Protocol of the Session on December 15, 2004

Ich finde es absolut unerträglich, nicht nachhaltig und nicht generationengerecht, dass wir den 20Jährigen, die den Landtag besuchen, um sich die Debatten anzuhören, zumuten: Ihr sollt mehr Kinder in die Welt setzen, als wir bereit waren, in die Welt zu setzen, ihr sollt Karriere machen, obwohl eure Aussichten auf Karriere schlechter sind, ihr sollt die sozialen Sicherungssysteme tragen, aber später, wenn ihr darauf angewiesen seid, werden die euch nicht mehr tragen, und deswegen sollt ihr auch noch zusätzlich privat vorsorgen. - Das ist das Signal dieser Gesellschaft an die junge Generation. Die jungen Leute werden dann auswandern, sie werden ins Ausland flüchten, Schwarzarbeit nachgehen, denn sie fühlen sich in diesem Lande bei Politikern wie Ihnen, die ständig die Zukunft verfrühstücken, nicht mehr geborgen.

(Starker Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Sie bleiben nicht regierungsfähig und in der Opposition, solange Sie diesen Anschein erwecken: Wenn Sie morgen dran wären, dann könnten Sie diese Dinge tun, die Sie hier verkünden. - Ihre Anträge stehen doch absolut unter diesem Gesichtspunkt - das will ich gar nicht kritisieren -, und sie - Gabriel I, Gabriel II und jetzt die Änderungsanträge zum Haushalt - sind doch am Ende des Prozesses doch marginal. Angesichts eines Haushaltsvolumens von 22 Milliarden Euro geht es in Ihren Änderungsanträgen um ein paar Milliönchen.

Wir wollen Landesblindenhilfe bis 600 Euro - 585 Euro - für die Betroffenen, wir wollen den Mobilitätsfonds in Höhe von 3 Millionen Euro, wir wollen für Betroffene bis zum Alter von 27 Jahren sogar mehr als bisher tun mit 300 Euro - -

(Zuruf von der SPD)

- Die jüngeren Blinden haben bisher weniger bekommen, und zwar 209 Euro. Die bekommen jetzt 300 Euro. Wir wollen in der Phase sozusagen der Berufsfindung unterstützen und Mobilität erleichtern, was gerade bei Blinden ein richtiges Anliegen der Gesellschaft ist. Dann geben wir 27 Millionen Euro für die 11 500 betroffenen Einzelschicksale, und Sie geben vielleicht 29 oder 30 Millionen Euro aus, weil Sie das Landesblindengeld für alle unabhängig von Einkommens- und Vermögensprüfung durchhalten wollen, und zwar mit etwa 360 Euro nach Ihren Anträgen, also auch wiederum gekürzt auf ein niedrigeres Niveau. Wer daraus - ob 29 oder 27 Millionen Euro, ob Betrachtung von Vermögensoder Einkommenslage oder einkommenslos - einen solchen Popanz aufbaut,

(Zuruf von der SPD: Popanz?)

dass er hier dem anderen sozusagen das unterstellt, was Sie seit zwei Tagen unterstellen, der begibt sich auf eine Ebene der Diskussionskultur, mit der er in diesem Lande Stimmung machen kann. Das hält eine halbe Stunde an, aber wenn Sie morgen früh aufwachen, werden Sie sagen: Die Situation des Landes haben wir mit unseren Beiträgen nicht getroffen. - Das kann aber von Ihnen erwartet werden.

(Starker, nicht enden wollender Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das Wort hat der Kollege Gabriel.

(Unruhe)

Ich weiß nicht, was Sie wollen. Sie haben früher einmal beantragt, dass wir die Geschäftsordnung ändern sollen, damit solche Debatten möglich werden. Ich verstehe Sie nicht.

(Beifall bei der SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu drei vom Kollegen Wulff angesprochenen Punkten würde ich gerne etwas sagen.

Sie haben eben gesagt, wir hätten ein paar Milliönchen verändern wollen.

Erstens. Ich stelle fest, unser Änderungsantrag umfasst 113 Millionen Euro Umschichtungen, der der CDU und der FDP 15 Millionen Euro. Wenn es also ein paar Milliönchen gegeben hat, dann offensichtlich nur die in der Fantasie Ihrer Kollegen. Bei uns sind das 113 Millionen Umschichtung, Herr Kollege McAllister, nicht Mehrausgaben.

(David McAllister [CDU]: Sie haben doch keine Deckungsvorschläge!)

Zweitens. Herr Wulff, Sie sprechen von Wachstum. Wir sagen, verschenkt doch bitte nicht 18 Millionen Euro im Volumen bei der Städtebauförderung, weil Sie zu dem Zeitpunkt Recht hatten, als Sie hier Reden gehalten und darauf hingewiesen haben, dass sich das Volumen durch Kommunen und durch den Bund erst verdreifacht und dann versiebenfacht. Dadurch, dass Sie 18 Millionen Euro im Haushalt streichen, die wir bei diesen 113 Millionen wieder einsetzen wollen, verschenken Sie 450 Millionen Euro an Bauaufträgen im Lande. Sie produzieren hier Arbeitslose, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben früher, als wir noch eine 10-prozentige Investitionsquote im Land hatten, gesagt, das sei zu wenig. Sie haben heute eine Investitionsquote von nur noch 7,2 % in Ihrem Haushalt. Sie sind doch diejenigen, die Arbeitslosigkeit produzieren.

