Ich meine, dass nur durch gut qualifiziertes Personal in ausreichender Zahl, durch technisch hervorragende Ausstattung, die mit dem Schritt hält, was auf der anderen Seite - auf der der Steuerpflichtigen - auch eingesetzt wird, und durch eine grenzübergreifende Zusammenarbeit mit Nachbarländern sowie auf außereuropäischer Ebene die gewünschten Erfolge erzielt werden können.
Bezüglich des konkreten Sachverhalts, der von Ihnen, Herr Wenzel, in Punkt 3 angesprochen worden ist - die Frage der Personalausstattung in der Steuerverwaltung -, sage ich für die SPD-Fraktion: Wir werden die Fraktionen der CDU und der FDP auf den Prüfstand stellen. Wir werden bei den Haushaltsberatungen einen Antrag einbringen, der die Übernahme des ausgebildeten Nachwuchses beinhaltet. Dann werden Sie zeigen müssen, ob Sie hier Ihre stereotype Antwort - die RotstiftPolitik - geben oder ob Sie, weil es sachlich begründet ist, mit uns stimmen und wir in diesem Punkt eine Kurskorrektur vornehmen. - Schönen Dank.
(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Bernd Althusmann [CDU]: Wir beseitigen die Probleme, die Sie uns bereitet haben!)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Umsatzsteuerbetrug ist zweifelsfrei zu bekämpfen; denn er geht immer zulasten der steuerehrlichen Unternehmen sowie zulasten der gesamten Gesellschaft, die für diese Steuermindereinnahmen
Die Hinterziehung selbst setzt sich nach derzeitigen Erkenntnissen aus zwei wesentlichen Blöcken zusammen. Das eine ist die so genannte normale Hinterziehung, die zu einem großen Teil der schattenwirtschaftlichen Aktivität in der Bundesrepublik und dem Ausfall von Steuern über Insolvenzen geschuldet wird. Von der Hinterziehungsquote von 10,5 %, die das ifo-Institut schätzt, entfallen 7 % auf diesen Bereich. Mit den Maßnahmen der BP ist diesem Vorgehen regelmäßig nicht bzw. nur sehr fragmentarisch beizukommen.
Der BP sind theoretisch die restlichen 3,5 % - der andere Bereich - zugänglich, die auf die so genannten Karussellgeschäfte entfallen, welche sich zunehmender Beliebtheit erfreuen. Dabei geht es um Umsatzsteuerbetrug, Betrug im großen Stil. Nach Schätzung des ifo-Institutes handelt es sich hierbei um etwa 4,5 Milliarden Euro. Genau weiß das allerdings niemand. Es ist eine Schätzung. Wir kennen das schon mit den Schätzungen: Herr Eichel hat einmal geschätzt, dass die Haushalte durch das Amnestiegesetz um 5 Milliarden Euro entlastet würden. Und wie sah das Ergebnis aus?
Trotzdem: Gesetzt den Fall, die Schätzung wäre richtig, dann wären 4,6 % für Niedersachsen mithin 200 bis 210 Millionen Euro - nicht 900 Millionen Euro, wie Sie angegeben haben, Herr Wenzel. Aber auch rund 200 Millionen Euro sind ein erheblicher Betrag, über den man ernsthaft nachdenken muss. Da stimme ich Ihnen völlig zu. Für die wirtschaftliche Betrachtungsweise - Ihr Antrag unterstellt ja, dass wir den Haushalt damit sanieren könnten - müssen wir aber etwas weiter denken.
Der Kriminelle, über den wir uns hier unterhalten, ist nicht der Pizzabäcker von nebenan, der mal einen falschen Steuersatz angegeben und ein paar Euro illegal eingespart hat - der Kriminelle hier ist ein echter Profi, gut beraten, teuer beraten, eben Profi. Hier werden häufig zusätzlich Delikte im Bereich der Geldwäsche, der Korruption, der Insidergeschäfte, der Terroristenfinanzierung, des Anlagebetrugs, allgemein der gesamten Organisierten Kriminalität anzutreffen sein.
Den Hinweis auf die föderale Struktur, die hier hinderlich sein soll, halte ich nicht für so ganz sinnvoll, so ganz zielführend; denn dieser Betrug wird in der Regel nicht über innerdeutsche Grenzen ausge
führt, dieser Betrug geht über europäische Grenzen hinweg. Wenn ein Fall aufgedeckt wird, wartet der Betrüger nicht brav in Paris oder London, bis zu seiner Verhaftung oder der Einziehung seines Vermögens ein deutscher Beamter erscheint. Er verschwindet in der Regel sehr schnell. Und da er schon bewiesen hat, dass er den Fiskus nicht wirklich lieb hat, nimmt er gleich sein Geld mit.
