Ich will noch einmal klarstellen - falls das beim letzten Mal aufgrund eines freudschen Versprechers unklar gewesen sein sollte -: Die freie Entscheidung der Eltern hat bei uns einen hohen Stellenwert. Das ist in allen unseren Programmen, in unserem Schulgesetz und in unserem Koalitionsvertrag dokumentiert. Deswegen ist die Zielrichtung ganz eindeutig.
Auch fünf Monate nach Schuljahresbeginn gibt es überhaupt keine Hinweise - es kann auch gar keine geben, weil noch nicht genug Zeit ins Land gegangen ist -, die uns veranlassen könnten, den freien Elternwillen nach Klasse 4 zu verändern.
Jetzt wiederhole ich, was ich in der ersten Beratung gesagt habe: Selbstverständlich gibt es in dieser Frage in der Regierungskoalition keine Denkverbote; sie gibt es übrigens in keiner Frage. Sie können ganz sicher sein, dass wir darüber vertrauensvoll miteinander geredet haben.
Lieber Herr Meinhold, der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der FDP, Hans-Werner Schwarz, hat darauf hingewiesen - und das tue ich auch -, dass eine falsche Schulwahl - und die kann auch von unvernünftig handelnden Eltern getroffen werden; es ist z. B. unvernünftig, ein Kind mit einer Hauptschulempfehlung zum Gymnasium zu schicken - immer zulasten der Kinder geht.
Das ist ein wichtiges pädagogisches Thema, das wir immer wieder diskutieren müssen. Und diese Diskussion muss man vor dem Hintergrund, dass wir Überforderung mit allen ihren negativen Auswirkungen vermeiden müssen, doch positiv sehen. Deswegen darf man doch darüber nachdenken, wie sich eine falsche Schulwahl vermeiden lässt. Aber daraus den Schluss zu ziehen, dass der Elternwille abgeschafft werden muss, ist aus unserer Sicht falsch.
(Beifall bei der CDU - Zustimmung von Ina Korter [GRÜNE] - Walter Meinhold [SPD]: Kein Beifall bei der FDP!)
Meine Damen und Herren, wir haben ein Schulgesetz gemacht, das die Elternrechte in besonderer Weise stärkt. Dann werden wir doch nicht einen wichtigen Faktor, nämlich die Wahlfreiheit der Eltern, einschränken!
Außerdem haben wir die Bedingungen für die Erstellung von objektiven und transparenteren Schullaufbahnempfehlungen ganz erheblich verbessert; ich meine, das ist auch deutlich geworden. Ich hoffe, dass die Akzeptanz für die Schullauf
bahnempfehlung viel höher sein wird, wenn diese Dinge bei den Eltern bekannt werden bzw. durch die Schule an sie herangetragen werden. Das ist meine Hoffnung. Genau kann ich das aber noch nicht sagen.
(Walter Meinhold [SPD]: Und wenn die Hoffnung nicht erfüllt wird? - Ge- genruf von Hans-Werner Schwarz [FDP]: Dann müssen wir etwas tun, Herr Meinhold!)
Jetzt müssen wir erst einmal sehen, ob unsere Maßnahmen wirken. Die Grundschule kann jetzt besser als vorher grundlegende Bildung vermitteln. Es werden mehr Stunden Deutsch und mehr Stunden Mathematik unterrichtet. Das ist wichtig, damit eine vernünftige Schullaufbahnempfehlung gegeben werden kann, die auch akzeptiert wird. Weiter haben wir Englisch als Pflichtfremdsprache eingeführt - mit Zensur.
- Eingeführt von Ihnen, aber ohne Zensur und freiwillig. Jetzt hingegen ist Englisch Pflichtunterricht. Auch das wird dazu beitragen, dass die Schullaufbahnempfehlung noch sicherer wird.
In jeder Klasse unterrichten jetzt mindestens zwei Lehrkräfte, und zwar auch in kleinen Schulen. Das führt dazu, dass das Mehraugenprinzip angewandt werden kann. Auch dadurch verbessern sich die Schullaufbahnempfehlungen.
