Protocol of the Session on September 17, 2004

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich möchte auf noch etwas hinweisen, was von der Landesregierung bisher auch nicht ausreichend betrieben wird. Um in Niedersachsen die Brennstoff- und Wasserstofftechnologie Erfolg versprechend zum Laufen zu bringen, ist die Bewerbung um das EU-Förderprogramm, das ich konkret beschrieben habe, sehr wichtig. Dabei geht es um sehr viel Geld. Niedersachsen hat im Vergleich zu den anderen Standorten in Deutschland, aber auch EU-weit besondere Qualitäten, die wir beschrieben haben. Diese liegen in der Verknüpfung des bei uns geplanten Offshore-Betriebs von Windenergie, und zwar dadurch, dass wir Windanlagenbauer mit großen Erfahrungen in der Netzeinspeisung haben. Hier sind wir genau an der Grenze der Netzbelastung. Deswegen müssen wir die erste Adresse für die Vergabe der EU-Mittel sein. Aus diesem Grund hat es uns mit Sorge erfüllt, dass Niedersachsen bisher noch nicht die entsprechenden Initiativen, die von privater Seite gekommen sind, um diese EU-Mittel zu gewinnen - gerade aus dem von mir angesprochenen Topf -, unterstützt hat. Darum geht es in diesem Antrag.

(Zustimmung von Stefan Wenzel [GRÜNE])

Wir begrüßen ausdrücklich, dass die SPD-Fraktion in Richtung einer Anhörung geht. Die Wortbeiträge der Fraktionen der CDU und der FDP bestätigen uns darin, dass wir in einer Anhörung dringend über die Zuspitzung der Programme reden und die Fachleute noch einmal anhören sollten. - Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN - Christian Dürr [FDP]: Herr Hagenah, lesen Sie einfach einmal das EEG!)

Für die Landesregierung hat nun Herr Minister Sander um das Wort gebeten. Ich erteile es ihm.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Begehren Ihres Antrages, Herr Kollege Hagenah, ist von uns schon aufgegriffen worden. In der Regel sind Sie ja immer sehr schnell mit Initiativen. Ihnen muss aber entgangen sein, dass wir diese Initiative gemeinsam mit den Kollegen Hirche und Stratmann am 7. Oktober 2003 im Kabinett beraten und am 30. März 2004 vorgestellt haben. Dieser Zeitraum war notwendig, damit wir mit den niedersächsischen Firmen Gespräche darüber führen konnten, wie wir diese Initiative umsetzen können; denn es hat keinen Sinn, dass die Regierung sagt: Wir müssen etwas tun. - Wir brauchen die Wirtschaft mit der Bereitschaft, das gemeinsam mit uns zu tun. Wir hoffen, dazu in der Zukunft einen Beitrag leisten zu können.

Ich sage Ihnen ganz klar und deutlich - vielleicht wissen Sie das ja sogar; ich werde Ihnen gerne die Initiative nachher überreichen, damit Sie nachlesen können, was wir dort alles an einzelnen Projekten fördern wollen -: Wir haben z. B. im Bundesverkehrsministerium ein Projekt vorgestellt. Dieses wurde so gut bewertet - das war ein so genanntes Leuchtturmprojekt -, wir sind gerade sind, dafür EU-Mittel einzuwerben.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Sie reden schon wieder von Abschluss!)

Meine Damen und Herren, wir dürfen uns bei der Sache aber nicht verheben, um die Brennstoffzelleninitiative wirklich erfolgreich zum Abschluss zu bringen. Wir reden hier nicht über ein Jahr, über

zwei Jahre oder drei Jahre, sondern wir rechnen damit, dass wir vielleicht Mitte dieses Jahrhunderts zum Durchbruch kommen. Es gehört dazu, dass wir das realistisch betrachten. Daher ist auch der Energiemix in der Zukunft so wichtig. Sie können sich nicht hier hinstellen, als hätten Sie eine neue Idee, wie man die Kernenergie sofort ersetzen kann.

Herr Kollege Haase, ich freue mich immer, wenn Sie einen Beitrag leisten, insbesondere zum Thema Wind. Ich muss Ihnen allerdings sagen: Das ist schon eine Gespensterdebatte, wie Sie sie häufig führen. Wir sollten einmal das EEG betrachten. Herr Haase, jetzt hören Sie einmal schön zu. Das ist doch Ihre Politik, das ist die Vernebelungspolitik, die Sie betreiben. Für die Anträge Niedersachsens, auch in Schutzgebieten eine Förderung zuzulassen, gab es eine Mehrheit. Dann gehen Sie, die Partei, die Fraktion, die SPD-Fraktion, morgens um halb acht im Bundestag in den Umweltausschuss, und gemeinsam mit den Grünen streichen Sie das, was unbedingt notwendig ist, dass wir nämlich Offshore-Windparks in den Gewässern bei den Standorten Nordergründe und Borkumriff umsetzen können, heraus. Das ist Ihre Politik. Sie haben eine gewisse Doppelzüngigkeit in dieser Frage. Das werden wir Ihnen nicht durchgehen lassen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat der Abgeordnete Hagenah um zusätzliche Redezeit gebeten. Nach § 71 Abs. 2 der Geschäftsordnung erteile ich ihm zwei Minuten.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Minister Sander, Ihr Beitrag entlarvt das Landesprogramm - -

Herr Hagenah, Augenblick! - Meine Damen und Herren, es ist nicht üblich, dass hier im Parlament auf den Zuschauerrängen gegessen wird. Wenn Sie Appetit haben - ich habe dafür Verständnis -, dann gehen Sie nach draußen. - Herr Hagenah, fahren Sie fort.