Drittens. Hinten sitzt in der unteren Loge eine betroffene Frau; man kann das an der Blindenbinde erkennen. Es geht nicht, dass Sie versuchen, der Öffentlichkeit vorzumachen, Sie würden den Blinden mehr Geld geben. Erst haben Sie ihnen das Blindengeld komplett gestrichen, und jetzt geben Sie einem kleinen Teil ein bisschen mehr, allen anderen nichts, und dann sagen Sie, Sie hätten den Blinden mehr Geld gegeben. Das ist doch unglaublich, was Sie hier abziehen.

(Beifall bei der SPD)

Dann etwas zum Thema Verschuldung. Die haben völlig Recht - das habe ich gestern auch gesagt -: Auch Sozialdemokraten sind mit dafür verantwortlich, dass wir in Deutschland und auch in Nieder

sachsen zu hohe Schulden haben. Aber erstens lesen Sie doch einmal, was der Steuerzahlerbund in Niedersachsen dazu schreibt, nämlich unter wem sich „die Schuldenspirale so richtig zu drehen begann“. Das bezog sich auf den Kollegen Albrecht. Zweitens. Wenn Sie etwas dafür tun wollen, dass wir schneller von der Verschuldung herunterkommen, warum verweigern Sie sich dann dem Antrag der SPD-Fraktion - die Grünen sehen das nicht anders -, endlich zu einem Subventionsabbau zu kommen? Warum stimmen Sie im Bundesrat immer dagegen? Warum ist Ihnen die Eigenheimzulage wichtiger

(Oh! bei der CDU)

als die Entschuldung des Landes?

(Beifall bei der SPD)

Sie behaupten, mit der Eigenheimzulage würden Bauaufträge geschaffen. Erstens - das habe ich Ihnen eben schon gesagt – verschenken Sie 450 Millionen Euro in der Städtebauförderung, und zweitens wissen Sie doch ganz genau, dass seinerzeit schon zwei Jahre nach Einführung der Eigenheimzulage die Grundstückspreise gestiegen sind. Wir haben mit der Eigenheimzulage nicht die Familien, sondern die Grundstücks- und Immobilienbesitzer gefördert. Das möchten Sie gerne fortsetzen. Sie bedienen Ihre Klientel und erhöhen damit die Verschuldung, statt sie zu verringern. Das ist die Wahrheit beim Thema Verschuldung in Niedersachsen unter Ihrer Regierung.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat der Herr Finanzminister.

(Lothar Koch [CDU]: Halte dich nicht zurück!)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Gabriel, es wäre besser gewesen, wenn Sie nach vorne gekommen und wie beim „Schiffe versenken“ gesagt hätten: Treffer, versenkt. - Das wäre ehrlicher gewesen.

(Sigmar Gabriel [SPD]: Er hat doch selbst gemerkt, dass er versenkt wur- de! Warum soll ich ihm das noch sa- gen?)

- Sie sind versenkt worden.

(Hans-Werner Schwarz [FDP]: Das hat er noch nicht einmal gemerkt!)

Wenn Sie behaupten, wir würden 450 Millionen Euro bei der Städtebauförderung verschenken, dann ist das schlicht falsch. Eine solch große Zahl stand noch nie im Haushalt.

(Sigmar Gabriel [SPD]: Das sind Ihre Zahlen! Es war der Kollege Biest- mann, der das behauptet hat!)

Ich wollte aber etwas ganz anderes sagen, Herr Gabriel. Darüber sollten Sie noch einmal nachdenken. Laut Protokoll über die Sitzung von gestern hat Sigmar Gabriel (SPD) folgenden Zwischenruf gemacht:

„Das ist doch die schlichte Unwahrheit, was Sie sagen! Das ist der Finanzminister, wie man ihn kennt! Lügen, bis sich die Balken biegen!“

Ich hatte zuvor Folgendes ausgeführt:

„Sie unterliegen auch einer völligen Fehleinschätzung der haushaltsmäßigen Auswirkung der von Ihnen vorgeschlagenen Steuerrechtsänderung.“

- Sie haben eben wieder dazu Stellung genommen.

„Unterstellt werden von Ihnen Steuermehreinnahmen in Höhe von sage und schreibe 459 Millionen Euro,“

- das haben Sie eben wiederholt

„insbesondere durch die Streichung der Eigenheimzulage und die Kürzung der Entfernungspauschale bereits im Jahr 2005. Weitere Entlastungen sollte der Landeshaushalt durch deutliche Anhebung von Förderzins und - ich habe es eben gesagt - eine Kürzung der Beihilfe für Beamte schaffen. Das waren Ihre ursprünglichen Zahlen.

(Sigmar Gabriel [SPD]: Stimmt gar nicht!)

Letztendlich hatten Sie auch noch Änderungen des Personalvertre

tungsgesetzes von 1 000 Stellen eingebracht.

(Sigmar Gabriel [SPD]: Das stimmt doch gar nicht! Zitieren Sie doch einmal den Landeshaushalt!)

Sie haben erklärt, dass durch die Steuerrechtsänderung 459 Millionen - - -“

An dieser Stelle werde ich von Herrn Gabriel unterbrochen, der mir vorwirft, die Unwahrheit zu sagen bzw. gelogen zu haben, bis sich die Balken biegen. Ich habe aus dem Papier von Herrn Sigmar Gabriel zur Haushaltsberatung 2005 zitiert. Ich habe gesagt: Das sind Ihre ursprünglichen Zahlen. Auf Seite 15 haben Sie ausgeführt: Zum Ausgleich der dadurch entstehenden Mindereinstellungen werden die Zuständigkeiten, Mitbestimmungsrechte und Freistellungsregelungen des Niedersächsischen Personalvertretungsgesetzes entsprechend den Vorschlägen des Landesrechnungshofs überprüft. Nach Berechnungen des Landesrechnungshofs können dadurch bis zu 1 000 Vollzeitstellen erwirtschaftet werden.