Protocol of the Session on October 27, 2004

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die A 22 wird in diesem Land nicht realisiert werden. Setzen Sie auf die Alternativen in diesem Bereich, die finanzierbar sind. Damit nützen Sie der Region mehr als mit diesen unnützen Debatten über Zukunftsprojekte, die nicht umsetzbar sind. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das war die letzte Wortmeldung zu Tagesordnungspunkt 1 c. Wir kommen damit zu Tagesordnungspunkt

d) Praxisnahe Lehrerausbildung - Voraussetzung für mehr Qualität in der Bildung Antrag der Fraktion der FDP - Drs. 15/1378

Ich erteile Herrn Schwarz das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bildungspolitiker aller Parteien, aller Bundesländer, ja europaweit, sprechen sich dafür aus, die Lehrerausbildung zu reformieren und ihr Niveau zu verbessern. Die Diskussion ist 1999 durch den Ansatz, den der Bologna-Prozess mit sich gebracht hat, verstärkt und verschärft worden. Der Bologna-Prozess besagt ja, dass die Lehrerausbildung in ganz Europa bis 2010 vereinheitlicht werden soll.

Bemerkenswert ist allerdings die Feststellung, dass eine ganze Reihe von europäischen Ländern sich bereits wieder von diesem Prozess verabschiedet. Ich denke an Spanien, Frankreich, England und insbesondere auch an Finnland. Auch in der Bundesrepublik gibt es völlig unterschiedliche Denkweisen, wie die Lehrerausbildung auf einen Nenner zu bringen ist. Insbesondere die Kultusministerkonferenz hat sich dort nicht mit Ruhm bekleckert, ganz im Gegenteil. Das ist für mich ein wei

terer Beweis dafür, dass dieses Monstrum Kultusministerkonferenz dringend einer Reform bedarf. Deswegen noch einmal ein Kompliment an den Ministerpräsidenten, dass er dieses Thema aufgegriffen hat.

(Zustimmung bei der FDP)

Natürlich ist die Lehrerausbildung dem Wissenschaftsministerium, den Hochschulen und den Universitäten zuzuordnen, und natürlich hat die Lehrerausbildung unmittelbare Auswirkungen auf die Qualität unseres Bildungssystems. Ich möchte versuchen, diese Auswirkungen in groben Zügen noch einmal aus der Sicht der Schule zu betrachten.

Auf die Frage, was denn eigentlich eine gute Schule ist oder was wir von einer guten Schule erwarten, ist sicherlich zunächst einmal zu antworten, dass es darum geht, Fachwissen zu vermitteln. Gleichzeitig wollen wir aber, dass in der Schule Persönlichkeitsentwicklung stattfindet. Zur Persönlichkeitsentwicklung gehört auch die Vermittlung von Schlüsselfertigkeiten wie Sozialkompetenz, selbstständiges Lernen und vernetztes Denken. Darüber hinaus sollen unsere Lehrkräfte diagnosefähig sein; dort sehen wir insgesamt noch Defizite. Außerdem erwarten wir von den Lehrkräften die Fähigkeit zur Partnerarbeit. Sie sollen beispielsweise Projektarbeit nicht nur am Ende eines Schuljahres leisten, sondern über das gesamte Schuljahr hinweg. Ebenso verlangen wir Qualitätskontrollen sowie das Herstellen einer Schulatmosphäre.

All diese Fähigkeiten erlernt man am besten in der Praxis, und deswegen müssen unsere Studiengänge in Zukunft entsprechend gestaltet werden. Wir fordern eine praxisnahe Lehrerausbildung. Ich möchte in dem Zusammenhang auf die völlig unterschiedlichen Schwerpunkte in unterschiedlichen Phasen der Schullaufbahn hinweisen.