Herr Minister Sander, Ihr Beitrag entlarvt das Problem, unter dem die Landesinitiative Brennstoffzelle im Augenblick leidet. Viel hilft nicht viel. Möglichst viele Projekte anzugehen, ist genauso, als wenn Sie gar nichts machen; denn damit werden diejenigen, die Schwerpunkte setzen, an anderer Stelle in der Welt die Nase vorne haben. Wir müssen uns in Niedersachsen konzentrieren.

Entlarvend ist auch, dass Sie hier dem Plenum erzählen, erst um das Jahr 2050 wäre realistischerweise mit einem Durchbruch der Brennstoffzellentechnologie zu rechnen. Da haben Sie Recht, sofern Sie von der automobilen Zukunft der Brennstoffzellen reden. Genau da ist Ihr Problem. Unser Antrag richtet sich nicht auf die automobile Zukunft der Brennstoffzelle, sondern auf den stationären Betrieb. Es wäre völlig falsch, in Niedersachsen das Rad neu erfinden zu wollen. Die Japaner und Amerikaner sind mit ihren Milliardeninvestitionen in die Brennstoffzelle für den mobilen Betrieb längst vorneweg. Deswegen sind das verschwendete Steuergelder und verschwendete Liebesmüh.

Aber im stationären Betrieb, bei der Umwandlung von Windenergie in entsprechende Wasserstoffproduktionen, um den Wasserstoff dann entweder über BHKWs wieder zurückzuverwandeln oder ihn direkt als Antriebsstoff bzw. als Ersatz für Diesel zu verwenden, z. B. im Auto, bei der Eisenbahn oder bei Fährschiffen, sind Innovationen in den nächsten Jahren möglich. Die Brennstoffzellentechnologie im stationären Bereich ist heute schon in der Praxis großtechnologisch anwendungsfähig. Deswegen ist das die Chance für unsere OffshoreStandorte. Wenn Sie das ignorieren, dann nähren Sie natürlich unseren Verdacht, dass Sie Windenergie und Offshore in Wirklichkeit nicht in dem Maße wollen, wie es Chancen für Niedersachsen gäbe. Deswegen ist unser Antrag so wichtig, um der Forschung in Niedersachsen die richtige Richtung zu geben. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wir kommen nun zur Ausschussüberweisung.

Federführend soll der Umweltausschuss sein, mitberatend der Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, der Ausschuss für den ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz,

der Ausschuss für Wissenschaft und Kultur und der Ausschuss für Haushalt und Finanzen. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das war einstimmig.

Meine Damen und Herren, ich rufe nun auf

Tagesordnungspunkt 35: Erste Beratung: Keine Untertagedeponie für Sondermüll in Stade - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 15/1255

Eingebracht wird der Antrag durch den Abgeordneten Klein von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Herr Klein, ich erteile Ihnen das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In Stade wird zum Picknick am Bohrturm eingeladen. Sonntagnachmittag gibt es Kaffee und Kuchen. Dort wollen die Stader deutlich machen, dass sie keine Sondermülldeponie in ihrem Stadtgebiet wollen. Ich finde, sie haben gute Gründe dafür.

(Wolfgang Ontijd [CDU]: Die Stader oder einige?)

- Die Stader, Herr Kollege; das sage ich ausdrücklich so.

Aber worum geht es? Letztes Jahr hat die Akzo Nobel Salz GmbH ihren Salinenbetrieb in Stade eingestellt, 275 Menschen auf die Straße gesetzt und das - wie man mich vor Ort informierte durchaus bei einem Betrieb, der schwarze Zahlen schrieb. Jetzt soll für die ausgesohlten Salzkavernen eine neue lukrative Verwendung gefunden werden. Gemeinsam mit den Braunschweigischen Kohlenbergwerken und der Niedersächsischen Gesellschaft zur Endlagerung von Sondermüll, die übrigens in der Mehrheit dem Land gehört und dessen Aufsichtsratsvorsitzender der Umweltstaatssekretär ist, hat man eine Lösung gefunden. Das Ganze soll zu einer Untertagedeponie werden, in der jährlich 100 000 t Sondermüll untergebracht werden. Sondermüll, das heißt also, besonders giftiger Müll, mit einem Gift, das im Gegensatz zur Radioaktivität keine Halbwertzeit kennt, also die Gefährlichkeit immer behält.

Als ersten Schritt zur Realisierung dieses Planes will man jetzt gemeinsam mit dem Umweltministe

rium mal eben klammheimlich den Sonderabfallwirtschaftsplan fälschen.

