Nach wie vor fließt im Rahmen des Programms „Niedersachsen ist am Zug“ viel Geld in die Schiene. Herr Hagenah, mit einem Gesamtvolumen von 100 Millionen Euro haben wir eine umfassende Modernisierung von 32 Bahnhöfen vertraglich mit der Deutschen Bahn AG vereinbart. Und im Rahmen des Harz-Weser-Vertrags zwischen Niedersachsen und der Bahn AG wird die Bahn in den nächsten Jahren gut 200 Millionen Euro in die Schiene und auch in ein Stellwerk und weitere moderne Triebwagen stecken.
Meine Damen und Herren, im Ausschuss hat die Opposition keine konstruktiven Änderungsvorschläge zum Haushalt gemacht - ich kann mich daran jedenfalls nicht erinnern -, einmal abgesehen davon, dass die Grünen wie in jedem Jahr eine Verschiebung der GVFG-Mittel von der Straße in Richtung Schiene fordern. Das Gegenteil wäre richtig gewesen, Herr Hagenah.
Und Herr Oppermann will pressewirksam mehr Geld für den Erhalt der Landesstraßen. Aber, Herr Oppermann, das sind genau die Straßen, die die SPD während ihrer Regierungszeit hat verkommen lassen.
Ich meine, das ist nicht sehr glaubwürdig. Die alten Rezepte, der Ruf nach mehr Geld, haben unser Land in der Vergangenheit in die Situation gebracht, dass wir jetzt das Geld nicht mehr haben, um diese Straßen zu renovieren und auszubauen. Darum bemühen wir uns jetzt Jahr für Jahr, mehr als 350 Millionen Euro Einsparungen herauszuarbeiten.
(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Früher ha- ben Sie uns für bekloppt erklärt, wenn wir so etwas beantragt haben!)
In einem Interview der NOZ - das konnte man am Samstag nachlesen - hat Kardinal Lehmann die ungehemmten öffentlichen Schuldenmacher als „Zukunftsdiebe“ bezeichnet.
Ich meine, er hat Recht. Ich kann Ihnen nur sagen: Die Zukunftsdiebe waren vor uns dran. Wir verhalten uns anders. Wir wollen nicht schon heute die Zukunft unserer Kinder verfrühstücken. Deshalb gibt es zur Wirtschaftspolitik des Ministers Hirche und der CDU/FDP-geführten Landesregierung keine Alternative. Die Politik ist gut für die Arbeitsplätze in Niedersachsen, sie ist gut für die Menschen in Niedersachsen und damit ohne Alternative für unser Land. - Danke schön.
- Ich habe den Abgeordneten Hagenah aufgerufen! Er hat jetzt das Wort, und die anderen schweigen und hören zu.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese Landesregierung versucht in der Öffentlichkeit, sich quasi per Parteizugehörigkeit Wirtschaftskompetenz und Haushaltskompetenz zuzusprechen. Der Anschein trügt aber. Minister Walter Hirche benutzt für neue, komplexe Probleme zu oft alte und überholte Rezepte. Das kann so nicht funktionieren. Falsche Weichenstellungen in so wichtigen Bereichen wie Verkehr, Wirtschaft und Ausbildung bei abnehmenden Finanzmitteln verursachen Gefahren für die Zukunft Niedersachsens.
Auch Ihre Haushaltspolitik, Herr Minister Hirche, wird den Herausforderungen im Land nicht gerecht und ist nicht effizient. Es ist zum Schaden für Niedersachsen, wenn diese Regierung Fördermittel verschenkt. Die Fördermittel vom Bund und der Europäischen Union für Niedersachsen werden zukünftig ohnehin geringer. Spätestens mit dem Auslaufen der Ziel-2-Mittel Ende 2006 sieht es für
unsere Problemregionen bitter aus. Trotzdem verschenken Sie auch 2005 die knappen Fördermittel wieder als Zuschüsse und stellen nicht - wie beispielsweise unser Nachbarland NordrheinWestfalen - auf revolvierende Fonds um. Nur so könnten wir auch noch nach 2006 die Wirtschaft Niedersachsens mit Rückflüssen fördern.