Zum ersten Mal ist die Durchlässigkeit in das Schulgesetz geschrieben worden. Die Eltern können also sicher sein, dass ein Kind, das sie zur Hauptschule geschickt haben - und es gibt so etwas wie Spätstarter -, später ohne Probleme in eine Realschule wechseln kann. Auch das wird dazu führen, dass die Schullaufbahnempfehlung eher angenommen wird.
Wir haben die Zusammenarbeit zwischen Elternhaus und Schule zum ersten Mal zur Pflicht gemacht. Der Dialog ist jetzt verpflichtend. Er findet vor allem dann statt, wenn die Schullaufbahnempfehlung abgegeben wird, also kurz vor Ende des Ablaufs des vierten Schuljahres. Wir können davon ausgehen, dass sich dann, wenn die Eltern in das, was die Schulen leisten, Einblick haben,
Wir machen aber noch etwas anderes. Das Kultusministerium erarbeitet derzeit individuelle Förderpläne. Damit wird man sehr klar feststellen können, ob Kinder die Ziele, die die Schule vorgibt, auch erreichen.
Mit alledem haben wir eine sehr große Basis für eine vernünftige Schullaufbahnempfehlung. Ich bin ganz sicher: Wenn das bei den Eltern bekannt wird, dann erhöht sich die Akzeptanz für die Schullaufbahnempfehlung. Die Lehrer haben bessere Anhaltspunkte für die Erstellung der Schullaufbahnempfehlung, und die Eltern werden diese dann auch annehmen. Das ist meine Hoffnung. Mehr kann man im Moment noch nicht sagen.
Wenn Sie jetzt für den freien Elternwillen eintreten, dann müssen Sie sich auch fragen lassen, was Sie denn eigentlich in der Vergangenheit gemacht haben. Sie haben ihn nämlich rigoros abgeschafft.
Sie haben die Förderstufe eingeführt. In der Förderstufe gab es keinen freien Elternwille mehr, sondern da gab es ein Losverfahren.
- Selbst der wohlmeinendste Sozialdemokrat hat damals gefragt, ob bei Ihnen noch alles in Ordnung ist, weil nicht mehr Lernverhalten, Elternwille oder schulische Leistungen die Grundlage dafür waren, auf welche Schule die Schüler kamen, sondern die Lostrommel. Das war die Realität. Das steht im alten Schulgesetz, das Sie verabschiedet haben.
Ich will es Ihnen auch nicht ersparen, einen kurzen Blick in die Zukunft zu werfen. Sie werden demnächst mit dem Vorschlag einer gemeinsamen
(Wolfgang Wulf [SPD]: Woher wollen Sie das denn wissen? - Wolfgang Jüttner [SPD]: Wollen Sie an unserem Programm mitarbeiten?)
Das führt dazu - wenn wir das einmal durchdenken -, dass Sie alle Realschulen, alle Gymnasien, alle Hauptschulen und alle Sonderschulen auflösen müssen.
Diese Schule von Klasse 1 bis Klasse 9 wäre eine Einheitsschule. So etwas gab es zum letzten Mal im untergegangenen Sozialismus.
Und dann reden Sie vom Elternwillen! Wo bleibt denn der Elternwille in dieser Einheitsschule? Dann können die Eltern nicht mehr wählen. Alle Schüler müssen auf diese eine Schule.
Die Eltern werden die Hauptschulen, Realschulen, Sonderschulen und Gymnasien mit allem, was sie haben, gegen Ihre Einheitsschule verteidigen. Ich kann Ihnen und auch der Bundes-SPD nur sagen: Diesen Schulkampf - wenn ich das so sagen darf werden Sie verlieren, weil Sie ihn gegen die Eltern führen müssen.
Ich empfinde es als ungewöhnlich laut, gerade wenn ich bedenke, wie wenige Abgeordnete hier sind. - Jetzt ist es etwas besser.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In einer bildungspolitischen Rolle rückwärts hat die schwarz-gelbe Koalition die Schulstruktur in unserem Land umgekrempelt. Noch früher als bisher werden die Kinder jetzt auf verschiedene Schulformen sortiert, noch früher wird über Bildungschancen entschieden.
CDU und FDP wollten das so. Uneinig sind sie sich aber darüber, wie weit Eltern überhaupt noch an dieser Entscheidung beteiligt werden sollen. Ausgerechnet die FDP will die Eltern in dieser Frage entmündigen.