Wenn sich die KMK weigert, ihm in der Rechtschreibreform zu folgen, dann muss diese langweilige, bürokratische Truppe abgeschafft werden. So denkt offenbar Wulff. Sie beteiligt sich ohnehin immer an unbequemen OECD-Studien, bei denen das deutsche Schulsystem, das die CDU so gerne und so standhaft verteidigt, schlecht abschneidet. Von diesen Studien wollen Herr Wulff und Herr Busemann schon lange nichts mehr wissen.
Beleidigt über den Misserfolg mit der Rechtschreibreform, erfolgt der zweite Auftritt. Unter lauten Beschimpfungen der KMK wird der Ausstieg Niedersachsens aus diesem Gremium angekündigt.
Zwar sind Herr Minister Stratmann und Herr Busemann, seit eineinhalb Jahren Mitglieder dieses Gremiums, durch keinerlei Reformvorschläge aufgefallen. Aber das ist egal, das Medienecho ist bundesweit gesichert. Unkritische Stimmen feiern Herrn Wulff gleich als Reformmotor.
Doch der zweite Vorstoß ist offenkundig genauso wenig durchdacht wie der Erste. Schon bald muss der Niedersachse aus seiner übereilt angekündigten Aktion zurückrudern. Zuerst war noch von der Kündigung des Staatsvertrages über die KMK die Rede, den es überhaupt nicht gibt. Jetzt soll mit der Kündigung des Sekretariatsabkommens - und nur das kann man dort kündigen - die Reform vorangetrieben werden. Welche, darüber schweigen sich Herr Busemann und Herr Wulff lange aus. Erst viel später kommen Vorschläge organisatorischer Art und zur Einsparung. Innovative, qualitative Vorschläge? - Nicht ein einziger.
Aber das ist offenbar das, was Herr Wulff unter „Reform“ versteht. Wir sehen das bei der Auflösung der Bezirksregierungen, bei der Auflösung der Landeszentrale für politische Bildung und bei der KMK-Kündigung. Auflösen ohne Konzept, abschaffen! Wer hinterher welche Aufgaben erledigt, darüber kommt erst nachher das große Rätselraten. Da wissen Sie doch überhaupt nicht, was Sie wollen.
jüngsten KMK-Sitzung in Mettlach wieder vollständig von seinen Kolleginnen und Kollegen isoliert war. Nicht einmal Herr Stratmann hat ihn unterstützt; der hat lieber Urlaub gemacht. Kleinlaut hat Herr Busemann mit seinen Kolleginnen und Kollegen ein Papier unterschrieben, wonach auch die KMK in Zukunft unverzichtbar sei.
Das Ganze wäre ja wirklich lachhaft, meine Damen und Herren, wenn das Thema „Reform des Bildungsföderalismus“ nicht so ernst wäre. Sicher, die KMK braucht rasche Reformen, muss transparenter werden, effizienter arbeiten.
Wir müssen auch aus Ländersicht neu definieren und dürfen nicht einfach an den Bund geben, wie Herr Wulff das einleitet. Wir müssen neu definieren, was in unserem Schulwesen bundesweit geregelt werden muss und wo wir den Ländern weitgehend die Möglichkeiten überlassen und ihnen einräumen wollen, eigene Wege zu gehen. Wir brauchen bundesweite Abstimmung über schulformunabhängige Bildungsstandards, über die Anerkennung von Hochschulabschlüssen, Schulabschlüssen, Hochschulzugangsberechtigungen, Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer - alles keine Frage, meine Damen und Herren. Was wir aber nicht brauchen, sind detaillistische Regelungen wie z. B. das Hamburger Abkommen, das mit seinen einengenden Festlegungen die Länder daran hindert, eigenständig ihre Schulsysteme weiterzuentwickeln. Dieses Abkommen zwingt z. B. die Gesamtschulen dazu, intern ihre Schüler zu sortieren. An dieser Stelle kann die Landesregierung zeigen, ob es ihr wirklich ernst damit ist, Reformblockaden aufzubrechen und in einen Wettbewerb der Länder um das qualitativ beste Schulsystem einzusteigen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Programm der FDP zur Bundestagswahl 2002 heißt es kurz und knapp:
„Die FDP wird dafür eintreten, dass die Kultusministerkonferenz abgeschafft wird. Die Kultusministerkonferenz zerredet notwendige Reformen.“
Die niedersächsische FDP begrüßt daher ausdrücklich, dass die Landesregierung das Abkommen über das Sekretariat der Kultusministerkonferenz gekündigt hat.
Meine Damen und Herren, kaum ein politisches Gremium hat so viel Kritik erfahren wie die Kultusministerkonferenz. Eine Fachfrau, die Vorsitzende der Lehrergewerkschaft GEW, Eva-Maria Stange, wollte vor zwei Jahren „die KMK von heute auf morgen auflösen.“ Eine andere Fachfrau, Bundesbildungsministerin Bulmahn, sagte vor genau drei Monaten in einem Interview mit dem Focus:
„Das System der Zusammenarbeit der Länder in der Kultusministerkonferenz ist nicht geeignet, zeitgerecht wichtige Weichenstellungen vorzunehmen.“
Aber jetzt, nach der Kündigung durch unsere Landesregierung, echauffiert sich Frau Stange - ich zitiere aus der Hannoverschen Neuen Presse -, „die Bildungspolitik werde dadurch ins 19. Jahrhundert zurückkatapultiert.“
Der Generalsekretär der Bundes-SPD, Uwe Benneter, versteigt sich zu der Aussage, tatsächlich habe sich die Kultusministerkonferenz in den letzten Jahren und Monaten schon selbst reformiert.
