Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kann es sehr kurz machen: Alle vier Vorrednerinnen und Vorredner haben den Handlungsbedarf deutlich gemacht, den es gibt. Ich habe in der Ausgabe der Neuen Osnabrücker Zeitung vom 25. September gesagt: Wir werden den Staatsvertrag kündigen.
- Das ist ein Staatsvertrag vom 20. Juni 1959, der mit „Vereinbarung“ überschrieben ist. Dies hat den Charakter eines Staatsvertrages. Dass Sie jeder Kamelle der KMK aufsitzen und sogar diesen Satz des Generalsekretärs der KMK, das sei kein Staatsvertrag, weitertragen, zeigt, wie wenig Sie die KMK zu evaluieren in der Lage sind; denn dazu braucht man eine gewisse Unabhängigkeit.
Ich habe in der Neuen Osnabrücker Zeitung gesagt: Dann haben wir mehr als ein Jahr Zeit, eine neue Koordinierung zu verhandeln, die effizienter, sparsamer und offener für neue Entwicklungen ist.
Was sind die Gründe für diese Kündigung? - Erstens haben wir einen wachsenden Anspruch der Bundesebene und der Bundesbildungsministerin und der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion, in unsere Kompetenzen einzugreifen.
- Herr Kollege Jüttner, Sie können in den MKPapieren nachlesen, dass es sich dabei um einen Staatsvertrag handelt, der damals als „Vereinbarung“ bezeichnet worden ist. Ich begrüße es außerordentlich, dass Sie sich hier soeben von Ihrer Bundestagsfraktion und Bundesbildungsministerin inhaltlich abgesetzt haben und dass Sie zugleich unterstrichen haben, dass wir die Kompetenz für den Kulturföderalismus bei den Ländern behalten wollen.
Das genau ist die Konfliktlinie mit Frau Bulmahn und Herrn Runde; denn die Sozialdemokratie hatte die Föderalismuskommission zusammen mit uns auf den Weg gebracht mit dem Ziel, die Mischfinanzierung zu reduzieren und die Gemeinschaftsaufgaben abzubauen. Was liegt bis dato vonseiten der Sozialdemokraten vor? - Eine Reihe von Vorschlägen für neue, zusätzliche Gemeinschaftsaufgaben insbesondere im Bereich der Bildung, um uns hereinreden zu können. Wir aber wollen diese Aufgaben in eigener Verantwortung föderal, in den Bundesländern und in den Landesparlamenten, entschieden wissen.
Die zweite Ursache für die Kündigung des KMKVertrages ist ganz gewiss, dass dort Leben in die Bude gehört. Ich habe das Gefühl, dass man in einem dunklen Zimmer das Licht eingeschaltet hat und nun die Akteure versuchen, sich für ihr Tun und Treiben aufgeregt und hektisch zu entschuldigen. Denn es gibt dort 36 Gremien, 5 Instanzenzüge und 216 Mitarbeiter allein beim Sekretariat. Die Innenminister haben vier, die Finanzminister haben zwei Mitarbeiter. Es gibt dort eine gewisse Verselbstständigung und einen Entzug parlamentarischer Kontrolle. Das wird von niemandem bestritten. Hierzu könnte ich Ihnen eine halbe Stunde lang Zitate aus allen Parteien nennen.
Aufregend ist, dass Sie gesagt haben, dass Sie 1997 dort Leben in die Bude gebracht hätten, sieben Jahre später aber immer noch diese 36 Gremien bestehen und die Reformkommission, die vor über einem Jahr eingesetzt worden ist, bis zum heutigen Tage kein einziges Papier zur Reform der KMK vorgelegt hat.
Das Aufregende ist, Herr Jüttner, dass die KMK immer fordert, dass Schulen und Hochschulen evaluiert - und zwar immer von außen - werden sollten, und nur die KMK sich anmaßt, dass sie sich selbst reformieren kann. Daran habe ich Zweifel. Diese Zweifel habe ich spätestens seit dem Tarifvertrag, den die KMK ausgehandelt hat. Denn in der Vereinbarung, die Sie eben zitiert haben, steht, dass die Beschäftigten der KMK nach dem Sitzlandprinzip besoldet und versorgt werden. Das ist hier das Land Berlin; denn die Vereinbarung beinhaltet, dass der Sitz der KMK die Bundeshauptstadt ist. Trotzdem hat sich diese KMK jedes Umzugs entzogen und ist bis zum heutigen Tage, auch 15 Jahre nach Herbeiführung der Einheit, in Bonn. Von daher müsste nach dem Sitzlandprinzip der Tarifvertrag für NordrheinWestfalen gelten. Da aber die KMK die größte Panik hat, dass das Prinzip in Berlin oder NordrheinWestfalen für sie gelten könnte, hat sie mit dem Berliner Regierenden Bürgermeister Wowereit einen Tarifvertrag ausgehandelt, nach dem für sie als Beschäftigte der Länder das Tarifrecht des Bundes gilt.
