(Beifall bei der SPD - Wolfgang Jütt- ner [SPD]: Das nennt man Schaum- schlägerei! - Joachim Albrecht [CDU]: Das war eben nicht logisch!)
Dagegen weisen rund 90 % der neuen Klassen 5 an Integrierten Gesamtschulen Stärken von 26 bis 30 auf. Ein Drittel aller Klassen der Gymnasien in den Klassenstufen 5, 6 und 7 hat gar eine Klassenstärke von über 30. Nur als Beispiel: Im 7. Schuljahrgang an Gymnasien haben 331 von 914 Klassen 31 bis 33 Schülerinnen und Schüler, 16 haben 34 Schüler und mehr. Und Sie, Herr Minister Busemann, stellen sich noch hin und sagen, Sie hätten beim Grundschultest die erstaunliche Erkenntnis gewonnen, dass es in größeren Klassen die besseren Ergebnisse gegeben habe. Vielleicht ist da doch ein kleiner Hinweis auf die Unterrichtspraxis und auf den Unterschied zwischen einer Erhöhung von 14 auf 16, von 22 auf 24 oder von 30 auf 32 nützlich, Frau Körtner. Irgendwo, Herr Minister, ist für eine Lehrkraft und für eine Klasse die Schmerzgrenze erreicht.
Wer darauf setzt, die Klassenstärken an Gymnasien würden im Laufe der Jahre schon deutlich sinken, der setzt auf die Durchlässigkeit nach unten und auf das Abschulen, auf die am stärksten demotivierenden Faktoren unseres Schulsystems. Das wäre eine Infamie gegenüber unseren Schülerinnen und Schülern.
(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Zuruf von der CDU: Das sind die Versäumnisse Ihrer Regie- rungszeit!)
(Beifall bei der SPD - Zuruf von der CDU: Herr Oberlehrer! - Ernst-August Hoppenbrock [CDU]: Typisch Lehrer! - Christian Dürr [FDP]: Das müssen Sie gerade sagen!)
Gehen Sie doch einmal für die Schülerinnen und Schüler, um die es hier geht, mit gutem Beispiel voran!
Bei einer Schulstrukturreform muss doch immer die grundsätzliche Frage gestellt werden: Was hat sich pädagogisch verbessert? Inwiefern werden die Schülerinnen und Schüler besser, intensiver, individueller gefördert? - Man kann es ganz einfach sagen: Bei diesen Verhältnissen nicht. Tatsächlich liegen an vielen Schulen die Nerven blank.
Da kommt vieles zusammen, z. B. das bürokratische Monster der Lernmittelleihe. Dazu heißt es in der Antwort der Regierung wörtlich:
Ich habe in vielen Schulen Gespräche geführt. Ich nenne diese Aussage eine Verhöhnung aller an der Lernmittelleihe Beteiligten.
Von der Größe der Klassen habe ich schon gesprochen. Für die notwendige Lehrerfortbildung steht kein Geld zur Verfügung. Die Zahl der Feuerwehrlehrkräfte ist völlig unzureichend. Die Schulleiterinnen und Schulleiter erhalten auf Anfrage bei Unterrichtsausfall die stereotype Antwort: Die Unterrichtsversorgung liegt doch bei 100 %. „Wir haben sieben Krankheitsfälle“. - „Aber Sie haben doch 100 %!“ - „Mehrere Lehrkräfte kommen erst im November.“ - „Aber Sie haben doch 100 %! - Noch nie ist mit der Phantomzahl 100 % ein so dreistes Spiel getrieben worden wie von dieser Regierung.
Herr Kollege Poppe, ich darf Ihnen einmal kurz vorlesen, was unsere Geschäftsordnung zum Inhalt Großer Anfragen sagt. In § 45 Abs. 2 heißt es:
(Zustimmung bei der SPD - Wolfgang Jüttner [SPD]: Das werden wir im Äl- testenrat einmal bereden, Frau Präsi- dentin!)
