Protocol of the Session on October 28, 2004

(Inse-Marie Ortgies [CDU]: Das ist aber so!)

Ihr Märchen war ja auch ein anderes. Ich sage Ihnen auch, welches. Es hieß: Tischlein deck dich wir rechnen uns reich, Goldesel streck dich - lasst doch die Städte bezahlen, Knüppel aus dem Sack - immer feste druff auf die Lehrer.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Hans-Werner Schwarz [FDP]: So nach dem Motto „Das sind alles faule Säcke“!)

Aus diesen Ergebnissen soll die doppelte Folgerung abgeleitet werden, dass die Schulstrukturreform beendet und Niedersachsen auf dem Weg aus dem PISA-Tal ist. Auch das ist beides falsch. Sie irren sich, wenn Sie glauben, der Wähler würde Ihnen auf Dauer den lieben Märchenonkel abnehmen.

(Zuruf von der CDU: Der einzige Mär- chenerzähler sind Sie!)

- Ich möchte das, was ich vorhin zu Zwischenrufen gesagt habe, nicht wiederholen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Auf Dauer wird in den internationalen Vergleichsstudien jedes Land scheitern, das Begabungsreserven nicht ausschöpft, sondern aussondert und verkümmern lässt. Dabei geht es nicht um die alten Glaubenskämpfe zwischen Gesamtschulgegnern und -befürwortern, sondern es geht nach wie vor um die Frage nach dem richtigen Weg zu mehr Schulqualität und zur bestmöglichen Förderung jedes einzelnen Schülers und jeder einzelnen Schülerin.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Es geht auch um die Frage: Wie organisiere ich eine Schule als Herausforderung, aber ohne Beschämung durch Zurückstellen, Abschulen und Sitzenbleiben? - Wer das immer wieder als Kuschelpädagogik diffamiert wie Herr Rösler, der verrät nur seine abgrundtiefe Ahnungslosigkeit.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Diese Debatte ist wichtig. Die Antwort der Landesregierung auf unsere Große Anfrage hat gezeigt: Alle entscheidenden Bildungsfragen sind durch das jetzige Schulgesetz nicht beantwortet worden. Diese Debatte ist ab sofort wieder eröffnet. - Danke schön.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Bevor ich der Abgeordneten Frau Pfeiffer das Wort erteile, möchte ich richtig stellen, dass sich der § 45 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung in der Tat auf die Schriftform bezieht. Ich relativiere dahin gehend meine Äußerung von vorhin.

(Heidrun Merk [SPD]: Eine Entschul- digung wäre dann aber angebracht!)

Frau Pfeiffer, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Poppe, schlechtreden hilft auch nicht. Der Beginn dieses Schuljahres ist der Wendepunkt in der niedersächsischen Schul- und Bildungspolitik.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das ist gerade einmal acht Schulwochen her. Ich meine, es wäre erheblich verfrüht, schon jetzt eine Bilanz zu ziehen. Eine so gigantische Schul- und Bildungsreform hat es in Niedersachsen noch nie zuvor gegeben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Bei den Eltern und auch an vielen Schulen hat es zwar zunächst einmal eine vorübergehende Verunsicherung gegeben. Das ist auch legitim. Ihr Plan, meine Damen und Herren von der SPD, Förderschulen und Sekundarschulen einzurichten, hätte aber zu weit mehr Unruhe geführt. Das vergessen Sie immer gerne. Das Ergebnis liegt auf der Hand: Wir haben jetzt ein modernes, zukunftsfähiges, dreigliedriges Schulsystem, das begabungsgerecht, durchlässig und wohnortnah ist. Wir haben jetzt mehr Unterrichtsversorgung, mehr Unterrichtsqualität, mehr individuelle Förderung für die Schwachen und die Starken - das fordern Sie ja immer - und mehr Verbindlichkeit und Verlässlichkeit. Das konnte alles - allen Unkenrufen zum Trotz - doch in einem Jahr umgesetzt werden, und es musste so sein.

Uns ist die Zukunft der Kinder und Jugendlichen wichtig. Wir haben der Schule als Zwischenlager, nämlich der Orientierungsstufe, den Rücken gekehrt. Wir sorgen dafür, dass sich Schüler, Lehrer und Eltern wieder mit der Schule identifizieren können, weil sie dort ein Zuhause finden und nach zwei Jahren nicht wieder weiterziehen müssen.

(Beifall bei der CDU)

Das ist gerade für diejenigen Schülerinnen und Schüler wichtig, die Kontinuität im Elternhaus leider vermissen müssen.

(Zustimmung von Ursula Körtner [CDU])

Daher brauchen wir keine weiteren Versuchslabors in den Schulen und schon gar kein Gabriel-Chaos, wie wir es hier im Lande zuletzt hatten. Wir müssen das Rad nicht neu erfinden. Erfahrungen wurden in den letzten 50 Jahren deutschlandweit wirklich genug gemacht.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Zurück in die 50er!)