Folge ist, dass die Höhe des Schadens möglicherweise zwar zu ermitteln ist, aber eine Realisierung der durch den Betrug abgeschöpften Gelder ebenso selten ist wie eine geglückte Strafverfolgung. Es könnte sich also schnell für den niedersächsischen Haushalt die Rechnung ergeben: 200 Millionen hinterzogene Steuern nicht erhalten; Haushaltsauswirkung: zusätzlicher Aufwand für die Ermittlung, Verfolgung, möglicherweise Verurteilung und ergebnislose Vollstreckung.
Auch die Rechnung mit den Betriebsprüfern halte ich persönlich für ein wenig blauäugig. Sie sprechen von 70 000 Euro bis zu 900 000 Euro.
- Stimmt, das sind die offiziellen Zahlen. Das bestreite ich überhaupt nicht. Aber das sind 900 000 Euro festgestellte Summen im Betriebsprüfungsverfahren. Da steht nicht, es sind 900 000 Euro dem Haushalt hinterher zugeflossen.
- Nein, die Zahlen kommen aus der Betriebsprüfung, und in der Betriebsprüfung wird festgestellt, was von der Betriebsprüfung ermittelt worden ist, nicht, was hinterher, nach Rechtsmittelverfahren, nach versuchter Vollstreckung wirklich eingebracht wird.
Allein die Rechtsbehelfsverfahren reduzieren in der Regel diese Summen ganz erheblich. Ex-Minister Aller weiß das sehr genau.
- Herr Wenzel, ein Angebot zur Güte: Dass wir das hinterzogene Geld haben wollen, ist ja völlig richtig. Daran gibt es überhaupt nichts zu rütteln. Aber wenn das so einfach wäre, wie Sie es hier hingestellt haben, dann müssten alle Länderfinanzminister der Bundesrepublik wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung eingesperrt werden, weil sie so angeblich einfache Wege schlicht nicht gegangen sind.
Was wir wirklich brauchen, sind einfache, klare Gesetze mit niedrigen Steuersätzen - ohne Ausnahmen, die zur Hinterziehung einladen, ohne die Möglichkeit, ernsthaft darüber nachzudenken: Ist wirtschaftliches Handeln oder ist die Steuerzahlung sinnvoller für mich? Gleichzeitig muss die Möglichkeit der Umgehung durch Gesetzesvorlagen wirklich konkret ausgeschlossen werden. Und das, lieber Herr Wenzel, braucht Zeit, und das braucht Kompetenz. Diese Kompetenz sehe ich in vielen Bereichen der Steuergesetzgebung heutzutage nicht.
Bevor ich Herrn Minister Möllring für die Landesregierung das Wort erteile, möchte ich darauf hinweisen, dass die Fraktionen übereingekommen sind, den Antrag unter Tagesordnungspunkt 31 direkt zu überweisen. - Herr Minister Möllring, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin meinem Vorgänger, Herrn Kollegen Aller, ausgesprochen dankbar dafür, dass er hier noch einmal darauf hingewiesen hat - und Herr Wenzel, erkundigen Sie sich da, wo Sie an der
Regierung sind -, dass die 16 Finanzministerinnen und Finanzminister in der Finanzministerkonferenz, die übrigens einmal im Monat tagt und meistens mit allen Ministern besetzt ist, ausgesprochen sachlich an diesem Problem arbeiten und dieses Thema fortentwickeln, gemeinsam über Parteigrenzen hinweg. Das hat Herr Aller hier dargestellt - dafür möchte ich ihm ausgesprochen danken -, und ich kann das 100-prozentig bestätigen.
Ich weise allerdings zurück, dass Steuerhinterziehung sozusagen ein Volkssport geworden ist und ich das als Kavaliersdelikt ansehe. Sie haben neulich schon einmal so etwas in Bezug auf meine Person geäußert. Nun kann ich mit solchen Äußerungen umgehen, wenn ich sie auch nicht besonders schön finde. Ich hätte es allerdings besser gefunden, Herr Wenzel, wenn ich von Ihnen in der Zeitung gelesen hätte, dass Sie bei der Aufstellung der Kandidatenliste für das Europaparlament aufgestanden wären und gesagt hätten: Der ehemalige Bundestagsabgeordnete, der gemeint hatte, seine Bundestagsdiäten nicht versteuern zu müssen, und deshalb hatte zurücktreten müssen, kann nicht ein Jahr später bereits in das Europaparlament geschickt werden!
Da kann es natürlich so scheinen, dass die Grünen meinen: Nun ja, Steuerhinterziehung ist ein Kavaliersdelikt; wenn er ein halbes Jahr gebüßt hat, Übergangsgeld kassiert hat, kann er ins Europaparlament.
