei Initiative zur Integration der Blindengelder in das SGB IX.
Das heißt, Sie lassen die Betroffenen doppelt im Regen stehen. Das ist eigentlich schon fast infam zu nennen. Aber wenn man die Landesblindengeldgesetze im Grundsatz für antiquiert hält - was Sie mir ja auch in der Debatte zugestanden haben -, dann erwarte ich von Ihnen, dass Sie tätig werden; denn jetzt müssen Sie eine Gesetzesinitiative starten. Da ist nicht die Bundesregierung in der Pflicht, sondern Sie als der Verursacher des Übels, der das Landesblindengeld abgeschafft hat. - Ich bedanke mich.
(Werner Buß [SPD]: Die kann sich nur noch entschuldigen! - Heidrun Merk [SPD]: Rechtfertigen kann die gar nichts mehr!)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst auf meine beiden Vorredner eingehen. Herr Plaue, Sie haben gesagt, die Menschen wollten Ehrlichkeit in der Politik, Ehrlichkeit in der Debatte und Ehrlichkeit im Handeln. Mich wundert sehr, dass gerade Sie das sagen, sind - ich wollte es heute eigentlich nicht sagen - es doch die SPD-Fraktionen im Bundestag und hier im Landtag, die derzeit ein großes Problem mit der Ehrlichkeit in der Debatte und vor allem mit der Ehrlichkeit im Handeln den Menschen gegenüber