Ihr Ministerium versteht sich auch nicht gut darauf, das Wirtschaftsförderinstrument GA-Mittel, das vom Bund finanziert wird, für unser Land erfolgreich einzusetzen. Im Frühjahr beklagte Minister Hirche noch an dieser Stelle das drohende Ende der GA-Förderung. Wir alle haben ihm beigepflichtet und ihn unterstützt, dass die Mittel auch dieses Jahr fließen. Jetzt verzichtet Niedersachsen sogar freiwillig auf große Beträge. Für 2004 gibt das Land 15 Millionen Euro GA-Mittel an den Bund zurück. Im Haushalt 2005 hat Minister Hirche 2 Millionen Euro, die der Bund Niedersachsen bereitstellen würde, nicht einmal mehr gegenfinanziert. Das ist ein Offenbarungseid, Herr Minister, wenn man bedenkt, dass in Ihrem Wirtschaftsförderfonds noch ungebundene Mittel stecken, die sich durch Zuschüsse von Bund und EU multiplizieren ließen.
Noch schlimmer ist der Verzicht dieser Landesregierung im nächsten Jahr auf die Bundesmittel zum Programm Soziale Stadt, zur Städtebauförderung und zum Stadtumbau West. Mehrere hundert Millionen Euro Investitionen gehen Niedersachsen dadurch in den nächsten Jahren verloren. Gerade in den Kommunen, die Probleme haben, wäre es sehr wichtig gewesen, wenn wir hier durchfinanzieren würden. Das ist wirklich nicht gerecht und effizient, schon lange nicht, wenn Sie bedenken, dass hier 1 Euro öffentlicher Investitionen 7 bis 8 Euro private Investitionen auslöst.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Landesregierung will sogar das erfolgreiche Programm zur Förderung der energetischen Sanierung der Bausubstanz wieder kippen. Dieser Landtag hat noch voriges Jahr einstimmig gefordert, alles zu tun, um die attraktiven Förderkredite der KfW verstärkt nach Niedersachsen zu holen. Das ist im Jahr 2004 durch den Einsatz der Landestreuhandstelle mithilfe einer Landesbürgschaft auch erfolgreich angelaufen. Die Mittel waren schon zur
Hälfte des Jahres aufgebraucht und mussten aufgestockt werden. Aber dieser warme Regen für unsere Bauwirtschaft zählt für Minister Hirche nicht ausreichend, weil die Privatbanken darauf verschnupft reagiert haben und das Geschäft zu teureren Konditionen wieder alleine machen wollten. Das Erfolgskonzept der LTS wird deshalb zulasten der notleidenden Bauwirtschaft auf Eis gelegt.
Dass Sie zu wenig Verständnis für unsere niedersächsischen Unternehmen haben, zeigt auch Ihr neuester Vorstoß. Mit den Reformvorschlägen für die Berufsgenossenschaften ohne Absprache mit den Betroffenen haben Sie sich ins Abseits gebracht.
- Ich war bei der Veranstaltung mit der Bauwirtschaft dabei. Man war gar nicht erfreut - not amused - angesichts Ihrer Bundesratsinitiative.
Wer nicht weiß, wie Unternehmen ihre Mitarbeiter künftig versichern sollen, wenn das alles privatisiert ist und im Wettbewerb läuft, und wer kein Konzept hat, wer die immensen Altkosten übernehmen könnte, und trotzdem das solide System unserer Berufsgenossenschaften der fixen Idee Wettbewerb opfern will, der handelt nicht professionell, sondern fahrlässig, Herr Minister.