Meine Damen und Herren, man kann nicht einfach sagen, ein Lehrer kann gleichzeitig in der Grundschule und im Gymnasium unterrichten. Hier gibt es unterschiedliche Anforderungen in Bezug auf den pädagogischen Schwerpunkt, den wissenschaftlichen Schwerpunkt und den praxisnahen Schwerpunkt. Deswegen müssen wir weg von einer Einheitslehrerausbildung hin zu einer schulformbezogenen Lehrerausbildung.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Wir haben auch Vorbilder. Obwohl ich nicht der Meinung bin, dass wir von anderen Ländern, die heute als PISA-Siegerländer dargestellt werden, alles 1 : 1 übernehmen können, kann man einige Dinge sehr wohl übernehmen. Ich denke z. B. an die Lehrerausbildung in Finnland. Dort erwirbt man nicht bereits mit dem Abitur das Recht, das Lehramt zu studieren, sondern man muss neben Fachwissen auch Kompetenz im sozialen Bereich nachweisen. Ein Bewerber für das Lehramt muss den Nachweis erbringen, dass er in der Lage ist, das Wissen, über das er verfügt, den Schülern auch zu vermitteln.

Diesen Weg sollten wir konsequent weiter verfolgen. Wir sollten auch unseren Lehramtsbewerbern die Möglichkeit verschaffen, frühzeitig zu erkennen, ob sie für diesen Beruf geeignet sind oder nicht. Ich möchte in dem Zusammenhang auf zwei Hearings hinweisen, in denen wir uns mit der Frage beschäftigt haben, wie eine eigenverantwortliche Schule in Zukunft auszusehen hat, in der nämlich genau dies gefordert wird: eine Lehrkraft, die in der Lage ist, das in der Praxis Erlernte in den Unterricht einzubringen. Am 3. November wird ein weiteres Hearing zur Verbesserung der Unterrichtsqualität stattfinden, zu dem wir Experten eingeladen haben, die genau zu diesen Themen Stellung nehmen können.

Ich bin nicht der Meinung, dass wir damit bereits den Stein der Weisen gefunden haben, aber ich bin der Meinung, dass wir alle, quer durch alle Fraktionen, uns um einen Weg bemühen sollten, der es den Lehramtsbewerbern ermöglicht, zu ihrem Beruf zu stehen, ihn als Berufung zu begreifen und ihn nicht einfach nur als Job zu sehen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Nächster Redner ist Herr Wulf von der SPDFraktion.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist schon bemerkenswert, dass auch die FDP inzwischen begriffen hat, dass es notwendig ist, die Lehrerinnen- und Lehrerausbildung zu reformieren. Die anderen Fraktionen hier im Landtag, selbst die CDU, haben das schon vor zwei Jahren erkannt. Insofern kann man sagen: Auch die FDP ist inzwischen angekommen. Aller

dings muss man sehen, dass alles, was sie hier vorschlägt, im Wesentlichen längst umgesetzt wird.

(Hans-Werner Schwarz [FDP]: Wie bitte?)

Ich finde es auch bemerkenswert, dass es gerade die FDP ist, die hier mehr Praxisbezug, mehr Konzentration und mehr z. B. Projektlernen fordert. Ich erinnere daran, dass es die FDP war, die vor etwa 28 Jahren, als sie zusammen mit der CDU an der Regierung war, die einphasige Lehrerausbildung in Oldenburg und Osnabrück - die genau die Ziele verfolgte, die Sie, Herr Schwarz, gerade genannt haben - abgeschafft hat. Sie sollten sich einmal vor Augen führen, dass Sie das, was Sie hier heute kritisieren, im Grunde genommen selbst mit verschuldet haben.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Wann war das?)

Meine Damen und Herren, die SPD hat bereits im April 2002 ein umfassendes Papier zur inhaltlichen und strukturellen Reform der Lehrerinnen- und Lehrerausbildung vorgelegt. Noch unter der von Sigmar Gabriel geführten Landesregierung wurden die ersten Schritte für die Reform der Lehrerinnenund Lehrerausbildung in die Wege geleitet, unter Anerkennung und Einbeziehung aller Lehrer ausbildenden Hochschulen in Niedersachsen. Der Minister, der jetzt im Amt ist, kann Ihnen gerne darlegen, dass der Prozess zur Umsetzung inzwischen auch unter dieser Landesregierung im Gange ist.