- Bereits in den 90er-Jahren und auch nach 2000 hatten diese Schulen keine schlechten Ergebnisse. - Diejenigen, die dieses dreigliedrige System

bereits seit Jahrzehnten erproben, erzielen damit bundesweit immerhin die besten Ergebnisse.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

(Vizepräsidentin Astrid Vockert übernimmt den Vorsitz)

Wir haben hier nicht die Strukturen wie in Finnland, sondern müssen mit unseren Ressourcen so sinnvoll wie möglich haushalten.

(Beifall bei der CDU)

Dies tun wir jetzt und hier in Niedersachsen. Daher haben wir uns für den großen Wurf entschieden: Wir haben die Orientierungsstufe abgeschafft, das Abitur nach zwölf Jahren eingeführt und vieles mehr.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Der Wurf war wohl eher ein Wegwurf!)

- Herr Jüttner, wir sind noch nicht einmal drei Monate dabei. Ich meine, es ist zu früh, um Bilanz zu ziehen.

(Beifall bei der CDU)

Wir haben den Schulen durch das neue Gesetz Planungssicherheit gegeben. Wir haben damit vielen Schulträgern die Gelegenheit gegeben, ihre Schulstrukturen in ihrer jeweiligen Schullandschaft zu optimieren. Nach der Auflösung der Orientierungsstufe kamen im August dieses Jahres immerhin 251 440 Schülerinnen und Schüler direkt in die Klassen 5, 6 und 7 der weiterführenden Schulen. Auf der anderen Seite haben auch 13 332 Lehrerinnen und Lehrer die Schule gewechselt, weil sie bislang an Orientierungsstufen unterrichtet haben. Außerdem sind 626 neue Außenstellen geschaffen worden - 25 von Hauptschulen, 80 von Realschulen und 121 von Gymnasien. 26 Schulen wurden neu gegründet, davon vier Hauptschulen, elf Realschulen und elf Gymnasien. Drei gymnasiale Oberstufen wurden gegründet. 30 neue Schulzweige wurden eingerichtet. Auf der anderen Seite wurden eine KGS, drei Realschulen und 20 Hauptschulen im Rahmen der Strukturreform zusammengelegt bzw. aufgehoben. Der Grund dafür waren aber zumeist zu geringe Schülerzahlen.

Eines vergessen Sie gerne, meine Damen und Herren auf dieser Seite des Hauses: dass nämlich Ihre geplanten Förderstufen und Sekundarschulen ein Schulsterben ohnegleichen ausgelöst hätten.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Ursula Körtner [CDU]: Genau!)

Etliche Schulen wären ausgelöscht worden, nicht etwa, weil die Schülerzahlen zu gering waren, wie das bei uns der Fall ist, sondern aus politischen oder ideologischen Gründen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Sie können froh sein, dass es dazu gar nicht erst kam; denn das hätte Unruhe im Land ausgelöst.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir haben demgegenüber zur Stärkung des ländlichen Raums beigetragen und etliche Schulen und Außenstellen gerade in diesem Bereich neu geschaffen. An dieser Stelle möchte ich allen daran Beteiligten auf allen Seiten noch einmal herzlich danken, dass das alles derart in Ruhe und von manchem Unbeteiligten unbemerkt über die Bühne ging. Auch das gibt es.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Selbstverständlich gibt es noch kleinere Probleme oder Dinge, die nicht so optimal sind. Aber auch da wird es in nächster Zeit noch zu Bereinigungen kommen können.

Die langen Diskussionen über die Auswirkungen des Elternwillens konnte ich nie verstehen, weil es ja auch bisher einen freien Elternwillen gab, nur eben zwei Jahre später, nämlich nach der 6. Klasse. So kam es zu 33,2 % Empfehlungen für die Hauptschule in die Klasse 5, 6 und 7, während im Landesdurchschnitt nur 20,8 % der Eltern ihre Kinder bei der Hauptschule anmeldeten. Hier besteht also eine Diskrepanz von immerhin 12,4 Prozentpunkten. 35,2 % der Schüler waren für die Realschule empfohlen, und 39,2 % der Eltern meldeten ihre Kinder dort an. Hier beträgt die Differenz also 4 Prozentpunkte. Beim Gymnasium betrug die Differenz 6,2 Prozentpunkte: 31,6 % der Schüler bekamen eine Gymnasialempfehlung, und 37,8 % wurden am Gymnasium angemeldet. Wir stellen mithin fest, dass die größte Differenz bei der Einschätzung ihrer Kinder oder bei dem Willen, der Empfehlung zu folgen, bei den Eltern der Hauptschulempfohlenen liegt.

(Zuruf von der SPD: Warum wohl?)

Es liegt aber überwiegend keine Fehleinschätzung vor, sondern eher die Angst vor der Hauptschule. Grund dafür scheint mir zu sein, dass Sie, meine

Damen und Herren von SPD, nachhaltig dafür gesorgt haben, dass die Hauptschulen zu Restschulen verkommen sind, siehe oben.