Wir setzen andere Prioritäten. Bei diesem angespannten Haushalt sehen wir z. B. kein Potenzial, die Managerschule GISMA für Führungskräfte im bisherigen Rahmen aus Landesmitteln zu fördern. Das können Wirtschaft und Studierende auch aus eigener Kraft schaffen, meinen wir. Viel wichtiger ist aus unserer Sicht, den Verbraucherzentralen ausreichend Mittel zu geben. In der globalisierten Waren- und Konsumwelt wird unabhängige Orientierung für den Verbraucher immer wichtiger. Die Qualität von Produkten muss ebenso wie Energieund Schadstoffbilanz für die Kunden besser transparent gemacht werden. Sie haben sonst keine Lobby und brauchen unsere Unterstützung.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Landesregierung setzt auch beim Punkt Ausbildung falsche politische Signale in einer prekären Situation. Seit Jahren waren die Bewerberzahlen in Niedersachsen nicht derart hoch und die Ausbildungsplätze derart niedrig wie im Herbst 2004. Nach Auskunft Ihres Ministeriums, Herr Minister, haben wir den Verlust von 1 600 Ausbildungsplätzen - in Summe, und zwar nach Anrechnung der hinzugewonnenen Ausbildungsplätze und nach Abzug aller verlorenen Ausbildungsplätze - in unserem Land zu beklagen. Ausgerechnet jetzt wollten Sie die Absprache im Ausbildungspakt brechen und sehenden Auges die überbetriebliche Ausbildung in Niedersachsen im nächsten Jahr vor die Wand fahren. Doch die übrigen Projektpartner protestierten lautstark. Jetzt holen die Fraktionen der CDU und der FDP mit ihrem Änderungsantrag die Kohlen für Sie aus dem Feuer - immerhin. Das ist zwar gut für die Jugendlichen, aber peinlich für die Landesregierung und ihren Wirtschaftsminister.
Jenseits des Zahlenjonglierens, Herr Hoppenbrock: Sie haben vorhin noch von 3 % mehr Ausbildungsplätzen gesprochen. Auch Sie sind im Ausschuss dabei gewesen und haben vernommen, dass das Wirtschaftsministerium auf Nachfrage uns gegenüber weniger Ausbildungsplätze konstatieren musste. Fakt ist: Mehr Jugendliche als jemals zuvor haben in Niedersachsen keine Ausbildungsstelle in diesem Herbst gefunden. Auch Ende November klafft weiter eine Lücke von 1 200 zwischen unbesetzten Stellen und Bewerbern. Das ist rund ein Drittel mehr als noch vor einem Jahr. Und das wollen Sie allen Ernstes als Erfolg verkaufen? Es geht nicht alleine darum, wie viele Ausbildungsplätze neu eingerichtet wurden - man muss die verlorenen auch gegenrechnen und ob nun eine IHK oder eine andere Handwerkskammer mehr meldet, sondern die gesamte Zahl der Ausbildungsplätze ist entscheidend.
(Beifall bei den GRÜNEN - Jörg Hill- mer [CDU]: Sorgen Sie doch in Berlin dafür, dass nicht so viele Firmen Pleite gehen!)
Hinzu kommt, dass die Zahl der Bewerber noch immer steigt. Wichtig ist also nur, was nach der ganzen Rechnerei unter dem Strich steht. Gerade deshalb ist es fatal, dass Sie die Förderung von
Arbeitslosen- und Sozialhilfeinitiativen zum Jahresende abrupt abbrechen, obwohl es Zusagen bis 2006 gab. Gerade beim Übergang zum Arbeitslosengeld II wäre deren unabhängige Beratung für die Betroffenen besonders wichtig gewesen. Das ist Ihnen aber offensichtlich egal. Sie hoffen wohl, dass die Probleme beim Bund abgeladen werden. Aber Sie haben hier vor Ort die Verantwortung, dass der Übergang zum Arbeitslosengeld II ordentlich vonstatten geht. Deswegen ist es wichtig, wenn die Initiativen den Arbeitslosen auch noch im ersten Halbjahr 2005 zur Verfügung stehen, ihnen Rede und Antwort stehen können und mithelfen, die im Übergang sicherlich vielen fehlerhaften Berechnungen zu korrigieren.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, entgegen aktueller Studienergebnisse hält diese Landesregierung auch an einer falschen Verkehrspolitik fest. Sie verwechseln Autobahnbau mit Wirtschaftspolitik. Doch das funktioniert schon lange nicht mehr.