Und da, Herr Schwarz, haben Sie gerade ein wunderschönes Eigentor geschossen. Denn für die Abschlüsse, die wir in Niedersachsen anstreben, ist u. a. die Anerkennung durch die KMK notwendig. Diese Anerkennung erreichen wir nur mit der KMK und nicht dadurch, dass wir sie, wie Sie es wollen, abschaffen.

(Zustimmung bei der SPD - Hans- Werner Schwarz [FDP]: Sie hat sie- ben Jahre lang nichts geleistet!)

Meine Damen und Herren, das, was Sie gefordert haben, läuft schon längst an den Hochschulen. Ich kann Ihnen darstellen, wie das beispielsweise in Oldenburg gemacht wird. Dort gibt es in der Bachelor- und Masterausbildung für die verschiedenen Schulstudiengänge Praktika, die zusammen länger als ein halbes Jahr dauern. Dort gibt es die Mitwirkung von Lehrkräften: so genannte mitwirkende Lehrerinnen und Lehrer, die in den Veran

staltungen mit tätig sind. Dort gibt es eine intensive Zusammenarbeit der Schulen mit den Ausbildungs- und Studienseminaren; dazu ist sogar ein entsprechendes Rahmenabkommen geschlossen worden. Die Unterrichtspraktika werden durch die Forschung begleitet. - Also, das ist ein Beispiel dafür, dass Ihre Forderungen schon längst von der Praxis überholt worden sind.

(Hans-Werner Schwarz [FDP]: Und es gibt zig Beispiele, die dagegen spre- chen, Herr Wulf!)

Ich möchte gerne wissen, wie diese Landesregierung zu dem steht, was Sie gerade gesagt haben.

Ich möchte auch gerne wissen, wie die Landesregierung zu dem Chaos steht, das die CDU-Fraktion in der letzten Sitzung des Wissenschaftsausschusses präsentiert hat, als unser Antrag zur Reform der Lehrerausbildung diskutiert wurde: Dort konnte von ihren Vertretern noch nicht einmal hinreichend dargelegt werden, was eigentlich unter „Bachelor“, „Master“ oder „Polyvalenz“ zu verstehen ist. Dort wurden sogar Äußerungen gemacht, die mich zweifeln ließen, ob die Landesregierung daran festhält, die Lehrerinnen- und Lehrerausbildung nach dem Bachelor- und Mastermodell fortzusetzen. Dazu hätte ich gerne Auskünfte: Wie steht die Landesregierung zu dem Modell, das wir in die Wege geleitet haben, für das wir Ihnen sozusagen die Vorlage gegeben haben? Da sind Sie jetzt in der Verantwortung, das Beste daraus zu machen. - Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Jetzt erteile ich Herrn Albrecht von der CDUFraktion das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Sehr geehrte Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Lehrerausbildung steht heute als Thema der Aktuellen Stunde auf der Tagesordnung. Tatsächlich ist dieses Thema mehr als aktuell, und zwar seit Jahren. Besonders die Betroffenen, die jungen Menschen in der Lehrerausbildung, haben in den letzten Jahren zunehmend erleben müssen, dass sie im Verlauf ihrer Ausbildung immer weniger auf die schulischen Realitäten im Lande vorbereitet wurden. Die älteren Lehrkräfte in den Schulen mussten mit anse

hen, wie die wenigen jungen Kollegen, die Sie seinerzeit eingestellt haben, immer größere Schwierigkeiten im real existierenden Schulalltag in Niedersachsens Klassenzimmern erlebten.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: 10 000 in den letzten fünf Jahren!)

- Die Ausscheidenden muss man natürlich dagegen rechnen.

Mit großem theoretischem Wissen, zum Teil bis in die kleinsten Einzelheiten der Entwicklung der schulpädagogischen Theorien der letzten 200 Jahre, trafen die Jungpädagogen aus den Universitäten nun in den Schulen auf junge Menschen aus Fleisch und Blut, mit Herz und Verstand, mit verschiedenartigen Charakteren, mit unterschiedlichen Gefühlen und wechselnden Befindlichkeiten. Häufig bekamen diese pädagogischen Grünschnäbel von der Universität den Praxisschock nur mit sehr großer Mühe in den Griff.