(Christian Dürr [FDP]: Bitte, was? - Bernd Althusmann [CDU]: Vorsicht, Strafantrag!)

- Fälschen! Ich will Ihnen das erklären. - In dem Entwurf steht heute drin, es gibt keinen Bedarf für zusätzliche Untertagedeponien. Dort steht drin, es gibt ausreichend Kapazitäten.

(Bernd Althusmann [CDU]: Das ist Verleumdung!)

- Hören Sie zu! - Dort steht drin, diese Kapazitäten sind in räumlicher Nähe vorhanden. Die BKB ist schneller in Hessen und in Sachsen-Anhalt als in Stade. Dort steht auch drin, dass die Deponien, die vorhanden sind, schwach ausgelastet sind. Wer das nicht glaubt, muss sich nur den Entsorgungspreis anschauen, der absolut am Boden ist.

Dort steht auch drin, dass die Wirtschaftlichkeit nicht mehr gegeben ist. Bisher wurde dies von allen so vertreten, übrigens auch von der NGS. Es wird nach wie vor von allen so vertreten. Ich erinnere auch an die Äußerungen des Kollegen Behr in der lokalen Zeitung.

Jetzt soll dort drinstehen, dass all diese Dinge, die ich eben aufgezählt habe, gestrichen sind, dass der Bedarf als festgestellt gilt und dass Stade unbedingt erforderlich und außerdem hervorragend geeignet ist.

Meine Damen und Herren, Sie können das ja die wunderbare Wandlung eines Umweltministers nennen. Ich nenne das einfach Fälschung.

(Bernd Althusmann [CDU]: Das ist ei- ne bösartige Verleumdung!)

Schauen wir einmal zurück. Der gesamte Vorgang wurde mitten in die Sommerzeit gelegt, in die Zeit einer verringerten öffentlichen Aufmerksamkeit, sowohl die Anhörung zum Plan selbst also auch die Initiative der NGS, diesen Plan kurzfristig zu ändern. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Aber niemand kann mir erzählen, dass das Umweltministerium von der Initiative überrascht wurde. Hier sollten die Menschen vor Ort ausgetrickst werden.

Dazu passt auch ein weiterer Aspekt. Die Betreiber loben pauschal in zwei, drei Sätzen die wirtschaftliche, technische und umweltpolitische Machbarkeit des Vorhabens. Dabei ist das Ganze noch ein

Spiel mit vielen Unbekannten. Es wäre schön, wenn wir heute auf einer besseren Datenlage diskutieren könnten. Das wäre möglich gewesen. Ich habe Ende Juli eine Kleine Anfrage mit einer Vielzahl von Fragen zu diesem Projekt gestellt. Nach acht Wochen, also bis heute, habe ich nicht einmal die in diesem Fall längst überfällige Bitte um eine Fristverlängerung auf dem Tisch. Ich frage Sie: Warum wohl? Ich behaupte, Herr Sander befürchtet, dass er uns damit weitere Argumente gegen sein Vorhaben geliefert hätte, Niedersachsen nach dem Atomklo Gorleben nun auch noch das Giftmüllloch Stade zu bescheren - und das zugunsten einer spottbilligen Endlagerung und zulasten von Vermeidung von Verwertung.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, in der Region lehnen alle lokalen Akteure dieses Projekt ab - und das - wie ich sagte - aus guten Gründen. Sondermüll hat in einem Wohngebiet mit Schulen, Kindergärten und sozialen Einrichtungen nichts zu suchen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Da reicht es auch nicht aus, zur Akzeptanzförderung die Kaverne, die am nächsten an diesem Gebiet liegt, auszusparen. Auch das Argument „Nutzung einer Industriebrache“ zieht nicht; denn es gibt dort längst bessere Pläne. Dort, wo Betreiber demnächst Sondermüll verpanschen wollen und die Giftmülltransporte zu den Kavernen pendeln sollen, plant Stade ein CFK Valley. Es geht dabei um Leichtbauhochtechnologie im Zusammenhang mit der Airbus-Produktion. Das hat selbst die sonst politisch so zurückhaltenden örtlichen AirbusManager veranlasst, gegen diese Planung zu protestieren.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist das Image von Stade. Ich nehme an, Sie alle kennen HerfaNeurode. Eine Suche bei Google unter dem Stichwort „Herfa-Neurode“ ergibt 488 Fundstellen, keine einzige über eine schöne Altstadt, keine über eine schöne Umgebung, keine über interessante Kulturprojekte. Die 488 Fundstellen beschäftigen sich ausschließlich mit der dortigen Giftmülldeponie. Auch ich gebe zu, ich habe mit Herfa-Neurode noch nie etwas anderes assoziiert als diese Anlage.

Da kann es doch nicht ernsthaft der Wille sein, ein erfolgreiches touristisches Stadtmarketing und z. B. das Projekt „Maritime Landschaft Unterelbe“

in dieser Art und Weise zu konterkarieren. Meine Damen und Herren, das hat Stade nicht verdient.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)