Außerdem sorgen Sie mit Ihrer falschen Mittelverteilung dafür, dass das bestehende Infrastrukturnetz - sei es Straße oder Schiene - bei uns weiter verfällt. Kein Autobahnbau - und sei er auch noch so oft in den Medien platziert wie jetzt die A 22 - bringt bei uns automatisch Schwung in wirtschaftsschwache Regionen. Das ist ein Ansatz aus den 60er-Jahren des vorigen Jahrhunderts, mit dem sich IHKs und Landkreise versuchen, Mut zu machen. Und Sie als Minister feuern das an, obwohl Sie wissen, dass sich die Küstenautobahn nicht finanzieren lässt und dass sie wegen der demografischen Entwicklung in der Zukunft in dieser Region erst recht nicht gebraucht wird.
Geld wird für die Infrastruktur woanders gebraucht, nämlich um das vorhandene Straßen- und Schienennetz zu erhalten. Wegen Ihrer einseitigen Infrastrukturpolitik fehlt es hier an allen Ecken und Kanten - ob Nordenham - Hude, Göttingen - Bodenfelde oder die gesamte Strecke der Heidebahn.
Zum Teil befindet sich unser Schienennetz schon jetzt in einem erbärmlichen Zustand. Und ob Verkehrsverträge, wie für die Harz-Weser-Region, den Verfall aufhalten, ist noch mehr als fraglich. Nichts steht in dem Vertrag darüber, wie und wann konkret mit wie viel Geld die wichtigen Strecken erhalten werden. Das sind sehr pauschale Aussagen, die irgendwann in den nächsten zwei Jahrzehnten von der Bahn umgesetzt werden müssen und dann noch im Streit enden könnten. Deswegen wiegen wir uns da überhaupt nicht in Sicherheit hinsichtlich der Verlässlichkeit der Bahn, sondern müssen unmittelbar zu Investitionen beitragen.
Auch wenn Sie mit dem Finger noch so oft nach Berlin zeigen, Herr Minister Hirche, können Sie nicht von Ihren Fehlentscheidungen im Verkehrsbereich ablenken. Tatsächlich läuft die Mittelvergabe unter Rot-Grün auf einem hohen Niveau, und zwar trotz Maut und sogar trotz Koch/Steinbrück. Jährlich nehmen die Regionalisierungsmittel an die Länder zu und nicht ab. Aber was passiert hier in Niedersachsen damit? - Das Land sorgt sogar dafür, dass die Mittel für die Infrastruktur im öffentlichen Personennahverkehr und Schienenverkehr zunehmend zweckentfremdet werden. Nach dem neuen Nahverkehrsgesetz gehen 10 % an die Landkreise. Das ist an sich kein Problem, aber ohne klare Zweckbindung natürlich sehr problematisch. Die Ausgleichszahlungen des Landes für die Schülerbeförderung im ÖPNV werden nächstes Jahr erstmalig vollständig aus den Regionalisierungsmitteln der Bahnreform bezahlt. Das sind jährlich mehr als 100 Millionen Euro, die nicht mehr für den Infrastrukturerhalt in unserem Land zur Verfügung stehen und die Sie zweckentfremden. Deshalb sind wir mit unserem Änderungsantrag für den Haushalt geradezu gezwungen, bei den GVFG-Mitteln wieder einigermaßen einen Ausgleich zwischen Schiene und Straße herzustellen, damit die Wettbewerbsbedingungen in der Zukunft nicht völlig verzerrt werden.
Wir stellen fest: Entgegen dem mühsam gezeichneten Selbstportrait stellt diese Landesregierung die Weichen für Niedersachsens Zukunft falsch und ist äußerst ineffizient beim Einsatz der knappen Mittel.
Minister Hirche, bei genauerer Betrachtung erweisen Sie sich als Neuauflage einer bekannten Figur aus der Augsburger Puppenkiste.