(Dr. Gabriele Andretta [SPD]: Diffa- mierung!)

- Das ist keine Diffamierung, das basiert auf jahrelangen Erlebnissen in Schulen. Sie müssen einmal in die Schulen gehen, und zwar nicht nur zu Besuch, sondern längere Zeit mit den dortigen Kollegen arbeiten.

Geradezu eine Schockwelle erfasste Deutschland, als die PISA-Ergebnisse bekannt wurden. Jetzt rückte auch die Qualität der Lehrerausbildung in den Blickpunkt der aufgeschreckten Öffentlichkeit. Nun begann das interessierte Publikum zu ahnen, dass es am Beginn des neuen Jahrtausends um die Lehrerausbildung nicht zum Besten stand.

Die verantwortlichen Politiker kündigten zum Teil recht großspurig Verbesserungen der Lehrerausbildung an, deren schlechte Qualität sie selbst zu verantworten hatten. Schließlich war dieser Qualitätsverlust ja nicht über Nacht über die Lehrerausbildung hereingebrochen. Nein, seit langer Zeit diskutierten die Verantwortlichen die Notwendigkeit einer Qualitätssteigerung bei der Lehrerausbildung, u. a. auch im Zusammenhang mit dem so genannten Bologna-Prozess, der Umstellung von Diplom- und Magisterstudiengängen auf die neu strukturierten Studiengänge mit den Abschlüssen Bachelor und Master an unseren Hochschulen. Nur gehandelt wurde, abgesehen von den wenigen Beispielen, nicht zielgerichtet, sondern im Wesent

lichen nur halbherzig. Damit wurde die Situation eher verschlimmbessert.

(Glocke der Präsidentin)

Diese Erblast unserer Vorgänger gilt es zu beseitigen. Die Notwendigkeit der Qualitätssteigerung bei der Lehrerausbildung hat die CDU schon vor sehr vielen Jahren erkannt und immer wieder angemahnt. Seit wir an der Regierung sind, haben wir Schritt für Schritt den bildungspolitischen Scherbenhaufen der SPD beiseite geräumt. Bereits im letzten Jahr haben CDU und FDP hier angekündigt, dass wir uns jetzt, in diesem Jahr, der Qualitätssteigerung bei der Lehrerausbildung annehmen werden. Wir sind bereits dabei. Damit meine ich nicht nur die Zielvereinbarung, die das Wissenschaftsministerium im Laufe dieses Jahres mit den Hochschulen über die inhaltliche Umstellung der Studiengänge der bisherigen Lehramtsausbildung auf Bachelor- und Masterstudiengänge verabredet hat. Dies ist ein erster Schritt gewesen. Jetzt gilt es, diesen eingeschlagenen Weg konsequent weiterzugehen, um die Qualität der Ausbildung tatsächlich und nachhaltig zu verbessern.

(Glocke der Präsidentin)

Dabei sind für die CDU-Fraktion einige Punkte unentbehrlich. Es muss eine schulformspezifische Ausbildung für das Lehramt erfolgen, die bereits möglichst früh im Studium einsetzt, und zu schulformbezogenen Studienabschlüssen führt. Während der Lehramtsausbildung müssen erziehungsund gesellschaftswissenschaftliche, fachwissenschaftliche und fachdidaktische Kompetenzen vermittelt werden.

Herr Albrecht, kommen Sie bitte zum Schluss!

Ja, ich komme gleich zum Schluss.

Sowohl in den Bachelor- als auch in den Masterstudiengängen der Lehrerausbildung muss der praxisbezogene Anteil deutlich erhöht werden. Mehr von der Hochschule und von kompetenten Lehrkräften begleitete Praktika müssen die Lehramtsstudenten die Arbeitswelt des Lehrers kennen lernen lassen.