Dagegen schreibt der rundblick am 6. Oktober, die 2003 eingesetzte Ministerarbeitsgruppe zur etwaigen Reform der KMK habe bislang noch nicht einmal getagt und beeile sich angesichts der angedrohten Kündigung Niedersachsens, nun möglichst schnell zusammenzukommen.
Sie, liebe Kollegen der SPD in diesem Haus, meinen offenbar auch, Reformen müssten erst noch kommen. Denn wie anders wäre die Überschrift der heutigen Aktuellen Stunde „Kultusministerkonferenz reformieren“ zu verstehen?
Die KMK muss sich an ihren Leistungen in der Vergangenheit messen lassen. Einige Beispiele: Da wurde nach endlosen Debatten eine Rechtschreibreform verabschiedet
- Sie müssen es sich trotzdem noch einmal anhören -, die sich ein paar weltfremde Sprachtheoretiker ausgedacht hatten und welche die weit überwiegende Mehrheit der Bevölkerung damals wie heute nach sieben Jahren ablehnt. Übrigens tun das auch Elfriede Jelinek und Günter Grass, die beiden deutschsprachigen Nobelpreisträger für Literatur, ebenso wie fast alle deutschen Schriftsteller von Durs Grünbein bis Martin Walser.
Angeblich sollten die Rechtschreibung logischer werden und - wörtliches Zitat aus einer Erklärung der KMK von 1997 - „das Erlernen des richtigen Schreibens erleichtert werden.“ Wie wir jetzt aus Langzeituntersuchungen wissen, ist das Gegenteil eingetreten. Die Schüler, die nur die neue Schreibung gelernt haben und sich also nicht umstellen mussten, kommen in keiner Weise besser zurecht als frühere Schülergenerationen, sondern schlechter. Schon seinerzeit bei den Beratungen der KMK haben sich viele gefragt, ob die KMK wirklich nichts Wichtigeres als die Rechtschreibreform im Sinn habe. Ist es wirklich ein Fortschritt, wenn aus einem „vielversprechenden Politiker“ jetzt nach der neuen Rechtschreibung ein „viel versprechender Politiker“ geworden ist?
Nächstes Beispiel: Die KMK hat beschlossen, die Ferientermine und besonders die Sommerferien auf einen kürzeren Zeitraum zu konzentrieren. Dadurch gibt es mehr Staus auf den Autobahnen. Einem Tourismusland wie Niedersachsen sind erhebliche Einbußen beschert worden, weil Familien mit schulpflichtigen Kindern die Saison gar nicht mehr voll nutzen können.
Drittes Beispiel: PISA. Ja, die KMK hat reagiert, aber weniger aus neuer Einsicht, sondern weil sie sich diesmal dem massiven Druck der Öffentlichkeit nicht mehr entziehen konnte. Nach PISA konnte sich niemand mehr herausreden und schönfärben. Besonders spannend: Man konnte erstmals die Bundesländer miteinander verglei
Aber es ist ja nicht so, als wären Bildungspolitiker und Fachleute der KMK durch PISA im Jahre 2001 aus allen Wolken gefallen. Es hatte schon vorher diverse, sehr sorgfältige und internationale Vergleichsstudien gegeben. Ich erinnere vor allem an die TIMSS-Studie 1995/96, bei der die mathematischen und naturwissenschaftlichen Kenntnisse auf diversen Klassenstufen verglichen wurde. Schon damals wussten alle, die es wissen wollten, dass deutsche Schüler am Ende der Sekundarstufe I eben nur deutlich unterdurchschnittliche Kenntnisse hatten, von 21 teilnehmenden Nationen Platz 13. Die TIMSS-Studie war auch ein Anlass für die berühmte Ruck-Rede des damaligen Bundespräsidenten Herzog.
Dass sich die KMK jahrzehntelang gegen internationale Vergleichsstudien gesträubt hat, hat übrigens auch Frau Bulmahn in dem zitierten Interview angeprangert. Aber auch bei der Neustrukturierung der KMK geht es jetzt um sehr grundsätzliche Fragen: Wie viel Einheit braucht unser Bildungssystem tatsächlich? Glauben wir, dass eine Instanz, welche auch immer, sozusagen von oben alle Lehrpläne ausarbeiten und vorschreiben soll? Oder glauben wir, dass sich gute und immer bessere Lösungen im Wettbewerb der Schulen und Hochschulen um die besten Ergebnisse eher herausbilden? Trauen wir den engagierten Lehrern und Eltern vor Ort? Was ist besser: Einheitlichkeit oder kreative Vielfalt? Das eine schließt das andere aus. Ich meine, viel zu viele in Deutschland haben noch immer Angst vor der Freiheit.
Ich komme gleich zum Schluss. - Ja, ich kenne das Argument: Was ist, wenn jemand von einem Bundesland in das andere umzieht? - Das klingt gut, ist aber trotzdem ein bisschen unehrlich. Hat denn die KMK bisher verhindert, dass die inhaltlichen Anforderungen oder die Stundentafeln in einzelnen Fächern von Bundesland zu Bundesland krass auseinander klaffen? Hat sie durch ihr Tun Behauptungen entkräften können, manche Länder und
manche Schulen böten im ehrenwerten Streben nach höheren Abiturquoten ein „Abi light“ an, und Lehrpläne seien zu potemkinschen Dörfern verkommen?
Es ist Zeit für einen Neuanfang. Diese Landesregierung hat den Mut gehabt. Wir sind ihr dafür dankbar.