Sie wissen, Herr Wenzel, wer mit Dreck schmeißt, hat dreckige Hände, aber an dem, der getroffen wird, bleibt auch immer etwas hängen. Dazu gibt es auch einen Spruch. Aber Sie müssen auch immer sehen: Wenn man im Glashaus sitzt, ist das sehr übel. Ich hätte es besser gefunden, wenn Sie damit aufgehört hätten.
Ich möchte zu drei Beispielen Stellung nehmen. Ihre Zahlen sind abstrus. Ich weiß ja, dass man, je größer die Zahl ist, umso besser in die Zeitung kommt. Wir haben in Niedersachsen ein Steueraufkommen von insgesamt 14,5 Milliarden Euro, das im Landeshaushalt verbleibt. Sie sagen: Falls keine Steuerhinterziehung stattfände, wären 20 % mehr zu erwirtschaften. Das hieße, jeder fünfte Steuer-Euro würde im Moment hinterzogen. - Das ist völlig abstrus, wenn Sie sich die Wirklichkeit an
sehen, weil das nicht geht, da die meisten Steuerzahler abhängig beschäftigt sind und das Geld vorher gar nicht in die Hand bekommen, sondern es gleich abgeführt wird. Oder Sie müssten dann eben sagen, dass alle diejenigen, die selbständig arbeiten, gar keine Steuern zahlen. Das ist völlig falsch. Deshalb sind diese Zahlen abstrus. Niemand kennt die genauen Zahlen, deshalb kann man jede Zahl nennen, aber die von Ihnen genannten Zahlen sind völlig abwegig.
Das gilt genauso für die Umsatzsteuer. Wir nehmen im Jahr knapp 140 Milliarden Euro Umsatzsteuer bundesweit ein. Wenn Sie auch da wieder sagen, dass 20 Milliarden verkürzt würden, wäre das immerhin auch jeder sechste UmsatzsteuerEuro.
Dass wir weniger Umsatzsteuer haben, als es vom Wirtschaftswachstum her zu erwarten wäre, liegt schlichtweg daran, dass wir vom Export leben, d. h. dass wir dem Export unser Wirtschaftswachstum verdanken und nicht der Binnenkonjunktur. Beim Export wird die Umsatzsteuer erstattet und fällt deshalb nicht an, während die verbesserte Binnenkonjunktur Umsatzsteuer bringen würde. Gerade da sind wir schwach; das sagen uns alle Wirtschaftsinstitute und alle offiziellen Zahlen der Bundesregierung.
Natürlich gibt es Steuerhinterziehung. Der einfachste Fall ist, dass der Handwerker Sie fragt: Wollen Sie eine Rechnung haben? Wenn Sie Nein sagen, können Sie in der Regel davon ausgehen, dass darauf keine Einkommensteuer gezahlt wird, keine Kirchensteuer, kein Solidarbeitrag, keine Gewerbesteuer und auch keine Umsatzsteuer.
Das wird natürlich kontrolliert. Eichel hat jetzt 8 000 Zöllner dafür eingesetzt. Wir hatten in Rosdorf die Diskussion, wo wir übrigens festgestellt haben, dass nicht schwarz gearbeitet worden ist. Da sind andere Vergehen begangen worden, aber keine Schwarzarbeit.
Das, was ich gesagt habe, spielt sich meistens in den kleinen Fällen zwischen zwei Personen ab, von denen beide kein Interesse haben können, das nach außen zu tragen. Wir brauchen also jemand, der das beobachtet und dann eine Anzeige macht, damit dem nachgegangen werden kann, oder wir müssen kontrollieren.
Der zweite Fall ist der, den die Frau Kollegin Peters schon angesprochen hat. Dafür müsste aber das Bundesgesetz geändert werden. Sie hat von
der Pizzabäckerei gesprochen, Sie können auch eine Haxenbraterei nehmen. Sie können meinetwegen auch eine Dönerbude nehmen, eine Bratwurstbraterei oder eine Hähnchenbraterei. Das ist mir jetzt völlig egal. Lassen Sie es mich am Beispiel der Pizzabäckerei erklären.
Wenn Sie in eine Pizzagaststätte gehen, sich die Pizza auf einen Teller geben lassen, sich ein Besteck dazu geben lassen, eine Serviette auch, sich dort hinsetzen, die Tischdecke noch schmutzig machen und die Pizza dort essen, dann sind 16 % Umsatzsteuer fällig. Wenn Ihnen der Pizzabäcker die Pizza in einen Karton packt, Sie auf die Straße gehen, die Pizza da essen und dann den Karton ins Gebüsch werfen, dann sind es 7 % Umsatzsteuer.