Danke. - Sie erinnern sich vielleicht: Im Februar lag die Unterrichtsversorgung mit gut 98 % exakt auf dem Niveau wie bei der Vorgängerregierung. Seither ist kein einziger zusätzlicher Lehrer eingestellt worden. Eine große Zahl von statistisch bereits eingerechneten Lehrkräften ist überhaupt noch nicht an den Schulen. Aber - oh Wunder - dank eines neuen Erlasses, dank einiger Rechentricks, dank größerer Klassen und einer geringeren Zahl an Anrechnungsstunden ist die Unterrichtsversorgung gestiegen. Ich nenne das ein gigantisches Täuschungsmanöver.
Die Behauptung Nr. 3 war: Das so entstandene, gegliederte Schulwesen soll angeblich begabungsgerecht und durchlässig sein. Über Ihren allen Erkenntnissen der Entwicklungspsychologie Hohn sprechenden Begriff der Begabungsgerechtigkeit wird noch ausführlich zu sprechen sein.
Immerhin darf man aber jetzt schon sagen: Alle internationalen Vergleichsstudien zeigen, dass bei früher Sortierung nicht die Begabung entscheidet,
Ihre hoch gepriesene Entdeckung der Durchlässigkeit hat zu erstaunlichen Erfolgen geführt. Auf die Frage, in wie vielen Fällen der Aufstieg in andere Schulformen aufgrund der neuen Regelung gelungen ist, lautet die Antwort wörtlich: „Es liegen derzeit noch keine Daten vor.“ Wann sollen sie denn auch kommen?
Meine Damen und Herren, die Regierung hat die Pflicht zur umfassenden Beantwortung der Fragen. Solange keine andere Antwort vorliegt, müssen wir annehmen, dass der Klartext lautet: Fehlanzeige. In diesem System gibt es ausschließlich eine Durchlässigkeit nach unten.
Behauptung Nr. 4: Das alles hat nichts gekostet. Die Tatsachen sind hier seitenweise aufgeführt. Die Beträge gehen für einzelne Kreise und Städte zum Teil in die Millionen. Zahlen müssen allerdings immer die anderen, in diesem Fall die Kommunen. Da wird dann wortreich und zum wiederholten Male erklärt, dass die Konnexität hier nicht greife. Auch diese Behauptung wird durch Wiederholung nicht richtiger.
Es wird nicht einmal der Versuch unternommen, zu differenzieren, was eine direkte und was eventuell nur eine indirekte Folge der Schulreform ist. Die Neugründung von fünf Gymnasien für die Jahrgänge 5 bis 10 und vier Gymnasien für die Jahrgänge 5 bis 12 führt natürlich zu Folgekosten.
Interessant ist auch, dass viele Schulträger auf den Wunsch der Eltern reagiert haben, sich nicht zu früh festzulegen. 26 Hauptschulen sind durch einen Realschulzweig und zwei Realschulen durch einen Hauptschulzweig erweitert worden. An zwei Standorten wurde eine zusammengefasste Hauptund Realschule neu errichtet. Eine Schulform, die Sie ursprünglich nicht einmal im Gesetz behalten wollten, wird zum Rettungsanker für viele Kommunen. Aber für alle Mühen, die durch die Schulstrukturreform hervorgerufen worden sind, sollen immer die Schulträger, nämlich die Kommunen zahlen.
Belastet werden auch in einseitiger und unerhörter Weise die Lehrkräfte, hinter die sich dieser Kultusminister doch stellen wollte. Hier kommt alles zusammen: größere Klassen, weniger Anrech
nungsstunden, Streichung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld, neue Erlasse, kaum Fortbildungsangebote. Immer munter drauf!
Die Lehrkräfte haben geglaubt, der Kultusminister stehe hinter ihnen. Inzwischen verstehen sie das als Drohung, weil immer noch ein Tritt von hinten kommt.
Eine Formulierung wie die des Schulleitungsverbandes, der Minister habe seinen Kredit verspielt, lässt doch an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig.
Herr Minister Busemann, das Märchen vom Schlaraffenland, vom reibungslosen Übergang nimmt Ihnen niemand ab.