Dieses im Detail ausgehandelte Ergebnis ist sowohl der Finanzministerkonferenz als auch der Ministerpräsidentenkonferenz vorenthalten worden. Man hat seitens Berlin erklärt, die Regelung sei derart eilbedürftig, die Regelung schon Ende August mit Wirkung zum 1. Januar 2005 zu verabschieden, dass man nicht mehr das Votum der Finanzministerkonferenz abwarten könne. Deswegen hat die Finanzministerkonferenz einstimmig - mit den Stimmen aller sozialdemokratischer Finanzminister - dieses Ergebnis der KMK und des Sekretariates missbilligt und mich insoweit in dem Bestreben unterstützt, diesen Tarifvertrag zu verändern. Denn es kann für uns nicht angehen, dass wir unseren Lehrern Mehrarbeit zumuten, bei uns bis zu 40 Stunden in der Woche - in anderen Bundesländern wie Nordrhein-Westfalen 41 Stunden, in anderen Bundesländern 42 Stunden - zu arbeiten, dass wir ihnen die Sonderzuwendung auf null kürzen, weil das Land pleite ist, und dass sich die KMK für ihre Mitarbeiter ein dreizehntes volles Monatsgehalt und die Urlaubssonderzuwendung sichert. Das geht überhaupt nicht an. Das machen wir nicht.
Wir sorgen für Effizienz, Sparsamkeit und Gerechtigkeit. Wir wollen eine Länderkoordinierung, die diesen Anforderungen gerecht wird. Wir wollen Anerkennung der gegenseitigen Abschlüsse, Evaluation und Qualität. Wir wollen Zusammenarbeit und die gute Vertretung der Anliegen der Länder gegenüber dem Bund und der EU. Das leistet die KMK in der heutigen Form nicht. Warten Sie ab! Es wird am Ende eine bessere KMK geben.
b) Bye bye Umweltpolitik - Minister Sander: ‚Ich selbst muss nicht in allen Fragen kompetent sein.‘ - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 15/1376
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Minister Sander ist angetreten, der Umweltpolitik einen liberalen Stempel aufzudrücken.
Das verwundert nicht, wenn ein FDP-Politiker zum Umweltminister ernannt wird. Dass aber ein Umweltminister nach anderthalb Jahren Regierungszeit sagt, er müsse nicht in allen Fragen kompetent sein, verblüfft uns dann doch.
Das Gegenteil ist der Fall. Er kann mit der Fachkompetenz anderer nicht umgehen. Gerne diffamiert er sie öffentlich; das ist der erste Punkt.
Eine Sekunde, Frau Steiner! Verehrte Kollegen, es ist nicht möglich, dass Sie während der Plenarsitzung Sprechstunden an der Ministerbank abhalten.
Gerne diffamiert er die Fachkompetenz anderer öffentlich. Wenn er frei von der Leber weg spricht, hört sich das wie folgt an:
„Ein 87-Jähriger ehrenamtlicher Kartierer eines Naturschutzverbandes will Feststellungen über vorhandene Pflanzen und Tiere treffen. Da weiß der Landwirt besser Bescheid.“
Herr Sander stellt auch fest, dass seine Auffassung reeller sei als die der Fachleute seines Ministeriums. Wie war das doch gleich mit der eingeschränkten Kompetenz?
(Frank Oesterhelweg [CDU]: Mancher Bauer ist eben schlauer! - Heiterkeit und Beifall bei der CDU und bei der FDP)
- Die auf den Beifall entfallende Zeit bekomme ich auch abgezogen. - Das tiefe Misstrauen gegenüber Fachkompetenz in Umweltfragen war auch eine der wesentlichen Triebfedern für die Auflösung des NLÖ. Dass Verbände und Behörden die Kenntnisse und Untersuchungen des NLÖ vielfältig genutzt haben, ist ihm suspekt. Die Daten für FFHGebiete und Vogelschutzgebiete wurden ja auch vom NLÖ erhoben - von dieser angeblich zu theorielastigen Behörde. Der Praktiker Sander weiß es besser - ich zitiere-:
Der Minister hat nicht nur ein gestörtes Verhältnis zur Fachkompetenz, sondern auch zur Umweltpolitik insgesamt.
Sein Amt verlangt von ihm, dass er sich für die Belange von Natur und Umwelt einsetzt. Er begreift es aber als Spielwiese dafür, wie viel Landwirtschaftslobbyismus man als Umweltminister betreiben kann und wie man den Umwelt- und Naturschutz am besten gängeln kann.